Das Unrecht der Bildnutzung. Eine neue Form der Zensur? Bemerkungen aus der Peripherie des wissenschaftlichen Publizierens über das Spannungsfeld von Staats- und Gemeinbesitz und die Kapitalisierung von öffentlichem Kulturgut zu Lasten der Autoren

Autor: Franz Reitinger


Frei nach dem Motto, man ist, was man tut, sei mir erlaubt, mich vorzustellen: ich gehe in Bibliotheken, lese Bücher, suche Archive auf, sehe Akten ein, sitze am Computer, tippe unvollständige Sätze in sogenannte ›Dokumente‹ und korrespondiere. Wenn alles gut geht, wird daraus am Ende ein Buch. Man könnte an Bücher gewiss auch anders herangehen: denken Sie nur an Krimis, Reiseführer oder Kochbücher. Nun habe ich mich aber einer ganz speziellen Aufgabe verschrieben: der Erforschung von Bildern. In meinem nächsten Buch, so es ein nächstes geben wird, werde ich auf die Veräußerung eines heute verschollenen Porträtbestandes aus einem niederösterreichischen Landschloss zu sprechen kommen. Erstmals kann ich einige dieser Gemälde präsentieren und diese ihrem eigentlichen Herkunftsort zuordnen: einem Schloss in der Steiermark. Dass diese Bilder dort fehlen, ist bis heute niemandem aufgefallen. Damit wäre ich auch schon bei meinem Thema.

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1. Historische Bildkultur. Ein Menschenrecht?

Im Fokus meiner wissenschaftlichen Recherchen stehen vornehmlich solche Bilder, die im Laufe der Zeit fragmentiert, anonymisiert und dekontextualisiert wurden, deren Herkunft unbekannt ist und die in ihrer historischen Bedeutung und ihrer überzeitlichen Aussagekraft weithin unerkannt sind. Diese meist in einem stark kontingenten Umfeld überlebenden Bilder sind erheblichen Gefährdungen ausgesetzt. Museen, Bibliotheken und Archive seien hier angesichts der vielen unfassbaren Vorkommnisse aus jüngster Zeit, der bestürzenden Bilder von kollabierenden Archiven, brennenden Bibliotheken und überfluteten Museen, der Berichte von Plünderungen, Überfällen, Diebstählen, Veruntreuungen und unerklärlichen Verlusten nicht grundsätzlich ausgenommen. Meine Buchprojekte verstehen sich vor dem Hintergrund dieser Problematik als Archen, die den Bildern eine zweite Chance bieten, falls diese in ihrer einmaligen Materialität verloren gehen sollten. Daneben leisten diese Projekte auch noch wesentliche Erschließungs- und Vermittlungsarbeit, indem sie die Bilder in Zusammenhänge einbinden und so erneut für den heutigen Leser verständlich machen. Ich kann nur hoffen, dass auch mein nächstes Buch all dies zu leisten imstande sein wird.

Ich sage, hoffentlich. Denn im Zuge dieses und anderer zu realisierender Bücher und Projekte tut sich mir eine gänzlich neue Front auf. Als Historiker, der von Berufs wegen mit Bildern zu tun hat, werde ich seitens der Verlage seit einiger Zeit zusehends mit Bildrechtsfragen perturbiert. Die beiden standardmäßigen Ausgangssituationen betreffen:

  • die Zweit- oder Wiederverwendung von Reprofotos oder Scans nach Originalgemälden oder Auflagengraphik aus vergangenen Epochen, die andere gemacht haben.
  • das Recht, eigene Reprofotos oder Scans nicht etwa von Originalbildern und Illustrationen, sondern lediglich von Abbildungen aus Büchern des 20. Jahrhunderts nach Originalen aus früheren Jahrhunderten fachspezifisch zu Publikationszwecken zu nutzen.

Die Verschärfung der Bildrechtsfrage hat Verleger in den letzten Jahren dermaßen verunsichert, dass diese nur mehr Bücher mit gängigem Agenturmaterial oder in Kooperation mit Einzelmuseen oder Sammlern produzieren, die auf ihre hauseigenen Bilder und Bestände zurückgreifen können. Geradezu inflationär geworden ist die Zusammenarbeit der Bildverlage mit Belichtungskünstlern, die in der Lage sind, bunte Bilder in unbegrenzter Zahl problemlos aus sich heraus zu generieren. Verlage weichen von der einmal etablierten Regel nur ab, wenn sie den administrativen Aufwand der Beschaffung, der Rechteabklärung, die dabei entstehenden Kosten und allfälligen Risiken auf den Autor abwälzen können.

