Bild und Sprache: Unterschied zwischen den Versionen
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− | < | + | Die Antwort auf die Frage, welches Verhält­nis zwischen Bild und Sprache besteht, ist facet­tenreich. ''Ad hoc'' lässt sich dieser Reichtum dadurch erklä­ren, dass einer­seits die Verhält­nisbe­stimmun­gen eher spekulativ oder eher empi­risch begrün­det und dass ande­rerseits die Rela­ta unter­schiedlich abstrakt oder konkret gefasst werden können. |
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+ | In der [[Bildanthropologie|Anthro­polo­gie]] beispiels­weise findet sich eine Speku­lation, die dieses Verhält­nis als Konkur­renz bestimmt und Bild und Sprache ''en bloc'' in Bezie­hung zu setzen versucht. Hierbei stehen sich zwei Tradi­tionen gegen­über. Die älte­re Tradi­tion versteht den Menschen seit Aris­tote­les als „zoon logon echon“ (ζωον λόγον έχον),<ref>Vgl. da­zu Aris­to­te­les’ «Po­li­tik» (1253a, 7-10).</ref> als das Sprache (und Vernunft) haben­de Tier; in ihr spielt das Bild nur eine nachge­ordne­te Rolle. Die jünge­re Tradi­tion sieht mit Hans Jonas im Menschen vor allem den „homo pictor“, den malen­den Menschen; hier gilt die Sprache als ein Abge­leite­tes, das seiner­seits schon die Fähig­keit zu [[Einbildungskraft|Ima­gina­tion]] und [[Darstellung|Darstel­lung]] voraus­setzt.<ref>Zur ''dif­fe­ren­tia spe­ci­fi­ca'' des Men­schen führt Jo­nas aus: „Die Stu­fe des Men­schen ist die Stu­fe der ''Mög­lich­kei­ten'', die an­ge­zeigt (nicht de­fi­niert und ge­wiß nicht ge­si­chert) sind durch das Bild­ver­mö­gen: die Stu­fe ei­ner nicht­ani­ma­li­schen ''Mit­tel­bar­keit'' der Ob­jekt­be­zie­hung und ei­nes Ab­stands von der Wirk­lich­keit, der durch je­ne Mit­tel­bar­keit zu­gleich un­ter­hal­ten und über­brückt wird“ <bib id='Jonas 1973a'>Jo­nas 1973a</bib>: S. 246.</ref> | ||
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+ | Aus einer damit verwandten Perspek­tive, die die Konkur­renz funktio­nalis­tisch fasst, stammen die – weni­ger speku­lati­ven und konkre­teren – Versu­che, die Leistungs­fähig­keit von Bild und Sprache daran zu messen, inwie­weit diese jenes (völlig oder teilwei­se) erset­zen kann und umge­kehrt. In diesem Zusam­menhang ist beispiels­weise die Einsicht in die noto­rischen Proble­me von Bildern bei der Darstel­lung von [[Bild und Negation|Nega­tionen]] entstan­den<ref>Da­bei han­delt es sich al­ler­dings nur um ein Prob­lem sta­ti­scher Bil­der; bei be­weg­ten Bil­dern ist der Stopp­trick, bei dem man erst die Ka­me­ra an­hält, dann ei­nen be­lie­bi­gen Ge­gen­stand aus dem Bild­feld ent­fernt und da­rauf hin die Ka­me­ra wei­ter­lau­fen lässt, ei­ne schon seit dem 19. Jahr­hun­dert be­währ­te Form der Ne­ga­ti­on.</ref> oder das Sprichwort geprägt worden, dass ein Bild mehr sage als tausend Worte. Neben­bei, die Entschei­dung darü­ber, ob das Bild oder die Sprache in der Konkur­renz obsiegt, folgt oft auch handfes­ten forschungs­poli­tischen Moti­ven. So wurden in den 1990er Jahren der „icon­ic“ oder „pic­torial turn“ in Ana­logie zum älte­ren „linguis­tic turn“ nicht zuletzt deshalb ausge­rufen, um anstel­le der Sprache das Bild als neues (human-)​wissen­schaftli­ches Para­digma zu empfeh­len.<ref>Vgl. <bib id='Mitchell 2008b'>Mit­chell 2008b</bib>: S.: 104; zu ei­ner Kri­tik an der Ver­gleich­bar­keit die­ser bei­den „turns“ vgl. <bib id='Liebsch 2012a'></bib>: S.: 75ff. Auch ⊳ [[Linguistic turn, pictorial turn, medial turn|Lin­guis­tic turn, pic­to­rial turn, me­dial turn]].</ref> | ||
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+ | Ersetzt man die spekulative(re) Verhältnis­bestim­mung durch eine der Empi­rie nahe oder nähe­re, findet sich eine Reihe von konkre­ten Verknüp­fungen von Bild und Sprache – vgl. da­zu aus­führ­lich und grund­sätz­lich das Lemma «[[Sprach-Bild-Bezüge|Sprach-​Bild-​Be­zü­ge]]»​ –, deren Modi sich locker mit Hilfe der semio­tischen Grundbe­griffe​ [[Pragmatik, Semantik, Syntax|»Seman­tik«,​ »Pragma­tik«​ und​ »Syntak­tik«]]​ ordnen lassen. | ||
