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Technische Bilder: Aspekte medizinischer Bildgestaltung


Autor: Angela Krewani
[erschienen in: IMAGE 9 (Ausgabe Januar 2009)]

Schlagwörter: Röntgenfilm, Nanotechnologie, medizinische Bildgestaltung

Disziplinen: Medienwissenschaft, Wissenschaftsforschung


From the outset, technologies of visual media have been applied in medical contexts. Especially the x-ray technology adapted filmic representation. These filmic images exceeded the discipline towards public screenings in form of a spectacle. In the early twentieth century, the x-ray films offered a well-known form of entertainment. The contemporary medical images in television shows, such as /CSI/ or /ReGenesis,/ can be considered as continuations of the earlier spectacular images. But the crossover effects work into two directions insofar as the public medical images have also influenced scientific imaging, as some examples from nanotechnology clearly display.

Von ihrem Beginn an wurden Medientechnologien auch in medizinischen Kontexten eingesetzt. Insbesondere die Röntgentechnologie involvierte filmische Verfahren. Diese Verfahren wurden allerdings nicht nur im innerdisziplinären Kontext eingesetzt, sondern sie dienten auch dem öffentlichen Spektakel. In den ersten Dekaden des 20.Jahrhunderts war der „Röntgenfilm“ mit anderen medizinischen Darstellungen ein beliebtes Unterhaltungsgenre. In diesem Sinne können die medizinischen Bilder in zeitgenössischen Fernsehserien wie CSI und ReGenesis als Fortführung der frühen medizinischen Spektakel begriffen werden. Die visuellen Charakteristika des medizinischen Unterhaltungsfilms haben jedoch rückgewirkt in die wissenschaftliche Bildgestaltung. Viele Bilder innerhalb der Nanomedizin dokumentieren den populären Aspekt dieser Bilder.

1. Einleitung

Die zeitgenössischen Naturwissenschaften und die Medizin zeichnen sich durch ihre fortschreitende Medialisierung aus, d.h. bildgebende Verfahren scheinen die Präsenz des Forschungsobjekts zu ersetzen. Ausgehend von der Verbindung von Film und Röntgenologie wird ein Überblick über die fortschreitende Visualisierung und Technisierung medizinischer Bilder angeboten. Angesichts digitaler Massenmedien wird im Zuge der Visualisierung die Trennung zwischen interner Wissenschaftskommunikation und öffentlichem Spektakel aufgehoben. Wissenschaftliche Bilder in zeitgenössischen Fernsehserien erhöhen deren Spektakelwert. Gleichzeitig dokumentiert die Anwendung und Einbindung wissenschaftlicher Bilder die Stellung einer Wissenschaftsdisziplin im Wissenschaftsbetrieb. Deutlich wird das am Beispiel der Nanotechnologie vorgeführt.

Während sich das Fach Medienwissenschaft lange auf die audiovisuellen Massenmedien Film und Fernsehen beschränkte, hat es in den letzten Dekaden eine Öffnung hin zu einem breiteren Medienbegriff erfahren, der vor allem die Medialität historischer und aktueller Wahrnehmung in den Vordergrund schiebt. Im Zuge der Öffnung des Fachs sind verstärkt die medialen Aspekte zeitgenössischer Naturwissenschaften und vor allem der Medizin in den analytischen Fokus gerückt.

Seit je her haben die Naturwissenschaften in Form von Zeichnungen, Tabellen, Diagrammen ihr Wissen visuell dargestellt. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um semiotische Systeme und nicht authentische Wiedergaben des Forschungsobjekts (GALISON 1997). Die zeitgenössische Wissenschaftsforschung weiß um die Konstruiertheit und die Objektferne des Bildes, das gerne als Produkt technischer, kultureller und sozialer Diskurse verstanden wird (LYNCH 2006). In den folgenden Ausführungen wird das naturwissenschaftliche Bild nicht nur als kulturelles oder soziales Produkt begriffen, sondern die angeführten Überlegungen zielen darauf ab, die technischen und kulturellen Vorbedingungen wissenschaftlicher Bildgestaltung mit in die Reflektion einzubinden.

