Affekte und Emotionen als Grundlage von Weltverstehen. Zur Tragfähigkeit des kulturanthropologischen Ansatzes Ernst Cassirers in den Bildwissenschaften


Autor: Martina Sauer
[erschienen in: IMAGE 13 (Ausgabe Januar 2011)]

Schlagwörter: Kulturanthropologie, Bildwissenschaft, Kunst, Wahrnehmungstheorie, Affekte und Emotionen, Ernst Cassirer, Aby M. Warburg, Hartmut Böhme, Hans Belting, Lambert Wiesing

Disziplinen: Bildwissenschaft


Affekte und Emotionen scheinen für das Verstehen von Welt grundlegender zu sein als vermutet. Die Wahrnehmung, so Cassirer, ist von ihnen maßgeblich geprägt. Im Anschluss an Cassirer und in Erweiterung der aktuellen anthropologisch orientierten bildwissenschaftlichen Forschung lässt sich aufzeigen, dass auch das Wahrnehmen und Produzieren von Bildern insbesondere der Kunst von ihnen beeinflusst sind und letztlich zu einen Dialog über die von ihnen geprägten Inhalte veranlassen können.

Affects and emotions seam to be more essential for an understanding of world than assumed. The apperception is given distinction by them, Cassirer said. Coherent to Cassirer and the acutal debate of anthropolocial reserach work on image theory it can be shown that also the apperception and the production of an image especially of art base on them and put the so formed evidence up for discussion.

Mit der Aufklärung und der Evolutionstheorie setzte in den Geisteswissenschaften und den Naturwissenschaften Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts insbesondere mit den Veröffentlichungen von Kant und Darwin ein Prozess ein, der das Selbstverständnis des Menschen in grundlegender Weise veränderte. Die Philosophie Ernst Cassirers, wie Gerald Hartung aufzeigte, ist von der Auseinandersetzung damit maßgeblich geprägt. Was ist der Mensch im Unterschied zum Tier, ist eine der Schlüsselfragen, zu denen die Diskussionen veranlassten. In An Essay on Man mit dem Untertitel A philosophical Anthropology, wie Cassirer den ersten Entwurf von 1941/42 seiner im amerikanischen Exil erschienenen Spätschrift noch bezeichnete, spiegelt sich dessen umfassendes Interesse an dieser Frage in der ursprünglichen Titelgebung wider. Sie baut auf Untersuchungen auf, die Cassirer bereits in den zwanziger Jahren in seinen drei Bänden zur Philosophie der Symbolischen Formen veröffentlichte: Band I, 1923, Die Sprache; Band II, 1924-25, Das mythische Denken und Band III, 1929, Die Phänomenologie der Erkenntnis. Vor dem Hintergrund der Frage, was den Menschen auszeichne, sind es mit Cassirer zunächst jedoch weniger die kognitiven Fähigkeiten, sondern - und das lässt mit Blick auf aktuelle Forschungsfragen aufmerken - dessen affektiv-emotionalen, die diesem im Gegensatz zum Tier nicht nur »reactions« auf Erfahrenes ermöglichen, sondern »responses«. Insofern könne der Mensch als »anmimal symbolicum« verstanden werden. (1944, 49) Demnach ist es, wie im Folgenden näher zu zeigen ist, die grundlegende Fähigkeit des Menschen Wahrgenommenes - von Affekten und Emotionen angeregt - als »Seeleneigenschaften« auszulegen, die ihn vom Tier unterscheidet und insofern als Voraussetzung für dessen kulturelle Entwicklung angesehen werden kann. Mit der Einführung der Ausdruckswahrnehmung als Ursprungswahrnehmungsform, wie er sie im III. Band vorstellt, legt Cassirer für diesen Ansatz die Grundlagen, die dann jedoch von ihm nicht weiter verfolgt werden. Statt dessen liegt sein selbst gewählter Schwerpunkt auf den auf dieser ursprünglichen Wahrnehmungsform aufbauenden Objektivierungsprozessen. Konkret auf den Symbolisierungsleistungen der Sprache, des Mythos, der Kunst und der Wissenschaft, mit denen sich der Mensch ›seine‹ Welt schafft und damit diese zugleich verstehen lernt. So werden von Cassirer die Voraussetzungen seiner Gedankengänge nicht in dieser Deutlichkeit herausgestellt, wobei gerade sie mit Blick auf die ›Renaissance‹ anthropologisch argumentierende Ansätze wie etwa die des mit Cassirer eng verbundenen Kunst- und Kulturwissenschaftlers Aby M. Warburg und die aktuellen Forschungen von Hans Belting und Hartmut Böhme sowie der Symbolkritik durch Lambert Wiesing von besonderem Interesse erscheinen. Den Ansatz Cassirers näher vorzustellen (Teil I) und in Hinblick auf dessen Tragfähigkeit mit Bezug auf die aktuelle, inbesondere bildwissenschaftlich orientierte Forschung zu hinterfragen (Teil II), gilt die nachfolgende Betrachtung. Sie baut auf frühere Untersuchungen zum Thema auf.