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+ | * Beim ersten Modus steht die sprachli­che ''Seman­tik'' im Zentrum. Er ist im laufen­den Text bereits stillschwei­gend voraus­gesetzt worden, denn schließlich gibt es sprachli­che Aus­drücke, mit denen wir solche Gegen­stände wie Bilder bezeich­nen. ‘Bild’ ist ''ein'' der­arti­ger Ausdruck, aber er ist im Deutschen keines­wegs der einzi­ge (⊳ [[Bildtermini im modernen Deutsch|Bildter­mini im moder­nen Deutsch]]). Berück­sichti­gen wir in synchro­ner und diachro­ner Perspek­tive unter­schiedli­che Sprachen, stoßen wir erst recht auf eine Vielzahl von Aus­drücken. Dass es mehre­re Aus­drücke für solche Gegen­stände gibt, ist keine ono­masio­logi­sche Trivia­lität, da die Bedeu­tungen dieser Aus­drücke oft in Nuancen vonein­ander abwei­chen. Der Hauptpunkt​ «[[Bildtermini anderer Sprachen|Bildter­mini ande­rer Sprachen]]»​ ist pri­mär diesen Nuancen gewidmet. | ||
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+ | * Für den zweiten Modus ist vor allem der Aspekt der ''Pragma­tik'' wichtig. Bei Bildern lässt sich wie bei der Sprache eine regel­hafte Einbet­tung in Handlungs­zusam­menhän­ge nachwei­sen; bei eini­gen dieser Handlungs­zusam­menhän­ge – mit Ludwig Wittgen­stein kann man sie „Zeichen­spiele“ nennen – spielen Bilder und Sprache gemein­sam eine Rolle (vgl. <bib id='Scholz 2004a'></bib>: S. 158f). Der Hauptpunkt​ «[[Sprechen über Bilder]]»​ befasst sich vor allem mit metho­dischen Weisen des Sprechens oder (um die Meta­pher aufzu­lösen) auch des Schreibens über Bilder: Wie werden Bilder beschrie­ben, verstan­den oder inter­pretiert?<ref>Wie bei­spiels­wei­se Law­rence Sternes selbst­re­fe­ren­ti­el­ler Ro­man​ «Tris­tram Shan­dy»​ (1759-​1766) zeigt, ist es mög­lich, das Pro­ze­de­re um­zu­keh­ren und sich mit Bil­dern über Spra­che zu äu­ßern: Er stellt die ha­ne­bü­che­nen Ab­schwei­fun­gen in der vor­her­ge­hen­den Nar­ra­ti­on durch Li­nien dar, die Ara­bes­ken glei­chen; vgl. da­zu​ [http://www1.gifu-u.ac.jp/~masaru/TS/vi.140-155.html#narrative_middles «Tris­tram Shan­dy»,​ Buch 6, Kap. 40].</ref> | ||
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+ | * Der dritte Modus lässt sich als ein Sonder­fall des zweiten begrei­fen. Auch hier steht wieder die ''Pragma­tik'' im Fokus. Ähnlich wie beim hora­zischen Credo des [[Ut pictura poesis|Ut pictu­ra poesis]] oder wie bei der Entste­hung der moder­nen Ästhe­tik<ref>Ale­xan­der Gott­lieb Baum­gar­tens «Aes­the­ti­ca» (1750) ver­dankt sich ei­ner Über­tra­gung der Ein­sich­ten, die Baum­gar­ten zu­vor an­hand der Li­te­ra­tur (ge­nau­er: des Ge­dichts) ge­won­nen hat­te, auf die an­de­ren Kün­ste; vgl. da­zu <bib id='Strube 2000a'>Stru­be 2000a</bib>.</ref> geht es hier darum, Bilder in einer beson­deren Weise ana­log zur Sprache zu beschrei­ben, zu inter­pretie­ren usw.: Der Hauptpunkt​ «[[Bild und rhetorische Figur|Bild und rheto­rische Figur]]»​ thema­tisiert, inwie­fern und welche Kate­gorien der rheto­rischen ''elo­cutio'' sich auf Bilder anwen­den lassen. | ||
− | + | * Der Kern des vierten Modus liegt in einem Problem der ''Syntak­tik''. Die an der Pragma­tik orien­tierten Modi thema­tisieren, wie man sich über ein – aus piktu­ralen [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zeichen]] – beste­hendes Arte­fakt mit Hilfe von anders­arti­gen Zeichen, nämlich sprachli­chen bzw. schriftli­chen, äußert. Der vierte Modus, [[Sprach-Bild-Bezüge|Sprach-​Bild-​Bezü­ge]], hat es hinge­gen primär mit Arte­fakten oder zusam­menge­setzten Gebil­den zu tun, die an sich schon über eine hybri­de Syntak­tik verfü­gen – eine Syntak­tik, in der zwei distink­te Arten von Zeichen zu finden sind. Dazu zählen beispiels­weise [[Emblem|Emble­me]] oder jene uns aus jedem Museum, jedem Kunstka­talog so vertrau­ten Gebil­de aus Bild und [[Bildtitel|Bildti­tel]]. | |