Meist winken Verlage schon ab, wenn sie erfahren, dass einmalige Bildmaterialien von heterogener Herkunft den Kern des Buches ausmachen. Wenn sie es nicht tun, dann muss Pegasus unters Joch. Es genügt Verlegern längst nicht mehr, dass Autoren einen eigenen Abbildungsnachweis erstellen, die Namen der Rechteinhaber auflisten und mit einem Seitenverweis versehen. Autoren müssen Urheber- und Nutzungsrechte einholen. Selbst jede Reproduktion muss inzwischen einen Rechteinhaber haben, um dessen Einverständnis offiziell angefragt werden muss, sei dies bei Flachbildware auch nur ein Bibliothekspedell mit einem Stativ oder ein Scanner. Wertvolle Lebens- und Schaffenszeit fließt so in Anfragen, Vorsprachen, Bittschreiben, Höflichkeitsbesuche, Verhandlungsgespräche, Formularanträge, etc. Natürlich will all dies in schriftlicher Form belegt sein. Während die Korrespondenz ausufert, wird dem Autor angesichts des Gespensts möglicher Nachforderungen gleich auch noch eine umfassende Dokumentationspflicht aufgehalst. Am Ende hat er nicht nur den ganzen Verwaltungsaufwand zu tragen, sondern auch die Gebühren für ein oftmals viel zu großes Mindestformat, das man ihm generös zur Verfügung stellt und penibel verrechnet.

2. Parasitäre Zustände

Ganz allgemein ist heute die Tendenz sowohl innerhalb wie außerhalb der Institutionen festzustellen, kulturell aussagekräftige Dokumente mit Bildinhalten aus früheren Epochen zu privatisieren und aus ihnen ein Geschäftsmodell zu schneidern, gleichgültig ob derlei ikonische Artefakte einen realen Marktwert besitzen, ob sie auf mechanischem Wege oder im Zuge einer einfachen Dienstleistung ohne irgendeinen besonderen Werktitel angefertigt wurden. Wie ein böser Kobold klammert sich heute an jedes Bild irgendein Rechts-, Gebühren- oder Abgabentitel Dritter. Historiker, die sich der Erforschung kultureller Leistungen im Allgemeinen und der Bilder im Besonderen zur Aufgabe gemacht haben, werden dadurch von ihren Quellen abgeschnitten und jedweder Form von Wegelagerei ausgesetzt. Es wird ihnen der Gestus des Bittstellens förmlich aufgezwungen und ihnen die Auslage von erheblichen Summen zugemutet, nur damit sie für die Allgemeinheit und erst recht für die mutmaßlichen Titelinhaber kulturellen Mehrwert generieren dürfen. Dazu angehalten, dumm zu fragen, bekommen sie gleich auch die richtige Antwort: ja, gute Idee, wenn Sie dies wünschen, bitten wir Sie gerne zur Kasse. Auf längere Sicht wird so die Geschäftsgrundlage des schreibenden und publizierenden Historikers untergraben, da jedes Ansuchen um eine Nutzungsberechtigung nur eine weitere Aufforderung ist, Gebühren einzuheben. Nachvollziehbar ist die Reaktion einer italienischen Verlagsangestellten, die sich darüber erstaunt zeigte, dass ich mich wegen der Nutzung einer Illustration aus einem vergilbten Buch aus der glorreichen Epoche der Studentenrevolten an sie gewandt hatte, da es sich bei dem reproduzierten Bild, einem Kupferstich, über den schon Voltaires scharfes Auge hätte streifen können, ja um kein Einzelwerk, sondern lediglich um eine Auflagengraphik handle. Nichtsdestotrotz nutzte sie die Gelegenheit und rang mir das Versprechen ab, ihren Verlag an gebührender Stelle zu nennen.

Unnötig verkompliziert wird der Sachverhalt des Reproduzierens durch eine Spielart der Kunstfotografie, die Ablichtungsphänomenen gleichsam Werkcharakter verleiht. Unverhältnismäßig häufig zu beobachten ist dieser Werkanspruch bei Reproduktionen nach sogenannten Meisterwerken, die von der Aura des Originals ihrerseits zu profitieren suchen. Am ehesten gerechtfertigt zu sein scheint ein dermaßen hypertropher Belichtungsaufwand bei überdimensionierten Bild- oder subtilen Farbobjekten, die an einen festen Standort gebunden, schwer einsehbar oder von einer speziellen Lichtsituation bestimmt sind oder werden. Hierzu wären auch aufwendige Faksimilierungen zu zählen, in denen Optik und Druck sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Alles in allem handelt es sich bei den genannten Beispielen um klar umrissene Sonderfälle. Der reproduktive Alltag sieht anders aus.

