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Rechtsextreme Bannerwerbung im Web. Eine medienspezifische Untersuchung neuer Propagandaformen von rechtsextremen Gruppierungen im Internet


Autor: Stefan Meier
[erschienen in: IMAGE 2: Kunstgeschichtliche Interpretation und bildwissenschaftliche Systematik]

Schlagwörter: Rechtsextremismus Internet Bannerwerbung Onlinekommunikation

Disziplinen: Mediensemiotik Semiotik Medienlinguistik Linguistik


Das Internet ist mittlerweile das wichtigste Propagandamittel zur Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts. Es wird mit all seinen Möglichkeiten der Online-PR genutzt. Nicht nur über Websites, Portale und eCommerce-Auftritte wird Propagandamaterial und kommerzielle Artikel wie T-Shirts, Musik, Computerspiele etc. vertrieben, sondern auch mit Hilfe von Werbebannern machen Betreiber von rechten Online-Auftritten auf sich aufmerksam.
Der Text stellt nach einer allgemeinen Einführung in Entwicklungen und Praktiken rechter Agitation im Netz die Textsorte Politbanner als Mittel der Werbung und Vernetzung der rechten Szene vor.

The Internet is the most important media to publish radical right-wing ideology. The agitators are using every possibility Online Public Relations provides. They distribute texts, posters and flyers or articles like shirts, music and computer games on web portals and ecommerce platforms. Besides they commit banner to attract new users. The text gives a overview of german right-wing agitation in the web and introduce the genre banner for advertising and networking among the right-wingscene.

Einleitung

Rechte Propaganda bestand seit jeher zu großen Teilen aus pointierten Botschaften, die mit Mitteln visueller Inszenierung medial vermittelt wurden. Bereits Wahlplakate der NSDAP unterschieden sich häufig von Plakaten anderer Parteien durch klare Bildaussagen und auf Slogans und Parolen reduzierte Textbotschaften, die mit gezielt eingesetzter Typografie ergänzt waren. Farben und Formen der Reichskriegsflagge, des Hakenkreuzes, des Eisernen Kreuzes, des Reichsadlers sowie Schriftzeichen und bildliche Metaphern aus germanischer und römisch-griechischer Mythenwelt wurden auf Fahnen, Standarten, Transparenten und Plakaten zu neuen ideologischen Zeichenkompositionen zusammengesetzt. Sie dienten als visuelle Repräsentationen einer deutschnationalen bzw. nationalsozialistischen Weltanschauung und wurden so zu kommunikativen Instrumenten einer individuellen und kollektiven Identifizierung mit dieser Ideologie.

Die politische Programmatik heutiger rechtsextremer Gruppierungen mag aus unserer Sicht rückwärts gewandt sein, die Publikation ihrer Weltanschauung vollzieht sich jedoch mittels aktualisierter Zeichenkomplexe und Codes. Auch ihre Distribution ist mit der intensiven Nutzung neuer Kommunikationstechnologie weiterhin auf aktuellem Stand. Vor allem das Internet mit seinen verschiedenen Diensten wie dem World Wide Web, Email, Chat oder Newsgroups ist für die Publikation und Kommunikation rechtsextremer Inhalte äußerst geeignet. Hier finden wir neben verbalsprachlicher Agitation eine Fülle von Mitteln visueller Kommunikation wie Fotografie, Film, (downloadbare) Plakate und Flugzettel in einem Trägermedium vereint. Politbanner als internetspezifische Text-Bild-Kompositionen bilden dabei eine neue Form visueller Inszenierung. Sie nutzen subkulturell ausdifferenzierte Symbolwelten, die mittels visueller Codes ebenfalls der Repräsentation und Identifikation (vgl. Fahlenbach 2002) von rechtsideologischen Web-Auftritten und Gruppierungen dienen.

Zunächst werde ich kurz auf die Nutzung des Internet zur rechtsextremen Propaganda allgemein eingehen, um die Relevanz des Mediums für die aktuelle Distribution rechten Gedankenguts zu verdeutlichen. Danach fokussiere ich meine Betrachtungen auf die Textsorte Politbanner als eine neue medienspezifische Publikationsform. Ich möchte zeigen, inwiefern neue Zeichenformen einerseits durch das Medium selbst angeregt werden und andererseits, wie durch die Inszenierung der Text-Bild-Kombinationen in Politbannern eine neue kommunikative Praxis in Diskurszusammenhängen konstituiert wird. Der hier behandelte Gegenstand bildet damit einen kleinen Ausschnitt meines Online-Korpus, den ich im Rahmen meiner Dissertation untersuche. Darin beschäftige ich mich mit dem Online-Diskurs um die zweite so genannte Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, der durch ein starkes onlinepublizistisches Engagement von rechtsextremen Gruppierungen und Individuen gekennzeichnet ist. Die Banner bilden dabei als strategisch eingesetzte Zeichenkomplexe der Identifikation, Repräsentation und Vernetzung rechtsextremer Gruppierungen eine semiotisch interessante neue Form kommunikativer Praxis, die in diesem Aufsatz gesondert vorgestellt werden soll.

Das Internet – zentrales Medium rechtsextremer Propaganda

„Wann immer in den vergangenen knapp 20 Jahren eine neue Kommunikationstechnik für Privatleute verfügbar wurde, zählten Rechtsextremisten zu den Ersten, die sie zu nutzen wussten. Das gilt für computergestützte Kommunikation in besonderer Weise, von der sich die Szene engere Vernetzung nach innen und neue Agitationsmöglichkeiten nach außen verspricht.“ (Peiffer 2004: 209)

Das Internet bietet die Möglichkeit, mit relativ wenig Aufwand und technischem Know-How regelmäßigen und aktuellen Austausch über regionale und nationale Grenzen hinweg im abgeschlossenen oder öffentlich zugänglichen virtuellen Raum zu pflegen. Über Online-Magazine, Webportale und Imageauftritte werden aktuelle Informationen, Naziliteratur, Merchandising-Produkte (z.B. T-Shirts mit aufgedruckten Slogans, Logos) sowie Flugblätter und Plakate zur Agitation und Mobilisierung angeboten. Man initiiert und koordiniert Aufmärsche und Demonstrationen mittels online publizierter Aufrufe und genauester Organisationshinweise. Anfahrtsskizzen, Demoverläufe, Empfehlungen zur Kleidung, juristische Hinweise im Falle von Verhaftungen gehören gleichermaßen zu diesen Koordinationspraktiken wie die spontane Umorganisation, wenn die ‚Gegenseite’ (z.B. linke Antifa, Polizei etc.) sich auf die logistische Planung der Rechten eingestellt zu haben scheint.

