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Bildökonomie. Von den theologischen Wurzeln eines streitbaren Begriffs


Autor: Emmanuel Alloa
[erschienen in: IMAGE 2: Kunstgeschichtliche Interpretation und bildwissenschaftliche Systematik]

Schlagwörter: Bilderstreit, Eikonomie

Disziplinen: Philosopie, Theologie, Ökonomie


Die Bildwissenschaften haben sich jüngst - nicht zuletzt durch Matthias Bruhns Buch "Bildwirtschaft" - vermehrt für die Frage der ökonomischen Implikationen von Bildern interessiert. Gegen das Vorurteil, die Tradition hätte das Bild stets nur ontologisch gedacht, soll mit dieser Begriffsgeschichte des Wortes "Bildökonomie" aufgezeigt werden, wie die Argumentation der Ikonophilen im byzantinischen Bilderstreit auf einem Denken der "oikonomia" beruht.

In den letzten Jahren tauchte in den Redaktionen klassischer Printmedien eine neue Gestalt auf: der Bildmanager. Weder Journalist noch Photograph besetzt er nichtsdestoweniger eine zunehmend wichtige Gelenkstelle in der medienökonomischen Verschaltung von Schrift und Bild. Seine Aufgabe besteht weniger in der Produktion von Wortbeiträgen bzw. von neuen Sichtbarkeiten denn in der Verwaltung eines Bildhaushalts, dessen Fertigprodukte durch gezielte Unterschriften der Information visuelle Überzeugungskraft verleihen. Derartige unmittelbar zu dechiffrierende „Fertigbilder“ (Bruhn/Schneider 1998) sind nicht nur in der gegenwärtigen Aufmerksamkeitsökonomie unentbehrlich, sie sind – als Standardtypen des westlichen Bildfundus’ – universell einsetzbar. Seit Matthias Bruhns Untersuchung über die Implikationen jener Stock-photography-Datenbanken für die „Bildwirtschaft“ der Massenmedien (Bruhn 2002) interessiert sich die Bildwissenschaft vermehrt für die ökonomischen Rahmungen im Einsatz von Bildern. Nun ist der Forderung, den Fokus von der ontologischen Frage über das Wesen des Bildes nach dessen pragmatischen Verwendungs- und Wirkungsweisen zu verlagern, die politische Ikonographie bereits lange gefolgt. Aus den Reihen der Politikwissenschaft wird heute allerdings moniert, dieses aus der Kunstgeschichte stammende Fach sei ihrer auf Darstellung von Herrschenden maßgeblich konzentrierte Mutterdisziplin noch zu sehr verpflichtet, um einem breiteren Politikbegriff Rechnung tragen zu können (vgl. auch den Beitrag von Benjamin Burckhardt). Doch wie weit auch immer die Extension des Politikbegriffs gefasst wird: geht das Modell des politisch handelnden Akteurs nicht entschieden am Phänomen des Bildmanagers vorbei? Ist diese Gestalt nicht emblematisch für die neue „Bildwirtschaft“, in der das herkömmliche politische Paradigma der Aushandlung abgelöst wird durch das ökonomische Paradigma der Administration? Folgender Beitrag möchte dem Begriff „Bildökonomie“ in dessen historischen Wurzeln nachgehen, die in die Zeit des byzantinischen Bilderstreits im 8. und 9. Jahrhundert zurückreichen. Leitend wird dabei die Hypothese, dass die Bildökonomie dort auf den Plan tritt, wo Gesetz und Bild antinomisch aufeinanderprallen.