3. Kasuistik des Bilderrechts

Wer heute die Büchse des Bildrechts öffnet, darf sich nicht wundern, wenn über ihn die Übel der Rechtsunsicherheit hereinbrechen, die bisherige publizistische Gepflogenheiten dem Klagerecht des Stärkeren ausliefern. Angenommen, ich möchte den Offsetdruck eines Aquarells von 1820 aus dem Buch eines russischen Verlags von 1974 viertelseitig in Schwarzweiß reproduzieren: Muss ich ohne alle Russisch-Kenntnisse nach dem Verbleib dieses Verlags recherchieren und um Genehmigung ansuchen? Welche Bedeutung ist in diesem Zusammenhang dem Zerfall der Sowjetunion und dem dadurch herbeigeführten Systemwechsel beizumessen? Gab es im Jahr 1974 überhaupt ein bilaterales Handelsabkommen, das diese Frage regelte? Was ist, wenn ich keinen Rechtsnachfolger finde oder ich auf meine Anfragen keine Antwort erhalte? Wie lange würden Sie sich dieser Frage widmen, bis Sie die Viertelseite sein und endgültig auf sich beruhen lassen?

Ein Privatsammler gestattet mir in meiner Funktion als Historiker, bei sich zu Hause ein Aquarell aus einem gebundenen Album seiner Sammlung zu fotografieren. Darf ich dieses Foto, als dessen Autor, formal gesehen, ich zu betrachten wäre, ohne dass ich mir auf diese Autorenschaft etwas einbilden würde, als Reproduktionsvorlage in einer von mir verfassten Publikation verwenden, die sich thematisch mit dem dargestellten Motiv befasst, auch ohne dass ich den möglicherweise inzwischen verstorbenen Sammler oder dessen mir unbekannte Erben neuerlich belästigen muss?

Immer wieder kann es vorkommen, dass ich meinen Lesern die Abbildung eines Auktionsobjekts aus einem Versteigerungskatalog zur Kenntnis bringen möchte. Die Abbildung, soviel ist klar, wurde von dem Auktionär für eine bestimmte Auktion angefertigt, das versteigerte 0bjekt gehörte bis zur Auktion dem alten, nach der Auktion einem neuen Besitzer. Nach der Auktion hat der Auktionator in der Regel kein geschäftsmäßiges Interesse mehr an der Abbildung, da diese für ihn ja nur ein Mittel zu einem zeitlich eng umrissenen Zweck war. Muss ich als Historiker mit meinem fachlich berechtigten Nutzungsinteresse an dieser Abbildung als allgemeinkultureller, historischer Bildquelle im Rahmen meiner wissenschaftlichen Forschung und der hieraus resultierenden Publikation um eine Nutzungsgenehmigung ansuchen? Und wenn ja, beim wem: dem Auktionator, den vormaligen oder den nachmaligen Besitzer? Auktionshäuser geben die Namen des Käufers von sich aus nicht an Dritte preis. Was ist, wenn das Auktionshaus, das womöglich in Tokio seinen Sitz hat, erst gar nicht antwortet?

4. Recht auf Bildinhalte

Der Geschmack der Zensur haftet Rechten auf Bildinhalte an. Können nachmalige Eigentümer gegen die Veröffentlichung einer Innenraumaufnahme ihres Anwesens Einspruch erheben, die vor dessen Erwerb gemacht wurde? Wie liegt der Fall bei dem Foto von einem Gemälde, das ehedem in diesem Raum hing? Es sind dies Fragen abseits des Urheberrechts, mit denen ein Autor heute ganz konkret konfrontiert und dabei der Zumutung von unterschiedlichsten konjekturalen Ansprüchen ausgesetzt wird. So wurde mir beispielsweise die Einsichtnahme des Bildarchivs einer Landesdenkmalbehörde verweigert, weil die seit dem Zeitpunkt der Aufnahme meist schon mehrmals einander abwechselnden Eigentümer der fotografisch dokumentierten Objekte eventuell Einspruch erheben könnten. Von einer Publikation dieses Bildmaterials war da noch gar keine Rede. Ohne Einsichtnahme in diese Materialien, freilich, wird das Tun dieser Behörde jeglicher unabhängigen Kontrolle von außen entzogen, und eine weitere wertvolle Ressource für historische Erkenntnisse bleibt ungenutzt.