Dieser Nutzwert der Internetkommunikation mag im Jahr 2002 zu einer Rekordanzahl von 1000 deutschsprachigen Websites mit rechtsextremen Inhalten geführt haben, während 1999 noch 330 gezählt wurden. Laut dem aktuellen Jahresbericht des deutschen Bundesverfassungsschutzes über das Jahr 2003 ist zwar die Zahl der Sites auf 950 zurückgegangen, allerdings sieht die Behörde diese geringe Abnahme im engen Zusammenhang mit einer Zunahme der Nutzung von interaktiven Diensten wie Mailinglisten, Newsletter und Diskussionsforen durch Rechtsextremisten. Hier mag eine gewisse Bewegung in den subversiven Raum zu bemerken sein, die durch die vermehrte Sperrung von rechten Websites durch die Provider, durch die gesteigerte Ermittlung von Behörden und die zunehmende Sensibilität der Internetuser motiviert sein kann. Allerdings verhindern weiterhin Unübersichtlichkeit und Vielschichtigkeit der rechten Szene grundsätzliche Ermittlungserfolge. Die Dezentralität und Dynamik des Netzes liefern weiterhin ideale Möglichkeiten für die Kommunikation und Vernetzung einer Szene, die sich ihrerseits in ganz unterschiedliche Subszenen aufspaltet: Rechtsextreme Parteien, Skinheads, Neonazis, Communities um rechte Computerspiele und rechte Rockmusik sowie archaische Religiosität und Spiritualität etc..

Entwicklung rechter Online-Kommunikation

Ab Mitte der 80er Jahre wurden in den USA erstmals computergestützte Mailbox-Netze zur Verbreitung rechter Agitation genutzt. So erreichte der militante Louis Ray Beam, einer der Anführer des rassistischen Ku Klux Klan, bereits ab 1983 seine ‚Mitstreiter’ über die neue Technologie. Er baute das Beams Aryan Nations Liberty Net, das Freiheitsnetz der arischen Nationen, auf, das als Propagandainstrument seiner Neonazi-Gruppe Aryan Nations in Hayden Lake im US-Bundesstaat Idaho diente. Die Gruppierung veröffentlichte unter anderem die Liste „Know your Enemy“ mit Adressen politischer Gegner. Das Netz soll ein Punktesystem für Mordanschläge enthalten haben,

”...bei dem der Aspirant für die Erlangung des Status eines Aryan Warrior ('Arischen Kriegers') Punkte sammeln konnte. Dieser 'Point Count' richtete sich nach der Bedeutung der Zielperson als Politiker, Bürgerrechts-Aktivist, Polizeibeamter oder Vertreter einer Minderheit.“ (Maegerle/Mletzko 1994: 1)

In Deutschland engagierte sich als erste rechte Gruppierung die NPD im Bereich der digitalen Agitation. Dank ihrer engen Kontakte zur Neonazi-Szene in den USA war sie bereits sehr früh über das Kommunikationspotenzial elektronischer Netze und über deren technische Einsatzmöglichkeiten informiert. 1992 richtete die NPD die ersten Seiten im Btx-System der Bundespost ein. 1993 zogen „Die Republikaner“ mit eigenen Btx-Seiten nach. (Vgl. Pfeiffer 2004: 213)

In der bundesdeutschen Mailbox-Szene wurde Anfang der 90er Jahre ein eigenes rechtsextremes Netz aufgebaut, das so genannte Thule-Netz. Als Vorbilder dienten hierbei ebenfalls Beispiele aus den USA und möglicherweise auch in Deutschland bereits vom linksautonomen Spektrum aufgebaute Mailbox-Zusammenhänge. Das Thule-Netz brachte es in seiner Hochzeit Mitte der 90er Jahre auf rund 90 Nachrichtenbretter, die regelmäßig von bis zu 200 Usern genutzt wurden. Bereits hier wurden Themen wie Aktuelles, Außenpolitik, Geschichte, Jugend, Musik (Volksmusik, Oi!-Musik), Organisationsstrukturen, Recht und Religion verhandelt.

Mit Etablierung der WWW-Technologie nutzten rechtsextreme Gruppierungen zügig die leicht zu handhabende, international zugängliche, kostengünstige und schnelle Kommunikationsmöglichkeit. Die USA waren auch hier Vorreiter. Bereits im März 1995 online war die erste rechtsextremistische Website, die „Stormfront - White Nationalist Ressource Page (Sturmfront - Materialien für Weiße Nationalisten)“ (vgl. ebd.: 216). Noch heute gilt der Internetauftritt als eine der umfangreichsten und international erfolgreichsten Online-Präsenzen der internationalen neonazistischen Szene.