Im Rahmen der Wissenschaftsgeschichte und ihrer Visualisierungsverfahren stellten die Verbreitung von Fotografie und Film aufgrund ihrer gesteigerten Dokumentationskompetenz einen erheblichen Einschnitt dar. Die Bedeutung der technischen Medien für die Wissenschaft wurde umgehend verstanden. Insbesondere der Film, seine technischen Bedingungen und die Komplexität seiner Montage garantierten neue Formen der Wissenskonstitution, verlangten zudem aber die Fähigkeit zum Verständnis filmspezifischer Technologien. Am Medium Film tritt aufgrund seiner technischen Gegebenheiten seine Wahrnehmung strukturierende Kompetenz besonders deutlich in Erscheinung.

Der innerhalb der Filmtheorie entwickelte Begriff des Dispositivs beschreibt die technische Wahrnehmungsanordnung des Mediums (BAUDRY 1986). Im Kontext naturwissenschaftlicher Bildgestaltung reicht demnach keine formale oder ästhetische Analyse der vorliegenden Bilder, sondern die technischen Bedingungen der Bildkonstruktion müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden. Damit sind im Rahmen der langen Geschichte der wissenschaftlichen Bildgestaltung drei markante Einschnitte zu verzeichnen:

  1. Die Einführung der Fotografie, die eine neuartige, technisch-apparative Bildgestaltung darstellt,
  2. die Einführung des Films, der als erstes Medium Bewegung zu reproduzieren und aufzuzeichnen in der Lage ist,
  3. die zeitgenössische Digitalisierung von Bildern und Daten, die ein völlig neuartiges Verhältnis von Darstellung und Objekt initialisierte. Für das digitale Bild wird nicht mehr zwingend ein äußeres Objekt gebraucht: Bildgestaltung ist demnach schon Interpretation visueller Konventionen, wie William Mitchell betont (MITCHELL 1995: 163). Im Gegensatz zur analogen Fotografie, die eines externen Objektes bedarf, ist die digitale Bildgestaltung in der Lage, jeglichen Datensatz in ein Bild zu verwandeln.

Angesichts der divergierenden Verfahren muss davon ausgegangen werden, dass unterschiedliche Technologien der wissenschaftlichen Bildgestaltung zugrunde liegen, die sich in jeweils verschiedenen Formen in das Bild einschreiben. Die sich anschließende Frage zielt auf die inneren Dynamiken von Wissenschaftsdisziplinen und deren visuelle Manifestationen.

Im Folgenden werden eine Reihe von Bildgebungsverfahren vorgeführt, um daran exemplarisch zu demonstrieren, welche technischen Dispositive jeweils hinter ihnen stehen. Meine These in diesem Kontext zielt darauf ab, dass die jeweiligen technischen Verfahren der Bildgestaltung auch die Dynamiken beeinflussen, die die Bilder vom wissenschaftlichen in den öffentlichen Diskurs überwechseln lassen und deren Semantiken umschreiben. Im öffentlichen Diskurs werden Bilder aus Medizin- und Naturwissenschaften als Unterhaltung, ich bezeichne das als Spektakel, eingesetzt.

Meine Beispiele sind in historischer Reihenfolge

  1. der Röntgenfilm
  2. Darstellungen aus der forensischen Pathologie in der Fernsehserie CSI
  3. mikrobiologische Filmaufnahmen aus der Serie ReGenesis
  4. Bilder der Nano-Medizin.