Die offenbare Rechtsunsicherheit führt zu unfreiwillig komischen, ja regelrecht komödienreifen Interferenzen nach dem durch Karl-Otto, das Loch und den Eimer vorgegebenen Muster. Ein Autor wendet sich an einen Verlag mit der Bitte, eine Abbildung aus einer seiner älteren Publikationen wiederverwenden zu dürfen. Der Verlag verweist ihn an den anderen Autor der besagten Publikation und dieser seinerseits an den Eigentümer des abgebildeten Originalwerks aus vergangenen Epochen. Und alle wollen am Ende gleichermaßen um Erlaubnis gebeten werden, wenn es um die Wiederverwendung der längst veröffentlichen Reproduktion geht. Da mit den Anfragen noch allerlei Modalitäten mitverhandelt werden, ist es mit einem Schreiben pro Person und drei Schreiben pro Abbildung meist nicht getan. Eher ist von dem Drei- oder Sechsfachen auszugehen.

Der administrative und in weiterer Folge auch finanzielle Aufwand der Bildrechtsbeschaffung wächst mit den sich einstellenden Rechtsunsicherheiten erschreckend exponentiell und ist für einen Einnasenbetrieb wie dem eines einsamen Autors angesichts der von ihm zu erbringenden Leistungen der Recherche, der Konzipierung und schriftlichen Abfassung, der sich immer langwieriger gestaltenden Verlagssuche, des Computerings und der redaktionellen Arbeit materiell wie zeitlich kaum noch zu verkraften. Natürlich ist man als kleinstverdienender Autor auch noch Mensch und hat in seiner nicht weiter als solche ausgewiesenen Freizeit wie jeder andere einen Alltag zu bewältigen.

5. Staatliche, gemeine und öffentliche Bildungsgüter

Es zählt zu den neueren Entwicklungen, dass öffentliche Institutionen ihre historischen Bildbestände kapitalisieren und neben Reproduktions- auch noch Publikationsgebühren erheben. Sie profitieren dabei von der autoren- und urheberrechtlichen Diskussion um Plagiat und Fake, die medial aufgeheizt mittlerweile jedem daherstolpernden Idioten einen willkommenen Grund zur Empörung bietet. Ihr Rechtstitel beruht aber weder auf Autorschaft noch auf Produktivität, sondern lediglich auf dem Faktum ihres Inbesitznehmens und Inbesitzhabens. Im Erwartungshorizont der neuen Nutzungskonzepte werden die Bilder in den zahlreichen Depots, Tiefspeichern und Außenlagern einem Mehrwert abwerfenden Depotpapier immer ähnlicher. Ein Sammlungsleiter, der etwas auf sich hält, braucht die Bilder in seiner Obhut deshalb auch nicht in bare Münze zu konvertieren. Wie der Kapitalist sein Geld, lässt er diese ganz einfach für sich arbeiten. Nicht wesentlich anders nimmt sich die Situation vieler Verlage aus, welche die von den Autoren beigebrachten Bilder publizieren, ohne selber über Rechte an den Bildern zu verfügen, irgendwann nach dreißig, vierzig Jahren aber ihrerseits dazu übergehen, bei deren Wiederverwendung seitens Dritter Bedingungen zu stellen und Gebühren einzuheben. Solche unsichtbaren Rechtstitel legen sich im Laufe der Jahre wie eine Schmutzschicht über die Bilder.

Selbst Staatsbibliotheken und Landesmuseen, denen die Generierung und Verbreitung von Wissen über ihre Region und darüber hinaus als Auftrag in die Gründungsurkunde geschrieben sein sollte, machen neuerdings aus ihren Beständen ein Geschäftsmodell nach vermeintlich anglikanischem Vorbild. Bilder, für deren Erwerb sie nichts bezahlt haben, Bilder, für die keine Autorenrechte mehr zu akklamieren sind, Bilder die seit Jahrzehnten und länger in dunklen Archivräumen lagern, ohne dass sie seitens der Eigentümerinstitutionen je für die wissenschaftliche Forschung fruchtbar gemacht worden wären, Bilder, die unkontextualisiert sind und in ihrer historischen Dimension unerkannt bleiben, werden wissenschaftlichen Autoren nur noch gegen ansehnliche Summen zur Verfügung gestellt. Die wachsenden Bildbeschaffungskosten zerstören am Ende die Geschäftsgrundlage beider, sowohl der Verlage wie der Autoren. Gleichwie der Handel durch überhöhte Zölle und die Wirtschaft durch überhöhte Steuern, so erleidet historische Bildforschung durch überhöhte Nutzungsgebühren einen schwerlich wieder gutzumachenden Schaden. Natürlich ist intelligible Arbeit an der Herkunft der Menschen, der Dinge, der menschlichen Leistungen und Ideen volkswirtschaftlich schwer zu veranschlagen. Umso stärker trifft sie das ökonomische Verdikt.

