Phänomenologie, Semiotik und Bildbegriff: Eine kritische Diskussion (Teil 2)


Autor: Matthias Händler
[erschienen in: IMAGE 13 (Ausgabe Januar 2011)]

Schlagwörter: Bildtheorie, Phänomenologie, Semiotik, Anthropologie, Darstellung (des Bildes), symbolische Kommunikation, Wahrnehmung, Bildrezeption, Fiktionalität, Diskussion

Disziplinen: Medien- und Kommunikationswissenschaft


This paper aims at a discussion of Lambert Wiesing’s phenomenological picture theory.
First, it presents Wiesing’s position in detail. It subsequently goes on to show the weaknesses and (terminological) problems of this kind of picture theory with the help of semiotic science and communication science.
Moving on from this discussion the essay tries to develop a thesis to answer the question „What is a picture?“. It introduces the claim that a picture’s perception and recognition, understood to be a symbolic medium of communication, necessarily needs to be conducted in fictionality’s manner of reception. This means that the „how“ of the visual presentation forces the viewer to confront the visual object in a „pretend as if“-attitude in order to enable him/her to recognize it as a picture. Even though the observer knows that the recognized visual object is not a real object, he talks about it as if it would be one. Still, he does not treat it like a real object. The way the picture-object is depicted, determines the communication and the treatment of the picture’s representation, or in other words: a picture’s references to fictionality make its observer treat the picture-object like a fictitious construct though he knows that this is actually not the case like, for example, in a live broadcast on television.

Dieser Beitrag diskutiert den phänomenologischen Bildbegriff von Lambert Wiesing. Zunächst wird dessen Position ausführlich präsentiert, um anschließend mit Hilfe der Semiotik und der Kommunikationswissenschaft die Schwachpunkte und (terminologischen) Probleme dieser Form der Bildtheorie aufzuzeigen.
Aus dieser Diskussion heraus versucht der Aufsatz eine These zur Beantwortung der Frage „Was ist ein Bild?“ zu entwickeln. Diese These besagt, dass die Wahrnehmung und das Erkennen eines Bildes (das als symbolisches Kommunikationsmedium begriffen wird) notwendig in der Rezeptionshaltung der Fiktionalität getätigt werden müssen. Das bedeutet, dass das „Wie“ der bildlichen Darstellung den Betrachter dazu zwingt, dem erkannten Bildobjekt in einer „so-tun-als-ob“-Haltung gegenüberzutreten, um es als Bild zu erfassen. Obwohl der Betrachter weiß, dass die erkannte Bilddarstellung kein reales Objekt ist, spricht er so darüber, also ob es eines wäre, behandelt es aber nicht so. Das „Wie“ des Bildobjekts determiniert also die Kommunikation und die Behandlung gegenüber der Darstellung des Bildes, oder anders ausgedrückt: Die Fiktionalitätsverweise eines Bildes führen den Bildbetrachter dahin, dass er das Bildobjekt wie einen fiktiven Gegenstand behandelt, auch wenn dies, wie z.B. bei einer Live-Schaltung im Fernsehen, keiner ist.

3. Diskussion

In der folgenden Diskussion sollen die Probleme des phänomenologischen Ansatzes und dessen Kritik an den anderen Bildtheorien näher beleuchtet werden. Wie sich hierbei noch zeigen wird, handelt es sich bei der Diskussion um die notwendigen Merkmale des Bildbegriffes vorwiegend um terminologische Probleme, weshalb diese auf Grund der Übersichtlichkeit in zwei Unterkapiteln und zwei Exkursen behandelt werden.

3.1 Der Begriff des Zeichens

Wiesing argumentiert in seinen Studien stets gegen eine notwendige Fundierung des Bildbegriffes mittels des Zeichencharakters, während die Semiotik auf diesen Punkt beharrt. Dies wirft natürlich die Frage auf, warum es zu einem solch fortwährenden Dissens kommen kann.

Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen könnte sein, dass in einigen semiotisch fundierten Bildtheorien der Zeichenbegriff zwar als notwendig für den Bildbegriff vorausgesetzt wird, allerdings keine plausible und überzeugende Begründung für diese Fundierung gegeben wird. So lassen sich bspw. im Buch „Bild, Darstellung, Zeichen“ von Oliver R. Scholz keine Argumente finden, warum das Bild notwendig als Zeichen aufgefasst werden muss. Es lassen sich lediglich Aussagen wie die oben bereits zitierte finden: „Damit etwas ein Bild ist, muss es ein Zeichen sein; und damit etwas ein Bild von einem Ding ist, muss es ein Zeichen (besonderen Typs) von diesem Ding sein.“ (Scholz 2009, S.28)

Dies bleibt ohne weitere Ausführungen eine These, die es zu belegen gilt, was dort eben nicht geschieht. Da Scholz den Begriff des Zeichens in seiner Arbeit nicht genau definiert, letztendlich aber darauf aufbaut, lässt sich diese Form der unspezifischen semiotischen Argumentation leicht aushebeln, wie Wiesing dies in seiner Studie „Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes“ gezeigt hat (vgl. Wiesing 2005, S. 17-80). Dies gelingt allerdings nur, indem Wiesing für seine Argumentation einen Zeichenbegriff verwendet, der aus semiotischer Perspektive zu eng gefasst scheint.

Dass der Grund für den Dissens semiotischer und phänomenologischer Bildtheorien ein terminologisches Problem sein soll, weist Wiesing in einem Interview mit Klaus Sachs-Hombach aber strikt zurück:

„KSH: […] Kann es nicht sein, dass einfach die Semiotiker etwas anderes unter dem Begriff des Zeichens verstehen als die Phänomenologen? WIESING: Nein, das glaube ich nicht. Es wäre auch ganz abwegig, wenn ich die jetzt zustimmen würde, weil sich dann der ganze Sachstreit auf einen bloßen terminologischen Sprachunterschied reduzieren ließe – und das geht nicht.“ (Wiesing 2004, S. 156f)

Wiesing sieht in seiner Argumentation das Problem, dass ein zu weiter Zeichenbegriff sinnentleert ist und man dadurch nicht mehr bestimmen kann, was genau ein Zeichen ist und was nicht. Als Beispiel für einen Vertreter eines solchen Zeichenbegriffes nennt er Charles Sanders Peirce (der für viele Bildsemiotiker die argumentative Grundlage bildet), bei dem alles Wahrnehmbare ein Zeichen sein kann. Wiesing schlägt dagegen vor, wie dies deutlich geworden sein sollte, die notwendige Bedingung für Bilder über die Wahrnehmung und der Ähnlichkeit zu etwas zu bestimmen, das er als Bildobjekt bezeichnet. Anstatt den Bildern automatisch einen Inhalt zuzuschreiben, meint Wiesing, dass Bilder eben keinen Inhalt haben, sondern sichtbare Objekte ohne Physik sind (Ebd., , S. 157f).

Wenn man allerdings Arbeiten von anderen Bildsemiotikern liest, wird deutlich, dass es sich in Bezug auf den Zeichenbegriff doch um einen terminologischen Unterschied handelt, auch wenn Wiesing diesem Faktum nicht zustimmen will (obwohl er selbst anmerkt, dass Peirce einen anderen, eben viel weiteren Zeichenbegriff verwendet). Erfreulicherweise gibt es neben Scholz noch andere Bildtheoretiker, die die semiotische Fundierung des Bildbegriffes wesentlich spezifischer ausarbeiten und somit versuchen, terminologische Probleme zu vermeiden. Inwiefern sich deren Zeichenbegriff von Wiesings Vorschlag unterscheidet, und wie man dessen Argumentation aushebeln kann, soll im Folgenden gezeigt werden.

Wiesing definiert den Begriff des Zeichens in Anlehnung an Ludwig Wittgenstein streng funktionalistisch. Nur durch die entsprechende Verwendung wird ein Gegenstand zu einem Zeichen und dieses Zeichen steht immer für etwas anderes. Die Bedeutung eines Zeichens entsteht hierbei nicht einfach aus sich selbst heraus, sondern immer durch die Verwendung und durch gesellschaftliche Konventionen. Man muss ein Zeichen als solches verwenden, um mit ihm auf etwas zu verweisen. Der Zeichen-charakter ist aus dieser Perspektive eine Art Wiederfahrnis, weshalb man laut Wiesings Argumentation einem Bild niemals ansehen kann, ob es ein Zeichen ist oder nicht, da Bilder niemals aus eigener Kraft eine Bedeutung hätten (Ebd., S. 160, Wiesing 2000, S. 96 und Wiesing 2005, S. 37ff).

Inwiefern trifft nun diese Argumentation in Bezug auf den Zeichenbegriff zu und ist es unmöglich, selbst mit dieser engen Definition den Bildbegriff semiotisch zu fundieren?

Um es vornweg ganz deutlich zu sagen: Wiesings Definition ist aus semiotischer Sicht nicht die einzig mögliche zur Bestimmung des Zeichenbegriffes. Sie wird von vielen Kritikern als zu eng angesehen, da sie nicht alle möglichen Phänomene einschließt, die mit einem differenzierten Zeichenbegriff beschrieben werden können (vgl. Halawa 2008, S. 109f). Bereits die Annahme, dass alle Wissenschaftler den Begriff „Zeichen“ gleich verwenden ist völlig abwegig, denn selbst innerhalb der Semiotik unterscheiden sich die Zeichendefinitionen mit ihren zugrundeliegenden Theorien und den daraus abzuleitenden Folgen erheblich voneinander (vgl. zu den unterschiedlichen Zeichenbegriffen und den entsprechenden Theorien: Nöth, S. 59 – 130).

