Bild in der Wissenschaft: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 01:53 Uhr
Unterpunkt zu: Bildverwendungstypen
Übersicht: Das Bild in der WissenschaftDas Bild in der Wissenschaft tritt heute in vielfältigen Formen und Funktionen auf. Wir finden es in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen sowohl natur- als auch geistes- und sozialwissenschaftlicher Art. Es zeigt uns gleichermaßen die Welt des Mikrokosmos (Bilder von Mikroorganismen oder organischen Zellen etc.) als auch jene des Makrokosmos (Bilder von Lebewesen oder Galaxien; vgl. Abb. 1). Instrumentenbilder – in diesem Falle Bilder, die durch mikroskopische, fotografische oder teleskopische Beobachtungsverfahren gewonnen wurden – stellen dabei nur eine von vielen Erscheinungsweisen des wissenschaftlichen Bildes dar. Balkendiagramme zur Veranschaulichung von Umfrageergebnissen in der Soziologie oder Kurvendiagramme zur Visualisierung von Messdaten in der Physik wären andere Beispiele. Die bildhafte Repräsentation ist dabei in ihren vielfältigen Formen ein wichtiger Bestandteil sowohl der wissenschaftlichen Kommunikations-, Dokumentations- als auch der Forschungsprozesse selbst. Picturing Knowledge. Historical and Philosophical Problems Concerning the Use of Art in Science. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press. Eintrag in Sammlung zeigen; [Gall 2007a]Gall, Alexander (2007). Konstruieren, Kommunizieren, Präsentieren. Bilder von Wissenschaft und Technik. Göttingen: Wallstein. Eintrag in Sammlung zeigen; [Groß & Westermann 2007a]Groß, Dominik & Westermann, Stefanie (2007). Vom Bild zur Erkenntnis? Visualisierungskonzepte in den Wissenschaften. Kassel: Kassel Univ. Press. Eintrag in Sammlung zeigen; [Liebsch & Mößner 2012a]Liebsch, Dimitri & Mößner, Nicola (2012). Visualisierung und Erkenntnis. Bildverstehen und Bildverwenden in Natur- und Geisteswissenschaften. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen). Eine wichtige Perspektive bringt nach wie vor die Kunstgeschichte ein (vgl. z.B. [Stafford 1998a]Stafford, Barbara Maria (1998). Kunstvolle Wissenschaft. Aufklärung, Unterhaltung und der Niedergang der visuellen Bildung. Amsterdam, Dresden: Verlag der Kunst. Eintrag in Sammlung zeigen). Horst Bredekamp et al. legen beispielsweise eine ausführliche Analyse technischer Bilder und der ihnen inhärenten Stile „einer Zeit, einer Mentalität, eines Forscherkollektivs und eines Geräts“ ([Bredekamp et al. 2008a]Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit & Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie. Eintrag in Sammlung zeigen): S. 9) vor.
Kunst und Wissenschaft
Philosophische Tagebücher. Hamburg: rowohlt. Eintrag in Sammlung zeigen). Präzise hat er dabei seine Beobachtungen nicht nur im Wort, sondern auch im Bild – in der von seiner Hand gefertigten Zeichnung (Abb. 2) – für die Nachwelt festgehalten (Leonardos Werk, vgl. auch [Robin 1992a]Robin, Harry (1992). The Scientific Image. From Cave to Computer. New York: Freeman. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 198, 200f.). Das Bild wird damit zum zentralen Gegenstand der Wissenschaften. Es dokumentiert die Beobachtungen, macht sie verfügbar, ermöglicht anderen Forschern einen genauen Vergleich mit ihren Resultaten und hilft, das einmal erlangte Wissen weiterzugeben und zu erhalten. The Scientific Image. From Cave to Computer. New York: Freeman. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 22), welche zum ersten Mal deutlich werden ließen, dass der Trabant der Erde von Kratern übersät und durchaus nicht der perfekt geformte Himmelskörper war, zu welchem ihn die Aristotelische Lehre noch erklärt hatte (vgl. [Chalmers 2007a]Chalmers, Alan F. (2007). Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie. Berlin: Springer, 6. verbesserte Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 65). Deutlich wird an diesen Fallbeispielen, dass seit der Begründung der modernen Naturwissenschaften das Bild immer schon eine wichtige Rolle in diesem Kontext gespielt hat. Offenbar ist der Zusammenhang zwischen Bild und Wissenschaft demnach doch ein engerer als unsere anfänglichen Intuitionen uns suggerierten. Ästhetik der Objektivität. Genese und Funktion eines wissenschaftlichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert. Bielefeld: transcript. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 31ff.; [Daston & Galison 1992a]Daston, Lorraine & Galison, Peter (1992). The Image of Objectivity. In Representations, 40, 81-128. Eintrag in Sammlung zeigen). Auch zeigt sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte, dass sich zwischen Kunst und Wissenschaft ein steter Prozess von gegenseitiger Annäherung einerseits und mehr oder weniger starken Abgrenzungsversuchen andererseits abspielte. Immer wieder gab es von Seiten der Wissenschaftler Bestrebungen, sich von ihrer Abhängigkeit von künstlerischen Zuarbeiten zu befreien und selbst die Bilder zu erstellen, die im jeweiligen Forschungsfeld gebraucht wurden (vgl. z.B. [Zimmermann 2009a]Zimmermann, Anja (2009). Ästhetik der Objektivität. Genese und Funktion eines wissenschaftlichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert. Bielefeld: transcript. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 53ff.). Aber auch im künstlerischen Bereich wurde insbesondere infolge der Erfindung und Weiterentwicklung der Fotografie, die seit jeher als besonders zuverlässiges und realistisches Medium gilt (vgl. z.B. [Wiegand 1981a]Wiegand, Wilfried (1981). Die Wahrheit der Photographie. Klassische Bekenntnisse zu einer neuen Kunst. Frankfurt/M.: S. Fischer. Eintrag in Sammlung zeigen), die Bestrebung geweckt, ganz neue Darstellungsformen z.B. die abstrakte Malerei in der modernen Kunst zu entwickeln (⊳ Abstraktion). Hintergrund war dabei die Überlegung, dass mit der Fotografie das Ideal der realistischen Darstellung in einer Weise verwirklicht wurde, wie sie mit den Mitteln der Malerei nie erreicht werden könnte. Technologie und Ästhetik der Astrofotografie. In Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, 101-141. Eintrag in Sammlung zeigen) erläutert ferner ein Problem, dass insbesondere mit dem Einsatz von Fotografien im wissenschaftlichen Kontext (hier nun der Astronomie) verbunden war: die Frage der Reproduzierbarkeit im Druck. Auch hier waren die Wissenschaftler wieder auf die enge Zusammenarbeit mit Fachfremden – nun den Herstellern der Druckplatten für die fotografischen Bilder – angewiesen.
Erneut ging es, wie schon in den Kooperationen mit der bildenden Kunst, um das Herausarbeiten gemeinsamer Darstellungskonventionen (vgl. ebd.: S. 122ff.). Anschaulich beschreibt Pang, wie als wichtige Hürde hier die Verständigung über die Relevanz einzelner Bildkomponenten und über die Unterscheidung zwischen einer erlaubten Verbesserung der Abbildung und einer unerlaubten Manipulation des Bildes genommen werden musste (vgl. ebd., 131ff.). Visualisierung und Erkenntnis. Bildverstehen und Bildverwenden in Natur- und Geisteswissenschaften. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen). Ferner hat sich am Beispiel der Fotografie schon gezeigt, dass das Bild sich nicht bloß inhaltlich in den Wissenschaften weiterentwickelt, sondern sich ebenso in seiner Form zunehmend ausdifferenziert hat. So wurden im Laufe der Jahre immer mehr Abbildungsverfahren entwickelt, die sowohl die Art der Darstellung als auch die Weise der technischen Entstehung des Bildes betreffen.
Formen wissenschaftlicher BilderSchauen wir uns heutige wissenschaftliche Bilder an, kann man ganz allgemein konstatieren, dass sich von der Zeichnung eines da Vinci oder Galilei bis zu den Bildformen der Gegenwart viel geändert hat. Das Bild in der Wissenschaft weist heute eine vielfältige Erscheinungsweise auf. Hierzu gehören beispielsweise: Computergraphiken, Diagramme, Filme, Fotografien, Karten, Zeichnungen etc. Auch sprachliche Bilder (Metaphern etc.) spielen eine wichtige Rolle (vgl. [Vögtli & Ernst 2007a]Vögtli, Alexander & Ernst, Beat (2007).Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: Kap. 1). Ludwik Fleck (1980) diskutiert in diesem Zusammenhang beispielsweise die Metapher des “Zellstaates” in der Biologie und die heuristischen Auswirkungen des aus dem politikwissenschaftlichen Bereich entlehnten Wortes ‘Staat’ für das neue Forschungsgebiet (vgl. [Fleck 1980a]Fleck, Ludwik (1980 [Orig. 1935]). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 148f.). Wollen wir uns einen Überblick über die verschiedenen Formen des wissenschaftlichen Bildes verschaffen, könnten wir versuchen, Kategorisierungen[2] vorzunehmen.
