Arabisch: 'sûra', 'timthal', 'wathan' und 'sanam': Unterschied zwischen den Versionen
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Von großer Tragweite für das ara­bische Bildvo­kabu­lar ist der Islam. Will man jenes erschlie­ßen, ist es sinnvoll, sich neben dem «Koran» auch den später verfass­ten «Hadithen» zuzu­wenden. (In der sunni­tischen Tradi­tion sind dies die Sammlun­gen der Worte des Prophe­ten, in der schiiti­schen werden auch die der frühen Ima­me berück­sichtigt.) Der «Koran» pole­misiert, in seiner Bilder­feindlich­keit (⊳ [[Idolatrie und Ikonoklasmus|Ido­latrie und Iko­noklas­mus]]) dem «Alten Testa­ment» ähnlich, gegen die in kleinen [[Skulptur|Statuen]] oder auch in schlichten, unbe­arbei­teten Steinen verkör­perten Gotthei­ten der voris­lami­schen ara­bischen Kulte. Dabei handelt es sich u.a. um ''timthal'' (تمثال – Bild, Abbild, bildli­che Darstel­lung, Standbild und Statue), ''wathan'' (وثن – Götzen­bild), ''nasb'' (نصب – aufge­richte­ter Stein) und ''sanam'' (صنم – ein zumeist aus Metall gefer­tigtes Götzen­bild) (vgl. <bib id='Naef 2007a'></bib>: S. 12).<ref>Hier und im Fol­gen­den schul­den wir Ha­na­ne Sai­di Dank für die Ein­rich­tung des Ara­bi­schen.</ref> Schärfer ist die Pole­mik in den «Hadi­then», denen zufol­ge ein Herstel­ler von Bildern, selbst wenn seine Bilder keine derar­tigen Gotthei­ten zeigen, am Tag der Aufer­stehung die schlimmsten Qualen soll erdul­den müssen.<ref>Und dies so­wohl ge­mäß der sun­ni­ti­schen als auch der schi­i­ti­schen Auf­fas­sung; vgl da­zu <bib id='Paret 1960a'>Pa­ret 1960a</bib>: S. 39f. und <bib id='Paret 1968a'>Pa­ret 1968a</bib>: S. 230.</ref> Wieso steht das Verfer­tigen von Bildern unter einer derar­tigen Strafe? | Von großer Tragweite für das ara­bische Bildvo­kabu­lar ist der Islam. Will man jenes erschlie­ßen, ist es sinnvoll, sich neben dem «Koran» auch den später verfass­ten «Hadithen» zuzu­wenden. (In der sunni­tischen Tradi­tion sind dies die Sammlun­gen der Worte des Prophe­ten, in der schiiti­schen werden auch die der frühen Ima­me berück­sichtigt.) Der «Koran» pole­misiert, in seiner Bilder­feindlich­keit (⊳ [[Idolatrie und Ikonoklasmus|Ido­latrie und Iko­noklas­mus]]) dem «Alten Testa­ment» ähnlich, gegen die in kleinen [[Skulptur|Statuen]] oder auch in schlichten, unbe­arbei­teten Steinen verkör­perten Gotthei­ten der voris­lami­schen ara­bischen Kulte. Dabei handelt es sich u.a. um ''timthal'' (تمثال – Bild, Abbild, bildli­che Darstel­lung, Standbild und Statue), ''wathan'' (وثن – Götzen­bild), ''nasb'' (نصب – aufge­richte­ter Stein) und ''sanam'' (صنم – ein zumeist aus Metall gefer­tigtes Götzen­bild) (vgl. <bib id='Naef 2007a'></bib>: S. 12).<ref>Hier und im Fol­gen­den schul­den wir Ha­na­ne Sai­di Dank für die Ein­rich­tung des Ara­bi­schen.</ref> Schärfer ist die Pole­mik in den «Hadi­then», denen zufol­ge ein Herstel­ler von Bildern, selbst wenn seine Bilder keine derar­tigen Gotthei­ten zeigen, am Tag der Aufer­stehung die schlimmsten Qualen soll erdul­den müssen.<ref>Und dies so­wohl ge­mäß der sun­ni­ti­schen als auch der schi­i­ti­schen Auf­fas­sung; vgl da­zu <bib id='Paret 1960a'>Pa­ret 1960a</bib>: S. 39f. und <bib id='Paret 1968a'>Pa­ret 1968a</bib>: S. 230.</ref> Wieso steht das Verfer­tigen von Bildern unter einer derar­tigen Strafe? | ||
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− | Die Antwort auf diese Frage führt wieder zum Bildvo­kabu­lar des «Korans» zurück. Eine grundsätz­liche und ausführ­liche Ausein­ander­setzung mit Bildern im enge­ren Sinne sucht man hier verständ­licher­weise verge­bens, da diese in den voris­lami­schen Kulten Arabiens kein Rolle gespielt haben. ‘Sûra’ (صورة), das ara­bische Substan­tiv für das Bild schlechthin, aber auch die Bezeich­nung für Form und Gestalt, findet sich nur ein einzi­ges Mal; und das dem Substan­tiv zugrun­de liegen­de Verb ‘sawwara’ (صور), das soviel bedeu­tet wie ›etwas auf diese oder jene Art machen‹, ›bilden‹, ›ihm eine Form geben‹, ›schaffen‹, wird auch nur viermal verwen­det (vgl. <bib id='Naef 