I. Antike Hauswirtschaft

Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Begriff der Ökonomie nicht etwa durch die den modernen Marktliberalismus begründenden Wirtschafstheoretiker des 19. Jahrhunderts kurrent wird, sondern bereits im Zeitalter des Absolutismus eingeführt wird, um das Verwalten des fürstlichen Haushaltes zu beschreiben. Vorbild ist dabei aller Wahrscheinlichkeit nach das (pseudo-)aristotelische Traktat Oikonomikos (vgl. Victor 1983), das Mitte des 13. Jahrhunderts ins Lateinische übertragen worden war. Beim Übergang von der vertikalen Ständegesellschaft in eine horizontale Verkehrsgesellschaft jedoch erweist sich das Modell der privaten Hausverwaltung als inadäquat. So erklärt Johann Georg Schlosser 1798 anlässlich seiner Übertragung der aristotelischen Politik und Ökonomik ins Deutsche, Aristoteles habe nicht ausreichend zwischen „der Staats- und der Privat-Haushaltung“ unterschieden (Schlosser 1798, Bd. 3, 217). Schlossers durch die aufkommende „politische Ökonomie“ überformter Blick täuscht derweil darüber hinweg, dass es sich bei dieser Ausweitung der ökonomischen Sphäre auf den öffentlich-politischen Raum um eine anachronistische Interpolation handelt, sind doch die zwei Arten der Gemeinschaft (Hausgemeinschaft und Polisgemeinschaft) laut Aristoteles wesensmäßig unterschieden (Pol. 1252a7ff; 1261a16ff). Während sich die politische Ordnung durch einen Wechsel von Regieren und Regiertwerden auszeichnet, sind die Hierarchien in der häuslichen Ordnung statisch (1259b1ff, 1278b17ff, ferner Nik. Eth. 1160b25ff). Der Hausvater ist Herr (despotēs) des Oikos und unterhält zu jedem der Mitglieder des Hauses ein je spezifisches Verhältnis: zur Ehefrau besteht eine „eheliches“ Verhältnis (gamikē), zu den Kindern ein „väterliches“ (patrikē), zu den Sklaven ein „herrschaftliches“ (despotikē). (1253b10, 1259a38). Aufgrund jener internen Ausdifferenzierungen ist die autarke Geschlossenheit des Hauses gewährleistet, welche wiederum die Teilnahme des Hausherrn als freiem Bürger am öffentlichen Leben ermöglicht (1253a). Mit Hannah Arendt, welche eine Reflexion über den grundlegenden Unterschied zwischen Oikos und Polis an den Anfang ihrer Vita activa stellt: „Die Polis unterscheidet sich von dem Haushaltsbereich dadurch, dass es in ihr nur Gleiche gab, während die Haushaltsordnung auf Ungleichheit geradezu beruhte“ (Arendt 1972, 42). So ist die Politik durch eine horizontale Struktur der Austauschbarkeit gekennzeichnet, welche die Aushandlung von Meinungen und Ansprüchen vor dem Hintergrund der prinzipiellen Isonomie garantiert; die Oikonomie hingegen regelt die Relationen mit den Ungleichen innerhalb eines unitären, vertikalen Gefüges. Nicht an der Vermehrung der Güter, sondern an der Wahrung des harmonischen Gleichgewichts des Hauses muss sich der gute Hausverwalter (oikonomos) messen, weshalb Aristoteles auch unterscheidet zwischen Oikonomie und Chrematistik (Erwerbskunst) (Pol. 1257b19f.). Aufgabe des Hausvaters, der einem Herrscher gleichgestellt wird (Pol. 1259b) ist mitnichten die Produktion, sondern die Verteilung der Güter an die von ihm abhängigen Mitglieder des Hauses. Dass die Produktivität über den Eigenbedarf der Familienmitglieder hinaus verwerflich ist, beweist Aristoteles’ Haltung gegenüber dem Zinsertrag (tokos) durch Wucher, den er als naturwidrig (para physin) ablehnt (1258b1-8), weil er nur auf Vermehrung des Hausrats aus ist. (Oikonomia und Physis sind also stets voneinander abhängig, während, wie noch zu sehen sein wird, im christlichen Denken die symbolische Besetzung die Ordnung der Physis transzendiert: die Muttergottes (theotokos) ist rundweg die „Ertragreiche“).

II. Heilsökonomie

Auf der Folie dieser griechisch-heidnisch Theoretisierung der Oikonomia nimmt es nicht Wunder, dass die Septuaginta für das Gleichnis des Verwalters (Lukas 12,42) den Terminus oikonomos einsetzt. Seine Erfolgsgeschichte im Christentum hat der Begriff oikonomia indessen Paulus zu verdanken. Wie zentral dieser Terminus in den paulinischen Schriften ist, wurde durch die uneinheitlichen Übersetzungen verschleiert. In der Tat verleiht der Bekehrte von Damaskus dem Wort eine semantische Extension, die bislang unerhört war und auch in der lateinischen Wiedergabe keine Entsprechung findet. Paulus’ Ökonomiebegriff erstreckt sich auf drei Bereiche: 1) die Hausordnung der christlichen Gemeinschaft 2) die Heilsökonomie der Inkarnation 3) die Verhältnisbestimmung zwischen Heiligem und Profanem.