So merkt bspw. Winfried Nöth in Bezug auf die Bildtheorie treffend an: „Ob und in welcher Hinsicht Bilder Zeichen sind, hängt nämlich davon ab, welcher Zeichenbegriff bei der Beantwortung dieser Frage zugrunde gelegt wird. Es gibt enge und weiter gefaßte Zeichenbegriffe.“ (Nöth 2009, S. 236) Die weiter gefasste Definition des Zeichenbegriffes von Nöth differenziert in Anlehnung an Peirce in ikonische, indexikalische und symbolische Zeichen, was letztendlich dazu führt, dass jedes Bild ein Zeichen ist und nicht etwa nur die >Re-Kognitionen jeglicher Art, auf Ideen, Gedanken, Farben, Formen, Klänge, Geruchs- oder Geschmacksempfindungen.“ (Ebd., S. 236f) Auch Sachs-Hombach fasst den Begriff des Zeichens weiter und allgemeiner auf, wenn er meint, dass er „als Oberbegriff [dient], unter dem nicht nur sprachliche Ausdrücke und bildhafte Darstellungen, sondern alle Gegenstände fallen, von denen wir sagen würden, dass sie einen Inhalt haben und damit etwas bedeuten.“ (Sachs-Hombach 2006, S. 77)

Man könnte also gegen die von Wiesing angeführte Argumentation folgendes einwenden: bereits die bewusste Hinwendung, Wahrnehmung oder Rezeption eines Bildes stellt eine Verwendung mit Bezugnahme oder Referenz zu früheren Wahrnehmungen bzw. zu davon gespeicherten Erinnerungen oder Vorstellungen dar, die es notwendig zu einem Zeichen macht, egal ob man ein gegenständliches oder abstraktes Bild sieht (man erkennt also Formen, Farben etc. wieder, die man früher auch in anderer Form bereits gesehen hat).

Wenn man aus dieser Perspektive ein Bild sieht, schreibt man ihm daher automatisch einen Sinn oder Inhalt zu, in dem man es zwangsläufig als Zeichen verwenden muss. Die Ansicht, dass man einen Inhalt nicht sehen kann, lässt sich auch nur halten, wenn man die Wahrnehmung als etwas Unmittelbares ansieht, dem keine Prozesse der Interpretation und der damit verbundenen Sinnzuschreibungen eigen sind, was nicht der Fall ist. (Zu diesem Punkt: Halawa, S. 80 – 121, besonders S. 110f) Somit wären Bilder immer Zeichen, da man sie automatisch als solche verwenden muss, weil sie entweder eine Referenz zu früheren Kognitionen oder zu realen Gegenständen besitzen.

Das von Wiesing beschriebene Wiederfahrnis, die jedem Zeichen inhärent sein soll (also das man keinem Zeichen ansehen kann, dass es ein selbiges ist), kann weiterhin nur auf Grund der mangelenden Differenzierung der Zeichenvorkommnisse entwickelt werden. Wenn man in Bezug auf das Zeichen zwischen Ikon, Index und Symbol unterscheidet, kann man auch nicht bei jedem dieser Zeichenmöglichkeiten von einem Wiederfahrnis sprechen, z.B. bei einem Index. Die kausale Verbindung bspw. zwischen Rauch und Feuer oder zwischen einem Fuß und dem Fußabdruck kann man problemlos als solche durch Hinsehen erkennen. Diesen Vorkommnissen kann man ansehen, dass sie Zeichen sind, weil sie kausal bedingt als Wirkung auf ihre Ursache verweisen. Es kann also durchaus zufällig ein Zeichen entstehen, bspw. wenn im Sommer in einem Wald ein Blitz einschlägt und man kurz darauf aufsteigenden Rauch wahrnimmt, ist dies zweifelsohne ein indexikalisches Zeichen für Feuer, das kausal bedingt ist und das der Mensch durch Anschauung leicht erkennen kann (wobei der Begriff der Erkenntnis für eine solche (Bild)Theorie zweifelsohne genauer bestimmt werden müsste).

Nach Wiesings eigener Auffassung, wäre es daher mit einem weiter gefassten Zeichenbegriff auch angemessen, bei der Rezeption von Bildern von einem Lesen zu sprechen, da diese Form der Repräsentation immer einer Bezugnahme wäre. Dies wird deutlich, wenn er skeptisch schreibt:

„Muß man einem Bild einen Inhalt oder eine Bedeutung zuweisen? Muß man die Darstellung als Inhalt interpretieren? Ist das, was ein Bild darstellt, allein dadurch, daß das Bild darstellt, der Inhalt des Zeichens? Hat man dadurch, daß man auf einer Fläche eine Darstellung sieht, dieser Fläche schon einen Sinn zugewiesen? Wenn dies so wäre, wären alle Bilder immer Zeichen.“ (Wiesing 2005, S. 29)

Könnte man also zweifelsfrei nachweisen, dass die Betrachtung eines Bildes immer ein Zeichenprozess ist, bei dem man das Bild notwendig für eine Referenz zu Gegenständen oder Kognitionen verwenden muss, würde auch Wiesing dieser Position zustimmen.

Wie aber oben bereits angemerkt, empfindet Wiesing einen solchen Zeichenbegriff als zu weit. Ob allerdings ein weiter Zeichenbegriff dadurch für eine wissenschaftliche Analyse untauglich wird, kann auf Grund des formalen Rahmens dieser Arbeit nicht diskutiert werden. Um aber die Weite des z.B. von Nöth in Anlehnung an Peirce verwendeten Zeichenbegriffes zu charakterisieren, soll dieser noch einmal zitiert werden: „Auch Gedanken und Wahrnehmungen sind als mentale Repräsentationen Zeichen, denn sie sind zeichenhaft verbunden mit all jenen Gedanken und Wahrnehmungen, die im Wissen und in der Erinnerung des Wahrnehmenden mit ihnen assoziiert sind.“

Zeichen können in dieser Position nicht nur referentiell auf Dinge verweisen, sondern auch auf mentale Aspekte der Kognition (Nöth 2005: Zeichentheoretische Grundlagen der Bildwissenschaft, S. 53). Wenn man diese Position ernst nimmt, stellt sich demnach nicht nur die Frage, was genau ein Zeichen ist, sondern auch grundlegend, was eigentlich Wahrnehmung und Erkenntnis ist bzw. wie diese von statten geht. Für die Klärung des Bildbegriffes wäre es daher unerlässlich, genaue Begrifflichkeiten und Beziehungen zwischen Phänomenen der Wahrnehmung, Kognition, Erkenntnis und dem Gedächtnis zu klären, um zu einer zweifelsfreien Begriffsbestimmung zu gelangen. Ohne die Klärung solch interdisziplinärer „Grundbegriffe“ kann keine Bildtheorie in der Lage sein, das Phänomen des Bildes genau zu erfassen.

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die Positionen der Phänomenologie und Semiotik an einem Punkt zusammengeführt werden könnten. Bei beiden Positionen kann ein zumindest gegenständliches bzw. ikonisches Bild über die Ähnlichkeit zu etwas bestimmt werden, wobei sie sich nur in den Antworten auf die Frage, als was man dieses etwas wahrnimmt, unterscheiden. Wiesing meint, dass die Ähnlichkeit eines Bildes zu einem Gegenstand keine notwendige Zeichenrelation ist, sondern ein Bildobjekt bzw. eine artifizielle Präsenz, ohne notwendige Referenz. Nöth würde dem widersprechen, da für ihn das Bildobjekt entweder eine Referenz zu einer (realen) Sache oder zu einer Kognition sein kann; anders formuliert: „Das Objekt, für welches das Bild „nicht in jeder Hinsicht“ steht, kann ein konkreter Gegenstand sein, aber auch etwas bloß Imaginäres, ein mentales Bild, das als eine frühere Erfahrung dem gegenwärtigen Bild vorausgeht.“ (Nöth 2005: Warum Bilder Zeichen sind, S. 53) Klaus Sachs-Hombach sieht dies ähnlich, wenn er anmerkt, dass

„ein Gegenstand einfach dann ein Zeichen ist, wenn wir ihm einen Inhalt zuschreiben, wenn wir beispielsweise etwas in ihm sehen. Die Tatsache, dass ich etwas in einem Gegenstand sehen kann, ist dann gleichbedeutend damit, dass ich ihm einen Inhalt zuschreibe, und diese Inhaltszuschreibung würde den Zeichencharakter konstituieren.“ (Wiesing 2005: Das Bild aus phänomenologischer Sicht, S. 159)

Man könnte es auch so formulieren: die Phänomenologie meint, dass ein Betrachter in einem Bild etwas erkennen kann, während die Semiotik meint, dass man in einem Bild nur etwas wiedererkennen kann (Halawa 2008, S. 118). Wiesings Argumente für ein Bild ohne Inhalt und ohne jede Referenz, können nach Nöth nur dadurch entstehen, da sein Zeichenbegriff eine Reduktion darstellt, die (auch umgangssprachlich) schwer nachzuvollziehen ist. So schreibt Wiesing: „Bilder zeigen etwas, was sie selbst nicht sind.“ (Wiesing 2000, S. 10) Nöth merkt in dieser Hinsicht treffend an: „[…] wie kann es sein, dass etwas „zeigt, was es selbst nicht ist“ und dabei kein Zeichen sein kann?“ (Nöth 2009, S. 35) Dieses Argument ist von entscheidender Bedeutung, weil es nicht nur die notwendige Bedingung einer semiotischen Bildtheorie hervorhebt und den Bezug auf die im Bild sichtbaren Phänomene verdeutlicht, sondern gleichzeitig implizit eine Erscheinung anspricht, die durch die phänomenologische Bildbeschreibung außen vor gelassen wird: die Kommunikation.