Seit Verbreitung des World Wide Web hat sich auch in Deutschland eine zusehends professionalisierende Online-Kommunikation entwickelt. Allerdings lassen sich auf deutschen Providern erheblich schwieriger rechtsextreme Inhalte publizieren als im Ausland, das liberaler gegenüber rechtsextremen Publikationen agiert. Da das Internet grenzüberschreitende Kommunikation liefert, hat das zur Folge, dass zahlreiche, deutschsprachige Websites auf ausländischen Webservern (z.B. Niederlande, Skandinavien, USA) abgelegt sind. Das Sperren rechtsextremer Websites auf deutschen Servern hat dazu geführt, dass die NPD im April 1997 bereits unter der Bezeichnung „NPD.net“ einen eigenen Providerdienst für rechte Publikationen zur Verfügung stellt. Andere Internetdienstleister haben sich ebenfalls der rechten Szene verschrieben wie z.B. die Firma „NETZPUNKT – Internet – Service“ aus Hamburg, die das bekannteste Internet-Musikmagazin der Skinhead-Szene, RockNORD (vgl. http://www.rocknord.de) hostete.

Überblick über heutige rechte Online-Publikationen

Natürlich ist es in diesem Rahmen nicht möglich, eine Auflistung zu liefern, die annähernd einen Überblick über die zur Zeit ca. 950 online abrufbaren deutschsprachigen Websites mit rechtsextremen Inhalten bietet. Allerdings lassen sich einige Typen bestimmen, die eine gewisse Orientierung geben können.

Als erstes seien die Websites der rechten Parteien genannt. NPD (vgl. http://www.npd.de), DVU (http://www.dvu.de), Republikaner (http://www.rep.de) etc. Sie dienen wie die Sites der etablierten Parteien hauptsächlich der Präsentation ihrer parteipolitischen Positionen und Strukturen, der Wahlwerbung und der Kontaktaufnahme. Sie geben sich visuell durch die Präsentation ihrer entsprechenden Partei-Logos zu erkennen, die auf allen Seiten der Online-Auftritte am oberen Seitenrand zu finden sind. Diese Gestaltungspraxis ist mittlerweile soweit konventionalisiert, dass man im Webdesign diesen Bereich auch als Identifikationsbereich bezeichnet (vgl. Rada 2002). Alle drei genannten Online-Auftritte weisen zudem visuelle Elemente (Deutsche Nationalfarben, -flagge, Abbildung des Reichstages) auf, die auf ein nationales Bezugsfeld verweisen. Unter Hinzunahme des kontextuellen Zusammenhangs der Gesamtsite werden diese Elemente zu visuellen Ausdrücken einer nationalen Gesinnung. Sie bilden in der Korrespondenz von sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen der jeweiligen Web-Auftritte permanente Signale dieser politischen Einstellung und dienen somit der Kommunikation kollektiver Identitäten.

Eines der größten Bündnisse, das sich in einzelne regionale Sektionen aufspaltet, findet sich unter dem Namen „Aktionsbüro“. Die entsprechenden Online-Auftritte dienen neben der Selbstdarstellung einzelner regionaler Gruppierungen und Kameradschaften der überregionalen Mobilisierung und Koordinierung lokaler Aktionen und Demonstrationen. Ihre Vernetzung untereinander wird nicht selten über Banner realisiert, auf die ich unten explizit eingehen werde.

Unter dem Label „(Nationales) Infotelefon“ sind häufig Auftritte zu finden, die weniger eine Gruppierung vorstellen, als vielmehr auf ein bestimmtes Thema öffentlicher Diskussion ausgerichtet sind. Sie stehen über Verweise aber auch in enger Verbindung mit den beschriebenen Online-Auftritten der Aktionsbüros und Kameradschaften.

Außerdem existieren einschlägige Online-Publikationen, die in relativ professionellem Design und mit hoher Aktualität Nachrichten, Berichte, Statements und Bildserien zu allgemeinen politischen Themen und zu Aktionen aus dem rechten Lager präsentieren. Häufig dienen diese Online-Magazine neben der Berichterstattung auch dem interaktiven Austausch. Über Diskussionsforen und andere Portalfunktionalitäten - z.B. der Möglichkeit, eigene Artikel zu platzieren - wird so auf die Rekrutierung einer Stammleserschaft bzw. der Konstituierung einer Online-Gemeinschaft abgezielt, die auch untereinander zur Kommunikation und Vernetzung eingeladen wird.

Auftritte mit esoterischen, online-spielerischen und musikkulturellen Inhalten dienen verstärkt dazu, auch unpolitischen Jugendlichen rechte Weltanschauung näher zu bringen. Hier stehen germanische Mythen und Gottheiten, heidnische Symboliken, Fantasy-Bilderwelten sowie mittelalterliche Ritterordenskulte im Vordergrund. Dieser Bereich nutzt die gesamte Palette mulimedialer Möglichkeiten von Online-Medien aus, indem er neben sprachlich vermittelten Informationen bildmächtig inszenierte virtuelle Realitäten anbietet.

Als letztes sei noch auf Gruppierungen rechtsextremer Frauen hingewiesen, die ebenfalls ein relativ etabliertes Netzwerk in der rechten Szene bilden. Hier zeigt sich, dass Rechtsextremismus nicht als eine rein männerbündische Protestkultur anzusehen ist, sondern dass dieses Gedankengut auch bei Frauen in jeder Gesellschaftsschicht anzutreffen ist (Schwanebeck 2004: 237). Allerdings finden sich die Selbstdarstellungen von weiblichen Gruppen und die Publikationen ihrer Kontaktadressen hauptsächlich in Unterverzeichnissen von Webauftritten bereits genannter Kameradschaften oder Anti-Antifa-Sites. Die ambitionierteste Online-Publikation rechtsextremer Frauen erscheint unter dem Titel Triskele. Die Startseite des Auftritts beschreibt bereits sehr anschaulich Position und Ziele ‚rechtsextremer Frauenpolitik’ im Netz:

„Durch die Arbeit an der Zeitschrift und der dazugehörigen Internetseite wollen wir deutlich machen, daß der Platz der Frau im politischen Kampf nicht in der zweiten Reihe ist. Wir wollen dazu ermuntern politisch aktiv zu werden.