Die Gebühren für die Erlaubnis, eine handflächengroße kunstlose Zeichnung aus einer öffentlichen Sammlung in einer Auflage von tausendfünfhundert Stück reproduzieren zu dürfen, können heute schon mal an den Preis einer normalen Fahrkarte von Salzburg nach Berlin und zurück heranreichen. Während der Bundesrechnungshof die hiesigen Museen und Bibliotheken auf immer rigidere Rentabilitätskalkulationen einschwört und die vielfach von außen bestellten, fachfremden Direktoren diese gegen den Widerstand der Kuratoren an ihren Häusern durchsetzen, wirft die nahezu absolute Gleichgültigkeit gegenüber wissenschaftlich arbeitenden Autoren seitens der öffentlichen Museen – Ausnahmen bestätigen nur einmal mehr die Regel – ein ernüchterndes Licht auf den Grad der Entsolidarisierung unserer heutigen Wissensgesellschaft. Dass diese Autoren mit ihren Publikationen wesentlich zur Wertbildung dieser Bestände beitragen, zeigt sich am Beispiel meiner Aloys-Zötl-Monographie so sehr wie an anderen Büchern, auch, dass die Autoren selbst davon in keinster Weise profitieren. Keineswegs sind die hier skizzierten Entwicklungen naturgegeben, wie sich am Beispiel der ehemaligen Ostblockländer zeigt, in denen die staatlichen Institutionen einen ungleich höheren Gemeinsinn in Bildrechtsfragen an den Tag legen als dies ihre Partnerinstitutionen hierzulande tun, jedweder Berechnung von Bruttoinlandsprodukten und Prokopfeinkommen zum Trotz.

Besonders hoch pflegen erfahrungsgemäß Gebühren für Reproduktionen nach unpublizierten Arbeiten auszufallen, da sich Bereitstellungs-, Ablichtungs- und Publikationsgebühren hier rasch zu einer erklecklichen Summe aufschaukeln. Nicht völlig auszuschließen ist, dass diesen Gebühren daneben auch noch die Funktion einer Schutzgebühr im Interesse der Kuratoren zukommt, die außenstehende Autoren davon abhalten soll, die Früchte der Entdeckung und Erstpublikation ohne Beteiligung der besitzenden Institution zu ernten.

Der vom Rechnungshof und seinen Höflingen propagierte Normzustand des akademischen Kaufrausches, der den avancierten Nutzer dazu bringen soll, mit dem Einkaufswägelchen und einem großzügig bemessenen Kreditrahmen durch öffentliche Bibliotheken und Bildarchive zu rauschen, läuft dem Berufsethos des Historikers direkt zuwider. Kaufen und Konsumieren mag, wer weiß, schön sein, aber Forschen und Erhellendes zutage zu fördern ist ungleich schöner. Wohl am besten sind die aktuellen Entwicklungen durch das Beiwort ›neoliberal‹ charakterisiert. André Malraux’ Vision eines Musée imaginaire, das als nicht kommerzielle Agentur mit philanthropen Zügen, Bilder für alle verfügbar hält, ist unter den Bedingungen des entfesselten Marktes und der neu erschlossenen virtuellen Vertriebswege zu einem durchkommerzialisierten Gewerbe zur Förderung eines passivischen Kulturverzehrs geworden, das nur denen Zugang zu den Bildern gewährt, die ihn sich leisten können, und wenn nicht, tunlichst die Klappe halten.

6. Wissenschaft ohne qualifizierte Öffentlichkeit

Nicht alle zahlen gleich hohe Gebühren. Große öffentliche Repositorien binden das unentgeltliche Zitierrecht an den Status der Wissenschaftlichkeit, und das ist gut so. Einigermaßen transparent, wenn auch nicht mehr ganz so gut, ist ihr Interesse, den Kreis allfälliger Nutznießer möglichst klein zu halten und den Begriff der Wissenschaft derart restriktiv auszulegen, bis aus ihr das gewünschte Instrument der Verschulung geworden ist, das sich in Prüfungs- und Qualifikationsschriften, institutseigenen Zeitschriften, Schriftenreihen und anderen Typoskripten penibel ins Werk setzt. Der Gipfel der Dreistigkeit aber ist, wenn die Anerkennung der Wissenschaftlichkeit am Ende auch noch an den nichtkommerziellen Vertrieb der Publikation geknüpft wird. Die insinuierte Forderung, ein wissenschaftlicher Autor möge seine Publikation doch zu aller Zugänglichkeit einfach ins Netz stellen, ist geradezu, als ob man einem Regisseur nahelegte, er solle die Premiere seines hochsubventionierten Films doch gefälligst auf Youtube veranstalten. Sind die von der öffentlichen Hand wesentlich mitgetragenen Aufführungen der Salzburger Festspiele etwa keine Kunst, nur weil Karten im Publikumsverkauf erhältlich sind? Wenn ich diese Frage meinem Verleger stelle, erhalte ich zur Antwort, dass Subvention und Bildrecht zwei Paar Stiefel sind. Dabei geht es hier wie dort um die Finanzierbarkeit von kulturellen Leistungen und die Frage, ob bestimmte Formate wie das Internet einem höheren kulturellen oder wissenschaftlichen Anspruch genügen als andere wie etwa das Buch.