3.2 Exkurs 1: Kommunikation

In diesem Exkurs soll kurz auf den Begriff der Kommunikation und seine Bedeutung für die Bildtheorie eingegangen werden, wobei die nun folgenden Ausführungen auf die treffende Ausarbeitung des Kommunikationswissenschaftlers Roland Burkart beruhen. (Ausführlich zum Begriff der Kommunikation: Burkart, S. 15 - 75)

Kommunikation soll als eine humanspezifische Modalität aufgefasst werden, der eine symbolisch vermittelte Interaktion zugrunde liegt. Kommunikation ist grundsätzlich ein soziales Phänomen, wobei der Begriff „sozial“ jegliches Handeln eines Lebewesens in Bezug auf ein anderes meint. Im Gegensatz zu Tieren handeln Menschen aber intentional, weshalb man auch von einer „sozialen Handlung“ spricht. Nur der Mensch kann mit seinem Handeln ein bewusstes Ziel verfolgen und ihm einen „Sinn“ geben. Menschliches Handeln ist daher ein „kommunikatives Handeln“, was nicht um seiner selbst willen durchgeführt wird, sondern stets ein Mittel zum Zweck ist (intentional). Dieser intentionale Charakter hat zur Folge, dass menschliches Handeln differenzieren kann. Zum einen kann man die allgemeine Intention kommunikativen Handelns beschreiben. Diese besteht letztendlich darin, etwas mitteilen zu wollen. Diese Intention der Mitteilung ist ein konstantes Ziel des kommunikativen Handelns, das auf Verständigung der Kommunikationspartner abzielt. Wenn die Kommunikationspartner die vermittelten Bedeutungen mindestens ansatzweise „miteinander teilen“, kann man von Verständigung sprechen. Der Mensch kann aber auch eine spezielle Intention besitzen, die auf ebenso speziellen Kommunikationsinteressen beruht, die der eigentliche Anlass für jegliches kommunikatives Handeln darstellt (Burkart, S. 61f.). Diese spezielle Intention bleibt immer ein variables Ziel, dass der konkreten Interessenrealisierung gilt. Die Realisierung eines solch kommunikativen Interesses „liegt dann vor, wenn die mit der jeweils gesetzten kommunikativen Aktivität beabsichtigte Folgen auch tatsächlich eintreten.“ (Ebd., S. 62)

Kommunikation ist eine besondere Form der sozialen Interaktion, die einem Prozess gleichkommt. Dieser Prozess kann auf Grund der zeitlichen Struktur menschlicher Interaktion erst nach dem Ablauf und dem Vollzug beschrieben werden, da „eine wechselseitig vollzogene Bedeutungsvermittlung die Realisierung der allgemeinen Intention kommunikativer Handlungen (= Verständigung) mit sich bringen kann.“ (Ebd., s. 62)

Um überhaupt Kommunikation durchführen zu können, bedarf es immer eines Mediums, welches eine Vermittlungsinstanz zwischen den Kommunikationspartnern darstellt, um „eine Anzahl von Ausdrucksformen zu bilden, innerhalb derer verschiedene Bedeutungsinhalte als unterschiedliche Zeichen manifest werden [können].“ (Ebd., S. 62f)

Dieser Umstand führt letztendlich dazu, dass der Kommunikationsprozess als Zeichenprozess betrachtet werden muss. Ein Zeichen meint in diesem Sinne „eine materielle Erscheinung, der eine Bedeutung zugeordnet (worden) ist. Indem es etwas bedeutet, verweist es auf etwas; d.h., es deutet auf etwas hin, das von ihm selbst verschieden (!) ist.“ (Ebd., S. 46) In Anlehnung an Winfried Nöth kann man das Verweisen und die Bedeutung sowohl auf Sachen, Wahrnehmungen oder Kognitionen beziehen. Burkart differenziert und definiert den Begriff des Zeichens ebenfalls weiter, als es bei Wiesing der Fall ist, aber auch enger als es z.B. bei Peirce der Fall ist, obwohl eine Nähe zu ihm ganz klar zu erkennen ist. Grundlegend wird bei Burkart zwischen natürlichen Zeichen (Index) und künstlichen Zeichen (Ikon und Symbol) unterschieden.

Natürliche Zeichen verweisen, wie oben bereits kurz ausgeführt, kausal und bei der Produktion vom Menschen unabhängig als natürliche Prozesse auf ein Objekt, einen Vorgang oder einen Zustand und ihr eigentlicher Zweck ist nicht die menschliche Kommunikation. Natürliche Zeichen sind daher Anzeichen, Kennzeichen oder Symp-tome der Gegenstände u.ä., auf die sie schlussendlich hindeuten. Beispiele hierfür wären der bereits erwähnte aufsteigende Rauch für Feuer oder das Erröten beim Menschen als Zeichen von Scham (vgl. Burkart, S. 47). Diese Einteilung greift allerdings etwas zu kurz, da es auch natürliche ikonische Zeichen geben kann, d.h. die Zuschreibung einer Ähnlichkeit, zu einem natürlichen Gegenstand durch den Menschen, zu etwas anderem ihm Bekannten, was man wie Wiesing auch als etwas in etwas sehen bezeichnen kann, bspw. wenn man Gesichter in Wolken zu erkennen meint u.ä. Grundlegend stellt sich hier aber die Frage, ob das Erkennen von (Bild)Ähnlichkeit eine apriori vorhandene menschliche Fähigkeit ist, wie dies die Phänomenologie annimmt, oder ob es sich um eine durch Erziehung, Interessen und Konventionen geprägte Eigenschaft der Zuschreibung handelt, wie dies viele Semiotiker annehmen (vgl. Halawa 2008, S. 72 und 79).

Künstliche Zeichen sind im Gegensatz dazu, „all jene materiellen Erscheinungen, die zum Zweck der Kommunikation entstanden bzw. geschaffen worden sind.“ (Burkart, S. 47) Diese Zeichen lassen sich bei Burkart noch weiter im Sinne von Peirce in „Ikon“ und „Symbol“ differenzieren, ohne das er deshalb notwendig die von Peirce vorgeschlagene Wahrnehmungstheorie übernimmt. Ähnlichkeit wäre in dieser Sichtweise eine Zuschreibung, die der Mensch sowohl bei natürlichen als auch bei künstlichen Vorkommnissen machen kann, weshalb nur eine kontingente, aber keine notwendige Eigenschaft des Bildes im Allgemeinen sein kann. Ähnlichkeit ist aber - und darauf muss deutlich hingewiesen werden - eine notwendige Eigenschaft des ikonischen Zeichens und damit auch für abbildende Bilder, die eine weitverbreitete Klasse darstellen (vgl. Sachs-Hombach, S. 124 und 129ff).

Burkart unterscheidet weiterhin zwischen der Signal- und der Symbolfunktion eines Zeichens (vgl. Burkart, S. 48). Signale sind Zeichen, deren Funktion „in der unmittelbaren Einwirkung auf das Verhalten anderer Lebewesen besteht. Signale sind Zeichen zu etwas; d.h. Zeichen die zu einer Aktivität drängen. Sie sind materielle Erscheinungen, die dem Zweck dienen, eine bestimmte Reaktion auszulösen.“ (Ebd., S. 48) Die Symbolfunktion hingegen bedeutet, dass ein Zeichen etwas repräsentiert z.B. eine Sache oder frühere Kognitionen. Zeichen können sowohl natürlich und / oder künstlich sein, bspw. kann Rauch ein Zeichen für Feuer sein, aber mittels Konvention als Code verwendet werden (Rauchsignale). Ob ein Zeichen letztendlich eine Signal- oder Symbolfunktion erfüllt, hängt vom jeweiligen Benutzer ab. Diese Einteilung in natürliche und künstliche Zeichen sollte auch verdeutlichen, dass für die Interpretation eines Zeichens das Index oder Ikon ist, auch egal ist, wer oder was dieses Zeichen hervorgebracht hat. Einzig für das Symbol ist die menschliche Produktion und Rezeption notwendig.

In letzter Konsequenz unterscheidet dieser Umstand auch den Mensch vom Tier, da das Tier ausschließlich im Rahmen der tierischen Kommunikation die Signalfunktion eines Zeichens nutzen kann, aber nicht die Symbolfunktion. Nur der Mensch kann mittels symbolischer Zeichen Bedeutungen verstehen, also Anschauungen, Vorstellungen, Gedanken und (abstrakte) Begriffe usw. in Form von bestimmten Bedeutungsinhalten zuordnen und durch Zeit und Raum hinweg aktualisieren, was bei Tieren nicht der Fall ist. Diese besondere Qualität der Kommunikation, nämlich Symbole herzustellen, ist bisher nur beim Menschen beobachtet worden, was die Fähigkeit des begrifflichen Denkens und der Abstraktion voraussetzt. Die Bildanthropologie hat also in dieser Hinsicht unrecht bzw. verkürzt den Gedanken, dass der Mensch ein symbolisches Wesen ist auf die Zeichenklasse der symbolischen Bilder. Diese sind aber offensichtlich nicht die einzigen Symbole die der Mensch herzustellen vermag (vgl. Ebd., S. 51f).