Denn auch die Frau kämpft, wie der Mann, für unser Volk und unsere Heimat.“

Hier ist ein emanzipatorisches Bestreben gegenüber der männlichen Dominanz in der Szene zu erkennen, die zu einer eigenständigen Form der politischen Arbeit von Frauen aufruft. Dabei bleibt die positive Bezogenheit auf national-konservative Werte wie Volk und Heimat erhalten. Schwanebeck ergänzt die hier dargestellte Zielrichtung rechtsextremer Frauen mit weiteren Kernpunkten wie „Ausländerfeindlichkeit, Angst vor Überfremdung, Jugendarbeitslosigkeit, Sexismus...“(Schwanebeck 2004: 241). Die politische Verankerung im rechten Spektrum ist so durch eine eigene Sexismuskritik ergänzt. Diese wendet sich vor allem gegen Frauenfeindlichkeit von Ausländern, ist aber auch gegen ähnliches Verhalten im eigenen politischen Lager gerichtet. Außerdem lassen sich eigene Frauenthemen finden wie Rockkonzerte für Frauen, Familienthemen (z.B. zu Mutterrolle und Nation) und Probleme von allein Erziehenden.

Politbanner: Multimodale und –funktionale Online-Texte

Ich habe bereits angedeutet, dass die intensive Verlinkung unter den rechten Online-Auftritten als ein allgemeines Merkmal der rechten Szene im Netz gelten kann. Auf fast allen einschlägigen rechten Online-Auftritten befinden sich Webseiten mit ausgiebigen Linklisten, die meist unter der Rubrik „Verweise“ geführt werden. Die Listen machen eine starke Vernetzung der Auftritte untereinander deutlich, da häufig dieselben Websites aufgeführt sind. So rücken die einzelnen regionalen Kameradschaften, Anti-Antifagruppen, Parteien etc. auf ‚die Entfernung eines Mausklicks’ zusammen. Die Linklisten bestehen somit nicht nur als grafische und/oder sprachliche Zeichen, die noch mit einer rein technischen Funktionalität ergänzt sind. Vielmehr werden die technischen Verlinkungen in Kombination mit der Präsentation ähnlich politisch ausgerichteter Online-Auftritt selbst zu Zeichen bzw. zu Elementen der Bedeutungskonstitution. Hinzu tritt ein appellativer Charakter. Der User wird mit der Konfrontation von Verlinkung dazu eingeladen, diese zu auch betätigen. Die Verlinkungen können so als Signale gegenseitiger Solidarität und Gesinnungsgenossenschaft interpretiert werden, und sie fordern gleichzeitig auf, die Auftritte der dargestellten Mitglieder ‚zu besuchen’. Sie drücken eine Vernetzung, eine nationale und internationale Verbundenheit der Szene als ein zusammengehöriges Phänomen aus. Ausgiebige Linklisten können mit dieser Bedeutungskomponente auf konnotativer Ebene sogar eine Größe und Homogenität dieser Szene suggerieren, die offline für die Beteiligten nur schwer realisierbar wäre.

Die Linklisten bestehen zum einen aus verbalsprachlichen Textlinks, die entweder durch Unterstreichung, durch Blaufärbung oder durch Farbveränderung bei Überfahrt des Cursors (Mouseover-Effekt) gekennzeichnet sind. Sie können sich aber auch aus einer Abfolge von Bannern, also visuell inszenierten Text-Bild-Grafiken zusammensetzen, deren Verlinkung sich nur mitteilt, indem der Pfeil des Cursers bei Überfahrt über das Banner sich zu einer Hand umgestaltet. Ich bezeichne das Banner in diesem Zusammenhang als onlinespezifische Textsorte, da es durchaus konventionalisierte Sprachhandlungen bzw. musterhafte Kommunikationsfunktionalitäten realisiert. Diese Auffassung unterstellt allerdings einen Textbegriff, der nicht nur auf der kommunikativen Funktion von Sprachzeichen beruht, sondern auch nichtsprachliche Zeichen wie Bilder, Farben, Formen und Typografie als bedeutungstragende Elemente eines kohärenten Gesamtkommunikats mit einbezieht (vgl. Antroutsopoulos 2000, Fix 1996, 2001).

Semiotische Einordnung des Politbanners

In ihrer kommunikativen Funktionalität bzw. Textsortenspezifik scheinen Banner eine onlinegestützte Verbindung von Visitenkarten und Werbe-Anzeigen zu sein. Sie setzen sich aus einer Kombination von ikonischen, indexikalischen und symbolischen Elementen zusammen, die in einem strategisch-stilistischen Arrangement auf einem quasigenormten Grundformatangeordnet sind.

Ikonizität ist meist durch die Integration von visuellen Metaphern (z.B. Darstellung des Reichsadlers) oder die Verwendung konkreter Bilder von Aufmärschen, Gebäuden etc. umgesetzt. Letztere sind jedoch nicht als einzelne tokens zu verstehen, sondern sie dienen der visuellen Repräsentation eines rechtsaktivistischen Politikverständnisses. Sie stellen wie in einer Werbeanzeige einen Handlungstypus dar, um den Beterachter zu einer eigenen ähnlichen Handlung aufzurufen.