Wie wir es auch drehen, offenbar gibt es stets so viele Ausnahmen wie Regelfälle. Ein einheitliches Klassifikationssystem lässt sich daher nicht erstellen. Nichtsdestotrotz sollten wir uns aber eine Quelle vieler neuer Bildformen in den Wissenschaften einmal kurz vor Augen führen: die zunehmende Technologisierung. Viele Bilder in den Wissenschaften sind das Ergebnis von instrumentell gestützten Beobachtungs- und Analyseprozessen. Die technologische Weiterentwicklung der jeweiligen Instrumente wirkt sich dabei unmittelbar auf die Darstellungsmöglichkeiten (z.B. hinsichtlich des Auflösungsvermögens) der resultierenden Bilder aus. Interessante Beispiele hierfür finden wir u.a. in der Medizin mit den neuen Diagnoseverfahren wie der MRT (Magnetresonanz-Tomographie) oder der PET (Positronenemissions-Tomographie). Anschaulich wird der Zusammenhang darüber hinaus in der Biologie an der Methode der Mikroskopie, in welcher eine stetige Entwicklung von den ersten klassischen (Draufsicht-) Lichtmikroskopen bis zu den heutigen Elektronen- oder Rastertunnelmikroskopen oder der Methode der Videomikroskopie stattgefunden hat.[3] Computergestützte Visualisierung eines human-embryonalen Gehirns., Dissertation, Medizinische Fakultät. Eintrag in Sammlung zeigen). Die Entwicklungen reichen dabei heute bis zu Möglichkeiten der virtuellen Manipulation von Forschungsobjekten im dreidimensionalen Datenraum (vgl. [Huber 2007a]Huber, Mathias (2007). Virtual Reality in Bildung und Forschung. Wissenschaft anschaulich. In Linux Magazin, 7. Eintrag in Sammlung zeigen; ⊳ Cyberspace & interaktives Bild). Die kontinuierliche Zunahme solch digital erzeugter Visualisierungen lässt Martina Heßler danach fragen, ob eine „digitale Zäsur“ in den Wissenschaften konstatiert werden müsse (vgl. Heßler 2006). Im Hintergrund steht dabei die Annahme, dass in solchen wissenschaftlichen Bildern das Referenzobjekt nicht mehr klar erkennbar sei. Heßler spricht in diesem Zusammenhang von der „doppelten Unsichtbarkeit“ der Basis dieser visuellen Darstellungen. Einerseits sei das visualisierte Phänomen (die Entität, der Prozess als Objekt der Darstellung etc.) und andererseits der Algorithmus, nach welchem die Visualisierung erstellt werde, für den Betrachter mit dem bloßen Auge nicht zugänglich. The Reconfigured Eye. Visual Truth in Post-Photographic Era. Cambridge, London: MIT Press. Eintrag in Sammlung zeigen im Kontext der Digitalfotografie). Zwar wird meist eingeräumt, dass auch im analogen Bereich eine Manipulation der Bilder möglich sei, doch in der digitalen Welt seien diese Möglichkeiten noch vielfach potenziert und wesentlich einfacher zu erreichen. Vögtli und Ernst weisen beispielsweise darauf hin, dass „[d]ie Veränderbarkeit […] eine inhärente Eigenschaft der digitalen Bilder […]“ ([Vögtli & Ernst 2007a]Vögtli, Alexander & Ernst, Beat (2007). Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 72) sei. Ist das Referenzobjekt des Bildes darüber hinaus dem bloßen Augen nicht zugänglich, und wird es erst mit dem Instrumentenbild sichtbar, scheint eine skeptische Haltung diesen Bildern gegenüber im Wissenschaftsalltag angebracht zu sein. Vögtli und Ernst machen weiterhin darauf aufmerksam, dass insbesondere im wissenschaftlichen Kontext das Problem gar nicht so sehr in einer plumpen Datenfälschung zu Tage trete. Dies werde zumeist bereits durch die den Wissenschaften inhärenten Sanktionsmechanismen (Verlust der Reputation, der Lehrbefugnis etc.) mehr oder weniger wirkungsvoll verhindert.
Technologie und Ästhetik der Astrofotografie. In Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, 101-141. Eintrag in Sammlung zeigen) begegnet ist. Was gilt als zu verurteilende Manipulation, und was zählt als noch erlaubte Optimierung der Darstellung? Es zeigt sich, dass die Daten-Manipulation und damit auch die Manipulation der resultierenden Darstellung in den Wissenschaften durchaus nicht durchweg negativ betrachtet wird. Die Bearbeitungs- und Eingriffsmöglichkeiten, welche insbesondere die digitalen Bilder erlauben, werden dementsprechend oftmals auch genutzt, um grafisch bestimmte Eigenschaften des visualisierten Objekts deutlich zu machen, die selbst nicht unbedingt mit den gewählten Darstellungskonventionen korrelieren. Sabine Müller (2007) thematisiert so beispielsweise den Einsatz von Falschfarben[4] für Astrofotografien, um z.B. Strukturdetails hervorzuheben (z.B. Höhenunterschiede auf Planetenoberflächen) oder Eigenschaften sichtbar zu machen, die für das menschliche Augen ansonsten unsichtbar geblieben wären (z.B. ultraviolette oder infrarote Strahlung von Sternen, vgl. Abb. 3).[5] Die annähernde Ubiquität der Bilder stellt die Wissenschaftler damit auch vor die Herausforderung, dass sie diese heute nicht mehr nur auswerten, sondern auch selbst erstellen und verbreiten können müssen. In vielen Bereichen müssen die Forscher selbst die Skripte erstellen, mit deren Hilfe die erhobenen Daten in einem visuellen Kontext zueinander in Beziehung gesetzt werden. Da für die Erstellung solcher Computerprogramme meist das entsprechende Fachwissen der jeweiligen Disziplin notwendig ist, werden heutzutage von vielen Naturwissenschaftlern entsprechende Mehrfachqualifikationen erwartet. Sie sollen nicht bloß dazu in der Lage sein, ihre Theorien auszuarbeiten, Vorhersagen zu erstellen und experimentelle Überprüfungen durchzuführen, sie sollen auch die dafür notwendige Software entwickeln und bedienen können. Vögtli und Ernst mahnen daher eine relevante Bildkompetenz der Wissenschaftler an:
Funktionen wissenschaftlicher BilderGrundsätzlich lässt sich differenzieren zwischen Bildern als Hilfsmittel und als Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung.[6] Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 176ff.).
