Anime: Unterschied zwischen den Versionen

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<!--Der japanische Terminus anime (orig.: animêshon) hat seinen Ursprung im Französischen und beschreibt, in allgemeiner Verwendung, alle Formen animierter Filme, „the Japanese took the word from the French to describe all animated films“ (Levi 2001: 1). Spricht man hingegen in neuerer Zeit von anime, so ist dies ein expliziter Verweis auf die in Japan produzierten Animationsfilme (Vgl. Leonard 2005: 284 und Levi 2001: 1).
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Der japanische Terminus anime (orig.: animêshon) hat seinen Ursprung im Französischen und beschreibt, in allgemeiner Verwendung, alle Formen animierter Filme, „the Japanese took the word from the French to describe all animated films“ (Levi 2001: 1). Spricht man hingegen in neuerer Zeit von anime, so ist dies ein expliziter Verweis auf die in Japan produzierten Animationsfilme (Vgl. Leonard 2005: 284 und Levi 2001: 1).
 
Die große internationale Bekanntheit und Beliebtheit japanischer anime gründet auf dem weltweiten Erfolg des japanischen science fiction. Interessanter Weise wurde dieser Erfolg eben nicht durch die Prosaliteratur japanischer Autoren bestimmt und etabliert, sondern durch die modernen Medien und die berühmten kaijū eiga – die japanischen monster movies – allen voran Gojira (Godzilla, 1954). Die kaijū eiga wurden zum japanischen Exportschlager und fanden schnell ihren Weg in die internationalen Kinos. Gojira wurde ab 1956 in Europa und den USA ausgestrahlt, zudem fanden sie enorme Verbreitung über TV-Ausstrahlungen zwischen den 1960er und 1970er Jahren. Die Beliebtheit der monster movies wurde begleitet durch die Faszination für Roboter und künstliche Lebensformen (vgl. Bolton et al 2007: viii). Von besonderer Popularität ist hier der von Osamu Tezuka entworfene manga Tetsuwan Atomu (Astroboy, Mighty Atom, 1951), in welchem der erste freundliche Roboter eine Hauptrolle einnimmt und damit einen starken Kontrast bildet, zu den negativen Vorstellungen die Amerikaner und Europäer mit künstlichen Lebensformen oftmals verbinden. Dieses Negativideal wird karikierend als Frankenstein Syndrom bezeichnet und ist als Angst-Motiv nicht nur in fiktionalen Kontexten präsent, sondern „it has been integrated as an aspect of technology that seems unavoidable. Nevertheless, it is a relatively recent evolution in Western culture“ (Kaplan 2004: 11). Die Beliebtheit von Tetsuwan Atomu führte insgesamt zu einer 18 Jahre andauernden Publikation in shōnen manga und im Jahr 1963 zur ersten TV-Ausstrahlung mit einer Anzahl von insgesamt 193 Episoden. Der anime Tetsuwan Atomu wurde dann im Ausland als Astro Boy und Mighty Atom bekannt. Tetsuwan Atomu’s Geburtstag (der 7. April 2003) führte in 2003 zu einer Neuauflage für das japanische Fernsehen und zur Produktion von Sammelmünzen, um den Geburtstag angemessen zu feiern (vgl. Krebs 2006: 64). Gerade in Tetsuwan Atomu manifestiert sich erstmals die Dichotomie von Mensch und Maschine als Prinzip der Hoffnung und der Sozialität und nicht als Äußerung des negativ konnotierten Frankenstein Syndroms. Tetsuwan Atomu ist archetypisch für das Konzept des Gefährten, der die Menschheit oft gegen Gefahren aus dem Weltall verteidigt und stetig versucht eigene Emotionalität zu entwickeln, wenngleich er nicht über die volle Anzahl menschlicher Emotionen verfügen kann (vgl. Levi 2001: 86).  
 
