Bildakt-Theorie: Unterschied zwischen den Versionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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=====Bilder in Aktionszusammenhängen=====
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==Bilder in Aktionszusammenhängen==
Die Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Aktionszusammenhängen in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt untersucht wird, sie nicht mehr als Epiphänomene, sondern als Akteure oder handlungsstiftende Agenten thematisiert werden, sind vielfältig. Sie liegen in der sich unaufhörlichen steigernden Produktion wie Präsenz von Bildern im Alltag von Menschen und ihrem zunehmenden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffentlichen Lebens wie Wissenschaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leichteren Zugänglichkeit von Bildern durch das Internet und sich verändernde Möglichkeiten der Bildrecherche für die Wissenschaftler, die sich mit Bildern beschäftigen.  
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Die Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Ak&shy;tions&shy;zusam&shy;men&shy;hän&shy;gen in den letzten drei Jahr&shy;zehnten ver&shy;stärkt unter&shy;sucht wird, sie nicht mehr als Epi&shy;phäno&shy;mene, sondern als Akteure oder hand&shy;lungs&shy;stiftende Agenten thema&shy;tisiert werden, sind viel&shy;fältig. Sie liegen in der sich un&shy;auf&shy;hör&shy;lichen steigernden Produk&shy;tion wie Präsenz von Bildern im All&shy;tag von Menschen und ihrem zuneh&shy;menden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffent&shy;lichen Lebens wie Wissen&shy;schaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leich&shy;teren Zu&shy;gäng&shy;lich&shy;keit von Bildern durch das Inter&shy;net und sich verän&shy;dernde Mög&shy;lich&shy;keiten der Bild&shy;recher&shy;che für die Wissen&shy;schaftler, die sich mit Bildern be&shy;schäf&shy;tigen.  
 
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Die Ableitung des Terminus „Bildakt“ vom sprachpragmatischen Ansatz John Langshaw Austins und seines Schülers John Searle, die mit ''How to Do Things with Words'' (vgl. <bib id='Jonas 1972a'></bib>) und ''Speech Acts'' (vgl. <bib id='Searle 1971a'></bib>) die Sprechakttheorie begründeten, scheint evident zu sein, und auch die Einführung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit ''George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures'' (vgl. <bib id='Kjörup 1974a'></bib>) und ''Pictorial Speech Acts'' (vgl. <bib id='Kjörup 1978a'></bib>) eine von der Sprachakttheorie ausgehende Bildakttheorie zu begründen versucht, weist auf diesen Ursprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in ''L’Acte Photographique'' (vgl. <bib id='Dubois 1998a'></bib>) von „image-act“ spricht, stellt seine Analysen der Fotografie ebenfalls in einen pragmatischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce.  
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Die Ableitung des Terminus ‘Bild&shy;akt’ vom sprach&shy;pragma&shy;tischen Ansatz John Langshaw Austins und seines Schülers John Searle, die mit «How to Do Things with Words» (vgl. <bib id='Austin 1972a'></bib>) und «Speech Acts» (vgl. <bib id='Searle 1971a'></bib>) die [[Illokution|Sprech&shy;akt&shy;theorie]] begrün&shy;deten, scheint evident zu sein, und auch die Ein&shy;führung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit «George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures» (vgl. <bib id='Kjörup 1974a'></bib>) und «Pictorial Speech Acts» (vgl. <bib id='Kjörup 1978a'></bib>) eine von der Sprach&shy;akt&shy;theorie aus&shy;gehende Bild&shy;akt&shy;theorie zu be&shy;gründen ver&shy;sucht, weist auf diesen Ur&shy;sprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in «L’Acte Photo&shy;graphique» (vgl. <bib id='Dubois 1998a'></bib>) von ‘image-act’ spricht, stellt seine Ana&shy;lysen der [[Photographie|Foto&shy;grafie]] eben&shy;falls in einen [[Pragmatik, Semantik, Syntax|prag&shy;matischen]] Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce.  
 
