Anime: Unterschied zwischen den Versionen

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Manga, Animation
  
 
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Version vom 27. Juli 2010, 07:54 Uhr


Unterpunkt zu: Bilder als Medien


Darstellung des gr. Zusammenhangs

Der japanische Terminus anime (orig.: animêshon) hat seinen Ursprung im Französischen und beschreibt, in allgemeiner Verwendung, alle Formen animierter Filme, „the Japanese took the word from the French to describe all animated films“ (Levi 2001: 1). Spricht man hingegen in neuerer Zeit von anime, so ist dies ein expliziter Verweis auf die in Japan produzierten Animationsfilme (Vgl. Leonard 2005: 284 und Levi 2001: 1).

Die große internationale Bekanntheit und Beliebtheit japanischer anime gründet auf dem weltweiten Erfolg des japanischen science fiction. Interessanter Weise wurde dieser Erfolg eben nicht durch die Prosaliteratur japanischer Autoren bestimmt und etabliert, sondern durch die modernen Medien und die berühmten kaijū eiga – die japanischen monster movies – allen voran Gojira (Godzilla, 1954). Die kaijū eiga wurden zum japanischen Exportschlager und fanden schnell ihren Weg in die internationalen Kinos. Gojira wurde ab 1956 in Europa und den USA ausgestrahlt, zudem fanden sie enorme Verbreitung über TV-Ausstrahlungen zwischen den 1960er und 1970er Jahren. Die Beliebtheit der monster movies wurde begleitet durch die Faszination für Roboter und künstliche Lebensformen (vgl. Bolton et al 2007: viii). Von besonderer Popularität ist hier der von Osamu Tezuka entworfene manga Tetsuwan Atomu (Astroboy, Mighty Atom, 1951), in welchem der erste freundliche Roboter eine Hauptrolle einnimmt und damit einen starken Kontrast bildet, zu den negativen Vorstellungen die Amerikaner und Europäer mit künstlichen Lebensformen oftmals verbinden. Dieses Negativideal wird karikierend als Frankenstein Syndrom bezeichnet und ist als Angst-Motiv nicht nur in fiktionalen Kontexten präsent, sondern „it has been integrated as an aspect of technology that seems unavoidable. Nevertheless, it is a relatively recent evolution in Western culture“ (Kaplan 2004: 11). Die Beliebtheit von Tetsuwan Atomu führte insgesamt zu einer 18 Jahre andauernden Publikation in shōnen manga und im Jahr 1963 zur ersten TV-Ausstrahlung mit einer Anzahl von insgesamt 193 Episoden. Der anime Tetsuwan Atomu wurde dann im Ausland als Astro Boy und Mighty Atom bekannt. Tetsuwan Atomu’s Geburtstag (der 7. April 2003) führte in 2003 zu einer Neuauflage für das japanische Fernsehen und zur Produktion von Sammelmünzen, um den Geburtstag angemessen zu feiern (vgl. Krebs 2006: 64). Gerade in Tetsuwan Atomu manifestiert sich erstmals die Dichotomie von Mensch und Maschine als Prinzip der Hoffnung und der Sozialität und nicht als Äußerung des negativ konnotierten Frankenstein Syndroms. Tetsuwan Atomu ist archetypisch für das Konzept des Gefährten, der die Menschheit oft gegen Gefahren aus dem Weltall verteidigt und stetig versucht eigene Emotionalität zu entwickeln, wenngleich er nicht über die volle Anzahl menschlicher Emotionen verfügen kann (vgl. Levi 2001: 86).

In der Erzähltradition des japanischen anime bildet das Konzept der künstlichen Lebensform ein vielseitig verarbeitetes narratives Konstrukt. Anime reflektiert auf diese Weise spezifische Momente der gesellschaftlichen Kulturkritik im Bezug auf das Verhältnis von Mensch und künstlichem Leben. Anime ist dabei nicht nur ein Reflexionsprinzip einer traditionell japanischen Perspektive, sondern verarbeitet kulturelle Motive und Inhalte einer global vernetzten und multimedialen Weltgesellschaft. Das Verständnis von künstlichen Lebensformen und deren Charakterisierung, wie es im anime reflexiv zur Anwendung kommt, erfährt dabei eine stetige narrative Entwicklung. Diese problematisiert nicht nur Angstmotive im Kontext von Mensch-Maschine-Symbiosen, sondern explizit realgesellschaftliche Diskurse im Kontext künstlicher Lebensformen: Fragen nach der Konstitution von Identität, Körpern, modernen Formen der Sozialität und dem Verhältnis von Geist, Körper, Personwerdung und Leben werden intensiv problematisiert.