2007a'></bib>: S. 12f.). Bezeich­nender­weise aber dienen Substan­tiv und Verb im «Koran» nicht zur Beschrei­bung von menschli­chen Hervor­bringun­gen oder Tätig­keiten, sondern zur Beschrei­bung von göttli­chen: ‘Sûra’ ist in Sure 82,8 die Gestalt des von Gott geschaf­fenen Menschen, und ‘sawwara’ meint in den erwähn­ten Partien nichts anderes als das göttli­che Schaffen (vgl. <bib id='Naef 2007a'></bib>: S. 19f.). Erschwe­rend kommt hinzu, dass es sich bei dem von diesem Verb abge­leite­ten Titel ‘al-mussawir’ (المصور – Gestal­ter, Schöpfer), der | + | Die Antwort auf diese Frage führt wieder zum Bildvo­kabu­lar des «Korans» zurück. Eine grundsätz­liche und ausführ­liche Ausein­ander­setzung mit Bildern im enge­ren Sinne sucht man hier verständ­licher­weise verge­bens, da diese in den voris­lami­schen Kulten Arabiens kein Rolle gespielt haben. ‘Sûra’ (صورة), das ara­bische Substan­tiv für das Bild schlechthin, aber auch die Bezeich­nung für Form und Gestalt, findet sich nur ein einzi­ges Mal; und das dem Substan­tiv zugrun­de liegen­de Verb ‘sawwara’ (صور), das soviel bedeu­tet wie ›etwas auf diese oder jene Art machen‹, ›bilden‹, ›ihm eine Form geben‹, ›schaffen‹, wird auch nur viermal verwen­det (vgl. <bib id='Naef 2007a'></bib>: S. 12f.). Bezeich­nender­weise aber dienen Substan­tiv und Verb im «Koran» nicht zur Beschrei­bung von menschli­chen Hervor­bringun­gen oder Tätig­keiten, sondern zur Beschrei­bung von göttli­chen: ‘Sûra’ ist in Sure 82,8 die Gestalt des von Gott geschaf­fenen Menschen, und ‘sawwara’ meint in den erwähn­ten Partien nichts anderes als das göttli­che Schaffen (vgl. <bib id='Naef 2007a'></bib>: S. 19f.). Erschwe­rend kommt hinzu, dass es sich bei dem von diesem Verb abge­leite­ten Titel ‘al-mussawir’ (المصور – Gestal­ter, Schöpfer), der dem Maler und in jüngerer Zeit auch dem Foto­grafen ver­liehen wird, eben­falls um einen der neunund­neunzig Namen Allahs handelt. |
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Anders als etwa im «Alten Testament» ( ⊳ [[Hebräisch: 'päsäl', 'säläm' und 'demut'|Hebrä­isch: ‘päsäl’, ‘säläm’ und ‘demut’]]) besteht also im Islam schon aufgrund der Begriff­lichkeit eine Konkur­renz zwischen Gott und Maler. Wie in den «Hadithen» ausge­führt, wird diese Konkur­renz vor allem beim Hervor­bringen von Lebe­wesen viru­lent. Menschen und Tiere zu malen ist Hybris.<ref>Ne­ben der Hy­bris des Ma­lers mo­nie­ren die «Ha­di­the» auch die Un­rein­heit der Bil­der, wo­durch ein Ge­bet in ih­rer Nä­he un­mög­lich wer­de, und die Ge­fahr, dass sie zu po­ly­the­is­ti­schen Kul­ten ver­lei­ten könn­ten (vgl. da­zu aus­führ­lich <bib id='van Reenen 1990a'>van Ree­nen 1990a</bib>).</ref> Die Strafe am Tag der Aufer­stehung besteht für den Maler darin, dass er quasi beim Wort genom­men wird und seinen gemal­ten Lebe­wesen Leben einhau­chen muss – und daran wird er qua Mensch wieder und wieder scheitern (vgl. <bib id='Paret 1960a'></bib>: S. 43ff. und <bib id='Paret 1968a'></bib>: S. 230). | Anders als etwa im «Alten Testament» ( ⊳ [[Hebräisch: 'päsäl', 'säläm' und 'demut'|Hebrä­isch: ‘päsäl’, ‘säläm’ und ‘demut’]]) besteht also im Islam schon aufgrund der Begriff­lichkeit eine Konkur­renz zwischen Gott und Maler. Wie in den «Hadithen» ausge­führt, wird diese Konkur­renz vor allem beim Hervor­bringen von Lebe­wesen viru­lent. Menschen und Tiere zu malen ist Hybris.<ref>Ne­ben der Hy­bris des Ma­lers mo­nie­ren die «Ha­di­the» auch die Un­rein­heit der Bil­der, wo­durch ein Ge­bet in ih­rer Nä­he un­mög­lich wer­de, und die Ge­fahr, dass sie zu po­ly­the­is­ti­schen Kul­ten ver­lei­ten könn­ten (vgl. da­zu aus­führ­lich <bib id='van Reenen 1990a'>van Ree­nen 1990a</bib>).</ref> Die Strafe am Tag der Aufer­stehung besteht für den Maler darin, dass er quasi beim Wort genom­men wird und seinen gemal­ten Lebe­wesen Leben einhau­chen muss – und daran wird er qua Mensch wieder und wieder scheitern (vgl. <bib id='Paret 1960a'></bib>: S. 43ff. und <bib id='Paret 1968a'></bib>: S. 230). | ||
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 00:47 Uhr