Das Bild als Hilfsmittel: Kommunikation und DokumentationWelche Funktionen übernimmt das wissenschaftliche Bild, wenn wir es als Hilfsmittel der Forschung betrachten? In diesem Kontext spielt es eine wichtige Rolle insbesondere bei
Visual Representations and Confirmation. In Philosophy of Science, 72, 913-926. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 913), zu Ausbildungszwecken (als Illustrationen in Lehrbüchern oder Grafiken in Vorlesungsskripten etc., vgl. [Müller et al. 2012a]Müller, Andreas & Kuhn, J. & Lenzner, A. & Schnotz, W. (2012). Schöne Bilder in den Naturwissenschaften: motivierend, anregend oder doch nur schmückendes Beiwerk?. In Visualisierung und Erkenntnis. Bildverstehen und Bildverwenden in Natur- und Geisteswissenschaften, 207-236. Eintrag in Sammlung zeigen) oder zur Vermittlung von Forschungsergebnissen an Laien (als Illustrationen in Artikeln oder als Dokumentationssendungen von Wissenschaftsjournalisten etc., vgl. [Fleck 1980a]Fleck, Ludwik (1980 [Orig. 1935]). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 155f.; [Hennig 2007a]Hennig, Jochen (2007). Wissensbilder und Bilderwissen in Wissenschaftsmuseen. Das Konzept der Ausstellung »Atombilder«. In Konstruieren, Kommunizieren, Präsentieren. Bilder von Wissenschaft und Technik, 435-460. Eintrag in Sammlung zeigen) verwendet wird. Auch dieser letzte Punkt kann noch einmal differenziert betrachtet werden.
Es sei darauf verwiesen, dass die Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit im hier beschriebenen ersten und zweiten Sinne durchaus eng ineinander greifen können. Auf diesen Aspekt weist beispielsweise Sabine Müller im Kontext von Bildern in der Astronomie hin.
Knowing with Images: Medium and Message. In Philosophy of Science, 77, 295-313. Eintrag in Sammlung zeigen) macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Unmittelbarkeit, mit der Bilder eine große Menge an Informationen zugänglich machen können, vor allem auf drei Aspekten beruhe: auf der Extrahierbarkeit der Informationen sowie auf der syntaktischen und der semantischen Auffälligkeit der Datenpräsentation (vgl. ebd.: S. 296). Was ist mit diesen Merkmalen genau gemeint? »Extrahierbarkeit« erscheint dabei noch als relativ eingängiges Konzept. Es gibt uns Aufschluss darüber, welche konkreten Eigenschaften der Repräsentation dafür verantwortlich sind, dass wir die bereitgestellten Informationen an der entsprechenden Repräsentation unmittelbar ablesen können. „Extractability concerns how nonsemantic features of representations are responsible for the information that they convey“ (ebd.: S. 299). Die syntaktische und semantische Auffälligkeit der Datenpräsentation betreffen dagegen weniger das Bild selbst, sondern eher den Rezipienten der Darstellung. Unter der »syntaktischen Auffälligkeit« versteht Kulvicki dabei Folgendes: Um eine Information unmittelbar zugänglich zu machen, müssen die Eigenschaften der Repräsentation, mit deren Hilfe die Informationsvermittlung erfolgen soll, perzeptuell hervorstechen (vgl. ebd.: S. 300). Der Betrachter muss sie leicht als relevante Details erkennen und seine Aufmerksamkeit entsprechend auf sie richten können. Letztlich handelt es sich dann um eine psychologische Frage, wie genau diese Eigenschaften beschaffen sein müssen, damit sie die Aufmerksamkeit des Rezipienten entsprechend binden. »Semantische Auffälligkeit« erklärt schließlich die Tatsache, dass der Rezipient auch eine unmittelbare Verbindung zwischen der Eigenschaft der Repräsentation und der zu vermittelnden Information herstellen kann (vgl. ebd.: S. 301). Kurz gesagt, um Informationen unmittelbar zugänglich machen zu können, muss das Bild extrahierbare Informationen enthalten. Es muss die Aufmerksamkeit des Rezipienten schnell auf die relevanten Details lenken, und der Betrachter muss wissen, wie er die dargestellten Details semantisch deuten soll (⊳ Ähnlichkeit). Betrachten wir zur Veranschaulichung dieser relativ abstrakten Charakterisierung bildhafter Repräsentationen eine Falschfarbenaufnahme des