Teil I

Wie bereits angedeutet legt Cassirer mit der Einführung der Ausdruckswahrnehmung als derjenigen Wahrnehmungsform, die vor jeder mythischen, sprachlichen, künstlerischen oder begrifflichen Bewusstseinsleistung wirkt und mit der die Welt als eine sinnvolle erschlossen werden kann, den Boden für seinen anthropologisch fundierten Ansatz. Bemerkenswerter Weise wird mit ihr nicht nur ein erster Sinn erschlossen, die mythische Welt, sondern zugleich der Weg für alle weiteren Bewusstseinsleistungen geebnet. Doch weniger dasjenige, was durch diese erste elementare symbolische Bewusstseinsleitung erschlossen und schließlich insbesondere in der Sprache, dem gestalteten Bild und in der Theorie festgehalten wird als vielmehr die Art und Weise, wie die Ausdruckswahrnehmung die Welt erschließt, wirkt schließlich sowohl im anschaulichen (sprachlichen und ästhetischen) und dem erkennenden (begrifflichen) Bewusstseinsmodus fort. Cassirer verweist hier konkret auf einen Prozess, in dem die »allerersten« Wahrnehmungsmomente, die Bewegungsgestalten und Raumformen, affektiv ausgelegt werden. Das Wie schlägt zugleich in ein Was um: Bewegungsgestalten und Raumformen in »Seeleneigenschaften«. Hastiges, Schnelles, Ruhiges verbindet sich mit Wiedererkennbarem bzw. zuvor Gewusstem und beeinflusst derart letzteres entscheidend in seiner Auslegung. Insofern sind es weniger die sprachlich, bildlich und begrifflich fassbaren, wiedererkennbaren Elemente, über die sich Sinn erschließt, sondern zunächst die ›emotionalen‹. Sie können, mit Cassirer, als die entscheidenden Impulsgeber für die Sinnstiftung angesehen werden:

”In Wahrheit bedeutet innerhalb dieses Horizontes, die Ausdrucks-Wahrnehmung gegenüber der Ding-Wahrnehmung nicht nur das psychologisch-Frühere, […]. Sie hat ihre spezifische Form, ihre eigene ›Wesenheit‹, die sich nicht durch Kategorien, die für die Bestimmung ganz anderer Seins- und Sinnregionen gelten, beschreiben, geschweige durch sie ersetzen lässt. […] Im Spiegel der Sprache […] lässt sich zumeist noch unmittelbar erkennen, wie alle Wahrnehmung eines ›Objektiven‹ ursprünglich von der Erfassung und Unterscheidung gewisser ›physiognomischer‹ Charaktere ausgeht, und wie sie mit diesen gleichsam gesättigt bleibt. Die sprachliche Bezeichnung einer bestimmten Bewegung etwa birgt fast durchweg dieses Moment in sich: statt die Form der Bewegung als solche, als Form eines objektiven raum-zeitlichen Geschehens, zu beschreiben, wird vielmehr der Zustand genannt und sprachlich fixiert, von dem die betreffende Bewegung der Ausdruck ist. ›Raschheit‹, ›Langsamkeit‹ und zur Not noch ›Eckigkeit‹ […] mögen rein mathematisch verstanden werden; dagegen ›Wucht‹, ›Hast‹, ›Gehemmtheit‹, ›Umständlichkeit‹, ›Übertriebenheit‹ sind ebenso sehr Namen für Lebenszustände, wie für Bewegungsweisen und beschreiben in Wahrheit diese durch Angabe ihrer Charaktere. Wer Bewegungsgestalten und Raumformen kennzeichnen will, findet sich unversehens in eine Kennzeichnung von Seeleneigenschaften verstrickt, weil Formen und Bewegungen als Seelenerscheinungen erlebt worden sind, ehe sie aus dem Gesichtspunkt der Gegenständlichkeit vom Verstande beurteilt werden und weil die sprachliche Verlautbarung der Sachbegriffe nur durch Vermittlung von Eindruckserlebnissen stattfindet.” (III 94)

Zur Herausarbeitung der anthropologischen Grundlagen dieses Ansatzes, wie Cassirer ihn konkret im III. Band vorstellt, bietet es sich an, zunächst das mythische Denken näher in den Blick zu nehmen. Denn werden das mythische Denken und die Ausdruckswahrnehmung, wie es Cassirer nahe legt, in einer Analogie gesehen, so lassen sich unter diesem Blickwinkel - quasi rückblickend - die Aussagen zum mythischen Denken, mit gewissen Einschränkungen, zugleich als Beschreibungen und Analysen der Ausdruckswahrnehmung selbst lesen. Die Differenz liegt in der Auslegung der über die Ausdruckswahrnehmung gewonnenen Ausdruckserlebnisse in Form von mythischen Gestalten: Denn

”ohne die Tatsache, daß sich in bestimmten Wahrnehmungserlebnissen ein Ausdrucks-Sinn offenbart, bliebe das Dasein für uns stumm. Wirklichkeit könnte niemals aus der Wahrnehmung als bloßer Sach-Wahrnehmung gefolgert werden, wenn sie nicht in ihr, Kraft der Ausdrucks-Wahrnehmung, schon in irgendeiner Weise beschlossen läge und sich hier in einer durchaus eigentümlichen Weise (im Mythos, M.S.) manifestiere.” (III 86)