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Einen Bruch mit der sprachpragmatischen Fundierung bildet Horst Bredekamps Versuch einer Neubestimmung, die mit den drei Grundkategorien des ''schematischen'', ''substitutiven'' und ''intrinsischen'' Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Verkörperungstheorien (vgl. www.bildakt-verkoerperung.de).
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Einen Bruch mit der sprach&shy;pragma&shy;tischen Fundie&shy;rung bildet Horst Brede&shy;kamps Versuch einer Neu&shy;bestim&shy;mung, die mit den drei Grund&shy;kate&shy;gorien des ''schema&shy;tischen'', ''substi&shy;tuti&shy;ven'' und ''intrin&shy;sischen'' Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Ver&shy;kör&shy;pe&shy;rungs&shy;theo&shy;rien.<ref> Vgl.hierzu auch [http://bildakt-verkoerperung.de/ Kolleg-Forscher&shy;gruppe Bild&shy;akt und Ver&shy;körpe&shy;rung] der Humboldt-Universität zu Berlin.</ref>
 
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<!--Anmerkung zwischen <ref> und </ref> im laufenden Text-->
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<!--Literaturverweise im laufenden Text <bib id='Jonas 61a'>Jonas 1961</bib> -->
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==Agieren mit Bildern und agie&shy;rende Bilder ==
<!--  ... id im Literaturverzeichnis nachsehen, gegebenenfalls neu einfügen -->
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Die Bandbreite dessen, was unter ‘Bild&shy;akt’ oder ‘[[Bildhandeln|Bild&shy;handeln]]’ in den ver&shy;schie&shy;denen Wissen&shy;schaften ver&shy;standen wird, ist groß; disparat er&shy;scheinen die An&shy;sätze, die sich bis&shy;lang kaum gegen&shy;seitig zur Kenntnis ge&shy;nommen haben. Sie reichen von  
<!--  ... (siehe Link "Sammlung" in Bibliographie-Box -->
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::1. Interpretations- oder [[Prädikation|Prä&shy;di&shy;ka&shy;tions&shy;leistun&shy;gen]], durch die Bilder erst zu Bildern werden, über  
<!-- Bilder als thumbs einsetzen, Muster: [[Datei:Beispiel.png|thumb|Bildtitel]] -->
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::2. ein Handeln in und mit Bildern, in dem produzierte Bilder nach&shy;träg&shy;lich Werk&shy;zeug&shy;charak&shy;ter er&shy;halten, über
=====Agieren mit Bildern und agierende Bilder =====
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::3. eine phänomenologisch orientierte Charak&shy;teri&shy;sierung des [[Interaktion|Inter&shy;aktions&shy;ge&shy;füges]] von Rezi&shy;pient und Bild, in der das Augen&shy;merk auf die „pathi&shy;schen“ Aspekte der Auf&shy;merk&shy;samkeit auf und Wahr&shy;nehmung von Bildern gelegt wird, bis  
Die Bandbreite dessen, was unter „Bildakt“ oder „Bildhandeln“ in den verschiedenen Wissenschaften verstanden wird, ist groß; disparat erscheinen die Ansätze, die sich bislang kaum gegenseitig zur Kenntnis genommen haben. Sie reichen von  
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::4. zur An&shy;nahme eines Handelns der Bilder selbst als Bild&shy;akt, durch den Reali&shy;täten erzeugt werden.  
::1. Interpretations- oder Prädikationsleistungen, durch die Bilder erst zu Bildern werden, über  
 
::2. ein Handeln in und mit Bildern, in dem produzierte Bilder nachträglich Werkzeugcharakter erhalten, über
 
::3. eine phänomenologisch orientierte Charakterisierung des Interaktionsgefüge von Rezipient und Bild, in der das Augenmerk auf die „pathischen“ Aspekte der Aufmerksamkeit auf und Wahrnehmung von Bildern gelegt wird, bis  
 
::4. zur Annahme eines Handelns der Bilder selbst als Bildakt, durch den Realitäten erzeugt werden.  
 
 
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Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu systematisieren, bietet sich eine grobe Unterteilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe gehören Ansätze, in denen das Wahrnehmungs- und Handlungsgeschehen untersucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter vollzieht. Dazu zählen auch solche Ansätze, die die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern untersuchen und in denen Bilder zu Akteuren werden. Das Bild generiert dabei nicht nur eine eigene handlungsauslösende Realität, es wird selbst zur Tat. Diese Theorien, in denen zumeist der Begriff „Bildakt“ verwendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispielen erläutert.
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Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu syste&shy;mati&shy;sieren, bietet sich eine grobe Unter&shy;teilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe ge&shy;hören An&shy;sätze, in denen das Wahr&shy;nehmungs- und Hand&shy;lungs&shy;geschehen unter&shy;sucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter voll&shy;zieht. Dazu zählen auch solche An&shy;sätze, die die beson&shy;dere Wirk&shy;mäch&shy;tig&shy;keit von Bil&shy;dern unter&shy;suchen und in denen Bilder zu Ak&shy;teuren werden. Das Bild gene&shy;riert dabei nicht nur eine eigene hand&shy;lungs&shy;aus&shy;lösen&shy;de Rea&shy;lität, es wird selbst zur Tat. Diese Theo&shy;rien, in denen zu&shy;meist der Be&shy;griff »Bild&shy;akt« ver&shy;wendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispie&shy;len er&shy;läutert.
 