Olympus Mons des höchsten Vulkans unseres Sonnensystems auf dem Mars (Abb. 4). Wie lassen sich hier die eben genannten Eigenschaften bildhafter Repräsentationen zuordnen? Offensichtlich soll uns die Darstellung Informationen über die Höhenunterschiede des Vulkans liefern. Das Bild weist eine bestimmte abgebildete Form und einen damit korrelierten Farbverlauf auf. Eine Legende am unteren Bildrand erläutert, den Zusammenhang zwischen Farbe und Höhe (violett steht für den tiefsten Punkt mit minus fünf Kilometern Höhe und weiß für den höchsten Punkt mit plus zweiundzwanzig Kilometern Höhe). Die Legende erlaubt es demnach dem Rezipienten, eine Verbindung zwischen Farbe und Höhe herzustellen, und bildet damit das Merkmal der semantischen Auffälligkeit, das Kulvicki auch als „plan of correlation between features of the representation and features of the data that is easy to grasp“ beschreibt (vgl. ebd.: S. 301). Nichtnaturalistische Bilder in der Wissenschaft sind üblicherweise mit einer Legende ausgezeichnet, die es dem Rezipienten erlaubt, die Abbildung unmissverständlich zu entziffern. Wie steht es mit der syntaktischen Auffälligkeit? Diese ist im aufgetragenen Farbverlauf des Bildes gegeben. Er lenkt die Aufmerksamkeit des Rezipienten und macht deutlich, dass hier die relevante Information zu suchen ist. Die Farben müssen für irgendetwas, offensichtlich differenziert zu Betrachtendes stehen. Extrahierbar sind die Informationen ebenfalls auf Grund des Farbverlaufs in Kombination mit der Reliefansicht des Vulkans. Umrisslinien und Schattierungen lassen das Bild des Vulkans überhaupt erst entstehen, grenzen die Form vom Hintergrund ab. Zusammengenommen ermöglichen all diese Eigenschaften, dass der Betrachter unmittelbar die genauen Höhen einzelner Regionen sowie die Höhenunterschiede zwischen verschiedenen Bereichen an der Darstellung ablesen kann. Kulvicki macht ferner darauf aufmerksam, dass die Unmittelbarkeit, mit der Information zugänglich gemacht wird, kein Alleinstellungsmerkmal bildlicher Repräsentationen sei. Entscheidendes Differenzierungsmerkmal gegenüber verbalsprachlich dargebotenen Informationen sei eher, dass Bilder ihre Informationen „unmittelbar über viele verschiedene Ebenen der Abstraktion hinweg“ zugänglich machten (ebd.: S. 302-310). Sicherlich könnten wir das eben diskutierte Beispiel der Visualisierung der Höhenunterschiede des Olympus Mons mittels Falschfarben auch verbalsprachlich ausdrücken. Wir könnten beispielsweise eine Tabelle anfertigen, in welcher jedem Koordinatenpunkt des Vulkans (bestehend aus Längen- und Breitengradangabe) eine konkrete Höhenangabe zugewiesen wird. Schwerlich könnten wir aus dieser Tabelle aber einfach ablesen, dass Olympus Mons an seiner Spitze ein deutliches Gefälle nach innen aufweist, bis auf welche Höhe der Rückgang hier erfolgt und welche Gesamtform er aufweist. Kulvicki schreibt dazu: „With lists, numerals, and descriptions the rule is ‘decode first, ask questions later’. Only once we have figured out the specific content of the list can we abstract from its details to something we are interested in” (ebd.: S. 306). Tabellen können zwar auch bestimmte Informationen unmittelbar zugänglich machen. Allerdings muss der Wissenschaftler sie zunächst verstehen und wissen, welche Fragen er eventuell beantwortet haben möchte, nur dann kann er die Informationen in der Tabelle entsprechend anordnen. Weiß er noch nicht, was für ihn von Interesse ist - sprich: welche Fragen er durch seine Daten beantwortet haben möchte - wird ihm die relevante Information in der Menge der gebotenen Daten eventuell nicht ersichtlich. In der grafischen Darstellung ist dieses Problem nicht gegeben. Gerade die Möglichkeit, die Höhenverhältnisse abstrakt mittels Falschfarben darzustellen, ermöglicht es dem Forscher hier, das Rundumprofil des Vulkans mit den verschiedenen relevanten Höhenschichten auf einen Blick zu erkennen – und darüber hinaus eben auch noch die Besonderheiten der Vulkankuppel mit den abfallenden Hängen an der Spitze zu bemerken.