Zusammenfassend kann man sagen, dass menschliche Kommunikation als symbolisch vermittelte Interaktion begriffen werden muss, die ein In-Beziehung-Treten meint, das „darauf abzielt, mit Hilfe gemeinsam verfügbarer Zeichen wechselseitig vorrätige Bedeutungsinhalte im Bewußtsein zu aktualisieren.“ (Ebd., S. 63) Der Mensch kommt nicht umhin, symbolisch zu kommunizieren, was immer den Gebrauch von Medien und damit auch von Zeichen einschließt. Wer also Bilder produziert oder rezipiert, benutzt ein Medium und damit auch ein Zeichen für (visuelle) Kommunikation (vgl. zu diesem Punkt auch: Nöth 2009, S. 60). Sachs-Hombach sieht dies ähnlich, wenn er vorschlägt, die Bestimmung des Zeichens auf inhaltlicher Ebene an eine kommunikative Handlung zu binden bzw. den „Zeichenstatus an die Aspekte des Inhalts (bzw. der Verweisung) und der Intention (bzw. Kommunikation) als deren notwendige Bedingungen zu koppeln.“ (Sachs-Hombach, S. 79)

3.3 Wieder der Zeichenbegriff

Für die Bestimmung des Bildbegriffes hat die eben präsentierte Ausführung folgende Konsequenzen: Da die kommunikative Handlung eine Handlung mit Sinn ist, muss bei der Bildproduktion automatisch ein Sinn zugeschrieben werden. Weiterhin wäre im Fall der Bildproduktion durch den Menschen das schlichte Kommunikationsinteresse des Kommunikators ausschlaggebend, einen sichtbaren Gegenstand für einen Betrachter (für sich oder andere) zu schaffen, den man rezipiert. Ein Mensch, der ein Bild produziert und somit den Beginn einer kommunikativen Handlung vollzieht, könnte deshalb mit einem Bild nicht nicht-kommunizieren, da dies einem Widerspruch gleichkäme. Man müsste bei Bildern, wie dies unter anderem der anthropologische Ansatz vertritt, immer von einem menschlichen Artefakt ausgehen, das für kommunikative Zwecke geschaffen wurde und demnach, was der anthropologische Ansatz nicht vertritt, auch notwendig davon ausgehen, dass es sich immer um ein symbolisches Zeichen für eine kommunikative Handlung handelt. Ob diese Kommunikation erfolgreich verläuft oder nicht, sei dahingestellt. Festzuhalten ist: Da Bilder bekanntlicherweise Medien sind und Medien unentbehrlich für die symbolische Kommunikation des Menschen dienen, müssen Bilder auch notwendig symbolische Zeichen sein! Mark Halawa beschreibt diesen Umstand wie folgt: „Ich sage: Selbstverständlich ist ein Bild ein Zeichen. Aber es ist dies nicht, weil es materiell als ein Zeichen „fungiert“, sondern weil ich mir von ihm nur einen Begriff machen kann, wenn ich es als Bild verzeichne.“ (Halawa 2008, S. 112)

Zugespitzt könnte man diese Gedanken in folgende These zusammenfassen: Nur die Lebewesen, welche über die Fähigkeit der symbolischen Kommunikation verfügen (die beigebracht und erlernt werden muss), sind in der Lage, Bilder zu erschaffen und sie als solche auch zu verwenden und zu erkennen. Ohne die Fähigkeit zur symbolischen Kommunikation, also den Erwerb der Sprache und der damit verbundenen Fähigkeiten des begrifflichen Denkens und der Abstraktion, kann es keine Bilder geben (weder Produktion noch Rezeption)! Der Bildbegriff müsste daher, im Gegensatz zu Wiesings Position, als dezidiert funktionalistisch verstanden und klar von rein ikonischen und indexikalischen Phänomenen abgegrenzt werden, da ihnen die für Bilder konstitutive Eigenschaft der Symbolhaftigkeit fehlt. Ein Bild wäre dieser These nach verwendungsabhängig, was Sachs-Hombach sehr prägnant und präzise wie folgt formuliert:

„Kein Gegenstand ist von sich aus ein Bild, vielmehr wird er erst dann zum Bild, wenn wir ihn in einer bestimmten Weise verwenden, d.h. nach bestimmten Regeln betrachten oder interpretieren. […] Ein Gegenstand ist demnach in der Regel nur dann ein Bild, wenn er so betrachtet wird, als ob er innerhalb eines kommunikativen Aktes als Basis einer Mitteilung dient oder zumindest dienen könnte.“ (Sachs-Hombach: Das Bild als kommunikatives Medium, S. 81 und auch dazu: Sachs-Hombach: Das Bild als kommunikatives Medium, S. 91)

Wie in Kapitel 2.4 beschrieben wurde, meint auch Wiesing, dass der Mensch Bilder nur sehen kann, weil er über die hierfür notwendige Eigenschaft verfügt. Diese Fähigkeit muss aber im Gegensatz zu Wiesings Ansatz als symbolisch kommunikative und daher auch als semiotisch fundierte Eigenschaft begriffen werden!

Der Begriff der „artifiziellen Präsenz“ ist dennoch passend für die Beschreibung des im Bild Sichtbaren, aber nur wenn man es als eine künstliche, das heißt eben menschlich und nicht natürlich hergestellte Präsenz versteht, die als symbolisches Zeichen begriffen werden muss, dass bei der Wahrnehmung eine Referenz zwischen der aktuellen Wahrnehmung und früheren Wahrnehmungen oder Kognitionen herstellt! Definiert man hingegen die Terminologie der „artifiziellen Präsenz“ nur über Ähnlichkeit, das heißt als ein ikonisches Zeichen, wäre es eine unpassende Beschreibung, um den Bildbegriff im Allgemeinen zu definieren.

Das Wiesing allerdings die Terminologie der artifiziellen Präsenz des Bildes über die Kategorie der Ähnlichkeit definiert (dies wird in seinen Texten nicht explizit gesagt, man erkennt es aber an seinen Beispielen und der Art der Beschreibung, die stets von Bildobjekten, Gegenständen und Dingen spricht, was z.B. abstrakte Bilder ausschließt) und nicht etwa über symbolische Kommunikation wird deutlich, wenn er meint, dass auch Tiere etwas schaffen können, dass die, seiner Ansicht nach, notwendige Eigenschaft der artifiziellen Präsenz besitzt. Ein solcher Gegenstand kann dann der Argumentation folgend ein Bild, aber kein Zeichen sein, weil es von seinem Produzenten, dem Tier, nicht als solches verwendet werden kann. Tiere können in dieser Ansicht nach nur artifizielle Präsenz schaffen, aber keine Darstellung oder Nachahmung, da dies eine Intentionalität voraussetzen würde (vgl. Zu Wiesings Sicht in Bezug zu Bild und Tier: Wiesing 2005, S. 59f).

Warum Tiere keine Bilder schaffen können und welche weiteren Schlussfolgerungen sich aus der eben präsentierten Argumentation heraus ergeben, soll in den kommenden Abschnitten geklärt werden.

Wie in dem Exkurs deutlich geworden ist, können Tiere nicht wie Menschen mittels symbolischer Interaktion kommunizieren, da sie nicht die dafür grundlegenden Fähigkeiten des begrifflichen Denkens und der Abstraktion besitzen. Wenn Bilder also notwendig symbolische Zeichen sind (wobei sie noch die anderen Zeichenqualitäten aufweisen können) die etwas repräsentieren, das sich auf Gegenstände oder Kognitionen bezieht, können Tiere bewusst keine Bilder erschaffen. Das von Wiesing angeführte Beispiel einer Ameise, die eine Karikatur von Winston Churchill in den Sand malt, ist in dieser Hinsicht kein Gegenargument, genauso wenig wie die Malerei von Menschenaffen, wie es manchmal in populärwissenschaftlichen Medien gezeigt wird.

Man muss hier folgende Punkte bedenken: Nach dem bisher Gesagten können Tiere zwar keine Bilder und andere symbolische Zeichen herstellen, sie können aber indexikalische Zeichen hinterlassen, die der Mensch auch als natürliche ikonische Zeichen auffassen kann (Zeichen-Objekt-Relationen, also sichtbare zugeschriebene Ähnlichkeit), die aber kein notwendiges Merkmal für einen allgemeinen Bildbegriff ist!

Wiesing meint auf Grund seiner funktionalistischen Zeichendefinition, dass Tiere diese Vorkommnisse nicht als Zeichen verwenden können, was zweifelsohne richtig ist, aber - und das ist der entscheidende Punkt - Menschen können diese sichtbaren Gebilde als ikonische Zeichen verwenden, egal wer oder was sie geschaffen hat! Ein vom Tier geschaffenes Gebilde ist nun nach Wiesings Argumentation eine artifizielle Präsenz (also ein Bild), was wie eben gezeigt wurde, nicht richtig ist, da diese artifizielle Präsenz vom Tier als ein ikonisches Zeichen verstanden werden muss und nicht als ein symbolisches Bild. Man würde ja auch nicht behaupten, dass wenn man z.B. eine Wolke erblickt, die wie eine Flasche aussieht oder etwa einen Schimmelfleck an der Wand, der wie ein Gesicht aussieht, dass der Wind oder der Schimmel eine artifizielle Präsenz bzw. ein Bild geschaffen hat. In Umkehr zu Wiesing könnte man daher sagen: Es kann zwar zufällige Zeichen (Ikon und Index), aber keine zufälligen Bilder geben.

Die eben genannten Beispiele sind natürliche ikonische Zeichen, insofern wir ihnen eine Ähnlichkeit mit etwas zuweisen, das wir schon einmal gesehen haben. Ein ikonisches Zeichen einer Ameise, das aussieht wie eine Karikatur von Churchill, kann man als solche nur erkennen und bestimmen, weil man Churchill schon mal gesehen und ein entsprechendes Bild von ihm im Gedächtnis behalten hat. Genau zu dieser Vorstellung im Gedächtnis muss man überhaupt erst eine Referenz herstellen können, um eine Ähnlichkeit und damit ein ikonisches Zeichen als solches zu bestimmen. In ihrer jeweils natürlichen Umgebung fangen Tiere nicht an zu malen oder zu zeichnen, was aber nicht heißt, dass sie nicht die (zufallsbedingte) Fähigkeit besitzen können, etwas zu schaffen, das dem Menschen - und nur ihm! - als ein Zeichen dienen kann. Diese vom Tier gemachten Formen können höchstens als indexikalische oder ikonische, niemals aber als symbolische Zeichen, z.B. eben als Bilder, dienen, da Tiere nicht die Fähigkeit zur symbolischen Kommunikation besitzen.