Die große internationale Bekanntheit und Beliebtheit japanischer anime gründet auf dem weltweiten Erfolg des japanischen science fiction. Interessanter Weise wurde dieser Erfolg eben nicht durch die Prosaliteratur japanischer Autoren bestimmt und etabliert, sondern durch die modernen Medien und die berühmten kaijū eiga – die japanischen monster movies – allen voran Gojira (Godzilla, 1954). Die kaijū eiga wurden zum japanischen Exportschlager und fanden schnell ihren Weg in die internationalen Kinos. Gojira wurde ab 1956 in Europa und den USA ausgestrahlt, zudem fanden sie enorme Verbreitung über TV-Ausstrahlungen zwischen den 1960er und 1970er Jahren. Die Beliebtheit der monster movies wurde begleitet durch die Faszination für Roboter und künstliche Lebensformen (vgl. Bolton et al 2007: viii). Von besonderer Popularität ist hier der von Osamu Tezuka entworfene manga Tetsuwan Atomu (Astroboy, Mighty Atom, 1951), in welchem der erste freundliche Roboter eine Hauptrolle einnimmt und damit einen starken Kontrast bildet, zu den negativen Vorstellungen die Amerikaner und Europäer mit künstlichen Lebensformen oftmals verbinden. Dieses Negativideal wird karikierend als Frankenstein Syndrom bezeichnet und ist als Angst-Motiv nicht nur in fiktionalen Kontexten präsent, sondern „it has been integrated as an aspect of technology that seems unavoidable. Nevertheless, it is a relatively recent evolution in Western culture“ (Kaplan 2004: 11). Die Beliebtheit von Tetsuwan Atomu führte insgesamt zu einer 18 Jahre andauernden Publikation in shōnen manga und im Jahr 1963 zur ersten TV-Ausstrahlung mit einer Anzahl von insgesamt 193 Episoden. Der anime Tetsuwan Atomu wurde dann im Ausland als Astro Boy und Mighty Atom bekannt. Tetsuwan Atomu’s Geburtstag (der 7. April 2003) führte in 2003 zu einer Neuauflage für das japanische Fernsehen und zur Produktion von Sammelmünzen, um den Geburtstag angemessen zu feiern (vgl. Krebs 2006: 64). Gerade in Tetsuwan Atomu manifestiert sich erstmals die Dichotomie von Mensch und Maschine als Prinzip der Hoffnung und der Sozialität und nicht als Äußerung des negativ konnotierten Frankenstein Syndroms. Tetsuwan Atomu ist archetypisch für das Konzept des Gefährten, der die Menschheit oft gegen Gefahren aus dem Weltall verteidigt und stetig versucht eigene Emotionalität zu entwickeln, wenngleich er nicht über die volle Anzahl menschlicher Emotionen verfügen kann (vgl. Levi 2001: 86).  
In der Erzähltradition des japanischen anime bildet das Konzept der künstlichen Lebensform ein vielseitig verarbeitetes narratives Konstrukt. Anime reflektiert auf diese Weise spezifische Momente der gesellschaftlichen Kulturkritik im Bezug auf das Verhältnis von Mensch und künstlichem Leben. Anime ist dabei nicht nur ein Reflexionsprinzip einer traditionell japanischen Perspektive, sondern verarbeitet kulturelle Motive und Inhalte einer global vernetzten und multimedialen Weltgesellschaft. Das Verständnis von künstlichen Lebensformen und deren Charakterisierung, wie es im anime reflexiv zur Anwendung kommt, erfährt dabei eine stetige narrative Entwicklung. Diese problematisiert nicht nur Angstmotive im Kontext von Mensch-Maschine-Symbiosen, sondern explizit realgesellschaftliche Diskurse im Kontext künstlicher Lebensformen: Fragen nach der Konstitution von Identität, Körpern, modernen Formen der Sozialität und dem Verhältnis von Geist, Körper, Personwerdung und Leben werden intensiv problematisiert.-->
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In der Erzähltradition des japanischen anime bildet das Konzept der künstlichen Lebensform ein vielseitig verarbeitetes narratives Konstrukt. Anime reflektiert auf diese Weise spezifische Momente der gesellschaftlichen Kulturkritik im Bezug auf das Verhältnis von Mensch und künstlichem Leben. Anime ist dabei nicht nur ein Reflexionsprinzip einer traditionell japanischen Perspektive, sondern verarbeitet kulturelle Motive und Inhalte einer global vernetzten und multimedialen Weltgesellschaft. Das Verständnis von künstlichen Lebensformen und deren Charakterisierung, wie es im anime reflexiv zur Anwendung kommt, erfährt dabei eine stetige narrative Entwicklung. Diese problematisiert nicht nur Angstmotive im Kontext von Mensch-Maschine-Symbiosen, sondern explizit realgesellschaftliche Diskurse im Kontext künstlicher Lebensformen: Fragen nach der Konstitution von Identität, Körpern, modernen Formen der Sozialität und dem Verhältnis von Geist, Körper, Personwerdung und Leben werden intensiv problematisiert.
 