Zu 1: die zahlreichen, im Laufe seiner 14 Jahre währenden Reisen gegründeten Gemeinschaften bitten den „Apostel der Völker“ um praktische Anweisungen, wie das gemeinschaftliche Leben zu organisieren sei. Eine Vielzahl von Paulus’ Briefen, die zugleich bezeichnenderweise die frühesten christlichen Texte darstellen, regelt somit das Verhältnis von Männern und Frauen, von Männern und Kindern, von Hausherrn und Sklaven (am deutlichsten in Kol. 3,18-4,1) Paulus verbindet hier offenbar alttestamentliche Überlieferungen mit der heidnischen Tradition der Ökonomik zu Haustafeln, welche erste Ansätze zu einer „Oeconomia christiana“ liefern, wie sie die Melanchthon oder Menius im 16. Jahrhundert konzipieren (Richarz 1991).

Zu 2: Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Einführung des hauswirtschaftlichen Begriffs als Theologumenon. Die Regelung der Beziehungen zwischen Hausmitgliedern wird zum christologischen Basismodell: Im Ereignis der Inkarnation bestätigt sich das genealogische Band, das Schöpfer und Menschen verbindet. Das Verhältnis zum Vater ist keines der Wahl, sondern eines der Zeugung: wer die Fleischwerdung Christi verleugnet, verleugnet sich folglich selbst. Sämtliche weltliche Differenzen werden in Gottes Haus aufgehoben: „Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Juden und dem Griechen“ (Röm. 10,12). Dabei geht es nicht lediglich um einen sozialen Status – etwa den des gleichgestellten freien römischen Bürgers –, vielmehr um eine Gleichheit durch die väterliche Gnade. Das Wort der Auferstehung (anastasis), das die griechischen Bürger auf dem Areopag als den Namen einer neuen Gottheit missverstehen, welche Paulus in der athenischen Polis einzuführen gedächte (Apg. 17,18) steht stattdessen für die grundlegende Freiheit in der göttlichen Hausgemeinschaft: „Du bist kein Sklave mehr, sondern Sohn, auch du bist Erbe dank der Gnade Gottes“ (Gal. 4,7). Die sozialen Unterschiede, welche de facto weiterbestehen, sind in der eschatologischen Perspektive der Heilsökonomie bereits aufgehoben.

Zu 3: Zwischen der Mikrostruktur der christlichen Zellen und dem realisierten, endzeitlichen Heilsplan klafft eine Lücke, welche die dritte Bedeutung des Wortes oikonomia füllen soll. Paulus, der sich selbst als „Verwalter [oikonomos] der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor. 4,1f) bezeichnet, sucht nach Wegen, die Teilhabe an der Gnade (charis) allen Weltbürgern zugänglich zu machen. Die göttliche Ökonomie beschränkt sich weder auf einen Satz religiöser Vorschriften (daher die „Gesetzesgläubigkeit“, die Paulus den Juden vorwirft) oder abstrakter Vernunftregeln (man denke an die Verdammung der griechischen „Weisen“) noch ist die Mitgliedschaft eine biologisch-körperliche: dass Christus Jude war, macht die Juden noch nicht zu potentiell höherwertigeren Christen. Jeder Bürger der Oikumene gehört in gleicher Weise dem Oikos Gottes an, dennoch muss jeder – wie in jeglichem Haushalt – anders angesprochen werden und so besteht die göttliche Ökonomie im richtigen Einsatz der Mittel angesichts der Ungleichheit in der profanen Welt. Wie Christus als weiser Erzieher (paidagogos) seine Zuhörer verschieden adressierte, werden sich auch ihre oikonomoi aller zur Verfügung stehender Mittel bedienen müssen:

„Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser - nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi -, um die Gesetzlosen zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten“ (1 Kor. 9,20-22).

Schon hier deutet sich mithin die Spannung zwischen der wörtlichen Befolgung des Gesetzes (akribeia) an und der Berücksichtigung der Heterogenität im Weltlichen. Das Vielfältige ist das Mittel zur Realisierung des Heilsplans und zugleich die Bedrohung dessen Einheit, die stets in Frevel (asebeia) umzuschlagen droht.