Das was die die Ameise produziert, sollte besser mit der Kategorie des ikonischen Zeichens beschrieben werden, also der menschlichen Fähigkeit sichtbaren Formen eine Ähnlichkeit mit etwas ihm Bekannten zuzuschreiben, und nicht mit der Kategorie des Ameisenspuren abstrakte Bilder sind! Tiere hinterlassen auf Grund ihres physischen Daseins immer indexikalische Zeichen in Form von z.B. Fortbewegungsspuren, die für den Menschen auch eine Ähnlichkeit und damit ikonischen Charakter besitzen können, wenn wir in ihr denn eine entsprechende Gestalt zu sehen meinen. Denn Ähnlichkeit ist immer Ähnlichkeit zu etwas, das der Mensch bereits kennt, und zu dem er eine Referenz herstellen muss. Wenn man die „Ameisen-Churchill-Karikatur“ als Bild bezeichnen würde, müsste das letztendlich bedeuten, dass man ein Bild in umgangssprachlicher Manier notwendig über die Ähnlichkeit definiert. Aber Ähnlichkeit oder noch präziser ein ikonisches Zeichen „führt nicht zwangsläufig zu Bildlichkeit“ (Halawa 2008, S. 79) und ist somit auch kein notwendiges, sondern nur ein kontingentes Merkmal zur allgemeinen Bestimmung des Bildbegriffes. Es wäre eine lohnende Aufgabe, die notwendigen und kontingenten Verhältnisse der unterschiedlichen Zeichenrelationen zum Bildbegriff genauer zu analysieren und es wäre ebenso nützlich festzustellen, wann Formen, wie z.B. Ameisen-spuren zu Ähnlichkeiten werden, also wann eine reine Form (bzw. ein Index) zu einem Muster oder einer Gestalt übergeht, der man Ähnlichkeit zuspricht (ein Ikon).

3.4 Der Begriff des Bildobjekts

Das nun folgende Kapitel widmet sich kritisch dem Begriff des „Bildobjekts“ und dessen wahrnehmungstheoretischer Grundlage, die zwar ausführlich in den Kapitel 2.1 bis 2.5 erläutert wurden, an dieser Stelle aber noch einmal rekapituliert werden sollen.

Zusammenfassend kann man das Bildobjekt und dessen wahrnehmungstheoretisches Fundament wie folgt beschreiben: Ein Bildobjekt ist ein nur sichtbarer bzw. imaginärer Gegenstand, der nicht den Gesetzen der Physik unterliegt und somit nicht auf den menschlichen Körper einwirken kann. So schreibt Wiesing: „Schaut man auf ein physisch existentes Bild, so schaut man doch in eine physikfreie Zone. Denn auf der Bildoberfläche sieht man einen Gegenstand, der empirisch nicht als Gegenstand vorhanden ist, sondern […] ausschließlich und bloß sichtbar ist.“ (Wiesing 2000, S. 10)

Die Phänomenologie meint, dass die Darstellung im Bild ein intentionales Objekt mit besonderem ontologischem Status ist und keine Form von Sinn oder Inhalt, dies aber gleichzeitig, ohne ein realer Gegenstand zu sein. Diese „artifizielle Präsenz“ ist ohne jedwede substantielle Anwesenheit und daher kann man über die Folgen der Wahrnehmung erkennen, ob etwas ein Bild ist oder nicht:

„Nur in der Betrachtung eines Bildes ist ein Wahrnehmungserlebnis für den Wahrnehmenden nicht mit dem Zwang verbunden, selbst ein Teil des wahrgenommenen Geschehens sein zu müssen. Er muß nicht mehr partizipieren! Ausschließlich für den Fall der Wahrnehmung eines Bildes gilt: Der Wahrnehmende taucht nicht in die wahrgenommene Welt ein. Bilder sind nicht-immersiv.“ (Wiesing 2009, S. 211)

Wiesing meint auf Grund dieser Argumentation, dass die Betrachtung eines Bildes eine Art Neutralisation einiger Folgen für die Wahrnehmung ist, denn

„Ausschließlich Bilder sind in der Lage, etwas sehen zu lassen, ohne von mir dafür den Preis einer persönlichen Anwesenheit in der wahrgenommenen Welt zu verlangen. […] Ich kann etwas sehen, ohne deshalb durch meinen Wahrnehmungszustand mit dem Wahrgenommenen kausal verstrickt zu werden.“ (Ebd., S. 213)

Wenn man also ein Bild sieht, beginnt eine Art Partizipationspause, denn man wird durch die Wahrnehmung des intentionalen Bildobjekts kein Teil der sichtbaren Bildwelt, man selbst wird kein Bildobjekt.

Es ist unstrittig, dass die Darstellung eines Bildes bzw. das Bildobjekt ein etwas ist, dass im Grunde genommen nur für die visuelle Rezeption existiert und auch nur für diese zugänglich ist. Der Terminus der „artifiziellen Präsenz“ ist, wie oben bereits angemerkt und ausgeführt, durchaus für das im ikonischen Bild Sichtbare zutreffend. Es wurde aber auch deutlich, dass das von der phänomenologischen Position als Bildobjekt bezeichnete etwas immer etwas Gegenständliches präsent machen musste bzw. eine Ähnlichkeit zu einem wirklichen Gegenstand haben muss, dies aber ohne eine Referenz. Die damit einhergehende Einengung des Bildbegriffes auf die ikonischen Bilder wurde bereits ausgeführt. Man sollte aber auch grundlegend Fragen, wie man überhaupt dazu kommt, ein etwas als Bildobjekt zu sehen bzw. es als solches zu bezeichnen, wenn man von diesem etwas keine Referenz zu dem herstellt, was einem (dem Betrachter des Bildes) bereits bekannt ist. Ein Mensch kann das ihm visuell zugängliche etwas doch nur als solches bezeichnen, bestimmen bzw. erkennen, in dem er auf frühere Wahrnehmungen oder Kognitionen referiert! Oder anders formuliert: Ein etwas, das der Mensch erfahren kann, muss er automatisch seinem bisherigen Schema der Erkenntnis anpassen, es also einordnen bzw. verzeichnen, und dies geschieht unter Rückgriff, also einer Referenz, auf frühere Kognitionen. Sieht der Mensch ein Bild, muss er eine Referenz herstellen und damit einen auf Kommunikation basierenden Prozess der Zeichenverwendung zurückgreifen, um dieses etwas als Bild zu erkennen und zu verstehen.

Die Frage der möglichen Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen der artifiziellen Präsenz und Gegenständen, ist aber nicht der einzig strittige Punkt in der Bildtheorie Wiesings. Ein weiterer Aspekt liegt in der Aussage, dass Bildobjekte physiklos sind und nicht physisch auf den Menschen einwirken können. Mal abgesehen davon, dass Bilder z.B. bei Filmen viele Formen der Empathie bis hin zu physischen Reaktionen wie Lachen oder Angst auslösen können, kann einem das im Bild Sichtbare in der Wirklichkeit doch gefährlich werden, was im nun folgenden Gedankenexperiment gezeigt werden soll.

Man denke sich einen riesigen Monitor mit Publikum davor, bspw. bei einem Fußballspiel oder einem sog. „Public Viewing“ bei dem mittels einer Kamera das Publikum gefilmt wird und, wie dies z.B. in Unterbrechungen üblich ist, auch gezeigt wird. Das Live-Bild ermöglicht hierbei eine zeitliche und direkte Präsenz der Wirklichkeit im Bild. Man denke sich nun einen Zuschauer der sich selbst auf einem solchen Live-Bild auf dem Monitor sieht. In einer kurzen Distanz hinter dem Zuschauer beginnt plötzlich jemand Amok zu laufen und der Zuschauer sieht auf dem Monitor das Geschehen hinter sich und wie dieser Amokläufer sich ihm langsam mit einer Waffe nähert. Wäre man nun in phänomenologischer Manier der Überzeugung, dass das auf dem Bild Sichtbare einem nicht irgendwie gefährlich werden könnte, da es ja physiklos und für den Menschen in jeglicher Hinsicht ungefährlich ist, könnte man auch seelenruhig stehenbleiben. Diese Verhaltensweise würde der Zuschauer aber aller Wahrscheinlichkeit nicht an den Tag legen, sondern eher zur Flucht vor dieser Situation tendieren, da er auf Grund des in diesem Moment kausalen bzw. indexikalischen Zusammenhanges der Bilddarstellung und seiner im Bild sichtbaren Situation weiß, dass das im Bild Sichtbare doch eine enorme Gefahr für sein Leben darstellt. Das Anschauen von Live-Bildern kann also durchaus eine physische Gefahr für den Zuschauer präsentieren, da es einen Ausschnitt bzw. eine Perspektive auf die Wirklichkeit zeigen kann, die nun mal den gesetzten der Physik unterliegt.

Man könnte hierbei zwar einwenden, dass nach wie vor das Bildobjekt auf dem Monitor als solches nicht sterben kann und dieses sichtbare Gebilde auch nicht gerochen, getastet oder gehört werden kann, aber die im Bild sichtbare Situation kann für den Menschen reale physische Konsequenzen haben und somit auch gefährlich für ihn werden. Dies gilt aber nur für die Übertragung von Live-Bildern und geht einher mit der zeitlichen Äquivalenz zwischen dem im Bild Sichtbaren und der dazugehörigen Realität. Ähnlich wie beim Spiegelbild könnte die phänomenologische Bildtheorie auch dieses umgangssprachlich als Bild bezeichnete Beispiel als Nicht-Bild zurückweisen.

Dies hätte allerdings zur Konsequenz, das nur statische Bilder (z.B. Fotos) oder Bilder ohne zeitliche Äquivalenz (z.B. Spielfilme) zwischen dem im Bild Sichtbaren und der Realität als Bilder begriffen werden könnten. Mit der Videokamera hergestellte Bilder wären demnach immer nur dann Bilder, wenn sie etwas zeigen würden, was bereits geschehen ist. Es wäre aber recht schwer argumentativ zu beweisen, warum z.B. das auf einem Monitor sichtbare Live-Bild einer Kamera kein Bild sein sollte, während dasselbe gespeicherte Geschehen z.B. einen Tag später als Video ein Bild bzw. eine Bildfolge sein sollte.

