Anamorphose: Unterschied zwischen den Versionen
K (→Auswirkungen auf andere Begriffe) |
K (→Auswirkungen auf andere Begriffe) |
||
Zeile 55: | Zeile 55: | ||
==Auswirkungen auf andere Begriffe== | ==Auswirkungen auf andere Begriffe== | ||
− | ⊳[[ | + | ⊳[[Perspektivik]], ⊳[[Blick]], ⊳[[Perspektive und Projektion]], ⊳[[Optische Medien]], ⊳[[Vexierbild]] |
<!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--> | <!--den folgenden Befehl, der die drei rechten Kästen einfügt, nicht verändern--> |
Version vom 19. Juni 2012, 17:30 Uhr
Unterpunkt zu: Bildverwendungstypen
Das anamorphotische BildBei einer Anamorphose handelt es sich um ein Bild, welches auf einem besonderen geometrischen Konstruktionsverfahren beruht. Dem zentralperspektivischen Bild ähnlich, gründet die Anamorphose auf einem mathematischen Raster. Das geometrisch berechnete Konstruktionsschema wird allerdings in einer anamorphotischen Darstellung verzerrt dargestellt, indem die einzelnen Trapez-Raster stark verlängert sind (vgl. [Topper 2000a]Literaturangabe fehlt. Verschiedene Typen anamorphotischer Darstellungen existieren seit deren neuzeitlicher Erfindung. Die basale Form ist die oben beschriebene optische bzw. Längenanamorphose. Sie beruht auf dem Prinzip der perspektivischen Verzerrung und wird für den Betrachter in der Dislozierung des eigenen Blickpunktes lesbar. Daneben existieren sogenannte katoptrische sowie dioptrische Anamorphosen. Diese dechiffriert der Betrachter mittels eines Spiegels, Prismas oder gar einer facettierten Linse ([Dewitz & Nekes 2002a]Literaturangabe fehlt. Der Begriff der AnamorphoseDie Bezeichnung »ana-morphosis« umschreibt zugleich die Form und die Funktion des Darstellungsverfahrens: Im ‘doppelgestaltigen’ anamorphotischen Bild ist bzw. wird etwas ‘um-geformt’ (vgl. [Hensel 2009a]Literaturangabe fehlt. Kaspar Schotts 1657 erschienene Schrift Magia universalis naturae et artis enthält ein Kapitel zur Magia Anamorphotica (vgl. [Schott 1657a]Literaturangabe fehlt. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Berlin/Weinheim: Quadriga. Eintrag in Sammlung zeigen). Er sieht in dieser ein Erkenntnisinstrument, das Sehen und den Blick des Subjekts evident zu machen. Den psychoanalytisch bedeutenden »Blick zurück« erkennt Lacan paradigmatisch in der Darstellung eines anamorphotischen Totenschädels auf Hans Holbeins Gemälde Die Gesandten.[1] So beschreibt er das anamorphotische Detail: „Mit Sicherheit ist es die außergewöhnliche, […] letztlich aber doch völlig offenkundige Absicht, uns zu zeigen, daß wir als Subjekte auf dem Bild buchstäblich angerufen sind und also dargestellt werden als Erfaßte“ ([Lacan 1987a]Lacan, Jacques (1987). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Berlin/Weinheim: Quadriga. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 98). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Berlin/Weinheim: Quadriga. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 93). Dieser widmet dem Holbeinschen Gemälde ein Kapitel seines Buches über das Phänomen der Anamorphose (vgl. [Baltrušaitis 1977a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ), wobei sich seine Kernthese auf den Handlungsvollzug der Bildbetrachtung stützt: Einer theatralen Aufführung gleich interpretiert er die Rezeption des Bildes als einen Zweiakter, in dem der Betrachter zunächst vom starken Realismus des Gemäldes affiziert ist und alsbald ein störendes Detail am unteren Bildrand entdeckt. Aus Enttäuschung darüber, diesen blinden Fleck des Bildes nicht entziffern zu können, verlässt er den Raum, nicht ohne einen letzten Blick zurück zu werfen. Erst in diesem Augenblick eröffnet sich eine andere Perspektive auf das Bild und er bemerkt die Verwandlung des verzerrten Flecks in einen Totenkopf ([Baltrušaitis 1977a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 104f.). Perspective, Anamorphosis and Vision. In Marburger Jahrbuch, 21, 93-117. Eintrag in Sammlung zeigen, [Damisch 1987a]Damisch, Hubert (1987). L'origine de la perspective. Paris: Flammarion. Eintrag in Sammlung zeigen, [Massey 2007a]Massey, Lyle (2007). Picturing Space, Displacing Bodies. Anamorphosis in Early Modern Theories of Perspective. University Park, Pa: Pennsylvania State University Press. Eintrag in Sammlung zeigen). Die