III. Bildmacht

Damit das Christentum zur universellen Religion aufzusteigen vermag, muss sie sich die weltlichen Machtmedien dienlich machen. Paulus, den man mit Alain Badiou zu Recht als „Begründer des Universalismus“ (Badiou 1997) wird ansehen dürfen, erkennt dies frühzeitig und schreibt nicht von ungefähr seine wichtigste Epistel an die „Römer“. Die asymptotische Annäherung von Sakralökonomie und profaner Realpolitik lässt sich nirgendwo deutlicher ablesen denn in der Darstellung von Kaiserbildnissen. Im Johannesevangelium heißt es noch: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14, 8f.). Seit Paulus impliziert dieses Sehen jedoch – im Gegensatz zu den anderen Aposteln (ob nun synoptisch oder nicht) – keine physiologische Zeugenschaft, sondern eine symbolische (Paulus ist Christus zeitlebens nie begegnet, auf dem Weg nach Damaskus erblickte er einzig dessen „Erscheinung“). Symbolisch ist diese sichtbare Konkretion, insofern sie den Gesetzen der Physis enthoben ist; zugleich ist sie realpräsentisch, da sie keine Doppelung in Repräsentanten und Repräsentiertes erlaubt. Als „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol. 1,15) ist Christus nicht dessen Stellvertreter, eher bestätigt er als dessen sichtbare Gestalt dessen Wirkung in der Sinnenwelt. Der Sohn existiert durch den Vater, doch umgekehrt kommt der Vater in der Welt durch den Sohn zur Existenz.

Unter dem Einfluss des Christentums wandelt sich in den ersten Jahrhunderten ebenfalls die Auffassung der römischen Kaiserbildnisse: von einem Repräsentanzverhältnis des abwesenden Monarchen gelangt man zu einer Gleichzeitigkeit von Herrscher und Bild: „Im Bildnis ist der Anblick und die Gestalt des Kaisers und im Kaiser ist der im Bild gegebene Anblick“. So die später während des Bilderstreits immer wieder angeführten Worte von Athanasius (Adversus Arianos, III,5, in: PG 26, 332A), der – in einer eindeutigen Verwendung der Formel aus dem Johannesevangeliums – die Analogisierung von Kaiserbild und Leib Christi legitimiert: „Das Bild könnte sagen: ‚Ich und der König sind eins und dasselbe. Ich bin in ihm und er in mir; was du in mir siehst, siehst du auch in ihm und was du in ihm gesehen hast, siehst du in mir’“ (ebd.). Auf den römischen Münzen ist auf der Vorderseite der Kaiser abgebildet, auf der Rückseite das Kreuz. Durch die geschlossene Zirkularität von Gott, Christussymbol, Kaiserkörper und Bild wird das geregelte Verhältnis von weltlicher Macht und spiritueller Vorsehung garantiert: der Kaiser ist Nachahmer (mimetēs) Christi, er garantiert die Einheit des Katholikons. Jene gegenseitige Verstärkung von weltlicher und geistlicher Macht drückt sich in der Münzpolitik Justinians II. aus, der nach 692 solidi prägen lässt, deren Rückseite statt mit dem Kreuz, das einst Konstantin zum Sieg verhalf, nun mit einem Christusbildnis versehen ist. Neben dem Gottessohn und der Gottesmutter lässt sich Justinian auf der imago clipeata („Schild-Bild“) abbilden, wobei die heiligen Gestalten das Reich ebenso schützen sollen wie der Kaiser den wahren Glauben. Eben jene Ökonomie, welche die gegensätzlichen Kräfte in ein homöostatisches Verhältnis der Differenz setzt, erkennen die byzantinischen Ikonoklasten im 8. Jahrhundert nicht mehr an.