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Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und pragmatisch orientierte Theorien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Handlungen vollziehen. In diesen Verwendungsweisen des Begriffes „Bildhandeln“ werden interpretatorische oder kommunikative Akte bezeichnet, in denen Bildträgern ein Bildstatus zugeschrieben wird, mit Bildern kommunikative Handlungen vollzogen oder sie als Werkzeuge verwendet werden.
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Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und prag&shy;matisch orien&shy;tierte Theo&shy;rien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Hand&shy;lungen voll&shy;ziehen. In diesen Ver&shy;wen&shy;dungs&shy;weisen des Aus&shy;drucks ‘Bild&shy;handeln’ werden inter&shy;preta&shy;torische oder [[Kommunikation|kommu&shy;nika&shy;tive]] Akte bezeichnet, in denen Bild&shy;trägern ein Bild&shy;status zuge&shy;schrieben wird, mit Bil&shy;dern kommu&shy;nika&shy;tive Hand&shy;lungen voll&shy;zogen oder sie als Werk&shy;zeuge ver&shy;wendet werden.
 
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Charakteristisch für diese an der Sprachphilosophie orientierten Ansätze ist, dass Bilder als Abbilder betrachtet und zumeist als Zeichen behandelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit Propositionen oder Prädikaten zu vergleichen oder ihnen eine sprachunterstützende Funktion zuzuschreiben (z.B. diejenige, Begriffe zu veranschaulichen). Bilder sind in diesen Theorien keine Handlungssubjekte. Menschen machen, dass Bilder etwas abbilden, indem sie mit ihnen einen Bildakt vollziehen. Vertreter dieser Richtungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Überblick über diese Richtungen gibt Silvia Seja in ihrem Buch ''Handlungstheorien des Bildes'' (vgl. <bib id='Seja 2009a'></bib>).
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Charakteristisch für diese an der Sprach&shy;philo&shy;sophie orien&shy;tierten An&shy;sätze ist, dass Bilder als Ab&shy;bilder be&shy;trachtet und zumeist als [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zeichen]] be&shy;handelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit [[Proposition|Pro&shy;posi&shy;tionen]] oder Prä&shy;dika&shy;ten zu ver&shy;gleichen oder ihnen eine sprach&shy;unter&shy;stüt&shy;zende Funktion zuzu&shy;schreiben (z.B. die&shy;jenige, Begriffe zu ver&shy;an&shy;schau&shy;lichen). Bilder sind in diesen Theorien keine Hand&shy;lungs&shy;sub&shy;jekte. Menschen machen, dass Bilder etwas ab&shy;bilden, indem sie mit ihnen einen Bild&shy;akt voll&shy;ziehen. Ver&shy;treter dieser Rich&shy;tungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Über&shy;blick über diese Rich&shy;tungen gibt Silvia Seja in ihrem Buch «Hand&shy;lungs&shy;theo&shy;rien des Bildes» (vgl. <bib id='Seja 2009a'></bib>).
 
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=====optional Beispiele=====
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==Spezielle Beispiele==
'''Fotografie: Philippe Dubois'''
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===Fotografie: Philippe Dubois===
 