− | + | * Beim fünften Modus begegnen wir abermals einem Problem der ''Syntak­tik''. Ihm ist es jedoch nicht um die Kombi­nation zwei distink­ter Arten von Zeichen zu tun. Für den Hauptpunkt​ «[[Schriftbildlichkeit|Schriftbild­lichkeit]]»​ ist vielmehr die Über­legung entschei­dend, dass schriftli­che Zeichen inso­fern schon an sich hybri­de sind, als sie gene­rell piktu­rale Quali­täten besit­zen. Geklärt wird dabei, in welchem Maße das jeweils der Fall ist. | |
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− | + | * [[Bildtermini anderer Sprachen]] | |
+ | * [[Sprechen über Bilder]] | ||
+ | * [[Bild und rhetorische Figur]] | ||
+ | * [[Sprach-Bild-Bezüge]] | ||
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Aktuelle Version vom 31. Januar 2014, 11:27 Uhr
Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie
Die Antwort auf die Frage, welches Verhältnis zwischen Bild und Sprache besteht, ist facettenreich. Ad hoc lässt sich dieser Reichtum dadurch erklären, dass einerseits die Verhältnisbestimmungen eher spekulativ oder eher empirisch begründet und dass andererseits die Relata unterschiedlich abstrakt oder konkret gefasst werden können. In der Anthropologie beispielsweise findet sich eine Spekulation, die dieses Verhältnis als Konkurrenz bestimmt und Bild und Sprache en bloc in Beziehung zu setzen versucht. Hierbei stehen sich zwei Traditionen gegenüber. Die ältere Tradition versteht den Menschen seit Aristoteles als „zoon logon echon“ (ζωον λόγον έχον),[1] als das Sprache (und Vernunft) habende Tier; in ihr spielt das Bild nur eine nachgeordnete Rolle. Die jüngere Tradition sieht mit Hans Jonas im Menschen vor allem den „homo pictor“, den malenden Menschen; hier gilt die Sprache als ein Abgeleitetes, das seinerseits schon die Fähigkeit zu Imagination und Darstellung voraussetzt.[2] Aus einer damit verwandten Perspektive, die die Konkurrenz funktionalistisch fasst, stammen die – weniger spekulativen und konkreteren – Versuche, die Leistungsfähigkeit von Bild und Sprache daran zu messen, inwieweit diese jenes (völlig oder teilweise) ersetzen kann und umgekehrt. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Einsicht in die notorischen Probleme von Bildern bei der Darstellung von Negationen entstanden[3] oder das Sprichwort geprägt worden, dass ein Bild mehr sage als tausend Worte. Nebenbei, die Entscheidung darüber, ob das Bild oder die Sprache in der Konkurrenz obsiegt, folgt oft auch handfesten forschungspolitischen Motiven. So wurden in den 1990er Jahren der „iconic“ oder „pictorial turn“ in Analogie zum älteren „linguistic turn“ nicht zuletzt deshalb ausgerufen, um anstelle der Sprache das Bild als neues (human-)wissenschaftliches Paradigma zu empfehlen.[4] Ersetzt man die spekulative(re) Verhältnisbestimmung durch eine der Empirie nahe oder nähere, findet sich eine Reihe von konkreten Verknüpfungen von Bild und Sprache – vgl. dazu ausführlich und grundsätzlich das Lemma «Sprach-Bild-Bezüge» –, deren Modi sich locker mit Hilfe der semiotischen Grundbegriffe »Semantik«, »Pragmatik« und »Syntaktik« ordnen lassen.
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Hauptpunkte
Anmerkungen
[Jonas 1973a]: Jonas, Hans (1973). Homo pictor. Von der Freiheit des Bildens. In: Jonas, Hans (Hg.): Organismus und Freiheit. Ansätze zu einer philosophischen Biologie. Göttingen: ???, S. 226-257.
[Liebsch 2012a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [38] und Joerg R.J. Schirra [34] — (Hinweis) |