IV. Eikonomie

Die Ouvertüre der als „byzantinischer Bilderstreit“ bekannten Epoche (726-843) bildet Leons III. Zerstörung des Christusbildes über dem bronzenen Chalketor in Konstantinopel und dessen Ersetzung durch ein Kreuz. Die ambivalente Symbolökonomie des Göttlichen, das in die menschliche Sphäre hineinreicht, wird unterbrochen und durch einen repräsentationalen Zeichenwert ersetzt, welcher die Differenz zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem markiert. Sichtbarkeit gebührt allein der realkörperlichen Kausalkette: auf den Münzen, auf denen zuvor der Gottessohn abgebildet war, lässt er von nun an seinen eigenen Sohn (den zukünftigen Konstantin V.) darstellen und dem Papst Gregor II. in Rom brieflich mitteilen, dass er, Leon, von nun an „Papst und Kaiser in einem“ sei. Der Siegeszug der Araber, welche das Reich in Teilgebieten bedrohen, sei laut Leon unter anderem auf die strengere Auslegung des Bilderverbots zurückzuführen. Gegen diese von Leon V. und seinen Nachfolgern geforderte Rückkehr zum Wort, welche das ikonoklastische Konzil von Hiereia 754 kanonisiert, entwickelt sich in den Reihen der Bildverteidiger eine höchst nuancierte Theorie der Ikone. Für diese ikonophilen Bildtheorie, welche auf dem (gemäß der offiziellen Zählung letzten ökumenischen) Konzil von Nicäa 787 offizialisiert wird, hat Marie-José Mondzain in Image, icône, économie (Mondzain 1996) die Zentralität des Oikonomia-Begriffs nachweisen können. Nachdem das Wort bei Paulus eine erste semantische Verschiebung vom sozialtheoretischen auf den theologischen Bezirk erfahren hatte, wird es in den Traktaten der Bildapologeten nun in den Boden der Darstellungsproblematik verpflanzt (zur Kasuistik dieser semantischen Verschiebung Thurn 1961). Oikonomia ist indes in der Beweiskette nicht nur als Begriff tragend, es strukturiert vielmehr die gesamte ikonophile Rhetorik von innen. Eine solche mehrgliedrige Taktik, welche auf mehreren Ebenen operiert, ist schon deshalb vonnöten, weil sich die Bilderstürmer auf ein entscheidendes Argument stützen können: ist der Bund zwischen Moses und Gott nicht gerade durch die Gesetzestafeln besiegelt worden, welche das Darstellungsverbot des Göttlichen ausdrücklich statuieren? Es kann für die Bildverteidiger keine Rede davon sein, diesen in den Geboten Form gewordenen Bund zu verleugnen. Dieses Gesetz behält seine Gültigkeit, doch innerhalb dieses Rahmens wurde ein neuer Bund geschlossen, in welchem das Gesetz gleichsam suspendiert ist, stellt sich doch Gott selbst in Gestalt seines fleischgewordenen Sohnes dar.

1) Fleischwerdung als Statt-Finden: Dieser neue Raum der Sichtbarkeit untergräbt die legalistische Distanz zwischen Gesetz und Anwendung, indem ein Plan der Unmittelbarkeit eingerichtet wird: „wir stehen nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (Röm 6,14). Vom Regime der Auslegung der Schrift, welche allein den berechtigten Interpreten vorbehalten bleibt, gelangt man zu einer Austeilung der Gnade, welche sich selbst den Weg zum Einzelnen bahnt. An der Apsis der Koimesiskirche von Nicäa (Iznik) – einem der wenigen überlieferten Bildzeugnisse aus dem Zeitalter des Ikonoklasmus (und auch nur in einer Schwarzweißphotographie, geschossen vor der Zerstörung der Kirche während des Unabhängigkeitskriegs 1922) – ist zu sehen, wie aus der Sphäre des Einen die drei Strahlen der Trinität auseinanderstreben. Aus dem mittleren Strahl wird die Muttergottes (Theotokos), welche den Sohn zur leiblichen Sichtbarkeit führt. Ausdrücklicher als bei Paulus selbst heißt es, im Anschluss an ihn, bei Bischof Athanasius von Alexandrien (4. Jh.): „Als Mächtiger und Schöpfer des Universums, baut er in der Jungfrau für sich selbst den Körper als einen Tempel, er eignet ihn sich an wie ein Mittel (organon), um sich bekannt zu machen und darin zu wohnen.“ (De incarnatione 8,3, in: PG 25, 109C) In der Nomie jener Inkarnationsökonomie wird man folglich nicht das Gesetz (nomos) herauslesen dürfen, sondern das Verb nemein, das Ein- und Verteilen, von dem sich der juristische Gebrauch als Unterbereich erst ableitet. Die Ökonomie der Fleischwerdung als sichtbarer Körper stiftet den göttlichen Haushalt neu, an dem jeder Einzelne gleichermaßen teilhat, ohne dass die politischen Teilungen dadurch in Frage gestellt wären.