2. Die Röntgentechnologie

Wie bereits erwähnt, haben technische Bildmedien von ihren Anfängen an das Interesse der Naturwissenschaften auf sich gezogen, sie wurden umgehend in die jeweiligen Forschungsprozesse integriert. Robert Koch zum Beispiel hat sehr intensiv mikroskopische Arbeiten mit der Fotografie verbunden und auch der Film wurde direkt ins Repertoire der bildgebenden Verfahren eingebunden. Schon die Nachrufe auf den Filmpionier Charles Lumière betonten die besondere Bedeutung des Films für die Wissenschaft, Lisa Cartwright zufolge galt das neue Medium in erster Linie als dokumentierendes Werkzeug für wissenschaftliche Darstellungen. Die fiktionalen Dimensionen wurden anscheinend erst später in Betracht gezogen (CARTWRIGHT 1995: 1 ff.).

Evelyn Fox Keller weist im Rahmen der Geschichte der Mikrobiologie darauf hin, dass durch den Film zum ersten Mal in der Geschichte der Wissenschaft das Leben selbst abgebildet werden konnte (KELLER 2002: 218). Der amerikanische Filmtheoretiker Scott Curtis verfolgt den Aspekt der Beweglichkeit der Bilder und vermutet in den durch die Montage hergestellten Zeitraffer- bzw. Zeitdehnungsstrukturen des Films dessen zentrale Qualitäten. Erst durch den Film können, wie Curtis anmerkt, Vorgänge wie Molekularbewegungen sichtbar gemacht werden (CURTIS 2005).

Der Mikrobiologe Jean Comandon, der die Verteilung und die Bewegungen von Syphilis Bakterien dokumentierte, gewann die Unterstützung der französischen Filmfirma Pathé Frères und eröffnete 1907 ein Labor für Mikrokinematographie. Auch Jean Comandon betrachtete die Filmkamera – wie vorher schon das Mikroskop – als Instrument der Wahrnehmungserweiterung. Interessanterweise gebraucht er, ähnlich wie in den 1920er Jahre der russische Experimentalfilmer Dziga Vertov, die Metapher des erweiterten Auges bzw. des aufgerüsteten Körpers zur Beschreibung einer Medientechnologie.

»Microcinematography alone is capable of conserving the traces of phenomena occurring in the preparation. Like the retina of an eye which never tires, the film follows, over a prolonged period, all the changes which occur, even better, the cinematograph is, like the microscope itself, an instrument of research, while the one concerns visual space, the other concerns time, in condensing or spreading out movements by accelerating or slowing them; it reduces their speed to a scale that is more easily perceptible, which, indeed, reveals to us that which we had never suspected.« (Comandon, zit. n. LANDECKER 2005: 125)

Neben der ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Anwendung jedoch wurde bereits der Röntgenfilm als Spektakel im öffentlichen Raum eingesetzt. Filmhistoriker bestätigen, dass es in der Geschichte des frühen Films keine Trennung hinsichtlich filmischer Genres gab: Sowohl Spielfilme, als auch Dokumentarfilme oder eben vorgeblich wissenschaftliche Filme wurden unterschiedslos dem öffentlichen Vergnügen dargeboten (GUNNING 1990).

Öffentliche Wirksamkeit ist indes auch anzutreffen in den Röntgenfilmen des Chemikers und Dokumentarfilmers Martin Rikli, der zwischen 1936 und 1937 unter dem Titel Röntgenstrahlen vier Filme vorlegte, die zur Erbauung des Publikums die Wirkung von Röntgenstrahlen vorführten. Ermöglicht wurden die Filme durch die Kooperation mit dem Röntgenmediziner Robert Janker, der an der Universitätsklinik Bonn ein Verfahren entwickelt hatte, kinematographische Röntgenfilme herzustellen (HOFFMANN 2002).

Die Nähe des Films zum Spektakel entwickelt sich langsam. Erst einmal beginnt Röntgenstrahlen I wie ein gewöhnlicher Lehrfilm mit den Fakten um die Entdeckung der Strahlen. Etwa in der Mitte des Films wird der sachliche Ton verlassen und sie beginnen, eine »Gratwanderung zwischen Sensation und Skurrilität« (HOFFMANN 2002: 421) darzustellen. Etwa wenn Mäuse in einem Laufrad gezeigt werden, eine Katze beim Fressen oder Hühner beim Eierlegen. Ebenfalls sieht man Frauenhände beim Stricken oder Häkeln.