Das mythische Denken, wie es Cassirer festhält, kann so gesehen als eine eigene phantastische Welt angesehen werden. Diese erweise sich im Kern jedoch nicht als eine erfundene (II 7), sondern als eine schicksalhafte, als eine ursprünglich erlebte und erfahrene (II 9). Im mythischen Bewusstsein, wie es Cassirer herausarbeitet, werden die Dinge nicht als gegeben wahrgenommen, was eine Distanz zu diesen impliziere, sondern das Wahrgenommene als »Für-Wahr-Genommen«. Es bestehe eine völlige Hingabe an den Eindruck, an die Präsenz, die in voller Intensität ergriffen werde. Das mythische Bewusstsein verhalte sich demnach weder kritisierend, noch berichtigend, noch messend. Eine Grenzziehung zwischen Raum und Zeit, Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod erfolge entsprechend nicht. Der unmittelbare Eindruck ist die »Wirklichkeit«. (II 46-49) Seinsmäßiges (Sache) sei zugleich Bedeutungsmäßiges (Bild/Vorgestelltes). Seinen ursprünglichen Ausdruck finde diese Haltung daher weniger im Denken (Mythos) als im Tun (Ritus), das entwicklungsgeschichtlich entsprechend als das Frühere zu bestimmen sei:

”Wir müssen das, was am Mythos der theoretischen Vorstellungswelt angehört, was an ihm bloßer Bericht oder geglaubte Erzählung ist, als eine mittelbare Deutung desjenigen verstehen, was unmittelbar im Tun des Menschen und in seinem Affekt und Willen lebendig ist.” (II 51)

Der Wort- und Bildzauber der mythischen Welt, d.h. konkret der Götter und Dämonen, der daraus hervorgeht, könne, so Cassirer, als magisch angesehen werden. Er besitze eine »Kraftsphäre«. Im Namen wirke und lebe diese ebenso wie im Bild. (II 54-55) Grund und Folge, d.h. die Kausalität des Mythos, liegen »in sich«. Ihre Einheit sei nicht zufällig, sondern bewusst. Sie könne als ein »zweckhaftes Wirken« angesehen werden, als eine Willensäußerung des Gottes/Dämons. (II 63) Die Erlebnisse, wie sie im Affekt- und Willensleben lebendig sind, werden hier - noch ganz mit der mythischen Welt verhaftet - ursächlich auf höhere Instanzen zurückgeführt. Davon befreit werden die ursprünglichen Wahrnehmungserlebnisse (die Bewegungs- und Raumformen) von Cassirer in seiner Auswertung im III. Band statt mit externen mit eigenen inneren Bildern in Verbindung gebracht, konkret mit dem »seelisch-geistigen Grundbestand« des Menschen. Die Wahrnehmung erweist sich insofern zu keinem Zeitpunkt als eine neutrale, sondern als eine von mythischen Gestalten bzw. ursprünglicher betrachtet von den eigenen inneren »Seeleneigenschaften« gefärbte. Cassirer bezeichnet sie entsprechend als Ausdruckswahrnehmung. Das mythische Denken, so Cassirer, baut auf dieser ursprünglichen Erfahrung auf und legt diese in spezifischer Weise aus. Es lasse sich nicht als passives Verstehen, sondern könne als ein Akt der Stellungnahme angesehen werden, der von einem Akt des Affekts und des Willens ausgehe. Die Bedeutung der Welt erschließe sich hier entsprechend aus einer Dynamik des Lebensgefühls:

”Nur wo dieses Lebensgefühl von innen her erregt ist, wo es sich in Liebe und Haß, in Frucht und Hoffnung, in Freude und Trauer äußert, kommt es zu jener Erregung der mythischen Phantasie, die aus ihr eine bestimmte Vorstellungswelt erwachsen läßt.” (II 90)

Wie sehr der Mensch diesem eigenen inneren Erleben und zugleich Werten ausgesetzt ist, verdeutlicht Cassirer in seiner Auswertung im III. Band.. »Ausdruck ist zunächst nichts anderes als ein Erleiden; ist weit mehr ein Ergriffenwerden als ein Ergreifen«. (III 88) Wie sich schließlich das auf der Ausdruckswahrnehmung aufbauende, spezifische mythische Bewusstsein zu einem entwickelt, das zu einer Beherrschung des Willens und des Triebes führt (vom »Schrecken zum Staunen«; II 99) und neue Ordnungsformen von Raum, Zeit und Zahl ermöglicht, zeigt Cassirer nachfolgend auf. (II 104-182) Der Weg zum Wissen und Wollen sei, so Cassirer, ein langer. Er führe über mehrere »Krisen« (II 212): von der (1.) »gefühlsmäßigen Reaktion« (II 240) auf die als durchgeistert erfahrene Welt, zur (2.) »schicksalsmäßigen Bindung« (II 241) an die Natur im Tun und Benennen (Kult und Name), hin zu einem (3.) »Akt des Schaffens«. (II 247) Dieser letzte Schritt wird, nach Cassirer, möglich, durch die Vorstellung eines »Schöpfergottes« statt vieler, so dass zugleich erstmals eine gewisse Macht über die Natur errungen werde. Wesentlich erweise sich auf diesem Weg, dass dadurch,

”daß er (der Mensch, M.S.) werkzeugbildend und werkbildend wird, das Gefüge seines Leibes und seiner Gliedmaßen verstehen lernt, so entnimmt er seinen geistigen Bildungen, der Sprache, dem Mythos und der Kunst die objektiven Maße, an denen er sich mißt und durch die er sich als einen selbständigen Kosmos mit eigentümlichen Strukturgesetzen begreift.” (II 260-261)