Anamorphose als ein Korrektiv zu sehen, setzt sich in der aktuellen Bildforschung fort. Zwei Stränge lassen sich dabei unterscheiden, deren Argumentationen einerseits in eine medienphilosophische und andererseits in die Richtung der angloamerikanisch geprägten visual studies zielen. Beide Ansätze gehen jeweils von der Anamorphose als einer Kippfigur aus, die im Augenblick des Betrachtens existent ist und in dieser ephemeren Situation etwas augenscheinlich macht. Anamorphose und MedienphilosophieDieter Mersch sieht in der Anamorphose das Paradigma einer negativen Medientheorie veranschaulicht. Ausgehend von Holbeins Gemälde argumentiert er, dass dieses die „Medialität der Bildkonstruktion“ zu erhellen im Stande sei ([Mersch 2006a]Mersch, Dieter (2006).Mediale Paradoxa. Einleitung in eine negative Medienphilosophie. In Sic et Non. Zeitschrift für Philosophie und Kultur im Netz, 6. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 8). Mersch macht den „Blick von der Seite her“ (ebd.: S. 8) zur einzigen Möglichkeit, die Medialität des Gemäldes in einem kurzen Aufblitzen wahrzunehmen: Normalerweise bleibe die Medialität eines Mediums verdeckt, lediglich im Kippzustand eines anamorphotischen Bildes oder in vergleichbaren „Strategien einer Differenz“ (ebd.: S. 9) zeige sich diese. Anhand der Anamorphose verdeutlicht Mersch damit die Struktur von Medialität generell als eine negative. Anamorphose und visual studiesAuch Kyung-Ho Cha und Markus Rautzenberg betonen die Aufführungssituation der Anamorphose. Als ein Bild, das „kinetische Qualität“ ([Cha & Rautzenberg 2008a]Literaturangabe fehlt.Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 15) aufweist, bleibt dieses dauerhaft in der Schwebe zwischen bildlichen Zuständen. Die Vorstellung kinetischer Bildlichkeit ersetzt das Konzept des statischen Bildes (vgl. ebd.: S. 18). Ein Bild wird dann zu einem ephemeren Ereignis, das den Betrachter in seiner jeweiligen kulturellen Disposition zum konstitutiven Part ernennt. Es ist die Geschichte des Sehens, die sich ins anamorphotische Bild schleicht und die sie zum geeigneten Exempel macht, die Themenkomplexe »Bild« und »Wahrnehmung« zu überdenken (vgl. [Schürmann 2008a]Schürmann, Eva (2008). Sehen als Praxis. Ethisch-ästhetische Studien zum Verhältnis von Sicht und Einsicht. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen). Beispiele für AnamorphosenErste anamorphotische Versuche lassen sich bereits im 15. Jahrhundert bei Leonardo da Vinci nachweisen. Dieser hatte um 1485 zwei verzerrt gezeichnete Skizzen angefertigt (vgl. [Leeman 75a]Literaturangabe fehlt.Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 10). Zu einer vielzitierten Ikone anamorphotischer Kunst wurde insbesondere Hans Holbeins Gemälde Die Gesandten (1533; s. oben). Aktuell greift eine medien- und bildwissenschaftlich geschulte Kunstszene auf anamorphotische Verfahren zurück: Der südafrikanische Künstler William Kentridge kombiniert 2007 in der Arbeit "What will come (has already come)" Anamorphose und Film (vgl. [Schweizer 2012a]Schweizer, Yvonne (2012). Das gespiegelte Karussell. Zur Medialität katoptrischer Anamorphosen. In Materialität und Bildlichkeit. Visuelle Artefakte zwischen Aisthesis und Semiosis, 212-227. Eintrag in Sammlung zeigen). Doch nicht nur im künstlerischen Zusammenhang findet die Anamorphose Anwendung. Im kinematographischen Breitwandverfahren Cinemascope wird ab den 1950er Jahren erstmals ein spezielles Objektiv eingesetzt, der sogenannte „Anamorphot“. Dieser staucht und verzerrt das kinematographische Bild zunächst in der Breite, um es anschließend entzerrt zu projizieren (vgl. [Belach & Jacobsen 1993]Literaturangabe fehlt. Auswirkungen auf andere Begriffe⊳Perspektivik, ⊳Blick, ⊳Perspektive und Projektion, ⊳Optische Medien, ⊳Vexierbild |
Anmerkungen
[Baltrušaitis 1977a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belach & Jacobsen 1993]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cha & Rautzenberg 2008a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Damisch 1987a]: Damisch, Hubert (1987). L'origine de la perspective. Paris: Flammarion. [Dewitz & Nekes 2002a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Yvonne Schweizer [70], Joerg R.J. Schirra [37] und Mark A. Halawa [3] — (Hinweis) |