Abbildung:Theotokos mit Kind, Apsis der Koimesiskirche in Nicäa (Iznik, Kleinasien)

2) Dispositio: Wie eine die Rangunterschiede beibehaltende häusliche Einheit konfiguriert werden kann, weist die trinitarische Ökonomie auf: seit dem Konzil von Chalkedon 451 sind die drei Personen der Trinität geschieden und doch wesensgleich. Als Abbild (typos) des Urbilds (archetypos) steht der Sohn in einer asymmetrischen Abhängigkeit zum Vater, welche jedoch zugleich die unmögliche Abspaltung markiert. Das Lateinische, das, wie bereits Quintilian feststellt, „kein Wort für oeconomia kennt“ (Institutio oratoria Buch III, 3,9) wird mithin diesen diagrammatischen Aspekt des Begriffs mit dispositio wiedergeben, eine funktionale Anordnung dergestalt, dass das Heterogene nebeneinander bestehen kann, ohne die Einheit zu sprengen. Der zweite Term, den die lateinischen Kirchenväter einsetzen, – dispensatio – ist aufschlussreich, um den anderen, operativen Aspekt der oikonomia zu erfassen, der insbesondere in den Schriften der zweiten Generation der Ikonophilen (Theodor von Studion und Patriarch Nikephoros) zum Tragen kommt.

3) Dispensatio leitet sich von dem Verb dispendo oder dispando ab, dessen Stamm die Verteilung (dis-) bei gleichzeitiger Wahrung des Waagengleichgewichts (pendo, pendulum) bedeutet. Jenseits der spekulativen Christologie, welche das Verhältnis zwischen Vater und Sohn bestimmt, sowie der Ontologie des Bildes nach dem Wesen von Urbild und Abbild, die in den Konzilsbeschlüssen (horoi) bestimmend sind, geht es in der Bildfrage um das alte paulinische Problem, wie die Heilsziele am ökonomischsten erreicht werden können. Bei diesem „eschatologisch fundierten Pragmatismus“ (Mondzain 2004, 874) kommt dem Bild eine maßgebliche Rolle zu. Die heiligen Ikonen sind mehr denn nur Stützen des Wortes, mehr denn „Bücher für Schriftunkundige“ – mit dieser Sentenz von Gregor dem Großen – „damit diese wenigstens auf die Kirchenwände schauend lesen, was sie nicht in den Büchern zu lesen vermögen“ (PL 77, 1006). Stattdessen sollen sie über die Schwelle des sakralen Ortes hinaus ebenfalls an die Ungläubigen ausgesandt werden, welche die Heilige Schrift ablehnen, als Einsatz „außerhalb der heiligen Häuser“ (ektos tōn hagiōn oikōn, Nikephoros, in: PG 100, 465A), damit Heilsplan und Welthaus (oikumene) zur Deckung kommen.

In diesen drei Aspekten der oikonomia geht es folglich um ein Abbildungsproblem. Als „lebendes Bild des unsichtbaren Gottes“ (Theodor von Studion, PG 99, 501D) sublimiert Christus die Gesetzesordnung der jeweils menschlichen wie göttlichen Verfassung in eine Ökonomie der Durchdringung. „Wer das Bild nicht anerkennt“ – so der wiederkehrende Satz bei den Autoren des 9. Jahrhunderts – „lehnt die Gesamtheit der Ökonomie ab“. Für einen byzantinischen Griechen liegt darin nichts Verwunderliches, spricht er doch Hausordnung (oikonomia) und Bildordnung (eikonomia) auf gleiche Weise aus.

Dennoch bleibt dieses Gleichgewicht stets prekär, drohen doch die Mittel der Oikonomia, welche mit konträren Kräften rechnen muss, den Gesamtplan zum Fall zu bringen. Nikephoros fragt daher in einem Brief, ob es eine „einzige Oikonomie für jeden Menschen gibt und für jede Überschreitung“ und „durch wen am besten verteilt werden soll“ (PG 99, 1077). Die Ambivalenz, welche die Bildökonomie stets an den Rande der Gesetzesüberschreitung (parabasis) führt, erklärt die Mehrsinnigkeit des Terminus dispositio selbst: neben der Bedeutung von Austeilung, Verwaltung umfasst er auch die Ausnahme, den Dispens. Am deutlichsten ausformuliert wird die Dispenstheorie beim Patriarchen Photius, welcher oikonomia definiert als „zeitweise Außerkraftsetzung oder Suspendierung der strengen Gesetze“ (Ta amphilochia, q. 1, in: PG 101, 65A) Und Photius fährt fort: „In Abhängigkeit von der Schwäche derjenigen, die bekommen, verwaltet der Gesetzgeber den Gesetzeserlass“ (ebd.). Das Darstellungsverbot wird somit nicht abgeschafft, sondern lediglich suspendiert; deren Anwendung zeitweilig aufgehoben. Die von Carl Schmitt an der Wurzel seiner Politischen Theologie (1922) verorteten Theorie des Ausnahmezustands (vgl. dazu nun Agamben 2004), findet mithin während der mittleren byzantinischen Zeit ihre höchste Rechtfertigung im Rahmen einer „ökonomischen Theologie“.