7. Recht als Knechtung und Beugung

Vor allem von privater Seite ist die Publikationserlaubnis oft eine reine Gefälligkeit. Meist kommt die Einwilligung in einem formlosen Zweizeiler daher. Die einwilligenden Eigentümer oder Rechteinhaber auf eine juristisch bindende Formulierung festlegen zu wollen, empfänden die meisten unter ihnen als Zumutung. Den Verleger wiederum beschleicht das ungute Gefühl, im Ernstfall nicht mehr als zwei Zeilen in Händen zu halten. Der Autor selbst findet sich am Ende in der ungemütlichen Situation, Diener zweier Herren sein und es allen recht machen zu sollen. Gerade das Gegenteil erwartet ihn, wenn er sich mit seiner Anfrage an eine öffentliche Kultur- oder Bildungseinrichtung wendet.

Ein Autorenkollege schlug mir vor, ich könnte doch ein Standardformular vorbereiten und dieses den mutmaßlichen Rechteinhabern aushändigen mit der Bitte, dieses zu unterzeichnen und mir auf diese Weise ihre Einwilligung zu erteilen. Einen solchen Vorschlag befolgen hieße soviel, wie die Rechnung ohne den Wirt gemacht zu haben. Immer häufiger knüpfen Institutionen das Recht, ein Bild für eine wissenschaftliche Arbeit zu verwenden, ihrerseits an die Unterzeichnung eines umfangreichen, oft ein halbes Dutzend Seiten und mehr umfassenden Vertrages. Bei einem normal illustrierten Buch von mehreren hundert Seiten, das weit davon entfernt ist, ein Tafelband zu sein, können diese je nach Standort der Institution in verschiedenen Sprachen abgefassten und die unterschiedlichsten Gerichtsstände geltend machenden Verträge einen ganzen Aktenordner zum Biegen bringen. Die aus ihnen ableitbaren Implikationen sich im Einzelnen auszumalen, dürfte das Fassungsvermögen wohl eines jeden Autors ohne juristische Ausbildung übersteigen. So sieht sich dieser mit den sprachlich verqueren Hervorbringungen von finanziell bestausgestatteten Rechtsabteilungen konfrontiert, die ihn auf ein Feld führen, auf dem er selber über keine Kompetenzen verfügt. Derweilen bleibt das Feld, für das er sich zuständig weiß, aus Mangel an Ressourcen immer weiter hinter dem zurück, was im Normalfall zu leisten wäre.

Oft fordert der Vertrag vom Unterzeichnenden zusätzlich die Einwilligung in allgemeine Geschäftsbedingungen ein, die ein mehrseitiges Regelwerk für sich ergeben. Diese Geschäftsbedingungen haben es in sich. Jegliche Art der Reproduktion nach Werken aus hauseigenen Beständen wird darin samt allen denkbaren Formen der Nutzung ohne zeitliche Einschränkung für bewilligungs- und gebührenpflichtig erklärt. Aufnahmen Dritter werden verbalrechtlich in Beschlag genommen und einseitig in einem Quasi-Akt der Konfiskation zum Eigentum der besitzenden Institution erklärt. Oft werden Nutzungsrechte an der künftigen Publikation geltend gemacht, die kein Autor irgendjemandem aus eigenen Stücken einzuräumen befugt ist. Zahlungsverzüge werden mit hohen Strafgebühren belegt. Der Unterzeichnende wird nicht nur auf einen Ethikcode verpflichtet. Es wird ihm auch die Einwilligung abgenötigt, auf Pochen des vorgeblichen Rechteinhabers eine Einsichtnahme in seine Geschäftsbücher, ja selbst in seine Privaträume zuzulassen. Die auffahrenden Kanonen aus Papier und Kartuschenschwärze sind dazu angetan, selbst noch die unscheinbarste Feder zum Flattern zu bringen. Help!