Engere Begriffsbestimmung

Ein Großteil der anime basiert auf einer Printvorlage, den manga (Originalbedeutung: lächerliches, komisches Bild), und diese stehen als feste Institution in der japanischen Erzähltradition. Die konzeptionelle Form-Struktur der manga lässt sich bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen und basiert auf illustrierten Handrollen, den so genannten Emakimono. Diese Schriftrollen zeichneten sich durch facettenreiche Geschichten aus, die durch spezielle Maltechniken mittels Pinsel gezeichnet wurden und häufig über den im manga typischen Aspekt der Bewegung verfügten. Letztere wurde beispielsweise im Ban Dainagon Emaki (12. Jahrhundert) dadurch erzielt, dass die Handrolle von rechts nach links aufgerollt wurde und jeweils ein Teil der Geschichte präsentierte, dann wurde die Rolle nach Fertiglesen des Abschnitts einfach weiter aufgerollt und offenbarte somit eine Bewegungsstruktur der Bildentfaltung von rechts nach links. Die Emakimono verfügten über zusätzliche Beschreibungen des Bildinhalts durch Text und wirkten somit durch eine Kombination von Bildinhalt und phonetischem Symbol, ähnlich der Struktur moderner manga (Vgl. Kiyomitsu 2004: 4f.). Zusätzlich lässt sich das Prinzip der interaktiven Kunst, welches unter anderem durch die japanisch-ästhetische Drucktradition des Holzschnitts oder Farbholzschnitts vom 16. bis 19. Jahrhundert entwickelt wurde, auf die Bildgestaltung im manga und anime anwenden. In dieser Kunstform steht das Erreichen eines Realismus im Vordergrund, welcher dem Betrachter mehr zeigt, als im eigentlichen Bildraum dargestellt ist. Der Betrachter füllt sozusagen die Leerstellen im Bild mittels imaginativer Eigenleistung auf, um einen Sinn zu generieren. Z.B. ein Bild zeigt Pfade und Wege, die scheinbar weiter reichen als der Rahmen, und der Betrachter denkt diesen abwesenden Bildraum mit: „Anime sets the stage, but the viewer’s imagination must fill the gaps. Anime’s most powerful scenes never appear on screen at all“ (Levi 2001: 20f.).

Die konzeptionelle Inhalts-Struktur im manga folgt einem dreigliedrigen Modell, welches sich an einem differenzierten Geschlechterkonzept orientiert. Der sehr action-orientierte (1) shōnen manga orientiert sich am männlichen Leser und behandelt Kriegsthemen, Sport, Sexualität und Rivalität. Gegenstück bildet der am weiblichen Leser orientierte (2) shōjo manga und thematisiert Emotionen und Beziehungsgefüge. In den 1960er und 1970er Jahren orientierte sich der shōjo manga an der dramatischen Tradition des ausschließlich von weiblichen Schauspielern besetzten Takarazuka Theaters, welches traditionell für ein weibliches Teenager-Publikum spielt. Die Besonderheit im Takarazuka Theater zeichnet sich durch die Darstellung überaus starker Rollen aus, oftmals auch durch die Verkörperung von Männern und die Darstellung der bishōnen (schöner Junge), der schönen und androgynen Männer, die charakteristisch sind für bisexuelle Romanzen der traditionellen japanischen Kämpferlegenden. Der sich ausbildende wechselseitige Einfluss von Takarazuka Theater und shōjo manga führte letztendlich dazu, dass sich shōjo manga auch an den Thematiken der männlichen shōnen manga erfolgreich versuchte und sich der (3) bishōnen manga als Subkategorie des shōjo manga etablierte. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren führte ein gegenseitiger thematischer Austausch zwischen shōnen manga und shōjo manga dazu, dass sich die ursprüngliche Trennung dieser Kategorien zunehmend auflöste, und nun auch junge und erwachsene Männer shōjo manga konsumierten, und sich ebenfalls junge und erwachsene Frauen den shōnen manga zugewendet haben. Neben den Konsumenten vermischten sich auch die unterschiedlichen Stilebenen, und immer öfter wurden starke weibliche Charaktere in den männlichen shōnen manga etabliert, und starke männliche Charaktere in den shōjo manga (vgl. Levi 2001: 10f.).

Diese erzählerische Komplexität japanischer anime lässt sich innerhalb von drei expressiven Modi kategorisieren: Zu allererst der (1) apokalyptische Modus, welcher apokalyptische Weltuntergangsszenarien und/oder Momente der globalen Bedrohung beinhaltet: Als Form der Kulturkritik zu begreifen, die Aspekte wissenschaftlich-industrieller Gesellschaftsentwicklungen reflektiert. An zweiter Stelle ist der (2) festlich/ karnevaleske Modus zu nennen, welcher in hohem Maße komödiantische und exzessive Elemente aufweist. Dieser Modus steht nicht ausschließlich für Spaß und Belustigung, sondern auf philosophischer Ebene für die Elemente Veränderung, Abwechslung, Tod und Erneuerung. Als letzte Form ist der (3) elegische Modus zu nennen, welcher Aspekte von Kummer, Mangel und Verlust beinhaltet. Diese drei Modi interagieren nicht nur untereinander, sondern ebenfalls mit dem reichhaltigen Material der japanischen Erzähltradition, „the immense range of anime – its fascinating variety of genres, its mixture of traditional and modern elements, and its disparate assemblage of subjectivities – it is also rewarding to see how the modes of apocalypse, festival, and elegy continually appear, reworking and recombining themselves across the broad tapestry of contemporary animation” (Napier 2001: 13f.).

optional Beispiele

Akira (1988) Baburugamu kuraishisu (Bubblegum Crisis, 1987) Ergo Proxy (2006) Kôkaku kidôtai (Ghost in the Shell, 1995) Gojira (Godzilla, 1954) Kyôshoku sôkô Guyver (Guyver: The Bioboosted Armor, 2005) Tetsuwan Atomu (Astroboy, Mighty Atom, 1951) Tetsujin 28-gō (Gigantor, 1956)

Auswirkungen auf andere Begriffe

Manga, Animation

Anmerkungen
Literatur                            [Sammlung]

Keine Literaturangaben


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Lars Grabbe

Seitenbearbeitungen durch: Lars Grabbe [50], Dimitri Liebsch [8] und Joerg R.J. Schirra [2] — (Hinweis)