V. Jenseits von Handlung und Produktion: Bildverwaltung

Bislang verwendeten die Bildwissenschaften – allen voran die Kunstgeschichte – vornehmlich eine Kategorie, um Handlungs- und Wirkungsweisen von Bildern zu beschreiben: Bildpolitik. Der Erforschung vom gezielten Einsatz von Bildern seitens politischer Machthaber war Hauptanliegen der politischen Ikonographie. Neuere Ansätze – insbesondere aus der Politikwissenschaft – werfen dieser aus der Kunstgeschichte erwachsenen Forschungsrichtung vor, sie setze unausgesprochen das Modell des neuzeitlichen Souveräns voraus, ein Modell, das sich in postnationalen Kontexten zunehmend als kritisch erweist. Stattdessen solle, um jener neuen Konfiguration Rechnung zu tragen, die Kategorie der Bildpolitik auf sämtliche Bereiche des Bildhandelns erweitert werden. Auffallend bleibt unterdessen, wie eine Kategorie, welche am Anbeginn der politischen Theorie steht, unangefochten bleibt: die Kategorie der Handlung. Man wird schwerlich die Wirkung von Bildselektionsverfahren in den Massenmedien schmälern wollen (der Titel der Boulevardzeitung Bild ist hierbei schon Programm), dennoch sollte die Frage berechtigt sein, ob man im Falle des Bildmanagers angemessen von Bildhandlung oder gar von Bildpolitik sprechen sollte. Absicht vorliegenden Essays war es, für besagte Phänomene statt ‚Politik’ eine andere klassische griechische Kategorie zu rehabilitieren: ‚Ökonomie’. Nun bedarf es nicht erst Johann Georg Schlossers Hinweis, um festzustellen, dass es zwischen dem aristotelischen und dem gegenwärtigen Gebrauch des Begriffs Ökonomie kaum eine Entsprechung gibt, beginnt unser Verständnis davon doch gerade dort, wo das griechisch-klassische endet, nämlich an der Schwelle des Hauses. Was für Aristoteles als das Regime des Geschlossenen par excellence fungiert, fällt – über die Zwischenstufe der „Staats-Oekonomie“ – seit dem neuzeitlichen Liberalismus unter die Domäne des „Öffentlichen“. In einer Gleichsetzung von „Öffentlichkeit“ und „Politischem“, welche Hannah Arendt kenntlich machte (vgl. Arendt 1972, 33-97), werden der als „öffentlich“ aufgefassten Ökonomie nun paradoxerweise Eigenschaften der griechischen Polis zugeschrieben: Freiheit aller Teilnehmer, Chancengleichheit, horizontale Austauschbarkeit.

Einen Ausweg aus dieser in das Oxymoron „politische Ökonomie“ mündenden Aporie könnte über jenes Modell führen, welche das Bildproblem stets ökonomisch dachte: die Modell, das man gewöhnlich unter „politischer Theologie“ versteht und von nun an besser als „ökonomische Theologie“ bezeichnen sollte. Vom Bildmanager über Datenbanken und Medienverteiler bis zum kulturellen Bildhaushalt – das Zeitalter der Massenmedien ist von der byzantinischen Ära, zumindest in ihren Metaphern, nicht sonderlich weit entfernt. Kein Souverän ferner, „Kaiser und Papst in einem“, der eigenmächtig Bildregie zu führen vermöge, ebenso wenig aber ein Markt frei zirkulierender und verfügbarer Sichtbarkeiten. Die Medienökonomie steht unter dem Imperativ weitestmöglicher Verteilung und ausdifferenzierter Kapillarpenetration bei gleichzeitiger maximaler Beibehaltung des Monopols. Aus dem frühmodernen Problem der Produktion wird in Zeiten der Tertiärökonomie ein Problem der Verwaltung.