3. Filmbeispiele

Schon hier lässt sich feststellen, dass das einst als ›wissenschaftlich‹ intendierte Verfahren schnell im Sinne öffentlichkeitswirksamer Unterhaltung umgesetzt wurde. Allerdings kann, Kay Hoffmann zufolge, noch eine Unterscheidung zwischen Bildern, die für den internen Forschungsprozess bestimmt waren, und denjenigen, spektakulären für die Öffentlichkeit festgestellt werden (HOFFMANN 2002: 421).

Ebenso spektakulär wie die Röntgentechnologie wurde die seit den 1960er Jahren entwickelte Endoskopie aufgenommen: Eine Kamera wird am Ende eines Katheders in den Körper eingeführt und vermittelt so den Blick in das Körperinnere. Inzwischen ist die Endoskopie eine vor allem in der Medizin weit verbreitete Methode der Sichtbarmachung.

In fiktionaler wie in Science Fiction Hinsicht ist diese Fantasie gleichzeitig mit den ersten Anfängen der Endoskopie im Jahr 1966 mit dem Film Fantastic Voyage thematisiert. Eine Gruppe von Forschern bereist das Innere eines Körpers auf der Suche nach einem Gehirntumor, den es zu zerstören gilt. Interessanterweise finden wir hier schon – wie später in der Nanotechnologie – eine Gleichsetzung von Innen- und Außenräumen, bzw. die Innenwelten des Körpers werden zum ›outer space‹ der Raumfahrtfiktionen:

»Man is in the center of the universe. We stand in the middle of infinity to outer and inner space and there is no limit either.«



ABBILDUNG 1

Screenshot aus Fantastic Voyage


Allerdings liegen zwischen Röntgentechnik und Endoskopie nicht nur einige Jahrzehnte medizinischer Entwicklung, sondern die medialen Implikationen beider Technologien differieren sehr stark.

Grundlage des klassischen Röntgenfilms ist die traditionelle Kinematographie, wie sie Baudry in seinen Überlegungen zum Dispositiv charakterisiert. Das filmische Geschehen ergibt sich durch die Projektion auf eine weiße Leinwand, die Zuschauer sind fest eingebunden im Kinoraum, mit Blickrichtung auf eben diese Leinwand. Für den naturwissenschaftlichen und medizinischen Kontext ergibt sich aus diesem Dispositiv eine Anordnung, die eine Reihe von Distanzen herstellt: Der durchleuchtete Körper ist – im klassischen Röntgenfilm – nur noch als Repräsentation, d.h. als Bild anwesend. Zwischen Zuschauer und Film besteht eine räumliche und zeitliche Distanz, der Vorgang der Durchleuchtung und deren Darstellung fallen zeitlich auseinander. Das filmische Negativ bedarf noch einer chemischen Behandlung, bevor es die auf ihm enthaltenen Vorgänge repräsentieren kann. Zudem besteht ebenfalls noch eine Distanz zwischen der medizinischen und der medialen Apparatur (BAUDRY 1986).

Angesichts dieser technischen und wahrnehmungsbedingten Ausgestaltung kann davon ausgegangen werden, dass das Dispositiv zusätzlich medialen und wissenschaftlichen Diskursen einen festen Platz einräumt und diese stabilisiert.