Sowohl im Rahmen der Laut-, Sprach- und Schriftbildung als auch hinsichtlich derjenigen von Bildern, seien es konkrete oder auch nur sinn-bildliche (von mit Bedeutung aufgeladenem Wahrgenommen), sieht Cassirer letztlich eine parallele Entwicklung vom mythischen Bewusstseins hin zum religiösen und schließlich schöpferischen, die von mimetischen (Identität von Form und Inhalt; Immanenz), über analogische (Verweisen mit Hilfe der Form auf den Inhalt; Transzendenz) zu schöpferischen Ausdrucksformen (Trennung von Form und Inhalt; Ästhetik) führe. (II 280-311)

Von Anfang an, so Cassirer, haben wir es demnach mit einem Prozess der Symbolisierung zu tun, der bereits die allerersten wahrgenommenen Bewegungen und Formen im Raum deutet. Bemerkenswerter Weise erfolgt dieser Prozess jedoch nicht sogleich in der Weise, dass das Erlebte und Erleidete konkret über das mythische Denken bewertet, mittels Sprache und Bildern vorgestellt oder in Begriffen gefasst wird, sondern zunächst in der Ausdruckswahrnehmung als Ausdruckserlebnis wirkt. So gesehen erfolgt diese Wahrnehmung vor jeder sprachlichen, bildnerischen und begrifflichen Fassung. Der Mensch (ebenso wie das Tier), so Cassirer, reagiert zunächst ›nur‹ darauf. Je nachdem ob dieses Erlebnis als bedrohlich und gefährlich oder als harmlos und ungefährlich eingestuft wird, veranlasst es ihn, weg zu laufen oder stehen zu bleiben. Die Ausdruckswahrnehmung ruht demnach auf einer »starken und triebhaften Unterschicht« (III 78) und grenzt sich entsprechend deutlich von darauf aufbauenden, zeitlich späteren symbolischen Auslegungen des Erfahrenen ab.

Den Weg, den Cassirer hier aufzeigt, kann insofern als ein »Entäußerungsprozess« symbolisch wirksamer Formgebungsprozesse beschrieben werden, über die der Mensch zugleich sich selbst und die Welt kennenlernt. Diesen sowohl als Distanzierungs- als auch Objektivierungsprozess beschreibbaren Zusammenhang gilt es, insbesondere wegen seiner doppelten Ausrichtung, die sich für die Beurteilung anthropologisch argumentierender Ansätze als grundlegend erweist, noch deutlicher herauszuarbeiten. So zeichnet sich dasjenige, was sich im mythischen Bewusstsein äußert, noch durch eine »eigentümliche Flüssigkeit« aus: »Eine jede von ihnen (jede Seinsgestalt, M.S.) ist gewissermaßen in jedem Augenblick bereit, sich in eine andere, scheinbar völlig entgegengesetzte zu wandeln.« Dieses Phänomen lasse, so Cassirer, darauf schließen, dass die unmittelbare Wahrnehmung keine Scheidung der Dinge nach Klassen vornehme. (III 71) Das mythische Bewusstsein »hat« die Welt, so Cassirer, als reines Ausdrucksphänomen. Hier wird die Welt nicht in Form von Objekten, sondern in der »Art des Daseins lebendiger Subjekte« erfahren, die sich als eine Welt des »Du«, d.h. des Anderen, herausstelle. Cassirer schlussfolgert daraus:

”Je weiter wir die Wahrnehmung zurückverfolgen, um so mehr gewinnt in ihr die Form des ›Du‹ den Vorrang, vor der Form des ›Es‹; um so deutlicher überwiegt ihr reiner Ausdruckscharakter den Sach- und Dingcharakter. Das ›Verstehen von Ausdruck‹ ist wesentlich früher als das ›Wissen von Dingen‹.” (III 73-74)

In der tierischen und frühkindlichen Entwicklung spiegle sich diese Annahme, so Cassirer, wieder. (III 73-76) Die Phänomenologie der reinen Ausdruckserlebnisse sei dadurch gekennzeichnet, dass die

”konkrete Wahrnehmung […] niemals in einem Komplex sinnlicher Qualitäten – wie hell oder dunkel, kalt oder warm – (aufgeht), […] sie ist niemals ausschließlich auf das ›Was‹ des Gegenstandes gerichtet, sondern erfaßt die Art seiner Gesamterscheinung – den Charakter des Lockenden oder Drohenden, des Vertrauten oder Unheimlichen, des Besänftigenden oder Furchterregenden, der in dieser Erscheinung, rein als solcher und unabhängig von ihrer gegenwärtigen Deutung, liegt.” (III 78)

Ein »Absehen« von der ursprünglichen Zugangsweise zur Welt sei, nach Cassirer, nicht möglich: »[…] keine noch soweit getriebene Abstraktion vermag diese Schicht als solche zu beseitigen und auszulöschen […].« (III 85) Derart ist der Ausdruckscharakter, wie er in der Ausdruckswahrnehmung lebt, schon immer ein wesentlicher Bestandteil der Wahrnehmung und kein nachträgliches »subjektives Anhängsel« des »objektiv« in der Empfindung Gegebenen.