Wie zu vernehmen ist, sollen inzwischen eigene Agenturen auf gewerblicher Basis nach Bildrechtsverstößen ahnden, um nachträgliche Forderungen geltend zu machen, Verlage zu kriminalisieren und sie mit Klagen zu überhäufen. Die finanziellen, gesellschaftsrechtlichen und intentionalen Hintergründe für ein solches Tun bleiben derweilen im Verborgenen.

Viele Verleger sind angesichts möglicher Bildrechtsklagen regelrecht perhorresziert. Natürlich ist diese Angst immer auch ein Szenario des theoretisch Möglichen und kann je nach individueller psychischer Ausstattung unterschiedlich und unterschiedlich heftig ausfallen. Die Lebensweisheit aber, wonach heißer gekocht als gegessen wird, scheint für allemal obsolet zu sein. Entsprechend hoch ist der Druck, der auf Autoren ausgeübt wird. Als Schreiber für Schubladen und andere publizistische Formate nehme ich an mir selbst die Tendenz wahr, übermäßig vorsichtig, ja ängstlich zu werden und von vornherein auf die Verwendung von im Prinzip vorhandenen Reproduktionen zu verzichten, nur um den wachsenden Rechtsunsicherheiten und dem anfallenden Klärungsaufwand aus dem Weg zu gehen. Historische Forschung wird dermaßen gleichwie von Geisterhand heimlich, stetig und leise zum Erliegen gebracht und mundtot gemacht, bis man sich angesichts der blinden Moral von Markt, Recht und Geld unversehens in einem System der Selbstzensur wiederfindet. Während Bibliotheken einmal mehr in Flammen aufgehen, Archive einstürzen und Museen in Fluten versinken oder in weltweitem Maßstab geplündert werden, hätten Historiker kraft ihres Bilderwissens die Möglichkeit, prekäre Bilderwelten in Form von gut recherchierten und illustrierten Publikationen an kommende Generationen zu übermitteln und für die Nachwelt zu sichern, wenn ihnen nicht zunehmend die Hände gebunden wären.

In einem Umfeld juristischer Angst und Bedrohung fällt jedweder Art von wissenschaftlicher Innovativität und Experimentierfreudigkeit das Atmen schwer. Als schwächstes Glied in der Kette wird der Autor am Ende zum Esel, dem die volle Last des Bilderrechts und der Bildernutzung in seiner ganzen Komplexität und Unwägbarkeit aufgebürdet wird.

8. Sonst noch Wünsche?

Meist liegt das Hauptaugenmerk in Bildrechtsfragen auf dem Autorenrecht. Nutzungsfragen treten dabei in den Hintergrund und verschwinden nach dem Erlöschen der Autorenrechte meist ganz aus dem Fokus der Experten. Für den Historiker beginnt, wie die bisherigen Ausführungen demonstrieren, erst hier die eigentliche Problematik. Eine etwas breitere Sicht auf die Dinge täte not.

Eigentlich sollte für allgemein disponible Reproduktionen von historisch bedeutsamen ikonischen Dokumenten, die in keinem ökonomischen Verwertungszusammenhang stehen und für die es keinen ersichtlichen oder nur einen Marktwert im Bagatellebereich gibt, ein Zitierrecht geltend zu machen sein. Die Regeln für ein solches Zitieren von Bildern hat Hubertus Kohle unlängst in der Internetplattform arthistoricum nochmal ausbuchstabiert. Für jeden, dem dies noch zu viel ist und der seine Bilder dennoch ins Netz stellen möchte, bietet das Web zahlreiche Applikationen, um ein Zitieren zu unterbinden. Der kontraproduktiven Rechtssituation wissenschaftlichen Publizierens ließe sich entsprechend einfach durch Beweisumkehr begegnen. Der Autor, der darin geübt ist, Urheber und Eigentümer der Bilder namentlich in einem eigenen Abbildungsnachweis auszuweisen, müsste nicht länger umständlich belegen, über welche Zwischenwege er zu seinem Bild gekommen ist (was im Nachhinein oftmals schwierig, wenn nicht unmöglich ist), sondern der für sich ein bestimmtes Bildrecht im Nachhinein einfordernde Kläger wäre, im Gegenteil, zu fragen, welche Maßnahmen er getroffen hat, um die Wiederverwendung seiner Reproduktion im Netz zu verhindern. Offenbar besteht aber über das Recht des Zitierens von Bildern keine hinreichende Klarheit, ja möglicherweise gibt es sogar ein Interesse, eine Etablierung von Richtlinien mit Augenmaß zu verhindern. Die Verunsicherung unter Verlegern ist denn auch entsprechend groß und gering die Bereitschaft, sich auf das unwegsame Terrain des Bildzitats zu begeben.