Hinsichtlich ihres Dispositivs differiert die technische Anordnung der Endoskopie erheblich von den kinematographischen Vorgaben des Röntgenfilms. Die beteiligten Technologien schreiben eine völlig neue Anordnung von Medium, Aufzeichnung und Körper vor, die sich grundlegend von derjenigen der Kinematographie unterscheidet:

  • Die zeitliche Distanz zwischen Aufnahme und Repräsentation ist aufgehoben. Schon während der Aufnahme wird das Bild des Körperinnen auf einen Bildschirm geworfen.
  • Die Materialität des Speichers ist eine andere: Im Gegensatz zum Einzelbild auf Zelluloid handelt es sich hier um digitale bzw. elektronische Speicherverfahren.
  • Ebenfalls obsolet erscheint die durch die Wahrnehmungsanordnung bewirkte Distanz zwischen Leinwand und Zuschauer: Technische Grundlage der Darstellung ist nicht mehr die Einheit von Projektor und Leinwand, sondern der Computerbildschirm, der die medialen Implikationen des Fernsehbildschirms mit sich bringt. Gleich dem Fernsehen offeriert der endoskopische Bildschirm ›live‹ aus dem Körperinnen. Hinzu kommt das Zusammengehen von medialer und medizinischer Apparatur, wie auch José van Dijck anmerkt, wenn z.B. durch dieselbe Körperöffnung eine Kamera wie auch chirurgisches Instrumentarium geschoben werden. So verschmelzen Operationssaal und Bildschirm räumlich unter dem Zeichen einer Fernsehästhetik.

»The trick of virtual endoscopy is that it resembles a video film taken with an actual camera inside the body, yet, in fact, it is an projection of the interior, extrapolated from digital data. The real body is represented as spatial information, resulting in a high-resolution visualization that is neither a photo nor a model, but an animated reconstruction of computer data.« (DIJCK 2005: 15)

Zusammenfassend muss hier festgestellt werden, dass sich die Endoskopie als ›direktes‹ bildgebendes Verfahren erheblich von der Röntgenkinematographie unterscheidet.

Als Folge des Wegfalls einstmaliger technischer Distanzen erscheint eine größere Verfügbarkeit und schnellere Verbreitung der Bilder. Wie in Hinblick auf die Röntgenkinematographie bereits andeutet, wird der Spektakelwert der Bilder erhöht. Die weite digitale Verfügbarkeit der Bilder unterstützt einen bidirektional ausgerichteten Austausch zwischen Wissenschaftsdisziplin und Unterhaltungsindustrie. Demgemäß werden schon die medizinischen Bilder des Körperinnen als performative Ausrüstung ansonsten traditionell erzählter Fernsehserien gerne eingesetzt.



ABBILDUNG 2

Screenshot aus CSI-Episode Pledging Mr. Johnson (1. 4.)


Besonders die amerikanische Fernsehserie CSI – Crime Scene Investigation ist ein hervorragendes Beispiel für die Kombination von kriminalistischem Erzählen und spektakulären Visualisierungen des Körperinnen. Im Gegensatz zu den einfachen Narrationsstrukturen der Serie, die einem ›who dunnit‹ Prinzip mit pro Folge abgeschlossener Handlung folgt, bilden die visuellen Elemente experimentelle und komplexe Muster aus. Lichtgebung, Montage und Kameraführung fallen aus dem ansonsten standardisierten Repertoire des Genres Fernsehserie und sie bereiten auf die spektakulären Bilder aus dem Körperinnen vor. Ähnlich wie der Röntgenfilm, der sich der angeblichen wissenschaftlichen Aufklärung verschrieb, folgt auch die Narration einem vorgeblich wissenschaftlichem Impetus: Handlungsschauplatz ist die pathologische Abteilung der Polizei, die Fälle aufzuklären hat. Folglich beginnt jede Folge mit dem Fund einer Leiche, deren Todesursache bzw. Mörder gefunden werden muss. In diesem Zusammenhang bieten sich die Bilder der forensischen Pathologie an, da sie zentrale Momente der Handlung darstellen.