Der Weg weg von dieser ursprünglichen Erfahrungsform des »Erlebens« und »Erleidens« (III 88) lässt sich entsprechend als ein doppelter »Entäußerungsprozess« beschreiben, in dem am Ende Subjekt und Objekt getrennt voneinander wahrnehmbar sind. Er führe von der Welt des unmittelbaren »Ausdrucks« (sinn-bildlich und lautlich), über die »Welt der ›Darstellung‹« (Sprache und Bildwerk) zu der »der reinen ›Bedeutung‹« (Begriffe). (III 99) Die Vorstellung vom eigenen Ich, vom »Selbst« des Menschen, so Cassirer in Anlehnung an Max Scheler, stelle sich erst am Ende dieses Prozesses ein. Sie ist nicht sein Ausgangspunkt. (III 104-107) Doch ist dieses Selbst, das Ich erst einmal entdeckt und mit ihr die Scheidung von Subjekt und Objekt vollzogen, finde unweigerlich ein Bruch mit der ursprünglichen Ausdruckswelt statt. Der neu gewonnene Ding- und Kausalbegriff lasse sich damit nicht vereinbaren. (III 99-100)

Teil II

Wesentlich für die Frage danach, was den Menschen ausmacht, erweist sich für Cassirer demnach, wie hier erkennbar wird, die ursprünglich affektiv-emotionale Auslegung der ersten Wahrnehmungsmomente (Seeleneigenschaften). Dieses erste Erlebnis- bzw. Erfahrungsmoment ist ganz durch Hinnahme bestimmt. Eine mögliche Distanznahme dazu wird von Cassirer als ein Prozess beschrieben, der über mimetisch-identifizierende (mythische), analogisch-transzendierende (religiöse) zu anschaulich-ästhetischen (darstellenden) und darauf aufbauend zu reflektierend-begrifflichen (erkennenden) symbolisch bedeutsamen Äußerungsformen reiche, wobei keine dieser Formungsmöglichkeiten verloren gehe. Diese Entwicklung, lässt sich rückblickend als ein Schaffensprozess beschreiben, deren Leistungen (die symbolischen Formen) Cassirer abschließend als »Schöpfungen des Kulturbewußtseins« wertet. (III 105-106)

Mit seiner ursprünglich anthropologisch argumentierenden Bestimmung des Menschen, den er als einen durch Hinnahme sowie Erleben und Erleiden geprägten beschreibt, trifft sich Cassirers Ansatz sowohl mit dem Aby M. Warburgs, mit dem er in einem regen Austausch stand, als auch mit den jüngsten Forschungen des Berliner Kulturwissenschaftlers Hartmut Böhme, die dieser 2006 mit seinem Buch Fetischismus und Kultur vorstellte. Ebenso wie für Cassirer ist für beide Forscher der »Mitvollzug«, eine von Hingabe geprägte Haltung des Menschen zur Welt, wesentlich. Eine Haltung, in der die Dinge zunächst mit Bedeutungen aufgeladen (Fetische) und schließlich, wenn zu ihnen eine gewisse Distanz gefunden werden kann, auch reflektiert werden können (Bilder) (Böhme 2006, S. 337-357, hier S. 241). Die Funktion der mit Bedeutung aufgeladenen Dinge (Fetische) sieht Böhme in Erweiterung des Ansatzes von Warburg darin, dass sie insbesondere nicht nur über Ängste, sondern auch über Sehnsüchte, Lüste, und Begierden des Menschen Aufschluss geben. Der Schwerpunkt liegt hier in der sozialen Dimension der kulturellen Formgebungsprozesse und weniger in der für Cassirer grundlegenden das Ich und die Welt erschließenden Aufgabe.

Gemeinsam ist diesen drei Ansätzen, dass erst mit dem Abstand-Nehmen ein »Zurücktreten durch Bewusstsein« erfolgt, wie es Lambert Wiesing 2005 wegweisend für anthropologisch fundierte Ansätze herausarbeitete (Wiesing 2005, S. 20). Erst wenn mit Böhme eine neue Situation eintritt und die Dinge aus ihrem »szenischen Einbettung« bzw. Mitvollzug herausgerissen und in einen Taburaum gestellt werden, wie es etwa ein Museum darstellt, werden Fetische zu ›Bildern‹ und damit anschau- und reflektierbar (Böhme 2006, S. 355-364). Vergleichbar sieht das auch Warburg, der angesichts der Bilder im Gegensatz zu Fetischen von »Denkräumen des Symbolischen« spricht (Warburg 1992, S. 58-59). Cassirer geht in diesem Zusammenhang dagegen weniger von je neuen Situationen aus, in denen eine Distanz eingenommen werden kann, sondern von einem fortschreitenden Prozess, indem Dinge sowohl als Ausdrucksphänomene erlebt und erfahren (Mythos), als auch, wenn diese über Sprache und Bilder darstellbar und damit anschau- und nachvollziehbar werden, aus einer gewissen Distanz heraus betrachtet und schließlich auch reflektiert werden können (Kunst und Begriffe). Bereits im ersten Aufmerken, Erleiden und schließlich einen ›Ausdruck-Geben‹ von etwas liegt nach Cassirer eine Bilde- und Formkraft, die das darin ›erkennbare‹ Andere zunächst als ›Du‹ und schließlich als ›Es‹ begreift und insofern schon immer als ein Objektivierungs- und damit Distanzierungsprozess begriffen werden kann, ohne gleich den letzten Schritt, die Trennung von Subjekt und Objekt, gegangen zu sein.