Indexikalisch ist das Banner dadurch gekennzeichnet, dass es oft nur aus einem verlinkten Logo oder Emblem besteht, das in einen gestalteten Kontext gestellt wurde. Das Logo ist in seiner Verweisfunktion eng mit dem Bezeichneten verbunden. Es steht für eine konkrete Gruppierung bzw. Organisation und kommuniziert gleichzeitig etwas über deren Identität. Während im Offline-Bereich die Verweisfunktionalität des Logos nur durch seine (Wieder)erkennung realisiert werden kann, verweist es im Online-Bereich als Teil eines verlinkten Banners auch technisch direkt auf das bezeichnete Objekt. Hier ist allerdings nicht mehr die mit dem Logo thematisierte Gruppierung das eigentliche Verweisziel, sondern die mit dem Banner verlinkte Website. Sie dient ihrerseits als Repräsentation der Gruppierung und ist an die Stelle des Objektes getreten. Auch wenn das im Banner integrierte Logo weiterhin auf die Gruppierung verweist, so ist im vorliegenden Semioseprozess die Website als Objekt des Banners und als Repräsentation der Gruppierung quasi zwischen Gruppierung und Banner verortet. Man kann jedoch die Website auch als Kommunikationsmittel der Gruppierung und damit als deren Präsenz in der Online-Welt ansehen. Damit wäre die Online-Präsenz der Gruppierung wieder das Objekt des technisch sowie kommunikativ verknüpften Politbanners. Ein weiteres indexikalisches Moment liegt mit der Schriftgestaltung des Banners vor, auf die ich unten anhand von Beispielen noch näher eingehen werde.

Als Symbol ist das Politbanner aufzufassen, weil seine Inhaltsebene nur mittels konventionsabhängiger Sinnschlüsse (Abduktionen) ermittelt werden kann. Diese beruhen zum einen auf unserem Alltagswissen über die kommunikative und technische Funktionalität von Online-Bannern, die sich aus dem routinemäßigen Umgang mit dieser onlinespezifischen Textsorte ergeben hat. Zum anderen ermöglichen uns Hypothesen über die hier möglicherweise wirksamen (sub)kulturellen und historisch motivierten Codes sowie aktuelle rechtsextreme Diskurswelten den kommunikativen Gehalt der Banner zu entschlüsseln. Nicht eine vermeintliche Ähnlichkeit mit dem Bezeichneten lässt uns die Proposition und die Illokution der im Banner kombinierten Zeichen also ermitteln, sondern die Hinzunahme kollektiv geltender Muster der Sinnzuschreibung. Diese Praxis wird nachfolgend genauer beleuchtet.

Gestaltung als Zeichen sekundärer Information

Neben primären Informationen wie Gruppenbezeichnungen, Internetadressen und eventuellen Slogans enthalten Politbanner mittels stilistischer Umsetzung über Farb-, Formgebung und Typografie auch sekundäre Botschaften. Sie spielen so auf (sub)kulturelle, szenespezifische bzw. konnotative Codes an, durch die dem Kommunikat ein „sozialer Sinn“ (Fix, 2001: 113) verliehen wird. Stil als Kommunikationsmittel sekundärer Botschaften bringt diese zur Anschauung, ist somit als „sinnhafte Form“ (Sandig 1986: 14) zu verstehen. Er ist damit ebenfalls als Zeichen aufzufassen, dessen Sinnzuschreibung auf kulturellen Konventionen (vgl. Eco 2002) beruht. Kulturelle Konventionen müssen nicht von der gesamten Sprachgemeinschaft ausgehandelt sein und für diese Geltung haben, sondern sie können auch durch kleinere Gemeinschaften, so genannten peergroups, entwickelt werden, um zum einen eine Identifikation und Integrität nach innen und zum anderen eine Abgrenzung nach außen zu signalisieren. Im vorliegenden Fall sind wir auf diese Weise mit Zeichenformen konfrontiert, die mittels eigener subkulturell konstituierter Codes auf gegenwärtige und historische Sachverhalte anspielen und diesen durch stilistische Inszenierungen und Neukontextualisierungen ergänzte bzw. modifizierte Bedeutung zukommen lassen.

Die primären Informationen des Banners erinnern, wie bereits erwähnt, an verlinkte Visitenkarten, die von den jeweiligen Anbietern untereinander ausgetauscht wurden. Die präsentierten Informationen dienen jedoch weniger den Anbietern zur Kontaktpflege untereinander als vielmehr der Bekanntmachung der jeweiligen Websites an eine anonyme Userschaft. Hierdurch sind sie eher mit Werbeanzeigen in den Massenmedien vergleichbar. Die sekundären Botschaften, die über die inszenierende Verwendung von Typografie, Farbe etc. eine Identität kommunizieren sollen, sind wiederum durchaus mit der gestalterischen Praxis von Visitenkarten vergleichbar. Die inhärente Persuasivität, die zur Linkbetätigung einladen soll, ist wiederum eher an Werbekommunikation angelehnt.

Worin bestehen nun die sekundären Botschaften rechtsextremer Politbanner konkret und mit welchen stilistischen Ausprägungen bzw. Zeichenformen werden sie transportiert?

Beispiel-Analysen von rechtsextremen Politbannern

Ich werde auf einige Politbanner als Beispiele visuell inszenierter rechter Propaganda im Netz genauer eingehen. Sie sind alle der Rubrik Verweise aus einer regionalen Website des Nationalen Widerstandes entnommen. Die Gesamtwebsite dient der Onlinekommunikation und Vernetzung von Kameradschaften und Anti-Antifagruppen aus der Region Berlin-Brandenburg. Die Rubrik Verweise bietet auf einer Einstiegsseite die Möglichkeit, zwischen der grafikintensiven Bannerpräsentation und einer weniger datenintensiven Textlinksammlung zu wählen. Die Bannerauflistung selbst ist nach den Unterrubriken Freie Nationalisten, Regionales, Anti-Antifa, Erste Hilfe und Frauen geordnet. Damit liefert sie Politbanner eines sehr breiten Spektrums rechtsextremer Politikvorstellungen, was sie zum einen als Analyse-Beispiel geeignet macht. Zum anderen finden sich viele der hier aufgeführten Verweise auch auf anderen rechtsextremen Websites, was durch die bereits angedeutete intensive Vernetzung der Auftritte untereinander bedingt ist. Auch dieser Umstand rechtfertigt, die vorliegende Webseite als Beispiel für allgemeine (kein Komparativ möglich) Aussagen über rechtsextreme Politbanner zu nutzen.



