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Einleitung


Autor: Jörg R. J. Schirra
[erschienen in: IMAGE 5 (Ausgabe Januar 2007) ]

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Die Einleitung gibt einen kurzen Einblick in den Inhalt der 5. Ausgabe von IMAGE.

Vier Beiträge bietet Ihnen die hier vorliegende fünfte Ausgabe von IMAGE im Hauptheft und im Beiheft acht weitere Artikel speziell zum Thema „Computational Visualistics and Picture Morphology“. Dabei spannen sich die Themen von der Interpretation eines klassischen filmpsychologischen Experiments über die kunsthistorische Betrachtung zur Diskussion der Bedeutung von Bildern bei der Entwicklung des Begriffs der Wissenschaftlichkeit und zwei Beiträge, die sich auf sehr unterschiedliche Weise mit Wahn und Fantasie beschäftigen, bis hin zur Behandlung bildsyntaktischer Fragen in der Informatik.

Wegen des Umfangs des von mir herausgegebenen Beiheftes haben wir uns entschlossen, es als separaten Band zu setzen. Daher sei an dieser Stelle eine etwas ausführlichere Inhaltsangabe eingefügt: Nach einer allgemeinen Einführung in den Themenkomplex der informatischen Bildmorphologie beschäftigen sich zwei Beiträge zunächst mit der Frage nach möglichen Systemen bildhafter Syntax und deren Elementen. Aus einer an Design und Designtheorie angelehnten Perspektive wird im Artikel von Engelhardt ein Set aus Bausteinen, mit denen sich Graphiken formal beschreiben lassen, vorgestellt. Einen Überblick über die Repräsentation von Raum im Bereich der formalen Ontologie – der Künstlichen Intelligenz und Kognitionswissenschaft zugehörig – gibt der Beitrag von Borgo und Kollegen. Dabei werden, ohne allzuviel Nachdruck auf die zugrundeliegenden logischen und mathematischen Formalismen zu legen, die Anwendung von mereogeometrischen Kalkülen auf die Bildmorphologie diskutiert. Während Engelhardt ausgehend von mehr oder weniger informellen Begriffen, wie sie in der Designtheorie verwendet werden, eine systematische Kategorisierung der graphischen Objekte und ihrer Kombinationsregeln sowie eine Typologisierung des bedeutungsvollen graphischen Raums erarbeitet, diskutieren Borgo et al. die Vorschlag, abstrakte und hochformale, in Kalkülen ausgearbeitete Geometriebegriffe für die Bildsyntax nutzbar zu machen.

Kurth beschreibt in seinem Beitrag spezielle grammatische Formalismen, die ursprünglich gar nicht auf Bilder abzielen, sondern auf eine Art von abstrakten Objekten: Diese entstehen durch ein regelgeleitetes, quasi-biologisches „Wachstum“ von Teilen zu einem komplexen räumlichen Arrangement. Diese (Folgen von) Anordnungen werden in der Regel in Form von (Sequenzen von) Bildern zur Darstellung gebracht, so daß die zugrunde liegenden grammatischen Formalismen zumindest indirekt auch die Bildmorphologie betreffen.

Während Kurth vor allem an der räumlichen Anordnung irgendwie gearteter Teile ganz allgemein interessiert ist, verschiebt sich mit dem Beitrag von Isenberg die Aufmerksamkeit auf die möglichen bildrelevanten Teile selbst, die flächig oder räumlich arrangiert ein Bild ergeben, etwa Pixel, (Pinsel-)Striche oder Graftals: Dazu gibt er einen Überblick über die Techniken der sogenannten „non-photorealistischen“ Computergraphik, in denen eine Vielzahl von morphologischen Modifikationen informatisch analysiert wurden.

Auch die Arbeit von du Buf und Rodrigues zielt auf die computergraphische Herstellung nicht-photorealistischer Darstellungen ab: Die Autoren erklären, wie informatische Modelle neurophysiologischer Erklärungen der visuellen Wahrnehmung dazu verwendet werden können, sogenannte „malerische“ Bilder automatisch herzustellen. Dabei spielt eine Verschränkung von im engeren Sinn syntaktischen Verfahren (Übergänge von Pixeln zu größeren morphologischen Einheiten) mit semantischen Projektionen (von inhaltlichen Entitäten zu morphologischen Strukturen) eine wichtige Rolle.

Schließlich steuert Hermes mit der SVP-Gruppe eine deutlicher auf praktische Anwendung ausgerichtete Arbeit bei, die die Diskussion zugleich auf Filme ausweitet. Leitfrage ist dabei, wie sich mehr oder weniger automatisch aufgrund von im Wesentlichen syntaktisch-morphologischen Prinzipien ein akzeptabler Trailer aus einem Spielfilm generieren läßt. Die Gruppe präsentiert ein entsprechendes Programmsystem, dessen Ergebnisse empirisch mit kommerziellen Trailern verglichen wurde. Das Beiheft endet mit einigen abschließenden Bemerkungen, wobei insbesondere auch Fragen nach den syntaktisch nicht wohlgeformten Bildern und den morphologischen Aspekten reflexiver Bildverwendungen, aber auch nach den Grenzen der Bildmorphologie aufgegriffen werden.

Das Herausgebergremium wünscht Ihnen mit dem zweigeteilten Heft 5 von IMAGE eine vielfach anregende Lektüre.