Bemerkenswert erscheint an dieser Stelle die Kritik Wiesings an den anthropologisch argumentierenden Ansätzen. Diese betrifft insbesondere die ›neuen‹ Inhalte der Fetische/Bilder wie sie Böhme und Warburg herausstellen, die Sehnsüchte und Ängste und ergänzend wie Hans Belting betont die Erfahrungen von Raum, Zeit und Tod (vgl. Schulz, o.J., S. 5), denen wir über sie begegnen. Inwiefern lassen sich die inneren Bilder des Rezipienten dann noch von den äußeren, in Bildern artikulierten unterscheiden? Reflektiert der Rezipient letztlich ›nur‹ seine eigenen Vorstellungsbilder? Insbesondere die Überlegungen Hans Beltings zu einer Bild-Anthropologie von 2001 legen diesen Schluss nahe, wie Wiesing deutlich macht (Wiesing 2005, S. 22-25). Und wenn Warburg vom »Denkraum des Symbolischen« spricht, den Bilder eröffnen, werden dann mit ihnen ›nur‹ die eigenen Ängste bewältigt? Vergleichbares lässt sich mit Bezug zu dem Ansatz Böhmes fragen, wenn dieser davon ausgeht, dass mit der Distanz, die ein Taburaum oder der spielerische Umgang mit Fetischen eröffne, es möglich sei, die mit ihnen verbundenen eigenen Sehnsüchte und Ängste zu reflektieren bzw. zu verarbeiten. Worin liegen dann die Differenzen der äußeren zu den inneren Bildern, wenn es sich doch um Projektionen handelt? Lässt sich ›nur‹ ein graduelle Unterschied in der Haltung zu den mit Bedeutung aufgeladenen Dingen aufzeigen, der in dem einen Fall auf Hingabe (Fetisch) beruht und in dem anderen auf Distanz (Bilder)? Cassires Überlegungen setzen hier anders an. Bereits mit Bezug auf das mythische Denken lässt sich nicht von einer Einheit oder gar Identität von eigenen und ›wahrgenommenen‹, äußeren Bildern sprechen. Denn mit diesem wird, wie deutlich wurde, nicht auf die »Seeleneigenschaften« selbst zurückverwiesen, sondern auf eine externe, mythische Welt geschlossen. Auch dann, wenn der Einzelnen Dank des ästhetischen bzw. des auf Anschauung beruhenden Bewusstseins das Wahrgenommene als eigene Schöpfung begreift, wie in der Kunst, bezieht der Rezipient, so Cassirer, die dann wahrnehmbaren »lebendigen Formen« nicht auf sich selbst zurück, sondern wertet diese im Zusammenhang mit dem Anlass/Motiv des Bildes aus: »Kunst ist Intensivierung von Wirklichkeit« (1944, 221), wie Cassirer am Beispiel eines Landschaftsbildes verdeutlicht, durch die der Betrachter mit den Augen des Künstlers, Landschaft ganz neu zu sehen vermag:

”[…] ich fange an ein Bild von ihr zu formen. Damit habe ich ein neues Terrain betreten, das Feld nicht der lebendigen Dinge, sondern der ›lebendigen Formen‹. Nicht mehr in der unmittelbaren Wirklichkeit der Dinge stehend, bewege ich mich nun im Rhythmus der räumlichen Formen, in der Harmonie und im Kontrast der Farben, im Gleichgewicht von Licht und Schatten. Der Eintritt in die Dynamik der Form begründet das ästhetische Erlebnis.” (1944, 233-234)

Cassirer hält auch in der weiteren Ausarbeitung der Bewusstseinsentwicklung an dieser Idee eines Prozesses zunehmender Objektivierung und zugleich Distanzierung fest. Bemerkenswert für die weitere Forschung erweist sich vor diesem Hintergrund, wenn über die anschaubaren und reflektierbaren »lebendigen Formen« der Bilder, wie sie Cassirer beschreibt, nicht ›nur‹ (1.) entweder auf die eigenen innersten Sehnsüchte und Ängste geschlossen wird, wie es Warburg, Böhme und Belting vorschlagen und von Cassirer indirekt mit seinem Hinweis auf die »Seeleneigenschaften« anerkannt wird oder (2.) mit Cassirer auf eine andere, externe Wirklichkeit verwiesen wird, sondern (3.), wie hier vorgeschlagen werden soll, mit den »lebendigen Formen« die jeweiligen Auslegungen bzw. Wertsetzungen desjenigen verstanden werden, der die Bildwerke geschaffen hat. Wird das Potential des anthropologischen Ansatzes Cassirers und weiterführend Warburgs, Böhmes und Beltings in dieser Weise aufgegriffen, dann eröffnet diese hier zuletzt aufgezeigte Sichtweise, neue Auslegungen in Hinblick auf den Anderen, den ›Künstler‹. Statt ›nur‹ von einer »Intensivierung von Wirklichkeit« auszugehen, werden darüber hinaus die jeweiligen ›Wertsetzungen der Schöpfer‹, derjenigen, die sich mit den Bildern über etwas äußern (sprechend, bildend, tanzend, singend, etc.) ›wahrnehmbar‹ und reflektierbar. Es sind deren Sehnsüchte und Ängste bzw. Auslegungen von Welt, die ›erlebbar‹ und diskutierbar werden. Über diesen hier vorgeschlagenen erweiterten Ansatz, werden Bilder als Orte des Dialogs erkennbar, in denen die Position des Künstlers auf die des Rezipienten trifft und insofern, mit Bezug auf die anthropologisch fundierten Inhalte - zunächst ohne dann mit Worten - ein Austausch von Wertsetzungen und derart kulturelle Weiterbildung möglich wird.