Weiterhin muss man bedenken, dass die phänomenologische Beschreibung der Darstellung bzw. des Bildobjekts mit der Kategorie der Physiklosigkeit recht strittig ist. Nichts in der wahrnehmbaren Realität ist physiklos. Schon die reine Sichtbarkeit einer Sache unterliegt bereits der Physik, in dem sie eben sichtbar ist. Die Terminologie der artifiziellen Präsenz bzw. der reinen Sichtbarkeit ist in dieser Hinsicht wesentlich treffender. Doch wie kommt es überhaupt zu dieser Form Beschreibung? Wie kann man die Darstellung des Bildes überhaupt als physiklos bezeichnen? Diese Beschreibung kann nur entstehen, in dem man die Darstellung überhaupt als ein Objekt begreift. Dass es sich bei dem Darstellenden, also dem Bildträger um ein Objekt handelt, ist unstrittig. Dem im Bild Sichtbaren einen ontologischen Status zusprechen, es von der materiellen Substanz des Bildträgers trennen und es als davon unabhängiges Objekt bezeichnen, ist allerdings eine kritische Vorgehensweise. Der Darstellung wird nämlich eine eigene substanzunabhängige Seinsweise zugestanden, so als ob es eine eigenständige Realität wäre, zu der wir nur durch unsere visuelle Wahrnehmung Zugang hätten.

Das dieses Argument zum einen nur eingeschränkt gilt, sollte am Live-Bild-Beispiel (wenn man dieses als Bild anerkennt) deutlich geworden sein. Zum anderen ist es aber auch abwegig, dies für normal statische Bilder oder Filmbilder, die etwas zeitlich Nicht-Gegenwärtiges zeigen, anzunehmen. Dies würde nur Sinn machen, wenn man, wie es die Phänomenologie handhabt, diesen Bildern eine eigenständige ontologische Form zuspricht. Eine Möglichkeit, wie man diese Prämisse umgehen und anders beschreiben kann, soll im Folgenden gezeigt werden.

Zunächst muss man festhalten, dass Wiesing insofern recht hat, als das man natürlich selbst kein Bildobjekt, also Teil der wahrgenommenen sichtbaren Darstellung wird, wenn man ein Bild betrachtet, aber nur, weil es eben keine von der sonst wahrnehmbaren Realität unterscheidbare Realität ist, sondern immer noch ein Teil davon. Und natürlich altert, riecht und hört man die Darstellung der Mona Lisa nicht, gerade weil sie eine künstliche, fiktionale Darstellung und kein reales Objekt ist. Dies gilt aber auch für andere Formen der medialen Darstellung: Als Skulptur kann Michelangelo's David nicht altern, gerochen oder gehört werden, genauso wenig wie dies die Darstellung des Sherlock Holmes in den Romanen Arthur Conan Doyles kann. Die Liste der Beispiele ließe sich fortführen, da dies alles mediale Darstellungsformen und eben auch symbolische Zeichen(systeme) sind, die man kommunikativ wie eigenständige Wirklichkeiten behandeln kann, obwohl sie keine Realität sind. Aber warum ist das so, dass man mit Medien etwas darstellen kann, dass scheinbar physiklos ist?

Die Antwort auf diese Frage ist simpel: weil es sich immer um Fiktionalität handelt! Egal ob ein Bild, ein Text oder eine Skulptur, die mediale Form der Darstellung, in der uns etwas präsentiert wird, behandelt man nicht wie einen realen Gegenstand oder Sachverhalt, obwohl man so über ihn spricht, als ob er dies wäre. Was genau damit gemeint ist, und warum die Rezeption der Darstellung im Bild immer im Modus der Fiktionalität vonstattengeht, soll im folgenden Exkurs geklärt werden.

3.5 Exkurs 2: Fiktion, Fiktionalität und Bilder

Der Begriff „Fiktionalität“ steht in enger Relation zum Begriff „Fiktion“, welcher aus dem lateinischen „fingere“ abgeleitet wurde und ursprünglich sowie in gewissem Sinne auch heute noch „die Tätigkeit des Bildens, Dichtens, Vorstellens, Entwerfens, sodann das Produkt dieser Tätigkeit, die Erdichtung, die fingierte Annahme, das imaginative Gebilde [bedeutet].“ (Lötzsch 1971ff, Sp. 951-953) Der Begriff der „Fiktionalität“ muss daher auch als Oppositions-begriff zur Realität bzw. zum realen, wirklich Vorhandenen gesehen werden. Eine mediale Darstellung muss aber nicht automatisch fiktiv sein, nur weil die Art der Darstellung fiktional ist! Der Begriff „Fiktionalität“ selbst, lässt sich auf verschiedene Sachbereiche anwenden, wobei in dieser Arbeit und in der folgenden Erörterung nur der spezielle Bezug zu Bildern relevant ist. Bilder werden hier explizit als symbolische Zeichen verstanden, mit denen kommunikative Handlungen vollzogen werden können und die man demnach mit bestimmten semiotischen Kategorien analysieren kann.

Grundlegend kann man die Begriffe „Fiktivität“ und „Fiktionalität“ dadurch trennen, in dem man sagt, dass die Fiktivität in Relation zum kommunikativen Gehalt („Was“), also dem Inhalt einer Darstellung und die Fiktionalität in Relation zum Mitteilen („Wie“) dieses Inhalts steht. Die Begriffe „Fiktionalität“ und „fiktional“ beziehen sich auf die Form bzw. „dien[en] zur Charakterisierung mehr oder minder umfangreicher sprach-bezogener Einheiten (Äußerungen, Texte, Ausdrücke usw.)“, während die Begriffe „Fiktivität“ und „fiktiv“ auf den Inhalt des Dargestellten und „zur Charakterisierung dessen, wovon sprachliche Einheiten handeln, bzw. dessen, was sie zum Ausdruck bringen.“ (Köppe 2008, S. 24) So kann man sagen, dass bspw. Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“ ein fiktionaler Roman und das die Hauptfigur Effi Briest eine fiktive Person ist, da sie eine ausgedachte Figur darstellt, die keine Referenz zur Realität besitzt. Beide Begriffe kennzeichnen und verweisen damit auf die Irrealität der Darstellung (vgl. Keller 1980, S. 9). Die Produktion als auch die Rezeption fiktionaler Werke muss innerhalb einer Gesellschaft als soziale Praxis oder als Institution geregelt sein, um Fiktionalität bzw. Fiktivität zu erkennen (vgl. Köppe 2008, S. 25). Dieses Verhältnis kann man wie Tilmann Köppe, an dessen Ausführungen sich der Fiktionalitätsbegriff in dieser Arbeit anlehnt, auch grob so zusammenfassen: „Ein fiktionales […] Werk ist das Ergebnis (erfolgreicher) sprachlicher Handlungen, denen die kategoriale Intention zugrunde liegt, dass das Werk gemäß den Regeln und Konventionen der Fiktionalitätsinstitution rezipiert werden soll.“ (Ebd., S. 25) Diesen Satz gilt es im Folgenden zu präzisieren, zu erläutern und auf die Kategorie der Bildkommunikation (Kommunikation mit und über Bilder) anzuwenden.

Dass fiktionale Darstellungen aus kommunikativen Handlungen hervorgehen, denen eine bestimmte Absicht zu Grunde liegt, ist zweifelsohne ein Fakt der nicht weiter erläutert werden muss. Allerdings kann man die Form der kommunikativen Handlungen noch weiter präzisieren und sie als „fiktionale Äußerungen“ bezeichnen.

Die oben genannte Absicht bzw. Intention des Produzenten, eine fiktionale Darstellung zu erschaffen, ist gleichzeitig eine Einladung oder besser noch eine Aufforderung an den Rezipienten, die Darstellung in einer bestimmten Haltung zu rezipieren, sie also nicht als Realität oder Wirklichkeit zu sehen, sondern als imaginiertes Produkt, dem eine Fiktionalitätsintention zugrunde liegt. Fiktionalität ist demnach auch eine Zuschreibung, die innerhalb eines Kommunikationsprozesses getätigt werden muss! Die fiktionale Darstellung muss in der Regel als solche vom Produzenten gewollt sein, um vom Rezipienten auch entsprechend verstanden zu werden, was jedoch nicht immer gelingt, bspw. bei der Verwechslung von Bild und Wirklichkeit, wie dies in der Trompe-l’œil Malerei vorkommen kann (Weidacher 2007, S. 12ff). Dies kann entweder an der mangelenden Kompetenz des Rezipienten liegen, fiktionale Darstellungen überhaupt zu erkennen (bspw. bei TV sehenden Kindern, die Bild und Wirklichkeit verwechseln) oder weil der jeweilige Produzent diese nicht explizit genug gekennzeichnet hat (bspw. Trompe-l’œil, die auch bei Erwachsenen zu einer kurzzeitigen Verwechslung zwischen Bild und Realität führen kann). Damit die richtige Form der Rezeption gelingt, müssen sich die Fiktionalitätsintentionen auf die eine oder andere Art äußern. Für die Fiktionalität der Darstellung gibt es Verweisstrategien, die die Darstellung als fiktional kennzeichnen.

Solche Verweise kann man als Fiktionalitätsverweise- oder signale bezeichnen, die sich durch z.B. den Rahmen eines Bildes, die Art der Darstellung (flache Leinwand, die eine Darstellung präsentiert) oder durch Prätexte (z.B. Bildtitel: „Einhorndarstellung“) etc. auszeichnen. Man kann grob gesagt die Fiktionalitätsverweise auf der inhaltlichen und der formalen Ebene finden, wobei für die Bildtheorie das „Wie“ der Darstellung von entscheidender Bedeutung ist, und das „Was“ nur in speziellen Fällen relevant ist (vgl. Köppe 2001, S. 133ff).