Als primäre Informationen beinhalten die aufgeführten Banner die Namen der verlinkten Websites bzw. deren Betreiber. Außerdem findet sich auf einigen Beispielen die genaue Internetadresse, um dem User das direkte Ansurfen des entsprechenden Auftritts zu ermöglichen. Diese Daten sind in einigen Bannern mit Slogans bzw. Parolen kombiniert, die weitere Informationen über die inhaltliche Ausrichtung vermitteln bzw. etwas über die Identität der Betreiber aussagen sollen. Es tritt mehrmals der programmatische Slogan „frei, sozial, national“ sowie einmal seine Abwandlung „freie, nationale Sozialisten Magdeburg“ auf. Sie alle deuten eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus an, vermeiden jedoch diese Signifikation wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen. Auf lexikalischer Ebene wird eine Unterscheidung der einzelnen Websites bzw. Betreiber hauptsächlich durch die Aufnahme regionaler Angaben in den einzelnen Benennungen realisiert. Diese lauten beispielsweise „Aktionsbüro Saar“, „Pommersche Aktionsfront“ etc. In einzelnen Bannern sind außerdem Slogans integriert, die zum einen ein deutschnationales und reaktionäres Geschichtsverständnis zum Ausdruck bringen oder zum anderen eine nach ihrem Verständnis nach positiv veränderte Gesellschaftsformation beschwören bzw. zu Aktionen aufrufen, diese herbeizuführen. Allerdings bleibt diese Vorstellung unkonkret, so dass sich hierdurch eine einheitliche Zielrichtung nicht erkennen lässt.

Der Fokus dieses Textes liegt jedoch weniger auf der sprachlichen Kommunikation rechtsextremer Politbanner, als vielmehr auf ihrer visuell-stilistischen Gestaltung und den damit transportierten sekundären Botschaften.

Bei den aufgeführten Screenshots fällt dazu zunächst die inszenierende Verwendung von Typografie auf. Vor allem der intensive Einsatz gebrochener Schrifttypen sticht dabei besonders ins Auge. Grund dafür ist, dass dieser Schrifttyp wegen seiner geringeren Lesbarkeit in Online-Medien wenig eingesetzt wird. Usability-Studien ergaben, dass durch die geringere Auflösung in digitalen Ausgabegeräten die klareren Formen serifenloser Antiquaschriften besser geeignet sind. (Vgl. Rada 2002: 14) Gebrochene Schriften verfügen sogar über mehr Schnörkelwerk als die gebräuchlichen Serifenschriften, was ihren Einsatz im Onlinebereich noch ungewöhnlicher macht. Man kann diesen Umstand auch als Stilbruch auf einer weiteren Ebene begreifen. Denn auch die Konnotationen des Trägermediums Internet wirken in den vorliegenden Semioseprozess ein. Während das Onlinemedium als innovativ und zukunftorientiert gilt, verweisen gebrochene Schrifttypen eher rückwärtsgewandt in die Vergangenheit.

Die genannten Widersprüchlichkeiten, die sich aus der Verwendung gebrochener Schrift in der Onlinekommunikation ergeben, verschieben meiner Erachtens die eigentliche kommunikative Funktionalität von medienspezifischem Typografieeinsatz. Hier steht nicht Lesbarkeit im Vordergrund, sondern die Signalisierung von Identität. Wie diese verstanden werden soll, wird deutlich, wenn man sich die historische Verwendung von Fraktur oder gebrochener Schrift vergegenwärtigt.

In Deutschland enthielt die Verwendung von Fraktur bzw. gebrochener Schriften schon immer auch eine konnotativ-kulturelle Bedeutungsebene, die auf den speziell deutschen Schriftstreit zwischen Fraktur- und Antiquaschriften zurückgeht. (Vgl. Wehde 2000) Ausschlaggebend dafür war bereits Luthers Entscheidung, die Bibel in gebrochener Schrift drucken zu lassen, um der lateinischen Kirchenobrigkeit auch typografisch eine aus dem Gotischen entnommene, volkstümliche Schrift entgegenzusetzen. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts galt gebrochene Schrift dann explizit als Ausdruck einer deutschnationalen Weltanschauung. Einen Höhepunkt dieser Ideologisierung erfuhr die Frakturschrift unter den Nationalsozialisten, die sich mit ihrer Verwendung in germanischer Tradition sahen und sich so gegen vermeintlich kosmopolitische Entwicklungen und rassische Überfremdung auflehnen wollten.

Dieser ideologische Gebrauch von Typografie scheint auch heute bei rechtsextremen Publikationen weiterhin Verwendung zu finden. Politbanner sind, wie bereits erwähnt, als eine Art Werbeanzeige zu verstehen, um die damit verlinkte Website bekannt zu machen. Sie müssen deshalb in ihrer Gestaltung auffallen, also markant und unterscheidbar sein. Sie müssen zudem bereits eine inhaltliche Vorstellung von dem zu erwartenden Angebot oder zumindest Interesse für dieses beim User wecken. Diese kommunikativen Anliegen mögen Grund dafür sein, dass zum einen viele aufgeführte Banner über gebrochene Schrifttypen verfügen, wodurch die ähnlichen politischen Ausrichtungen der verlinkten Website markiert sind. Zum anderen unterscheiden sich die einzelnen gebrochenen Schriften in ihrer individuellen Gestaltung voneinander jedoch noch sehr stark. Betrachtet man auf dem ersten Screenshot die Beispiele des Aktionsbüros Saar und des Holsteinischen Widerstandes, wird dieser Sachverhalt besonders deutlich. Während das erste Banner trotz des gebrochenen Schrifttyps mit wenig Serifeneinsatz noch relativ klar erscheint, verfügt das zweite Beispiel über intensive Verschnörkelungen, die fast die Anmutung alter Schreibschrift hervorrufen. Im zweiten Screenshot finden wir ein Beispiel für die Kombination von gebrochener und Antiquaschrift. Hier wird der identitätsstiftende Gebrauch von gebrochener Schrift nochmals besonders deutlich. Während der Name der Organisation Das braune Kreuz in einer relativ schlecht lesbaren Frakturschrift gehalten ist, wurde die Spezifizierung der Organisation „Der nationale Sanitätsdienst“ in einem klar lesbaren Schrifttyp umgesetzt. Hier kommt es vermehrt auf die primäre Information an, die zur expliziten inhaltlichen Orientierung dienen soll.

