Authentizität
Unterpunkt zu: Bildpragmatik
BegriffsbestimmungDer Begriff Authentizität geht auf das griechische authentikos (Urheber) wie auch auf das lateinische authenticum (Original) zurück und wird gemeinhin als die Echtheit, Originalität, Verbürgtheit und der Gültigkeits- und Wahrheitsanspruch einer Sache verstanden. Wichtige Oppositionspaare ergeben sich mit der Kopie (das lateinische exemplarium als Gegenstück zum authenticum), dem Plagiat oder der Fälschung sowie auch der Inszenierung. (vgl. HwdPh, authenisch) Authentizität ist als ein Schlüsselbegriff der abendländischen Kulturgeschichte zu verstehen und in vielen wissenschaftlichen Disziplinen (u. a. Psychologie, Rhetorik, Kulturwissenschaften, maßgeblich in der Philosophie etwa bei Heidegger und Sartre) ein häufig bemühter Begriff, wobei sich auch die unterschiedlichen disziplinären Fragestellungen unweigerlich in die jeweilige Begriffsverwendung eingeschrieben haben.
‚Authentizität‘ im bildwissenschaftlichen DiskursIm bildwissenschaftlichen Diskurs wird der Begriff der ‚Authentizität‘ letztlich für zwei Problembereiche hinzugezogen, die nur eine geringe Schnittmenge aufweisen. Die Frage, wann ein Bild authentisch ist, wird in der bildbezogenen Forschung dem oben angedeuteten semantischen Spielraum des Terminus ‚Authentizität‘ gemäß, auf zweierlei Art beantwortet: a. im Hinblick auf den Urheber und b. im Hinblick auf den Bildinhalt, die Bildbedeutung. a. Bei der Frage nach dem Urheber (allgemeiner: dem Ursprung) des Bildes ist die Originalität das ausschlaggebende Kriterium für die Authentizität des Bildes. „Ein Gemälde ist insofern authentisch, als es auf einen ‚Autor‘, auf einen Künstler oder eine Künstlerin zurückgeführt werden kann. Bereits durch die Reproduktion des Originals verliert das Bild ein Stück seiner Authentizität.“ (Knieper, Müller, 7). In diesem Sinne kann man von einem authentischen Gemälde von Picasso, Rembrandt oder Brueghel sprechen, wenn außer Frage steht, dass das vorliegende Exemplar tatsächlich von der entsprechenden historischen Person verfertigt wurde. Diese Form der Authentizität wird in Walter Benjamins Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit problematisiert; Benjamin spricht in diesem Zusammenhang vom Verlust der „Aura“, den ein Gemälde im Zuge seiner technischen Reproduktion (Kopie) erfährt. [Benjamin] Die Authentizität dieser Bilder wird an der Urheberschaft festgemacht, jedoch weniger nach ihrem semantischen Sinn bzw. ihrer Botschaft. Gleichermaßen beziehen die acheiropoietischen Bilder (d. h. die nicht von Menschenhand gefertigten Bilder), wie z. B. das Schweißtuch der Veronika, ihre Authentizität von der besonderen Autorität ihrer Verfertigung (im Falle des Sudariums also von Gott selbst). b. Im Hinblick auf den Bildinhalt muss der Begriff der Authentizität zunächst paradox anmuten. Denn der Betrachter eines Bildes ist – wie jeder Rezipient eines kommunikativen Artefakts – nie mit einer Sache selbst, d. h. dem echten, realen Sachverhalt, konfrontiert, sondern immer nur mit Zeichen, die per definitionem in stellvertretender Funktion stehen. Damit scheint die Frage nach einem authentischen Bild zu einer „Chimäre, eine[r] Fiktion“ (Wortmann, 13) zu werden: „Die Frage nach Echtheit oder Betrug im medialen Geschehen ist nichts anderes als eine neue Schattierung im Versuch der Überwindung der Medialität, es geht hier um ein aporetisches ‚Verhältnis von Darstellungsunabhängigkeit und Darstellung‘ – auch die authentischen Zeichen lassen sich nur paradox definieren als nicht hergestellte Fabrikationen.“ (Andree 437/438). Aus diesem Grund ist die Verwendung des Attributs ‚authentisch‘ in diesem Zusammenhang als metaphorisch einzustufen. Gemeint ist mit ihm letztlich die kommunikative Aufrichtigkeitsbehauptung im Sinne der Griceschen Maxime der ‚Wahrheit‘ des Kooperationsprinzips (Grice). „Die Programmatik der Authentizität gestattet der Kommunikation also, sich im fortlaufenden Kommunikationsgeschehen immer wieder aufs neue zu vergewissern, daß sie es mit ‚echten‘ und ‚ ernstzunehmenden‘ Operationen zu tun hat.“ (Andree 438). Ein Bild ist in diesem Sinne genau dann authentisch, wenn damit angegeben ist, dass es einen realen Sachverhalt wahrheitsgemäß, unverfälscht und genau abbildet, womit auch die Mimesis als ein zentraler Terminus aufgerufen ist. „Authentizität bezieht sich dabei auf eine Übereinstimmung einer Aufnahme [=eines Bildes, T. S.] mit der Realität.“ (Grittmann 124). Die für die Authentizität entscheidende Frage lautet dann, wie die beiden Aspekten der Originalität und der Realitätstreue in der Kommunikation mit Bildern aufgerufen werden können. Es geht also um die kommunikativen Formen der Authentifizierung.