Literaturverzeichnis

  • Belting, Hans: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001
  • Böhme, Hartmut: Aby M. Warburg (1866-1929), in: Axel Michaels (Hg.), Klassiker der Religionswissenschaft. Von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade, München: Beck 1997, S. 133-157, sowie in: http://www.culture.hu-berlin.de/hb/static/archiv/volltexte/pdf/Warburg.pdf
  • Böhme, Hartmut: Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Hamburg 2006
  • Bösch, Michael, Das Netz der Kultur. Der Systembegriff in der Kulturphilosophie Ernst Cassirers, Würzburg 2004
  • Cassirer, Ernst, Philosophie der Symbolischen Formen veröffentlichte: Band I, 1923, Die Sprache; Band II, 1924-25, Das mythische Denken und Band III, 1929, Die Phänomenologie der Erkenntnis, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1964 (4)
  • Cassirer, Ernst: An Essay on Man, Yale University, New Haven/London 1944. Dt: Versuch über den Menschen, Einführung in eine Philosophie der Kultur, aus dem Engl. v. Reinhard Kaiser, Hamburg 2007 (2)
  • Hartung, Gerald: Das Maß des Menschen. Aporien der philosophischen Anthropologie und ihre Auflösung in der Kulturphilosophie Ernst Cassirers, Habil. 2001, Weilerswist 2004, siehe auch in: libreka.de/bookviewer/9783938808221
  • Höfner, Markus: Sinn, Symbol und Religion, Diss. Bochum 2007, Tübingen: Mohr Siebeck 2008
  • Langer, Susanne K.: Philosophy in a New Key, Cambridge (Mass.) 1942. Dt.: Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst, Berlin 1965
  • Sauer, Martina: Wahrnehmen von Sinn vor jeder sprachlichen oder gedanklichen Fassung? Frage an Ernst Cassirer, in: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, www.kunstgeschichte-ejournal.net/discussion/2008/Sauer/ (28.12.2008) mit einem Kommentar von Lambert Wiesing: www.kunstgeschichte-ejournal.net/kommentare/2009/wiesing
  • Sauer, Martina: Bild- versus Kunstbegriff Cassirers, in: Das Bild als Denkfigur, Funktionen des Bildbegriffs in der Philosophiegeschichte, Hg. Simone Neuber, Roman Veressov, München 2010, S. 183-198.
  • Sauer, Martina: Rezension zu Böhme, Hartmut: Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Hamburg 2006, in: Kunstchronik, Hg. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, Nürnberg 07/2007, S. 282-285 und in: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2009/948/pdf/Sauer_Hartmut_Boehme_2007.pdf
  • Sauer, Martina, Anselm Kierfer. Deutschlandbilder. Orte kultureller Wertebildungen (Druck in Vorbereitung)
  • Schulz, Martin: Bild-Körper-Medium, Forschungsprogramm an der HdG Karlsruhe, in: www.kunstwissenschaften.hfg-karlsruhe.de, o.J.
  • Warburg, Aby M..: Schlangenritual, Ein Reisebericht, Mit einem Nachwort von Ulrich Raulff, Berlin: Wagenbach 1992 [1988]
  • Wiesing, Lambert: Artifizielle Präsenz, Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt a.M. 2005

  • .
    Fussnoten:

    (1)

    Vgl. Gerald Hartung, Das Maß des Menschen. Aporien der philosophischen Anthropologie und ihre Auflösung in der Kulturphilosophie Ernst Cassirers, Habil. 2001, Weilerswist 2004, siehe auch in: libreka.de/bookviewer/9783938808221

    (2)

    Vgl. zur ersten Fassung ebd., S. 329 ff. bzw. zur Endfassung ders., An Essay on Man, Yale University, New Haven/London 1944. Dt: Versuch über den Menschen, Einführung in eine Philosophie der Kultur, aus dem Engl. v. Reinhard Kaiser, Hamburg 2007(2).

    (3)

    Hier zitiert nach der Ausgabe der Wissenschaftl. Buchgesellschaft Darmstadt 1964(4). Die Zitierweise erfolgt in Klammern mit der Bandangabe in römischen Zahlen und der Seitenangabe in arabischen.

    (4)

    Grundlegend wird diese Unterscheidung Cassirers für Susanne K. Langer, Philosophy in a New Key, Cambridge (Mass.) 1942. Dt.: Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst, Berlin 1965. Im Gegensatz zum Tier sei der Mensch, so Langer, »beständig in einem Prozeß der symbolischen Transformation von Erfahrungsdaten begriffen«. Ein zeichenhaftes Verhalten wie beim Tier, in Form von »Anzeichen« (unmittelbare, »praktische« Reaktionen) oder »Gefühlszeichen«, würde dahingegen nur einen kleinen – wenn auch sehr wichtigen – Teil unseres Verhaltens ausmachen. (S. 51) In der Moderne zeige sich jedoch, so Langer in ihrem Schlusskapitel, dass gerade die praktischen, nützlichen Reaktionen (Anzeichen) an Bedeutung gewännen, so dass das empfindliche Gleichgewicht gestört und ein Sinnverlust drohe. (S. 283)

    (5)

    In "Versuch über den Menschen" findet die Ausdruckswahrnehmung sowohl im einleitenden ersten Teil als auch in der Besprechung zum Aufbau der mythischen Welt und in seinem Beitrag zur Kunst keine Berücksichtigung, obwohl sie unausgesprochen in zahlreichen Analysen mitschwingt. vgl. ebd., S. 58.