Als weiteres kommunikatives Element in der Bannergestaltung ist das Zusammenspiel von Form, Farbe sowie der Kombination mit metaphorischen Bild- und Emblemdarstellungen zu sehen. Die Farbkombination schwarz-weiß-rot kann in diesem Kontext durchaus als Anspielung auf die Reichskriegsflagge bzw. auf die daran anschließende nationalsozialistische Hakenkreuzfahne interpretiert werden, die aus den gleichen Farben zusammengesetzt sind. Die Popularität dieser Farbkombination im Rechtsextremismus geht nach Heller und Maegerle auf Hitler direkt zurück, der in Mein Kampf dieser Farbgebung folgende Konnotationen zuschreibt:

„Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalistischen und im (schwarzen) Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird.“ (Zitiert nach (Heller/Maegerle 2001: 19)

Auch die Verwendung einer oder zwei dieser Farben zur Gestaltung von Schrift, Emblemen, Umrandungen und Hintergründen kann in einen ähnlichen Bedeutungshorizont eingeordnet werden. Dabei ist natürlich nicht mit Sicherheit zu sagen, ob die Gestalter bei der Farbwahl sich über die genannten Konnotationen gänzlich bewusst waren. Das spielt jedoch in unserem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Zweifelsohne sind diese in der hier dargestellten Diskursgemeinschaft häufig anzutreffen und werden von ihren Mitgliedern als kommunikative Instrumente zur Repräsentation und Identifikation einer kollektiven Identität angesehen. Ich bezweifele allerdings, dass die Verwendung von Erdfarben, die ebenfalls häufiger auftreten, eine ähnliche Anspielungspraxis darstellt. Zwar wird der Farbe Braun in rechten Kontexten ebenfalls identifizierende Bedeutung zugeschrieben. Allerdings steht sie zum einen in keinem allgemein gebräuchlichen Kombinationsverhältnis wie die Farben Schwarz, Weiß, Rot. Und zum anderen tritt sie nur in einem Beispiel als deutlich politisch motiviert auf, nämlich bei der Sanitätsorganisation Das braune Kreuz. Hier ist sie allerdings als Identifikationselement besonders markiert, indem sie in der Benennung der Organisation ebenfalls ein explizit aufgenommen ist. So scheint die Farbe Braun bzw. der Einsatz von erdfarbigen Tönungen weniger als ein überindividuell geltendes identitätsstiftendes Element innerhalb der Szene gebräuchlich zu sein. Ihre häufigere Verwendung mag eher durch eine individuelle und weniger politisch ausgerichtete gestalterische Praxis verursacht zu sein. Gleiches gilt wahrscheinlich für den Einsatz von Blautönen.

Die Integration von Emblemen in der Bannergestaltung erscheint deutlicher der politischen Markierung zu dienen. Im Banner des Holsteinischen Widerstandes beispielsweise ist wahrscheinlich die ‚Schwarze Sonne’ angedeutet. Dieses Element der Thule-Esoterik spielt in seiner heutigen rechtsextremen Verwendung auf das „’geheime selbstständige Reich’ der Nationalsozialisten nach 1945“ (Heller/Maegle 2001: 15) an. Der Esoteriker Heinrich Himmler ließ die Schwarze Sonne in der SS-Ordensburg Wewelsburg bei Paderborn in den Boden des ‚Obergruppenführersaals’ einlassen. Das Emblem besteht aus germanischen Sigrunen, die auch im Hakenkreuz und im Zeichen der SS zu finden sind. Sie zirkulieren um ein Zentrum, das nach Meinung der rechten Esoteriker das Urgestirn darstellt, um das sich das Universum drehe. Ähnliche Verwendung hat das Emblem der Triselke zur Darstellung einer frauenspezifischen Identität im rechten Spektrum. Bereits oben wurde auf die hiermit verlinkte Website hingewiesen. Die variierende Übernahme dieses keltischen Sinnbildes der Dreifaltigkeit ist in diesem Kontext wahrscheinlich als eine mythische Darstellung der dreifachen Göttin (Mädchen, Mutter, Greisin) sowie des Zyklus’ von Geburt, Leben und Tod oder der keltischen Trinität Wasser, Land und Himmel zu verstehen. In jedem Fall werden die Websitebetreiberinnen diesem Zeichen eine frauspezifische Bedeutungskomponente zuschreiben, die Weiblichkeit als mythische Kraft verstehen lässt.

Die Verwendung des Adlers mag zwar auch durch die Konnotation des Vogels als mythisches und kraftvolles Tier motiviert sein. Seine Verwendung erscheint hier aber hauptsächlich aus dem Anliegen der Gestalter erwachsen zu sein, sich in eine historisch-nationale Tradition zu stellen. Dies geschieht mit spielerischen Verfremdungen bekannter Embleme. Während das Banner des Widerstand West relativ deutlich auf nationalsozialistische Formgebung rekurriert, inszeniert das Aktionsbüro Saar das Adlermotiv durch Bildausschnitt und Perspektivität wie moderne Porträtfotografie. Das Motiv selbst ist jedoch in beiden Fällen eine variierte Übernahme des Reichsadlers, der als traditionelle Fortführung des antiken römischen Reiches in der deutschen Nation gilt.

