Bild und Wahrnehmung

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Version vom 4. Januar 2014, 17:22 Uhr von Joerg R.J. Schirra (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie


Die Einheit von Bild und Wahrnehmung

Bild und Wahrnehmung bilden eine untrenn­bare Einheit. Wer von Bildern spricht, und sei es noch so abstrakt, spricht von Objek­ten, die wenig­stens poten­ziell wahrnehm­bar sind. Noch bevor Bilder komple­xe Symbol­welten auffä­chern und kommu­nika­tive Botschaf­ten über­mitteln, bringen sie Gegen­stände und Sachver­halte zur Anschau­ung. Bilder sind inso­fern zunächst Medien der Sichtbar­machung.

Diese Begriffsbestimmung scheint eini­gen alltäg­lichen Rede­weisen über das Bild zu wider­sprechen. Redu­ziert sie den Begriff des Bildes nicht auf äuße­re, mate­rielle bzw. physisch greif­bare Bildme­dien? Geht sie nicht über die Tatsa­che hinweg, dass wir im Alltag für gewöhn­lich auch Vorstel­lungen, Träume oder Gedanken als ‘Bilder’ zu bezeich­nen pflegen? Schon Ludwig Wittgen­stein hat sich diesem denkba­ren kriti­schen Einwurf gestellt und ihn mit folgen­der Aussa­ge entkräf­tet:

Der Begriff des ‘inneren Bildes’ ist irre­führend, denn das Vorbild für diesen Begriff ist das ‘äuße­re Bild’ […] ([Wittgen­stein 1984b]Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
: S. 523).
Die durch Wittgenstein nahege­legte Unter­scheidung zwischen inne­ren und äuße­ren Bildern darf freilich nicht zu weit getrie­ben werden. Nicht umsonst stützt sich etwa der Begriff der Ima­gina­tion auf den latei­nischen Ausdruck ‘ima­go’, wodurch die Exis­tenz einer gewis­sen Wahlver­wandtschaft zwischen inne­ren und äuße­ren Bildern sugge­riert wird. Aller­dings: Niemand würde ernsthaft behaup­ten wollen, dass zwischen physi­schen Bildern, die wahrnehm­bar sind, und Vorstel­lungsbil­dern, die letztlich als “gedach­te” Einhei­ten anzu­sprechen sind, eine vollstän­dige Struktur­iden­tität besteht. Wie der Philo­soph Hans Jonas hervor­geho­ben hat, ist die Fähig­keit zur Produk­tion und Rezep­tion eines Bildes an das Vermö­gen der Ima­gina­tion gekop­pelt. Zur iko­nischen „Dar-stel­lung“ kann sodann nur gelangen, wer auch zur „Vor-stel­lung“ fähig ist ([Jonas 1961a]Jonas, Hans (1961).
Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. In Zeitschrift für Philosophische Forschung, 15, 161–176, Wieder abgedruckt in: Jonas, Hans: Zwischen Nichts und Ewigkeit – Zur Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 26–43.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 174). Eine reine Iden­tität zwischen beiden Kapa­zitä­ten lässt sich aus diesem Bedin­gungsver­hältnis indes nicht ablei­ten. Denn was für die Freiset­zung der Bildfä­higkeit unab­dingbar ist (die Vorstel­lungskraft), kann nicht mit dem iden­tisch sein, was durch es über­haupt erst konsti­tuiert wird (der produk­tive wie rezep­tive Umgang mit Bildern).


Wie nehmen wir Bilder wahr?

Wenn Bilder nun als besondere Wahrneh­mungsphä­nome­ne zu begrei­fen sind, stellt sich natür­lich die Frage, woran genau sich diese Beson­derheit festmacht. Wie werden Bilder wahrge­nommen? Worin unter­scheidet sich die Wahrneh­mung von Bildern von der Wahrneh­mung nicht-bildli­cher Objek­te? Welchen Mustern folgt die Wahrneh­mung eines Bildes? Und wäre es denkbar, dass uns die Unter­suchung der spezi­fischen Bildwahr­nehmung Einsich­ten über die allge­meine Struktur von Wahrneh­mung überhaupt bereit­stellen könnte?

Fragen wie diese werden in der bildwis­senschaft­lichen bzw. bildphi­loso­phischen Forschungs­debat­te biswei­len über­aus kontro­vers disku­tiert. Im Raum stehen dabei mit­unter höchst unter­schiedli­che Posi­tionen. Der Phäno­meno­loge Lambert Wiesing ist etwa davon über­zeugt, dass es für eine philo­sophi­sche Ausein­ander­setzung mit dem Problem der Bildwahr­nehmung vollkom­men ausreicht, sich allei­ne auf den Sehsinn zu konzen­trieren. Bilder sind nach seinem Dafür­halten Medien, die sich ausschließ­lich an das visu­elle Wahrneh­mungsre­gister des Menschen wenden ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes.. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

  Eintrag in Sammlung zeigen
). Der Philo­soph John Michael Krois ist demge­genüber der Meinung, dass die Fähig­keit zum produk­tiven wie rezep­tiven Umgang mit Bildern keines­falls nur eine Frage des Sehens ist. So betont er, dass selbst blinde Menschen dazu in der Lage seien, Bilder wahrzu­nehmen (vgl. [Krois 2006a]Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
).

Ganz egal, welcher der beiden Posi­tionen man den Vorzug gibt: Fest steht, dass im einen wie im ande­ren Fall möglichst präzi­se geklärt werden sollte, in welchem Sinne die Einheit von Bild und Wahrneh­mung zu verste­hen ist. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, zunächst einmal einen grundle­genden Überblick über vorherr­schende Wahrneh­mungstheo­rien zu erhal­ten. Einen solchen Über­blick verschaf­fen die Beiträ­ge der Rubrik «Wahrneh­mungsthe­orien: Über­sicht». Bespro­chen werden hier nicht nur einzel­ne wahrneh­mungstheo­reti­sche Posi­tionen, sondern eben­falls eini­ge Grundbe­griffe, die mit Blick auf das Phäno­men der Bildwahr­nehmung ins Spiel kommen. Die Beiträ­ge der Rubrik «Bildwahr­nehmung» konzen­trieren sich spezi­fischer auf jene perzep­tuellen Fakto­ren, die im Akt des Bilder­sehens zum Tragen kommen. Disku­tiert werden dabei auch die kreati­ven bzw. transfor­mati­ven Poten­ziale des Bilder­sehens, wie sie etwa in der Ausein­ander­setzung mit Kunstbil­dern zum Vorschein kommen können (vgl. dazu etwa den Arti­kel «Sehen­des Sehen»). Die Rubrik «Bildbe­wusstsein und Einbil­dungskraft» grenzt den Ana­lyse­fokus noch weiter ein: Weitaus ausführ­licher als in diesen einlei­tenden Darle­gungen wird hier der Frage nachge­gangen, in welchem Verhält­nis Bild und Ima­gina­tion zuein­ander stehen.

Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. Zeitschrift für Philosophische Forschung, Band: 15, S. 161–176, Wieder abgedruckt in: Jonas, Hans: Zwischen Nichts und Ewigkeit – Zur Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 26–43.

[Krois 2006a]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Wiesing 2005a]: Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes.. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. [Wittgen­stein 1984b]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.

Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [23], Mark A. Halawa [5] und Eva Schürmann [1] — (Hinweis)