Das Interessante in Bezug auf die verschiedenen Formen der medialen Darstellung ist nun, dass die Fiktionalitätsintention und die entsprechenden Verweise bei literarischen Texten und Bildern genau umgekehrt sind. Während bei einem beliebigen schriftlichen Text diese Verweise dazu dienen, dass der Rezipient die Darstellung einer Sache nicht mit der Darstellung der Realität verwechselt, kann der Produzent eines Bildes auf Grund der zumeist offensichtlichen Nicht-Identität und Fiktionalitätsverweise (Begrenzung durch Rahmen, flacher Gegenstand etc.) der bildlichen Darstellung mit der für den Mensch assoziierten Referenz (egal ob Gegenstand oder Kognition) gar nicht anders, als durch die Darstellung des Bildes selbst die Fiktionalität der Darstellung zu präsentieren. Sogar das Gegenteil ist der Fall: Will ein Maler etwas erschaffen, das nicht als Bild sondern als Realität rezipiert und behandelt werden soll, muss er sich größte Mühe bei dem Täuschungsversuch geben, der aber letztendlich scheitern muss, wie dies z.B. bei Trompe-l’œil Werken der Fall ist. Er muss versuchen, die Darstellung so zu gestalten, das durch die Perspektive und die Authentizitätsverweise, das Bild den Betrachter täuscht und er dieses nicht als Bild, sondern als Realität auffasst. Der Bildcharakter kann aber durch solche Werke nicht verloren gehen, da die offensichtlichen Fiktionalitätsverweise eines Bildes schnell dazu führen, dieses etwas als Bild und nicht als Realität zu erkennen.

Wie eben ausgeführt, ist der Ablauf der Rezeption von fiktionalen Darstellungen ein weiterer wichtiger Punkt zur Bestimmung von Fiktionalität. Die Rezeptionshaltung von fiktionalen Darstellungen zeichnet sich durch „eine Vorstellungsaktivität [aus], die die fiktionalen Äußerungen sowie deren Gehalt zum Gegenstand hat, sowie auch (im weitesten Sinne) affektive Reaktionen auf diesen Gehalt.“ (Ebd., S. 30) Grob gesagt bedeutet dies, dass der Rezipient in eine „so-tun-als-ob“-Haltung eintritt. Obwohl er weiß, dass die rezipierte Darstellung des Bildes nicht wahr ist, nimmt er die fiktionalen Darstellungen über Gegenstände, Personen, Sachverhalte usw. während der Rezeption „für wahr“ an und reagiert auch mit Empathie gegenüber dem Dargestellten. Der Rezipient weiß, dass es sich um Darstellungsakte eines bestimmten Typus handelt und reagiert auch dementsprechend auf das Gesehene (vgl. Ebd., S. 30ff). Wenn der Rezipient bspw. in einem Bild einen dargestellten Mord sieht (egal ob z.B. Gemälde oder Filmbild), wird er nicht die Polizei rufen, weil er durch die entsprechende Verweise um die Fiktionalität des Gesehenen, also um dessen Darstellung weiß (die oben beschriebene Rezeption von Live-Bildern würde hier eine Ausnahme bilden). Fiktionalität wird also durch einen „bestimmten Modus der Darstellungs- und Verstehensweise verarbeitet“ (Weidacher 2007, S. 38.), dem kommunikative Prozesse zu Grunde liegen, dem sowohl Produzent, als auch Rezipient genügen müssen, was auch bei der Wahrnehmung von Bilder der Fall ist. Fiktionalität ist daher ein Rezeptionsmodus des Menschen für die Behandlung medialer Darstellungen. Anders formuliert: Die Fiktionalität der bildlichen Darstellung (also das Bildobjekt), hat nur in speziellen Fällen was mit der Fiktivität zu tun, nämlich dann, wenn der Inhalt (also das „Was“) fiktiv ist. Entscheidend ist, dass bereits das „Wie“ der bildlichen Darstellung fiktional ist bzw. im Rezeptionsmodus der Fiktionalität begriffen wird. Man behandelt das Bildobjekt in einer „so-tun-als-ob“-Haltung wie einen realen Gegenstand, obwohl man genau weiß, dass es kein solcher ist. Die Form des Bildes Verweist automatisch auf seine Fiktionalität und damit auf die Irrealität seiner Darstellung, oder anders formuliert: Das „Wie“ der Bilder determiniert die Behandlung bzw. die Kommunikation über das erkannte „Was“.

Nach dem bisher Erläuterten kann man in Anlehnung an Tilman Köppes den Begriff „Fiktionalität“ für Bilder wie folgt definieren: Ein bildliche Darstellung ist genau dann fiktional, wenn gilt, dass der Rezipient auf Grund der unumgänglichen Fiktionalitätsverweise durch den Produzenten die Darstellung so behandelt, dass er:

(1.) die Darstellung des Bildes wie eine ihm sonst bei der Wahrnehmung gegebene Wirk-lichkeit auffasst und auch so über sie spricht, obwohl er weiß, dass Teile der sonst üblichen Bedingungen des kommunikativen Handelns aufgehoben sind, und dass der Rezipient

(2.) in eine intensive (und emotionale) Vorstellungsaktivität mit dem Gehalt der Darstellung eintritt, wobei die Verwirklichung der Fiktionalitätsabsicht an die Erfolgs-bedingungen geknüpft ist, dass

(3.) der Rezipient überzeugt ist, dass Wahrheiten, die über die fiktionalen Darstellung von Gegenständen, Personen, Sachverhalte usw., die das Bild darstellt, auch von diesem abhängen, und

(4.) dass das Bild Merkmale (Fiktionalitätssignale- und verweise) aufweist, die es als auf einen Produzenten beruhend aufweisen. (Diese Definition ist eine Modifikation von: vgl. Köppe 2000, S. 35)

Diese Definition kann nun noch um einen relevanten Punkt erweitert werden. Hier wäre das Verhältnis von Realität und Fiktion zu nennen bzw. die Frage nach fiktionalen Darstellungen und fiktiven Welten, sowie deren Objekten. Die Definition von fiktiven Objekten ist nach Köppe relativ schlicht. Es meint Dinge, die man sich als real vorzustellen hat, wenn man eine fiktionale Darstellung rezipiert (Ebd., S. 40). Das bedeutet letztendlich, dass man sich gegenüber der Darstellung so verhält, als ob sie real wäre, obwohl man genau weiß, dass sie es nicht ist, was auch bei der Bildwahrnehmung zutrifft. Hinzu-kommend muss man bedenken, dass jegliche fiktionale Darstellung nicht einfach aus dem nichts geschaffen wird und sie „bringt [auch] keine eigene Gegenständlichkeit zuwege, sondern hat aus der Wirklichkeit [ihr] Material und bleibt so dem Auffassen von Wirklichem verbunden.“ (Keller 1980, S. 10.) Es gibt demnach immer eine Referenz zur Realität der Menschen beim Produzieren einer medialen Darstellung, auch bei der eines Bildes.

3.6 Wieder das Bildobjekt

Die Darstellung eines Bildes, also dessen Inhalt kann fiktiv sein, muss es aber nicht, während wiederum die Art und Weise des Bildes immer fiktional sein muss. Anders formuliert: die Fiktionalitätsverweise des Bildes führen den wahrnehmenden Betrachter automatisch dahin, dass er die Darstellung des Bildes wie einen fiktiven Gegenstand behandelt, auch wenn es dieser bspw. bei einem Live-Fernsehbild nicht ist (so spricht bspw. der Moderator einer Nachrichtensendung per Video mit einem zugeschalteten Menschen, würde aber dessen bildlicher Darstellung nicht die Hand reichen etc.). Man kann auch eine Analogie bilden: Die Darstellung im Bild behandelt man ähnlich wie eine fiktionale Aussage bzw. Darstellung im Text, man behandelt sie nicht wie ein reales Objekt, redet aber über sie, als wäre sie real. Der Unterschied zum Text besteht darin, dass ich bei diesem den Rezeptionsmodus der Fiktionalität auf Grund des fiktiven Inhalts einnehme, was auch bedeutete, dass ich nicht nach diesem Inhalt handle, was beim Bild nicht immer der Fall ist, wie z.B. bei einer Live-Schaltung im TV oder einer Videobotschaft, bspw. bei einem Videotestament. Es handelt sich ausschließlich um einen in der symbolischen Kommunikation existenten, künstlichen Gegenstand, den man auch als artifizielle Präsenz bezeichnen kann, wenn man diese Terminologie an die entsprechenden Umstände bindet. Da das Bild eine künstliche Darstellung von etwas ist, behandelt man es dementsprechend notwendig im Rezeptionsmodus der Fiktionalität.

Wenn man die eben erläuterte Terminologie allgemein auf das Phänomen des Bildes überträgt, kann man in Analogie dazu sagen, dass das „Was“ und „Wie“ des Bildes auch fiktiv (Bildobjekt) und fiktional (Bildträger) sein kann bzw. sein muss, um es überhaupt als Bild zu erkennen und als solches zu behandeln. Die Darstellung eines Einhorns mit einem Bild wäre daher fiktiv, weil es sich bei besagtem Einhorn um ein fiktives bzw. imaginäres Tier handelt, das keine Referenz in der Realität besitzt. Zum einen kann ein Bild daher als fiktional klassifiziert werden, wenn es eine fiktive Darstellung wie z.B. ein Einhorn zeigt. Das „Was“ des Bildes determiniert daher durch seinen fiktiven Inhalt automatisch das „Wie“ des Bildes, womit die Einordnung des Bildes in die Klasse der Einhorn- und damit automatisch der fiktionalen Bilder gemeint ist. Da aber nicht alle Bilder fiktive Gestalten oder Sachverhalte zum Gegenstand haben, sondern auch reale Gegenstände, Sachverhalte und Lebewesen darstellen können, kann diese Form der Zuschreibung nicht in die notwendige Fiktionalität des Bildes führen.

Die erforderliche Bedingung, die jeder bildlichen Darstellung den Rezeptionsmodus der Fiktionalität aufzwingt, liegt in der Behandlung und der Kommunikation des Menschen gegenüber dem Bild. Wenn man ein Bild sieht, tritt man diesem symbolischen Zeichen automatisch in einer „so-tun-als-ob“-Haltung gegenüber. Der Rezipient weiß auf Grund zahlreicher Fiktionalitätsverweise- und signale, dass es sich bei der Darstellung nicht um einen echten Gegenstand, sondern nur um ein Bild handelt, über das er aber so spricht, als ob es ein wirklicher Gegenstand wäre. Das Bild ist immer eine Differenz zur Realität, dem man im Gegensatz zu realen Gegenständen oder Sachverhalten anders gegenübertritt, nämlich in der Haltung der Fiktionalität.