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Für Philippe Dubois sind Fotografien von einer „unwiderstehliche[n], lebendige[n] Kraft“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19) belebt. Fotos sind „ikonische Akte“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19), „arbeitende Bild[er]“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19), die in ihrem pragmatischen Zusammenhang, d.h. in ihrer Produktion und Rezeption, betrachtet und nachvollzogen werden müssen. „Mit der Fotografie ist es uns nicht mehr möglich, das Bild außerhalb des Aktes zu denken, der es generiert“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19). Um diese These sprachlich zu unterstützen, kreiert Dubois die Wortsynthese „Bild-Akt“ bzw. frz. „image-act“. Sie drückt aus, dass in der Betrachtung der Fotografie „die übliche Spaltung zwischen dem Produkt (der fertigen Mitteilung) und dem Prozeß (dem generierenden Akt in seinem Vollzug“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 61) überwunden werden soll. Zum Akt der Erzeugung einer Fotografie zählt Dubois sowohl die Produktion, d.h. den Blick des Fotografen auf das Objekt und den Moment der Aufnahme, als auch die Rezeption, d.h. den Blick des Betrachters und die inhärenten Interpretationsleistungen samt Kontextabhängigkeit.   
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Für Philippe Dubois sind Fotografien von einer „un&shy;wider&shy;steh&shy;liche[n], leben&shy;dige[n] Kraft“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19) belebt. Fotos sind „iko&shy;nische Akte“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19), „arbei&shy;tende Bild[er]“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19), die in ihrem prag&shy;mati&shy;schen Zu&shy;sammen&shy;hang, d.h. in ihrer Pro&shy;duk&shy;tion und Re&shy;zep&shy;tion, be&shy;trachtet und nach&shy;voll&shy;zogen werden müssen. „Mit der Foto&shy;grafie ist es uns nicht mehr mög&shy;lich, das Bild außer&shy;halb des Aktes zu denken, der es gene&shy;riert“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 19). Um diese These sprach&shy;lich zu unter&shy;stützen, kreiert Dubois die Wort&shy;syn&shy;these ‘Bild-Akt’ bzw. frz. ‘image-act’. Sie drückt aus, dass in der Be&shy;trach&shy;tung der Foto&shy;gra&shy;fie „die üb&shy;liche Spal&shy;tung zwischen dem Produkt (der ferti&shy;gen Mit&shy;teilung) und dem Prozeß (dem gene&shy;rieren&shy;den Akt in seinem Voll&shy;zug“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 61) über&shy;wunden werden soll. Zum Akt der Er&shy;zeu&shy;gung einer Foto&shy;gra&shy;fie zählt Dubois sowohl die Pro&shy;duk&shy;tion, d.h. den Blick des Foto&shy;grafen auf das Objekt und den Moment der Auf&shy;nahme, als auch die Re&shy;zep&shy;tion, d.h. den Blick des Be&shy;trac&shy;hters und die in&shy;hären&shy;ten Inter&shy;preta&shy;tions&shy;leistungen samt Kon&shy;text&shy;ab&shy;hängig&shy;keit.   
 
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In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Sanders Peirces Differenzierung von Index, Ikon und Symbol und ordnet die Fotografie der Kategorie der Indizes zu, die er auch als Spur oder Symptom versteht, da Fotos aufgrund ihrer chemischen Entstehung materialiter an ihre Referenz gebunden sind und bleiben, zugleich aber räumlich und zeitlich getrennt von ihr als Zeichen existieren. Aus dieser Ambivalenz bezieht die Fotografie ihre Wirkmacht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheimnis, diese Kraft, die unterirdisch jenseits des Abbildes […] in der Fotografie am Werk ist […], das ist die pragmatische Ontologie des Index, das, was Barthes als ‚die metonymische Ausdehnung des punctum‘ bezeichnet, die die körperliche Anwesenheit des Objekts oder des einmaligen Wesens selbst noch im Bild wiedergibt. Eine Anwesenheit, die Abwesenheit aussagt.“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 85)
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In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Sanders Peirces Dif&shy;fe&shy;ren&shy;zie&shy;rung von [[Symbol, Index, Ikon|Index, Ikon und Symbol]] und ordnet die Foto&shy;gra&shy;fie der Kate&shy;gorie der Indi&shy;zes zu, die er auch als Spur oder Symp&shy;tom versteht, da Fotos auf&shy;grund ihrer chemi&shy;schen Ent&shy;stehung [[Material|ma&shy;te&shy;ria&shy;liter]] an ihre [[Referenz|Re&shy;fe&shy;renz]] ge&shy;bunden sind und bleiben, zu&shy;gleich aber räum&shy;lich und zeit&shy;lich getrennt von ihr als Zeichen existie&shy;ren. Aus dieser Ambi&shy;valenz bezieht die Foto&shy;grafie ihre Wirk&shy;macht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheim&shy;nis, diese Kraft, die unter&shy;irdisch jenseits des Ab&shy;bildes […] in der Foto&shy;grafie am Werk ist […], das ist die prag&shy;matische Onto&shy;logie des Index, das, was Barthes als ‘die meto&shy;nymische Aus&shy;dehnung des punctum’ bezeichnet, die die körper&shy;liche An&shy;wesen&shy;heit des Objekts oder des ein&shy;mali&shy;gen Wesens selbst noch im Bild wieder&shy;gibt. Eine An&shy;wesen&shy;heit, die Ab&shy;wesen&shy;heit aussagt.“ (<bib id='Dubois 1998a'></bib>: S. 85)
 