Auffällig ist zudem, dass in einigen Bannern stilisierte Darstellungen von Fahnen aufgenommen sind, die in ihrer Gestaltung fast identische Formen aufweisen. Neben dem ursprünglichen kommunikativen Gehalt einer Fahne als militärisches Emblem zur Orientierung in der Schlacht oder als Sinnbild der Besitznahme eines Territoriums durch ihre Einpflanzung, tritt im rechtsextremen Kontext eine weitere Komponente hinzu. Die einheitliche Form ist identisch mit einer ebenfalls sehr einheitlich gebräuchlichen Fahnenform im linken Antifa-Spektrum. Einen Teil des rechtsextremen Aktivismus nimmt die so genannte ‚Aniti-Antifa-Arbeit“ ein. Sie wendet sich gezielt gegen Aktionen der linken Antifa, und ihre Träger verstehen dies als Akt der Selbstbehauptung der eigenen Szene. Die Aufnahme der Antifa-Fahne ist somit als eine Markierung der von den Betreibern verfolgten politischen Praxis bzw. ihrer (Gegen)Wehr gegen linksaktivistische Politik zu verstehen.

Ein weniger häufig verwendetes Element in der Bannergestaltung sind fotografische Darstellungen. Sie fungieren als Instrumente der visuellen (Selbst)Darstellung rechtsaktivistischer Politik. Sie zeigen vor allem Aufmärsche und Demonstrationen im öffentlichen Raum. Das Banner des widerstandnord zeigt die Beteiligten beispielsweise als zusammenstehende Menschenkette. Sie bilden so quasi eine ‚Front’ für ihre Sache. Als Mitglieder der rechten Szene identifizierbar sind sie durch ihre stereotypen Merkmale wie Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel etc. Die Banner des Aktionsbüros Rhein-Necker und des KS Bergstraße deuten weniger eindeutige Stereotypen im Bild an. Auch sie zeigen zwar zum einen Marschtrommeln im Vordergrund und zum anderen an die Reichskriegsflagge erinnernde Fahnen. Diese Bildinhalte bekommen jedoch erst in ihrem Kontext eine ähnlich positionierende Funktion, wie sie im Banner des widerstandnord verwirklicht ist. Die hier ins Bild gesetzten Demonstrationen sind jedoch, wie bereits oben erwähnt, nicht als Dokumentation individueller Ereignisse zu verstehen, sondern sie repräsentieren rechtsaktivistische Politik allgemein. Bildästhetisch unterstützt ist diese kommunikative Funktion beim widerstandnord durch die Reduktion der Farbsättigung und die Überlagerung des Bildes durch den Titel der Organisation. Die beiden anderen Beispiele deuten eine solche Funktionalität durch die sehr kleinen Bildausschnitte an, die nur Fahnen, Menschenaufläufe und die Slogans der Transparente erkennen lassen. Die Slogans dienen zudem eher als inhaltliche Hinweise auf die hier verlinkte Website. Die in die Banner integrierten Bilder demonstrieren dem Betrachter auf konnotativer Ebene Gruppenaktivität, Gemeinschaft, Ge- und Entschlossenheit sowie Stärke und Macht und sollen so als einheitsstiftende Merkmale einer rechtsaktivistischen Identität verstanden werden.

Fazit

Mein Anliegen war es, einen Einblick in die Anfänge und die Entwicklung rechtsextremer Online-Kommunikation zu liefern. Ich habe darauf hingewiesen, dass sich rechtsextreme Propaganda schon immer die neusten privatzugänglichen Online-Kommunikationstechnologien zunutze gemacht hat. Aber auch die publizistische Praxis ist auf das (Neue) Medium Internet abgestimmt. Neben Websites, Mailinglisten, Newsgroups, offenen und halboffenen Portalen nutzen rechtsextreme Gruppierungen aktuelle Mittel des Onlinemarketing. Sie gebrauchen Bannerwerbung, um auf ihre Online-Auftritte aufmerksam zu machen und kommunizieren gleichzeitig Identität mittels Präsentation primärer (Namen, Internetadressen, z.T. Bilder) und sekundärer Informationen, die sich über die stilistische Gestaltung (Typografie, Layout, Bildästhetik, Farb- und Formgebung) des Banners vermitteln. Um die kommunikative Praxis rechtsextremer Agitation über Politbanner näher zu verdeutlichen, habe ich versucht, textsortenspezifische Merkmale von Onlinebannern zu beschreiben, um diese mit den konkreten Merkmalen der rechtsextremen Banner, wie sie auf der Website des Nationalen Widerstandes aufgeführt sind, abzugleichen. Dabei hat sich herausgestellt, dass über so genannten Bannertausch oder zumindest durch die Aufnahme von Verlinkungen zu einschlägigen Websites in den jeweiligen rechtsextremen Auftritten die Existenz eines rechtsextremen (sozialen) Netzwerks im Onlinebereich kommuniziert wird. Auch dies ist eine gängige Marketingpraxis, die von kommerziellen Anbietern unterschiedlicher Branchen verfolgt wird, um ihre jeweilige Bekanntheit zu steigern. Damit verbunden ist eine neuartige Zeichenfunktionalität. Der Verweis von einem Online-Auftritt auf den nächsten, der sich über das Banner oder über den gewöhnlichen externen Textlink verwirklichen lässt, ist so nicht nur als eine technische Verknüpfung zu verstehen, sondern kann auch als eine kommunikative Handlung gelten. Gerade bei der hier behandelten rechtsextremen Bannerkommunikation signalisieren die Betreiber der Ursprungswebsite eine inhaltliche, soziale oder kulturelle Gemeinsamkeit mit den Betreibern der Zielwebsite. Die Verlinkung kann in diesem konspirativen Kontext als Zeichen gegenseitiger Solidarität gelesen werden. Rechtsextreme Politbanner sind somit als Ausdruck politischer Mentalität zu verstehen, dienen der Identifizierung rechtsaktivistischer Online-Kommunikation, der gegenseitigen Vernetzung und rufen zu weiterer Rezeption und Partizipation auf.

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