Ein ähnliches, wenn auch komplexeres Muster verfolgt die kanadische Serie ReGenesis, deren Handlungsort ein staatliches Labor für Mikrobiologie ist. Hauptfigur Dr. David Sandstroem, der wissenschaftliche Leiter des Labors, ist als Figur komplexer ausgestaltet als diejenigen in CSI. Insgesamt folgt die Serie einem komplexeren narrativen Muster mit offenen, nicht abgeschlossenen Handlungssträngen. Auch hier bieten sich Bilder des Körperinnen sowie mikrobiologische Filmaufnahmen an. Insgesamt arbeitet ReGenesis mit einer komplexeren Bildästhetik, die neben den mikrobiologischen und medizinischen Bildern mit ›split screens‹ und ›fast backwards‹ arbeitet.

Die Flexibilität und Ubiquität wissenschaftlicher Repräsentationen im öffentlichen Raum spricht meines Erachtens für eine anwachsende Durchlässigkeit einstmals getrennter Kommunikationsbereiche von wissenschaftlichen Disziplinen und öffentlichen Diskursen. Auch bestärkt durch die Digitalisierung und die damit einhergehende Ubiquität von Bildern ist eine Affinität von ›dokumentarischem‹ Bild und ›spektakulärem‹ Bild entstanden, die keine Unterscheidung der Bilder mehr ermöglicht.



ABBILDUNG 3

Screenshot aus ReGenesis-Episode The Source (1. 10)


Virulente Beispiele für die Ununterscheidbarkeit zwischen öffentlichem Spektakel und wissenschaftlicher Dokumentation bieten weite Teile der Nano-Medizin bzw. der Nanotechnologie. In ihrer öffentlichen Repräsentation erscheint die Nanotechnologie als ein hochgradiges Zwitterprodukt zwischen wissenschaftlicher Disziplin und öffentlichem Diskurs. Durch die Größe des Forschungsobjekts und die zentrale Stellung medialer Bildkonstruktion in Form der Mikroskope und der daran anhängenden technischen Bildverfahren innerhalb derer Rastertunnelmikroskop Oberflächen abtastet und diese in Datensätze verwandelt, rücken Bilder in das Zentrum der Wissenskonstruktion (HACKING 1985). Ich möchte hier die These wagen, dass eine Relation zwischen technischer Komplexität der Bilder und diskursiver Instabilität herrscht. Je komplexer und interdisziplinärer die Bildgestaltung ausfällt, desto empfänglicher bzw. angreifbarer wird sie für fremde Diskurse bzw. ein Bildrepertoire aus dem öffentlichen, populären Gedächtnis. Das ist in vielen Fällen auf die technische Genese der Bilder zurückzuführen. Viele Softwareingenieure kommen aus dem Bereich der filmischen Bildgestaltung und nehmen sich das Repertoire computergenerierter Filme zum Vorbild.



ABBILDUNG 4

Nanorobot in the bloodstream


Insbesondere die Nanotechnologie bedient sich eines Bildrepertoires, auch im Inneren ihrer eigenen Disziplin, das dem Science Fiction Film zu entspringen scheint und auch oft mit deutlichen Verweisen auf diesen arbeitet. Die Eingabe des Begriffs ›Nano-Medizin‹ in Google ergab eine Reihe von Einträgen, die häufig auf den Film Fantastic Voyage verwiesen. Ich zitiere hier aus einem Beispiel, das sich auf der Homepage der amerikanischen Nasa befindet:

»It’s like a scene from the movie ›Fantastic Voyage‹. A tiny vessel – far smaller than a human cell – tumbles through a patient’s bloodstream, hunting down diseased cells and penetrating their membranes to deliver precise doses of medicines.« (http://science.nasa.gov/headlines/y2002/15jan_nano.htm (04.10.08))

Der anfängliche Vergleich wie auch die Sprache des Zitats verweisen eher auf den ›Thriller‹ denn eine wissenschaftliche Prozedur, wie auch das begleitende Bildmaterial sich problemlos in vorhin angesprochene Fernsehserien einfügen ließe.