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<!--Literaturverweise im laufenden Text <bib id='Jonas 61a'>Jonas 1961</bib> -->
 
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Version vom 27. Juli 2010, 07:51 Uhr


Unterpunkt zu: Bilder als Medien


Darstellung des gr. Zusammenhangs

Der japanische Terminus anime (orig.: animêshon) hat seinen Ursprung im Französischen und beschreibt, in allgemeiner Verwendung, alle Formen animierter Filme, „the Japanese took the word from the French to describe all animated films“ (Levi 2001: 1). Spricht man hingegen in neuerer Zeit von anime, so ist dies ein expliziter Verweis auf die in Japan produzierten Animationsfilme (Vgl. Leonard 2005: 284 und Levi 2001: 1). Die große internationale Bekanntheit und Beliebtheit japanischer anime gründet auf dem weltweiten Erfolg des japanischen science fiction. Interessanter Weise wurde dieser Erfolg eben nicht durch die Prosaliteratur japanischer Autoren bestimmt und etabliert, sondern durch die modernen Medien und die berühmten kaijū eiga – die japanischen monster movies – allen voran Gojira (Godzilla, 1954). Die kaijū eiga wurden zum japanischen Exportschlager und fanden schnell ihren Weg in die internationalen Kinos. Gojira wurde ab 1956 in Europa und den USA ausgestrahlt, zudem fanden sie enorme Verbreitung über TV-Ausstrahlungen zwischen den 1960er und 1970er Jahren. Die Beliebtheit der monster movies wurde begleitet durch die Faszination für Roboter und künstliche Lebensformen (vgl. Bolton et al 2007: viii). Von besonderer Popularität ist hier der von Osamu Tezuka entworfene manga Tetsuwan Atomu (Astroboy, Mighty Atom, 1951), in welchem der erste freundliche Roboter eine Hauptrolle einnimmt und damit einen starken Kontrast bildet, zu den negativen Vorstellungen die Amerikaner und Europäer mit künstlichen Lebensformen oftmals verbinden. Dieses Negativideal wird karikierend als Frankenstein Syndrom bezeichnet und ist als Angst-Motiv nicht nur in fiktionalen Kontexten präsent, sondern „it has been integrated as an aspect of technology that seems unavoidable. Nevertheless, it is a relatively recent evolution in Western culture“ (Kaplan 2004: 11). Die Beliebtheit von Tetsuwan Atomu führte insgesamt zu einer 18 Jahre andauernden Publikation in shōnen manga und im Jahr 1963 zur ersten TV-Ausstrahlung mit einer Anzahl von insgesamt 193 Episoden. Der anime Tetsuwan Atomu wurde dann im Ausland als Astro Boy und Mighty Atom bekannt. Tetsuwan Atomu’s Geburtstag (der 7. April 2003) führte in 2003 zu einer Neuauflage für das japanische Fernsehen und zur Produktion von Sammelmünzen, um den Geburtstag angemessen zu feiern (vgl. Krebs 2006: 64). Gerade in Tetsuwan Atomu manifestiert sich erstmals die Dichotomie von Mensch und Maschine als Prinzip der Hoffnung und der Sozialität und nicht als Äußerung des negativ konnotierten Frankenstein Syndroms. Tetsuwan Atomu ist archetypisch für das Konzept des Gefährten, der die Menschheit oft gegen Gefahren aus dem Weltall verteidigt und stetig versucht eigene Emotionalität zu entwickeln, wenngleich er nicht über die volle Anzahl menschlicher Emotionen verfügen kann (vgl. Levi 2001: 86). In der Erzähltradition des japanischen anime bildet das Konzept der künstlichen Lebensform ein vielseitig verarbeitetes narratives Konstrukt. Anime reflektiert auf diese Weise spezifische Momente der gesellschaftlichen Kulturkritik im Bezug auf das Verhältnis von Mensch und künstlichem Leben. Anime ist dabei nicht nur ein Reflexionsprinzip einer traditionell japanischen Perspektive, sondern verarbeitet kulturelle Motive und Inhalte einer global vernetzten und multimedialen Weltgesellschaft. Das Verständnis von künstlichen Lebensformen und deren Charakterisierung, wie es im anime reflexiv zur Anwendung kommt, erfährt dabei eine stetige narrative Entwicklung. Diese problematisiert nicht nur Angstmotive im Kontext von Mensch-Maschine-Symbiosen, sondern explizit realgesellschaftliche Diskurse im Kontext künstlicher Lebensformen: Fragen nach der Konstitution von Identität, Körpern, modernen Formen der Sozialität und dem Verhältnis von Geist, Körper, Personwerdung und Leben werden intensiv problematisiert.

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Anmerkungen
Literatur                            [Sammlung]

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Verantwortlich:

Lars Grabbe

Seitenbearbeitungen durch: Lars Grabbe [50], Dimitri Liebsch [8] und Joerg R.J. Schirra [2] — (Hinweis)