    (6)

    Aby M. Warburg.: Schlangenritual, Ein Reisebericht, Mit einem Nachwort von Ulrich Raulff, Berlin: Wagenbach 1992 [1988]. Vgl. weiterführend zu den Grundthesen Warburgs Hartmut Böhme: Aby M. Warburg (1866-1929), in: Axel Michaels (Hg.), Klassiker der Religionswissenschaft. Von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade, München: Beck 1997, S. 133-157, sowie in: http://www.culture.hu-berlin.de/hb/static/archiv/volltexte/pdf/Warburg.pdf; Hans Belting, Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001 und dazu ergänzend der zusammenfassende Text zu dem von Belting angeregten Graduiertenkolleg an der HdG Karlsruhe: Martin Schulz, Bild-Körper-Medium, Forschungsprogramm, in: www.kunstwissenschaften.hfg-karlsruhe.de, o.J.; Hartmut Böhme, Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Hamburg 2006 und die Rezension von mir dazu in: Kunstchronik, Hg. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, Nürnberg 07/2007, S. 282-285 und in: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2009/948/pdf/Sauer_Hartmut_Boehme_2007.pdf; Lambert Wiesing, Artifizielle Präsenz, Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt a.M. 2005.

    (7)

    Vgl. Martina Sauer, Wahrnehmen von Sinn vor jeder sprachlichen oder gedanklichen Fassung? Frage an Ernst Cassirer, in: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, www.kunstgeschichte-ejournal.net/discussion/2008/Sauer/ (28.12.2008) mit einem Kommentar von Lambert Wiesing (Friedrich-Schiller-Universität Jena): www.kunstgeschichte-ejournal.net/kommentare/2009/wiesing und zuletzt, dies.: Bild- versus Kunstbegriff Cassirers, in: Das Bild als Denkfigur, Funktionen des Bildbegriffs in der Philosophiegeschichte, Hg. Simone Neuber, Roman Veressov, München 2010, S. 183-198.

    (8)

    Mit diesem Ansatz grenzt Cassirer sich gegenüber erkenntnistheoretisch argumentierenden Untersuchungen ab, in denen so Cassirer, das »Dasein« (ohne Heidegger hier beim Namen zu nennen) in einem Zustand reiner Unmittelbarkeit ›erlebt‹ werde. Diese Bestimmung sei jedoch als eine theoretische Konstruktion zu bewerten, in der eine bestimmte Norm und ein Maßstab an Objektivität vorausgesetzt werde. (II 46)

    (9)

    In dieser Ordnung spiegeln sich erste eigene Schlussfolgerungen, die sich auf eine frühere Auseinandersetzung zum Thema mit Bezug auf den Bild- und zur Unterscheidung davon zum Kunstbegriff Cassirers beziehen (vgl. Anm. 8) Vgl. hierzu ergänzend die Untersuchung von Markus Höfner: Sinn, Symbol und Religion, Diss. Bochum 2007, Tübingen: Mohr Siebeck 2008. Demnach unterscheide Cassirer in der Beurteilung des Verhältnisses von Symbol und Wirklichkeit (Referenz) seit 1921 zwischen drei Typen der Symbolbildung: einem mimetischen, analogischen und symbolischen Ausdruck. Diese Differenzierung werde ab 1927 ersetzt bzw. nach anderen Forschungsansätzen ergänzt durch: Ausdruck, Darstellung und Bedeutung. (S. 79 ff, hier S. 87)

    (10)

    Dass über die physiognomischen, subjektiven Qualitäten bzw. Gefühlsqualitäten nach wie vor Welt erschlossen werde, bestätigt Cassirer ergänzend in seiner Spätschrift. Vgl. Cassirer 1944, S. 122-126.

    (11)

    Vgl. hierzu grundlegend die Ausführungen Böhmes zu Warburg (Böhme 1997, S. 19 ff.) sowie dessen eigenen Ansatz (Böhme 2006, S. 257) und ergänzend die Rezension dazu von mir (Sauer 2007).

    (12)

    Dieses Verhalten diene so Böhme (Böhme 2006, S. 185) als »ein komplexes System der Ordnungserzeugung, der Handlungssteuerung, der Grenzwahrung, des Schutzes, der Angstbewältigung, der symbolischen Sinnstiftung und der rituellen Integration von Gemeinschaften und Individuen.«

    (13)

    vgl. hierzu meine jüngste, exemplarisch zu verstehende Untersuchung: Anselm Kiefer. Deutschlandbilder. Orte kultureller Wertebildungen (Druck in Vorbereitung) sowie ergänzend den Hinweis Michael Böschs, dass die Ausdruckswahrnehmung, wie sie Cassirer einführt, als eine »ursprüngliche vorreflexive Kommunikation« gewertet und insofern schon immer mit Sozialität verbunden werden könne, in: Das Netz der Kultur. Der Systembegriff in der Kulturphilosophie Ernst Cassirers, Würzburg 2004, S. 261 ff., hier S. 263.