Unterpunkt zu: Bildtermini anderer Sprachen
Von großer Tragweite für das arabische Bildvokabular ist der Islam. Will man jenes erschließen, ist es sinnvoll, sich neben dem «Koran» auch den später verfassten «Hadithen» zuzuwenden. (In der sunnitischen Tradition sind dies die Sammlungen der Worte des Propheten, in der schiitischen werden auch die der frühen Imame berücksichtigt.) Der «Koran» polemisiert, in seiner Bilderfeindlichkeit (⊳ Idolatrie und Ikonoklasmus) dem «Alten Testament» ähnlich, gegen die in kleinen Statuen oder auch in schlichten, unbearbeiteten Steinen verkörperten Gottheiten der vorislamischen arabischen Kulte. Dabei handelt es sich u.a. um timthal (تمثال – Bild, Abbild, bildliche Darstellung, Standbild und Statue), wathan (وثن – Götzenbild), nasb (نصب – aufgerichteter Stein) und sanam (صنم – ein zumeist aus Metall gefertigtes Götzenbild) (vgl. [Naef 2007a]Naef, Silvia (2007).
Bilder und Bilderverbot im Islam. München: C. H. Beck. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 12).[1] Schärfer ist die Polemik in den «Hadithen», denen zufolge ein Hersteller von Bildern, selbst wenn seine Bilder keine derartigen Gottheiten zeigen, am Tag der Auferstehung die schlimmsten Qualen soll erdulden müssen.[2] Wieso steht das Verfertigen von Bildern unter einer derartigen Strafe? Bilder und Bilderverbot im Islam. München: C. H. Beck. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 12f.). Bezeichnenderweise aber dienen Substantiv und Verb im «Koran» nicht zur Beschreibung von menschlichen Hervorbringungen oder Tätigkeiten, sondern zur Beschreibung von göttlichen: ‘Sûra’ ist in Sure 82,8 die Gestalt des von Gott geschaffenen Menschen, und ‘sawwara’ meint in den erwähnten Partien nichts anderes als das göttliche Schaffen (vgl. [Naef 2007a]Naef, Silvia (2007). Bilder und Bilderverbot im Islam. München: C. H. Beck. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 19f.). Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei dem von diesem Verb abgeleiteten Titel ‘al-mussawir’ (المصور – Gestalter, Schöpfer), der dem Maler und in jüngerer Zeit auch dem Fotografen verliehen wird, ebenfalls um einen der neunundneunzig Namen Allahs handelt. Textbelege zum islamischen Bilderverbot. In Das Werk des Künstlers. Studien zur Ikonographie und Formgeschichte, 36-48. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 43ff. und [Paret 1968a]Paret, Rudi (1968). Das islamische Bilderverbot und die Schia. In Festschrift Werner Caskel. Zum siebzigsten Geburtstag 5. März 1966 gewidmet von Freunden und Schülern, 242-232. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 230). Trotz der Verurteilung durch die Geistlichkeit hat es allerdings während der gesamten Geschichte des Islams immer wieder Bilder mit figürlichen Darstellungen gegeben.[4] Die Bilder werden dabei teils den religiösen Vorgaben angepasst – so kann der Maler dem Vorwurf der Hybris entgehen, wenn die Lebewesen auf seiner sûra (durch Abtrennen der Köpfe oder Durchlöchern der Körper) deutlich als nicht lebensfähig gekennzeichnet sind.[5] Teils lässt das islamische Recht gelegentlich Ausnahmen zu, wenn etwa Fotos wie im Fall von Ausweispapieren für darûra (ضرورة), d.h. für notwendig, erklärt werden. |
Anmerkungen
[Grabar & Natif 2003a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Naef 2007a]: Naef, Silvia (2007). Bilder und Bilderverbot im Islam. München: C. H. Beck. [Paret 1960a]: Paret, Rudi (1960). Textbelege zum islamischen Bilderverbot. In: Hans Fegers (Hg.): Das Werk des Künstlers. Studien zur Ikonographie und Formgeschichte. Stuttgart: Kohlhammer, S. 36-48.
[Paret 1968a]: Paret, Rudi (1968). Das islamische Bilderverbot und die Schia. In: Erwin Gräf (Hg.): Festschrift Werner Caskel. Zum siebzigsten Geburtstag 5. März 1966 gewidmet von Freunden und Schülern. Leiden: Brill, S. 242-232.
[van Reenen 1990a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [41] und Joerg R.J. Schirra [15] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Liebsch 2013g-a]Literaturangabe fehlt. |