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'''Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schürmann, Bernhard Waldenfels'''
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===Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schür&shy;mann, Bern&shy;hard Wal&shy;den&shy;fels===
 
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Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phänomenologisch orientierten Rede vom Bildhandeln und der Wirkung von Bildern untersucht, in der das Wahrnehmungsgeschehen von Bildern – mit Maurice Merleau-Ponty formuliert: der vom Gegenstand ausgelöste Wahrnehmungsakt (vgl. <bib id='Schürmann 2000a'></bib>: S. 26) – in den Blick tritt.  
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Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der [[Phänomenologische Bildtheorien|phäno&shy;meno&shy;logisch]] orien&shy;tierten Rede vom Bild&shy;handeln und der Wir&shy;kung von Bil&shy;dern unter&shy;sucht, in der das Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;gesche&shy;hen von Bildern – mit Mau&shy;rice Merleau-Ponty for&shy;mu&shy;liert: der vom Gegen&shy;stand aus&shy;gelöste Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;akt (vgl. <bib id='Schürmann 2000a'></bib>: S. 26) – in den Blick tritt.  
 
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Bernhard Waldenfels thematisiert die Bildwirkung als Affektion, die der Bildwahrnehmung inhärent ist und als Beunruhigung erfahren wird (vgl. <bib id='Waldenfels 2008a'></bib>). Gottfried Boehm spricht von einem „Energiegefälle, das sich zwischen Zeichenhaftigkeit und Impulsivität aufbaut“ (<bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 37) und das er hermeneutisch aus dem Kontrast zwischen einer „erstarrten Visuellen Setzung“ und dem „Potential ihrer vieldeutigen Lesbarkeit“ (<bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 38) herleitetet. Eva Schürmann verwendet den Begriff des Bildakts im Kontext ihrer Thematisierung von Blick- bzw. Wahrnehmungsakten: „Die Bilder, die ein Ich durch soziales Sichtbarsein und Gesehenwerden herausbildet, stellen insofern Bildakte dar, als sie performativ und prozessual ausgehandelte Selbst- und Weltrelationen hervorbringen.“ Der Blick ist „ein performatives Geschehen, durch das ein Bild gebildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situation“ (<bib id='Schürmann 2011a'></bib>: S. 158). Charakteristisch für die phänomenologischen Ansätze ist eine Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung in der Wahrnehmung, die sowohl produktiv als auch rezeptiv verstanden wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orientierte Beschäftigung mit einer vorsymbolischen Wirkung von Bildern, die ihre Zeichenhaftigkeit übersteigt und leiblich empfunden wird.
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Bernhard Waldenfels thematisiert die Bild&shy;wirkung als Af&shy;fek&shy;tion, die der [[Bildwahrnehmung|Bild&shy;wahr&shy;neh&shy;mung]] in&shy;hä&shy;rent ist und als Be&shy;un&shy;ru&shy;hi&shy;gung er&shy;fahren wird (vgl. <bib id='Waldenfels 2008a'></bib>). Gott&shy;fried Boehm spricht von einem „Ener&shy;gie&shy;ge&shy;fälle, das sich zwischen Zeichen&shy;haf&shy;tig&shy;keit und Im&shy;pul&shy;si&shy;vi&shy;tät auf&shy;baut“ (<bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 37) und das er her&shy;me&shy;neu&shy;tisch aus dem Kon&shy;trast zwischen einer „er&shy;starrten Visuel&shy;len Set&shy;zung“ und dem „Poten&shy;tial ihrer viel&shy;deuti&shy;gen Les&shy;bar&shy;keit“ (<bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 38) her&shy;lei&shy;tet. Eva Schür&shy;mann ver&shy;wendet den Begriff des Bild&shy;akts im Kontext ihrer Thema&shy;tisie&shy;rung von Blick- bzw. Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;ak&shy;ten: „Die Bil&shy;der, die ein Ich durch sozia&shy;les Sicht&shy;bar&shy;sein und Ge&shy;sehen&shy;werden heraus&shy;bildet, stellen inso&shy;fern Bild&shy;akte dar, als sie per&shy;forma&shy;tiv und pro&shy;zessual aus&shy;gehan&shy;delte Selbst- und Welt&shy;rela&shy;tionen hervor&shy;bringen.“ Der Blick ist „ein per&shy;forma&shy;tives Ge&shy;schehen, durch das ein Bild ge&shy;bildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situ&shy;ation“ (<bib id='Schürmann 2011a'></bib>: S. 158). Charak&shy;teris&shy;tisch für die phäno&shy;meno&shy;logischen An&shy;sätze ist eine Auf&shy;hebung der klas&shy;sischen Subjekt-Objekt&shy;trennung in der Wahr&shy;nehmung, die sowohl produk&shy;tiv als auch rezep&shy;tiv ver&shy;standen wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orien&shy;tierte Beschäf&shy;tigung mit einer vor&shy;symbo&shy;lischen Wir&shy;kung von Bildern, die ihre Zeichen&shy;haftig&shy;keit über&shy;steigt und leib&shy;lich emp&shy;funden wird.
 