Abschließend muss danach gefragt werden, wie sich die Dynamiken zwischen populärem Bildgedächtnis und wissenschaftlicher Disziplin speisen. In Hinblick auf die Etablierung der Chemie als Wissenschaftsdisziplin kann festgestellt werden, dass visuelle Repräsentationen in dem Prozess eine wesentliche Rolle gespielt haben. Mit fortschreitender Seriosität der Disziplin wurden die Bilder in den Hintergrund gedrängt und fielen wesentlich weniger spektakulär aus (KNIGHT 1993).

Eine ähnliche Entwicklung ist in den noch relativ jungen Disziplinen Mikrobiologie und Nanotechnologie zu beobachten. Die relative Durchlässigkeit der Bilder mag auch mit dem noch nicht sehr etablierten Status der Wissenschaft zu tun haben, die ähnlich wie das Beispiel der Chemie im späten 19. Jahrhundert, in ihren Repräsentationsformen noch nicht durchgängig kanonisiert ist.


Literatur

  • BAUDRY, JEAN LOUIS: Ideological Effects of the Basic Cinematographic Apparatus. In: ROSEN, PHILIP (Hrsg.): Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader. New York [Columbia University Press] 1986, S.286-298
  • BAUDRY, JEAN-LOUIS: The Apparatus: Metapsychological Approaches to the Impression of Reality in Cinema. In: ROSEN, PHILIP (Hrsg.): Narrative, Apparatus, Ideology. A Film Theory Reader. New York [Columbia University Press] 1986, S.299-318
  • CARTWRIGHT, LISA: Screening the Body: Tracing Medicine’s Visual Culture. Minneapolis [University of Minneapolis Press] 1995
  • CURTIS, SCOTT: Die Kinematographische Methode. Das ›Bewegte Bild‹ und die Brownsche Bewegung. In: montage/av, 14.2. 2005, S. 23-43
  • DIJCK, JOSE VAN: The Transparent Body: A Cultural Analysis of Medical Imaging. In: Vivo. Seattle [University of Washington Press] 2005
  • FOX KELLER, EVELYN: Making Sense of Life. Explaining Biological Development with Models, Metaphors, and Machines. Cambridge (MA) [Harvard University Press] 2002
  • GALISON, PETER: Image and Logic. A Material Culture of Microphysics. Chicago [University Of Chicago Press] 1997
  • GUNNING, TOM: The Cinema of Attractions: Early Film, the Spectator and the Avant-Garde. In:
  • ELSAESSER, THOMAS (Hrsg.): Early Cinema: Space, Frame, Narrative. London [BFI Publishing] 1990, S. 56-62
  • HACKING, IAN: What Do We See Through the Microscope? In: CHURCHLAND, PAUL M.; HOOKER, CLIFFORD A. (Hrsg.): Images of Science: Essays on Realism and Empiricism, with a Reply from Bas C. Van Fraassen. Images of Science: Essays on Realism and Empiricism, with a Reply from Bas C. Van Fraassen. Science and Its Conceptual Foundations. Chicago [University of Chicago Press] 1985, S. 132-153
  • HOFFMANN, KAY: Die Welt mit dem Röntgenblick sehen. Das Kinematographische Wunder der Röntgenstrahlen. In: POLZER; JOACHIM (Hrsg.): Aufstieg und Untergang des Tonfilms, 6. Aufl., Berlin [Polzer Media Group] 2002, S. 413-422
  • KNIGHT, DAVID M.: Pictures, Diagrams and Symbols: Visual Language in Nineteenth Century Chemistry. In: MAZZOUNI, RENATO G. (Hrsg.): Non Verbal Communication in Science Prior to 1900. Firenze [Olschki] 1993, S. 321-344
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  • LYNCH, MICHAEL: The Production of Scientific Images. Vision and Re-Vision in the History, Philosophy, and Sociology of Science. In: PAUWELS, LUC (Hrsg.): Visual Cultures of Science. Hanover/NH [University of Dartmouth Press] 2006, S. 26-40
  • MITCHELL, W. J. THOMAS: Picture Theory. Chicago/London [The University of Chicago Press] 1995