Der Vorzug des wissenschaftlichen Bildes in unserem Beispiel besteht also darin, dass durch den Einsatz der Farben auch eine Vereinfachung der Darstellung erzielt wird. Es wird nicht die Höhe jedes einzelnen Koordinatenpunktes wiedergegeben, sondern nur ein ungefährer Verlauf, der sich aus den Farbübergängen für den Betrachter ergibt. Deutlich wird an der Diskussion dieses Beispiels die heuristische Funktion, die wissenschaftlichen Bildern häufig zukommt. Sie dienen nicht allein der Kommunikation bestimmter Informationen, sondern ermöglichen es dem Betrachter oft auch, neue Erkenntnisse über den Forschungsgegenstand zu erlangen. Dokumentation: Das wissenschaftliche Bild übernimmt aber nicht allein im Bereich der Kommunikation wesentliche Funktionen. Wir finden es ebenso in den Bereichen der wissenschaftlichen Datenstrukturierung und -dokumentation. Ziel seiner Verwendung ist es hier, die gemachten Beobachtungen festzuhalten, die einmal gesammelten Daten zu erhalten. Schon früh haben Forscher, wie der Fall Leonardo da Vincis belegt, dabei darauf gesetzt, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse nicht nur im geschriebenen Wort, sondern eben auch im Bild festzuhalten und damit für andere und für die Nachwelt zugänglich zu machen. Schnell verwischen sich hier die Grenzen zum Einsatz des wissenschaftlichen Bildes in der Kommunikation, denn einmal gewonnene oder erzeugte Bilder dokumentieren nicht bloß die Beobachtungsergebnisse, sondern können ebenso anderen Forschern im kommunikativen Akt zur Verfügung gestellt werden. Sie tragen damit zum Ideal der Intersubjektivität in den Wissenschaften bei: Andere Forscher können anhand der dokumentierenden Bilder die Forschungsergebnisse ihrer Kollegen nachvollziehen, überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Warum werden aber Bilder in diesem Kontext verwendet? Gibt es – ähnlich wie beim Gebrauch von Bildern als Hilfsmittel zur Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse – auch in diesem Fall eine oder mehrere Besonderheiten des Bildes, welche seine Verwendung in diesem Kontext begünstigen? Zumindest die folgenden drei Aspekte, die eng miteinander zusammenhängen, scheinen eine wichtige Rolle zu spielen:
The Image of Objectivity. In Representations, 40, 81-128. Eintrag in Sammlung zeigen). Sie machen darauf aufmerksam, dass auch der Begriff der Objektivität selbst einigen Veränderungen unterlag. Die unterschiedlichen Auffassungen, was eine objektive Darstellung ausmache, führten dann auch zur Herstellung und Favorisierung verschiedener Bildtypen in den Wissenschaften. Fixierung mikroskopischer Beobachtungen: Zeichnung, Dauerpräparat, Mikrofotografie. In Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, 285-310. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 285). All diese Verfahren kamen in derselben historischen Periode zum Einsatz. Es stellt sich demnach die Frage, wann welcher Art von Abbildung der Vorzug gegeben wurde. Schickore wendet sich in ihrer Analyse insbesondere gegen die These von Daston und Galison, dass zu dieser Zeit der Fotografie als dem objektiven Medium stets der Vorzug gegeben worden sei (vgl. ebd.: S. 301). Dieser letzte Aspekt der Objektivität führt uns zum Abschluss des Abschnitts über die Funktion des wissenschaftlichen Bildes in Kommunikations- und Dokumentationsprozessen noch zu einer kritisch zu betrachtenden Konsequenz der Verwendung von bildhaften Repräsentationen in diesen Kontexten: Bilder können die Wahrnehmung der Forscher entscheidend beeinflussen. Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 92). Auf diesen Punkt im Zusammenhang mit bildhaften Darstellungen in den Wissenschaften hat schon Ludwik Fleck hingewiesen. Er führt aus, dass Bilder für den Forscher in dessen Vorstellung bindend werden können, auch wenn sie ursprünglich nur aus mnemotechnischen oder didaktischen Gründen eingeführt wurden (vgl. [Fleck 1980a]Fleck, Ludwik (1980 [Orig. 1935]). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 154f.). Christine Roll führt uns diesen kritischen Aspekt schließlich sehr plastisch am Beispiel von Landkarten vor Augen. „Karten sind nicht einfach neutrale Informationsspeicher und bilden die Wirklichkeit nicht objektiv ab. Vielmehr zeigen uns Karten durch Projektionen, Farbgebungen, Illustrationen und durch die Wahl thematischer Schwerpunkte, ja schon durch den gewählten Ausschnitt, bestimmte Perspektiven auf die Wirklichkeit. Damit tragen sie selbst zur Ausbildung und Strukturierung von Raumvorstellungen bei, beeinflussen ihrerseits unsere Sehgewohnheiten und Vorstellungen […]“ ([Roll 2007a]Roll, Christine (2007). Farben und Verzerrungen auf Karten. Zu Möglichkeiten und Grenzen kartografischer Visualisierung. In Vom Bild zur Erkenntnis? Visualisierungskonzepte in den Wissenschaften, 47-59. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 47). Das Bild in der Wissenschaft ist demnach nicht bloß als neutrales Hilfsmittel einzustufen, sondern kann seinerseits ebenso epistemische Funktionen übernehmen, die durchaus einer kritischen Bewertung bedürfen. Das Bild als Gegenstand der ForschungDas wissenschaftliche Bild begegnet uns jedoch nicht bloß als Hilfsmittel, sondern auch als eigenständiger Gegenstand der Forschung. Klaus Sachs-Hombach schlägt hier eine Differenzierung vor in die Funktionen, die wissenschaftliche Bilder
Runs. Computersimulationen des Unsichtbaren am Max-Planck-Institut für Astrophysik. In Datenbilder. Zur digitalen Bildpraxis in den Naturwissenschaften, 65-121. Eintrag in Sammlung zeigen; [Vögtli & Ernst 2007a]Vögtli, Alexander & Ernst, Beat (2007). Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 18f.). Sie sind Darstellungen von Nicht-Beobachtbarem, d.h. von nicht für das bloße Auge Sichtbarem (z.B. Röntgenbilder, Infrarot- oder Ultraviolet-Aufnahmen wie Abb. 5, MRT-Bilder etc.). „Nur ein kleiner Teil der Phänomene, mit denen sich die Naturwissenschaften beschäftigen, sind dem blossen Auge ohne Hilfsmittel zugänglich“ ([Vögtli & Ernst 2007a]Vögtli, Alexander & Ernst, Beat (2007). Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 18). Das Gehirn in bunten Bildern. Farbstrategien und Farbsemantiken in den Neurowissenschaften. In Vom Bild zur Erkenntnis? Visualisierungskonzepte in den Wissenschaften, 271-282. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 272). Das Bild sollte hier also etwas über den (Gesundheits-/Krankheits-)Zustand des Gehirns und damit auch der Patientin selbst aussagen – eine Information, die auf Grund des Krankheitsbildes (Wachkoma) anders nicht in Erfahrung zu bringen war. Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 72). Hier greifen also die Funktionen des wissenschaftlichen Bildes als Beleg und als Hilfsmittel der Dokumentation und Kommunikation ineinander. Das Bild im Begründungskontext: Bei der Verwendung von Bildern im Begründungskontext geht es darum, ob das wissenschaftliche Bild auch zur Rechtfertigung von Erkenntnisansprüchen verwendet werden kann. Im Gegensatz zur eben diskutierten Funktion des wissenschaftlichen Bildes als Beleg wird die Frage nach seiner Rolle im Begründungskontext von vielen eher kritisch beurteilt. Der Grund hierfür besteht darin, dass dem Bild damit eine viel stärkere epistemische Funktion zukäme als bei seiner Verwendung als Beleg. In diesem Kontext geht es nicht mehr nur darum, das Ausgangsmaterial den anderen Wissenschaftlern mittels Bildern zur Verfügung und damit auch deren jeweiligen Urteilen anheimzustellen. Vielmehr würde mit dem Bild selbst die Argumentation (oder zumindest Teile davon) vorliegen, welche die Rechtfertigung für die präsentierte Forschungsmeinung darstellen soll. Man würde also nicht mehr bloß einen Beleg austauschen, wenn man ein Bild weiterreicht, der dann eventuell mit unterschiedlichen Argumenten verknüpft werden könnte, sondern man würde ein (vollständiges) Argument kommunizieren. Können Bilder Argumente sein?. In Bilder als Gründe, 35-57. Eintrag in Sammlung zeigen). Das bedeutet jedoch nicht, dass Bilder im argumentativen Kontext überflüssig sein müssen. Vielmehr sollte man das Argumentieren als eine kommunikative Handlung ansehen, in deren Kontext Bilder wesentliche Funktionen übernehmen können. „Werden Argumente allerdings in Kombination mit Bildern in einem gemeinsamen kommunikativen Akt präsentiert, dann übernehmen die Bilder eine wesentliche Rolle zur Erfüllung der Funktion des präsentierten Arguments –, z.B. indem sie die relevanten Belege für die Thesen oder notwendige Informationen zum Verständnis von Prämissen und Konklusion liefern. In diesen Fällen sind die Bilder unverzichtbarer Bestandteil für das Verstehen von Argumenten“ ([Mößner 2013a]Mößner, Nicola (2013). Können Bilder Argumente sein?. In Bilder als Gründe, 35-57. Eintrag in Sammlung zeigen). Zieht man einen solchen Ansatzpunkt in Betracht, wird deutlich, dass eine trennscharfe Differenzierung zwischen der Funktion des wissenschaftlichen Bildes als Beleg und im Begründungskontext jedoch nicht mehr vorgenommen werden kann. Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 148 f.). Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: Kap. 2). Auf diese Funktion weisen auch Horst Bredekamp et al. hin: „Bilder vermögen zudem neue Forschungen auszulösen. So wäre beispielsweise die Entwicklung des Forschungszweiges der Genetik kaum ohne die Existenz von Bildern wie dem Modell der Doppelhelix und den Röntgeninterferenzbildern denkbar gewesen“ ([Bredekamp et al. 2008a]Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit & Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 8). Das wissenschaftliche Bild mag so also in Form eines Modells eine Theorieentwicklung anregen oder auch entscheidend voranbringen. Wissenschaftliche Bilder. Eine kritische Betrachtung. Basel: Schwabe. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 57). Allerdings werde gerade dieser Umstand häufig vernachlässigt. So werde oftmals übersehen, dass die Visualisierungen tatsächlich nur Modelle darstellen, nicht jedoch die postulierten Entitäten oder Prozesse selbst. Der Grund für diese Fehldeutung besteht darin, dass häufig gegenständliche Modelle als Vorlage für wissenschaftliche Bilder dienen (vgl. ebd.: S. 47ff.). Durch diese Verbindung komme es oftmals zu einer Art Verschmelzung von Modell und Visualisierung. Gerade in der Lehre, so konstatieren Vögtli und Ernst, bestehe so oftmals die Neigung, das Bild des Modells als die Sache selbst zu präsentieren (vgl. ebd.: S. 58). Diese Haltung kann natürlich die Forschung schnell in eine falsche Richtung lenken. Eine zu starke Orientierung am Modell und eine Vernachlässigung des bloßen Analogiecharakters desselben können dem Wissenschaftler leicht den Blick für wichtige Details der realen Entität verstellen. Auch hier greift daher wieder die Forderung nach einer relevanten Bildkompetenz auf Seiten der mit den Visualisierungen Arbeitenden, wie sie bereits im Zuge der Erläuterung der unterschiedlichen Bildformen angesprochen wurde. Die Arbeit mit dem Bild erfordert so nicht nur die Fähigkeit zur Herstellung und Verbreitung, sondern eben auch zur kritischen Evaluation des bildhaft Dargestellten.[7] Siehe auch:
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Anmerkungen
[Baigrie 1996a]: Baigrie, Brian S. (Hg.) (1996). Picturing Knowledge. Historical and Philosophical Problems Concerning the Use of Art in Science. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press.
[Bredekamp et al. 2008a]: Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit & Dünkel, Vera (2008). Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin: Akademie.
[Chalmers 2007a]: Chalmers, Alan F. (2007). Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie. Berlin: Springer, 6. verbesserte Aufl..
[Daston & Galison 1992a]: Daston, Lorraine & Galison, Peter (1992). The Image of Objectivity. Representations, Band: 40, S. 81-128.
[da Vinci 1958a]: da Vinci, Leonardo (1958). Philosophische Tagebücher. Hamburg: rowohlt.
[Fleck 1980a]: Fleck, Ludwik (1980 [Orig. 1935]). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
[Frercks 2009a]: Frercks, Jan (2009). Runs. Computersimulationen des Unsichtbaren am Max-Planck-Institut für Astrophysik. In: Adelmann, R.; Frercks, J.; Heßler, M. & Hennig, J. (Hg.): Datenbilder. Zur digitalen Bildpraxis in den Naturwissenschaften. Bielefeld: transcript, S. 65-121.
[Frercks 2009b]: Frercks, Jan (2009). Formen, Funktionen und Praxen von Wissenschaftsbildern. Ein systematischer Blick auf die Reportagen. In: Adelmann, R.; Frercks, J.; Heßler, M. & Hennig. J. (Hg.): Datenbilder. Zur digitalen Bildpraxis in den Naturwissenschaften. Bielefeld: transcript, S. 122-130.
[Gall 2007a]: Gall, Alexander (Hg.) (2007). Konstruieren, Kommunizieren, Präsentieren. Bilder von Wissenschaft und Technik. Göttingen: Wallstein.
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[Weinert 2007a]: Weinert, Peter (2007). Computergestützte Visualisierung eines human-embryonalen Gehirns. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Nicola Mößner [96], Joerg R.J. Schirra [58] und Dimitri Liebsch [15] — (Hinweis) Zitierhinweis: in Literatursammlung. Eintrag in Sammlung zeigen Mößner, Nicola (2013). Bild in der Wissenschaft. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024). |