Das heißt, dass man die wahrnehmbare Darstellung, der man eine Ähnlichkeit mit etwas zuschreibt (Gegenstand oder Kognition), wie einen echten Gegenstand behandelt und auch so über ihn spricht, aber sich nicht so gegenüber ihm verhält, wie man es bei einem entsprechenden realen Gegenstand machen würde oder könnte. Wenn man das Bild eines Apfels sieht, weiß man, dass man diese Darstellung nicht essen kann, weil es kein Apfel ist, obwohl man es in der Regel als solchen bezeichnet. Man nimmt die Darstellung „für wahr“, obwohl man weiß, dass sie genau dies nicht ist. Die Phänomenologie erhebt dieses „für-wahr-nehmen“ bei der Bildrezeption zu einer eigenständigen ontologische Form, wobei sie die symbolische Kommunikation außen vor lässt. In einer Analogie kann man deshalb auch sagen: Die Phänomenologie geht bei der Beschreibung des Bildes so vor, wie ein Literaturwissenschaftler bei der Analyse fiktiver Welten einer fiktionalen Darstellung, bei der er aber vergisst, das es sich um eine solche handelt und daher einen Kategorienfehler begeht, wenn er ernsthaft darüber streiten will, ob ein Gegenstand der Darstellung z.B. altert oder nicht. Die Phänomenologie vollzieht eine Art der Bildbeschreibung, die für das Etwas der Darstellung unpassend ist, da sie die Darstellung des Bildes „für wahr“ nimmt und vergisst bzw. außen vor lässt, dass sie genau dies nicht ist, sondern ein symbolisches Zeichen, dem eine fiktionale Darstellung zugrunde liegt.

Die symbolische Kommunikation muss, wie deutlich geworden sein sollte, bei der Bildwahrnehmung explizit mit eingeschlossen werden. Die Fiktionalitätsverweise im Bild zwingen den Betrachter die Darstellung des Bildes auch mit dieser Haltung bzw. diesem Rezeptionsmodus gegenüberzutreten. Das heißt dass man sich auf der kommunikativen Ebene anders gegenüber der Darstellung verhalten muss als bei einem realen Gegenstand, was aber wiederum nicht heißt, dass man auch dem Dargestellten so gegenübertreten muss (Live-Schaltung). Man kann daher die Darstellung im Bild als besondere Form des Seins betrachten, diese besondere Form existiert allerdings nur in der Realität durch symbolische Kommunikation, die wiederum im Rezeptionsmodus der Fiktionalität aufgefasst werden muss. Eine Bilddarstellung muss als solche erkannt und verstanden werden, da sie in einen Kommunikationsprozess eingebunden ist, der die richtige Verwendung von Zeichen einschließt. Bilder kennzeichnen durch ihre Form immer die Irrealität ihrer eigenen Darstellung, die als solche erkannt werden muss.

4. Fazit

Mit der in dieser Arbeit beschriebenen Form des Bildes und der Bildbeschreibung kann man auch die von Wiesing getätigte Aussagen und Schlussfolgerungen besser verstehen und entkräften, wenn er z.B. schreibt:

„Wenn das Bild einen Sinn hat und auf etwas Bezug nimmt, ist es in der Tat angemessen, die Rezeption des Bildes als Lesen des Bildes zu beschreiben; wenn hingegen das Bild ein Bildobjekt präsentiert, dann ist es ganz abwegig anzunehmen, daß Bilder gelesen werden, denn Bildobjekte werden nicht gelesen, sondern gesehen; Schaufenster werden auch nicht gelesen, sondern angeschaut.“ (Wiesing 2005, S. 34)

Diese Arbeit sollte folgendes deutlich gemacht haben: Bei einem Bild handelt es sich notwendig um ein vom Menschen geschaffenes Medium, dass ein zum Zwecke der symbolischen Kommunikation gefertigtes symbolisches Zeichen ist, das im Rezeptionsmodus der Fiktionalität aufgefasst werden muss. Bilder nehmen immer notwendig auf etwas Bezug und der Betrachter kommt nicht drum herum, ihm einen Sinn oder Inhalt zuzuschreiben, da er die im Bild sichtbare Form mit und in seine bisherige Erfahrung einordnen muss, also eine Referenz herstellen muss. Der Mensch kann daher nur Bilder (als symbolische Zeichen) sehen, weil er die dafür notwendige Eigenschaft der symbolischen Kommunikation besitzt. Fiktionalität ist aber nicht für alle, aber für einige Formen der medialen Darstellungen erforderlich, z.B. der des Bildes.

Wenn daher ein Bild immer Sinn hat und notwendig auf etwas Bezug nimmt, ist es nach Wiesing also angemessen bei der Rezeption von einem Lesen zu sprechen, was notwendig in der kommunikativen Haltung der Fiktionalität geschehen muss. Man kann, wie dies die Phänomenologie macht, die Darstellung im Bild als eine besondere ontologische Form beschreiben, muss dann aber auch, was die Phänomenologie nicht macht, die notwendigen Kriterien der symbolischen Kommunikation und den damit verbundenen Rezeptionsmodus beachten, der auch plausibel macht, warum Bilder im Gegensatz zu Schaufenstern gelesen und nicht gesehen werden: Bei dem im Schaufenster sichtbaren Gegenständen handelt es sich um reale Gegenstände, während Bilder nur in der symbolischen Kommunikation existente, künstliche „Gegenstände“ sind, die als solche auch verstanden und eben nicht nur gesehen werden müssen!

Es sollte auch deutlich geworden sein, das eine kommunikationswissenschaftliche und semiotische Fundierung zur Bestimmung der Merkmale eines Bildes notwendig ist und das die Klärung gewisser interdisziplinäre Grundbegriffe wie z.B. Wahrnehmung, Erkenntnis, Kognition und Gedächtnis sowie deren Relationen zueinander geklärt werden sollten, um zu einer adäquaten Bestimmung des Bildbegriffes zu gelangen. Es wäre weiterhin eine sinnvolle Aufgabe, die notwendigen und kontingenten Verhältnisse der unterschiedlichen Zeichenrelationen (Ikon, Index und Symbol) genauer zum Bildbegriff zu analysieren. Weiterhin könnte man die Fiktionalität der Bilddarstellung mit der Kategorie des Eskapismus näher beschreiben und auch genauer untersuchen, wo die Unterschiede und Grenzen zwischen einem statischem Bild und einem Filmbild sind.


Literaturverzeichnis

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  • Zipfel, Frank: Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität. Analysen zur Fiktion und zum Fiktionsbegriff in der Literaturwissenschaft, Berlin 2001.


.
Fussnoten:

(1)

Zur Problematik von Erkenntnis und (Bild)Wahrnehmung: Bspw. bezeichnet Mark Halawa bereits das mit der Wahrnehmung erkannte Bild als semiotischen Prozess, während Wiesing so etwas kategorisch ablehnen würde und zwischen Bild und Wahrnehmung andere Verhältnisse beschreibt, vgl. zu diesem Punkt: Halawa, Mark Ashraf: Wie sind Bilder möglich?, S. 109 und Wiesing, Lambert: Das Mich der Wahrnehmung, S. 195 – 228

(2)

Nöth, Winfried: Bildsemiotik, S. 237. Hier könnte natürlich der Vorwurf des sog. „Homunculus-Problems“ kommen, allerdings kann man dem entgegnen, dass die mentale Repräsentation nicht von jemand anderem (eben dem Homunculus) wahrgenommen wird, sondern vom allgemeinhin als „Ich“ des Menschen bezeichneten Selbst, weshalb die mentale Repräsentation das ist, was man meint, wenn man sagt: „Ich sehe.“ Mentale Repräsentationen sind also Konstrukte des Gehirns, die man im Alltag mit dem Begriff des „Sehens“ bezeichnet. Der Homunculus wäre nur eine Metapher für das „Ich“ des Menschen.

(3)

Die nun folgende Darstellung des Begriffs „Kommunikation“ ist in dieser Arbeit auf Grund des Umfanges natürlich unterkomplex und bedürfte noch einiger Ergänzungen (bspw. durch weitere Merkmale wie der Anschlussfähigkeit der Kommunikation im Sinne Luhmanns etc.). Es soll hier vor allem deutlich werden, dass die von Wiesing postulierte Möglichkeit ein Bild zu schaffen, das kein Zeichen ist, aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ein Paradox ist, da es die Möglichkeit eines nicht nicht-kommunizierens mit Bildern (d.h. mit Medien) implizieren würde.

(4)

Als einen Schritt in diese Richtung kann die überzeugende Argumentation von Sachs-Hombach in Bezug auf den Begriff des Bildes als „wahrnehmungsnahes Zeichen“ gesehen werden, Vgl. dazu: Sachs-Hombach, Klaus: Das Bild als kommunikatives Medium, besonders S. 73 – 99. Weiterhin sieht Sachs-Hombach Ähnlichkeit als notwendige Eigenschaft, allerdings nur für abbildende Bilder. Dies hätte zur Folge, das es für den Bildbegriff allgemein nur eine kontingente Eigenschaft sein kann, da es nicht nur abbildende Bilder gibt.

(5)

vgl. zu diesem Punkt auch: von Glasersfeld, Ernst: Radikaler Konstruktivismus. Ideen, Ergebnisse, Probleme, Frankfurt am Main 1997, S. 157ff. und zum Problem der Ähnlichkeit von Bildern und dessen relativen Strukturen in Bezug zu bereits vorhandenem Wissen, vgl. auch: Sachs-Hombach, Klaus: Das Bild als kommunikatives Medium, S. 123

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Diese Einteilung wurde mit allgemeineren Kommunikationsbegriffen aus folgendem Aufsatz abgeleitet: Mecke, Jochen: Der Prozess der Authentizität. Strukturen, Paradoxien und Funktion einer zentralen Kategorie der modernen Literatur, in: Knaller, Susanne; Müller, Harro (Hg.): Authentizität. Diskussion eines ästhetischen Begriffes, München 2006, S. 68 und 115ff