Formen der Bild-AuthentifizierungSystematisch lassen sich a. extrinsische (durch Zuschreibungen von außen) und b. intrinsische (durch das Bild selbst hervorgebrachte) Formen der Bild-Authentifizierung unterscheiden. In den meisten Fällen sind mehrere Formen der Bildauthentifizierung aufzufinden (also sowohl extrinsische als auch intrinsische). a. Extrinsische Formen der Authentifizierung erfolgen durch dem Bild beigeordnete Texturen (z. B. durch Paratexte) oder durch bestimmte Attributionen an das Medium, mit dem ein Bild erzeugt wurde. Hier lassen sich maßgeblich drei Formen der Authentifizierung unterscheiden: 1. Bestätigung der Urheberschaft und des Ursprungs durch eine Autorität. Das Bild wird einem eindeutigen Ursprung zugeordnet und damit zu einem Original (authenticum) erhoben. Beispiele hierfür wären das religiöse Erzählung zum Acheiropoeitos (etwa dem Schweißtuch der Veronika) oder der Kunstexperte, der zertifiziert, dass ein Bild von einem bestimmten Maler angefertigt wurde (vgl. Kunstfälscherskandal). 2. Bestätigung des Bildinhalts durch eine Autorität: Der Realitätsbezug einer Darstellung wir bestätigt, die Botschaft des Bildes verifiziert und zu einer authentischen Darstellung eines realen Sachverhalts erhoben. Ein prominentes Beispiel findet sich bei Francisco de Goya in seinem Zyklus Los Desastres de la Guerra. Goya setzt unter ein Bild die Bildunterschrift „Das ist die Wahrheit“ unter ein anderes „Ich habe es gesehen.“ (Goya). Identische Mechanismen greifen auch bei der Pressefotografie, in der sowohl das Publikationsorgan, als auch die die Bilder begleitenden Texte (etwa eine Reportage, die Bildunterschrift), die in der Regel von einer sachkompetenten Person (bisweilen auch vom Fotografen selbst) verfasst wurden, bestätigen, dass das Bild einen realen Sachverhalt wahrheitsgemäß zeigt. (Gleichermaßen authentifizieren diese Bilder aber auch reziprok die ihnen beigeordneten Texte.) 3. Authentifizierung durch kulturelle Zuschreibungspraktiken, maßgeblich an das Medium, auf dem ein Bild gespeichert ist. Das markanteste Beispiel wäre die Fotografie, bei der die medialen Umstände ihrer Genese, der Umstand dass hier ein chemisch-mechanischer bzw. elektro-mechanischer Prozess involviert ist, oft als Authentizitätsgarant verstanden werden bzw. wurden. Hier geht es weniger um die Frage, ob z. B. Fotografien authentische Bilder sind, sondern allein darum, dass es eine kulturelle Praxis gibt, die Bilder aufgrund ihrer medialen Genese als ‚authentische Artefakte’ begreift. Was das Bild dabei zeigt oder wer es gemacht hat, ist hier von sekundärer Bedeutung. b. Die intrinsischen Formen der Authentifzierung lassen sich entlang der Achsen „Bildinhalt“ (das, was ein Bild zeigt) und „Sichtweise“ (die Art und Weise, wie ein Bild etwas zeigt) unterscheiden (zum Begriff der Sichtweise s. Wiesing).
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Anmerkungen
Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Thomas Susanka [28], Joerg R.J. Schirra [24] und Mark A. Halawa [4] — (Hinweis) |