Es ist nachvollziehbar, dass der Verleger die das Bildrecht betreffenden Verantwortlichkeiten vertraglich an den Autor abzuschieben sucht. Selbst wenn dieser aber seine Unterschrift unter den Vertrag setzt, bleibt es eine Abschiebung, denn eines ist klar, die Bildrechtsfrage kommt erst ins Spiel, wenn eine öffentliche Nutzung erfolgt. Beteuerungen seitens des Verlages, nicht von den rechtlichen Folgen der durch ihn publizierten Bilder tangiert zu werden, sind, Vertrag hin oder her, letztlich unglaubwürdig. Eine gerechtere Verteilung der Lasten wäre deshalb anzumahnen: Der Autor stellt dem Verlag die Bilder tunlichst kostenfrei zur Verfügung. Der Verlag ist für die Einholung der Publikationsrechte und die Bezahlung der hieraus entstehenden Gebühren verantwortlich. Von einer solchen Teilung der Aufgaben sind wir heute denkbar weit entfernt.

Trauriges Fazit ist: Lieber würde ein Verleger heute auf die Abbildung eines einmaligen und noch nie reproduzierten Werkes verzichten, als diese ohne Eruierung des Rechteinhabers und Klärung der Nutzungsrechte ins Buch zu stellen. Dass diese Aufgabe mitunter einem eigenen Forschungsauftrag gleichzusetzen ist, scheint den wenigsten unter seinesgleichen bewusst.

In dieser bedrückenden Situation auf sich allein gestellt kann sich der Autor auf den Text als seine Kernkompetenz zurückziehen und darauf bauen, dass sein generiertes Wissen für die Wenigen auch ohne Abbildungen dokumentiert ist. Doch wie fair ist es, den Vielen die visuellen Evidenzen vorzuenthalten, auf denen dieses Wissen basiert? Jeder Leser, jede Leserin sollte doch die Möglichkeit haben, die getroffenen visuellen Befunde mit eigenen Augen nachzuvollziehen? Wenn ihnen dieses Recht auf anschaulichen Wissenserwerb genommen wird, werden sie als Leser dann nicht an andere Medien verloren gehen? Droht nicht der Kern wissensorientierten Publizierens mittelfristig zwischen Schubladenwissen und Luxusproduktion zu verschwinden, wenn das Recht der Öffentlichkeit an historischer und an der Materialität von historischen Artefakten gebundener Bildung noch weiter untergraben wird?

Die neue Gier führt notgedrungen zu Verwerfungen auf dem Feld des illustrierten Sachbuches, die längst an allen Ecken und Enden sichtbar werden. Selbst ein verhältnismäßig überschaubares Geschichtsbuch wie Brigitte Hamanns Mozart-Monographie, das die Lebensstationen des Wunderknaben durchgängig mit zeitnahen Bildern hinterlegt, wäre heute nur noch von einem international agierenden Großverlag oder einer entsprechend potenten Auftragsinstitution zu meistern. Die publizistische Vielfalt der siebziger und achtziger Jahre scheint unter den gegebenen Bedingungen allemal passé zu sein, ja mehr noch: eine Spirale nach unten tut sich auf. Immer weniger sorgfältig illustrierte, in Bildern argumentierende Geschichtsbücher im Sortiment der Verlage und in den Regalen der Buchhandlungen stoßen trotz aller Iconic Turns auf immer geringeres Interesse sowohl in der medialen Öffentlichkeit wie bei den Lesern.

Offenbar sind wir hier mit einer neuen Form von Zensur konfrontiert angesichts eines repressiv wirkenden Rechtsinstrumentariums, das wie ein Hebel wirkt, der historisches Publizieren unterbindet und Autoren zum Schweigen bringt. Unabhängige und übergreifende historische Bildforschung wird so durch die sie bestimmenden Rahmenbedingungen zu einem Ende gebracht, und zwar ganz ohne jedweden äußeren Zwang, ohne Spitzel und Denunziantentum. Manuskripte bleiben ungedruckt und verschwinden mit der darin inkarnierten jahrelangen Forschungsleistung im Container. Umfängliche Wissensfelder dürften bald auch aus dem kollektiven Gedächtnis fallen und lebende Generationen in ihrem Trugbild bestärken, unvergleichlich zu sein. Im schlimmsten Fall droht eine Implosion des Historischen, deren Folgen sich jeder selbst ausmale, so gut er kann. Eine Wiederkehr religiöser Weltbilder wäre da gewiss noch nicht die schlimmste. Die Zerstörung von Bildwerken in großem Stil, hat es das nicht schon mal wo gegeben?