Das Beispiel des zweiten Irakkriegs zeigt die Spannung zwischen dem Imperativ der sichtbaren Verwertung der Kriegshandlungen und der Gefahr der Berichterstattung durch unabhängige Medien. Beschränkten sich die Bilder 1991 auf Übertragungen von indexikalischen Minimalsichtbarkeiten (Lichtschlieren vor dem grünen Nachthimmel der Infrarotkameras), sollten beim zweiten Irakkrieg die Bilder in Echtzeit in alle alliierten Haushalte versendet werden. Die technischen Standards waren mittlerweile so fortgeschritten, dass nicht mehr das praktische Herstellen jener Aufnahmen auf dem Spiel stand, sondern das Eindämmen abträglicher Bilder und die Kontrolle des Videoflusses. Allein vom Verteidigungsministerium eigens zuvor ausgebildete embedded reporters, dem Korps buchstäblich einverleibt, waren zu Mitschnitten befugt, welche wiederum ausnahmslos durch die Selektion einer eigens eingerichteten Agentur gefiltert wurden. Die verteilende dispensatio ist gewährleistet, die „Ökonomimesis“ (Derrida) bedient. Nur bis zu dem Zeitpunkt allerdings, wo die Folterbilder aus Abu Ghraib auf dem Markt auftauchen. Der amerikanische Stab hatte außer Acht gelassen, dass die Bildproduktion selbst nicht allein embedded reporters vorbehalten, dass nunmehr jeder Soldat Visualitäten hervorzubringen imstande war. So lässt Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 12. Mai 2004 per Dekret jegliche Photo- oder Filmaufnahme in Gefängnissen auf Kriegsterritorium verbieten. Man wird diese Geste nicht anders verstehen können als das hoffnungslose Unterfangen, aus der Epoche der Bildökonomie in die Ära des theologischen Bilderverbots zurückzufinden. „Es kann hier jedoch, Verehrter,“ hatte Patriarch Nikephoros seinem bilderfeindlichen Kontrahenten vorgehalten „nicht um Theologie gehen, in der von Abbildung und Ähnlichkeit keine Rede sein kann, sondern um Oikonomie, dank derer man das Vorbild und dessen Entfaltung zu sehen vermag“ (PG 99, 353B). Trotz oder besser wegen einiger Bestrebungen, die Bilder in das Regime des Buchstäblichen rückzuführen, beweist der Irakkrieg daher ganz wie der byzantinische Ikonoklasmus, dass im ökonomischen Regime jede bildliche Ausgestaltung mit der jeweiligen Situation zu rechnen und mit Gegenkräften stets zu zählen hat.

Literaturangaben

Agamben, Giorgio (2004): Ausnahmezustand, Homo sacer II,1, übers. v. Ulrich Müller-Schöll. Frankfurt/M.

Arendt, Hannah (1972): Vita activa oder Vom tätigen Leben, München 2002.

Badiou, Alain (1997): Saint Paul. La fondation de l’universalisme, Paris.

Bruhn, Matthias; Schneider, Pablo (1998): „Fertigbilder. Allegorien des Alltäglichen“ in: kritische berichte 2, Juni 1998, S. 32-43.

Bruhn, Matthias (2003): Bildwirtschaft. Verwaltung und Verwertung der Sichtbarkeit. Weimar.

Migne, Jacques-Paul (1844ff.): Patrologia Cursus completus, Series graeca [PG] und Series latina [PL], Paris.

Mondzain, Marie-José (1996): Image, icône, économie. Les sources byzantines de l’imaginaire contemporain, Paris.

Mondzain, Marie-José (2004): “Oikonomia”, in: Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles, hg. B. Cassin, Paris, S. 872-876.

Richarz, Irmintraut (1991): Oikos, Haus und Haushalt. Ursprung und Geschichte der Haushaltsökonomik, Göttingen.

Schlosser, Johann Georg (1798): Aristoteles. Politik und Fragment der Oeconomik, ins Deutsche übertragen und mit einem Kommentar versehen, 3 Bd.e, Lübeck-Leipzig.

Thurn, Hans (1961): Oikonomia von der frühbyzantinischen Zeit bis zum Bilderstreit. Semasiologische Untersuchung einer Wortfamilie, München.

Victor, Ulrich (1983): Aristoteles Oikonomikos. Das erste Buch der Ökonomik-Handschriften, Text, Übersetzung und Kommentar- und seine Beziehungen zur Ökonomikliteratur, Königstein.

Abbildungsnachweis: Theotokos mit Kind, Apsis der Koimesiskirche in Nicäa (Iznik, Kleinasien)