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'''Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. Mitchell'''
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===Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. Mitchell===
 
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W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der Visual Culture bzw. Visual Studies gilt, operiert mit der These der Lebendigkeit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […]. Sie verändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funktionieren unsere Erinnerungen und Vorstellungen um, bringen neue Maßstäbe und neue Wünsche in die Welt.“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 292) Mitchell geht von dem Faktum aus, dass wir gegenüber Bildern in einer magischen, vormodernen Haltung gefangen sind, denn wir erleben, dass Bilder Reaktionen fordern, provozieren und verführen und somit als Handelnde in einem Aktionszusammenhang anzusehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tatsächlich lebendig sind, es sind „quasi-Akteure“(<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 66) – die Vorstellung eines lebendigen Bildes ist seiner Meinung nach eine „unvermeidliche Metapher“(<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 75). Die Frage, „Was will das Bild?“, die er in seinem Essay desselben Titels stellt, hat somit heuristische Funktion und dient dazu, die Wirkung von Bildern, die „Prozesse ausführlich darzulegen, durch die das Leben der Objekte in der menschlichen Erfahrung produziert wird“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 48). „Worauf es […] ankommt, ist nicht, als Schlüsselbegriff eine Personifikation des Kunstwerkes einzuführen, sondern unsere Beziehung zu diesem in Frage zu stellen, die ''Relationalität'' von Bild und Betrachter zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreiflich, weniger transparent zu machen; und außerdem die Analyse von Bildern auf Fragen nach Prozessen und Affekten hinzulenken sowie die Rolle des Betrachters in Frage zu stellen.“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 69)
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W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der [[Visual Culture / Visual Studies|Visual Culture bzw. Visual Studies]] gilt, ope&shy;riert mit der These der Leben&shy;dig&shy;keit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […]. Sie ver&shy;ändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funk&shy;tio&shy;nieren unsere Erin&shy;nerun&shy;gen und Vor&shy;stel&shy;lungen um, bringen neue Maß&shy;stäbe und neue Wünsche in die Welt“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 292). Mitchell geht von dem Fak&shy;tum aus, dass wir gegen&shy;über Bildern in einer ma&shy;gischen, vor&shy;moder&shy;nen Hal&shy;tung ge&shy;fangen sind, denn wir er&shy;leben, dass Bilder Re&shy;ak&shy;tionen fordern, pro&shy;vozie&shy;ren und ver&shy;führen und somit als Han&shy;delnde in einem Aktions&shy;zusam&shy;men&shy;hang anzu&shy;sehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tat&shy;sächlich leben&shy;dig sind, es sind „quasi-Akteure“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 66) – die Vor&shy;stellung eines leben&shy;digen Bildes ist seiner Meinung nach eine „un&shy;ver&shy;meid&shy;liche Metapher“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 75). Die Frage, „Was will das Bild?“, die er in seinem Essay des&shy;selben Titels stellt, hat somit heu&shy;risti&shy;sche Funktion und dient dazu, die Wir&shy;kung von Bil&shy;dern, die „Pro&shy;zesse aus&shy;führ&shy;lich dar&shy;zu&shy;legen, durch die das Leben der Ob&shy;jekte in der mensch&shy;lichen Er&shy;fahrung pro&shy;duziert wird“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 48). „Wo&shy;rauf es […] an&shy;kommt, ist nicht, als Schlüs&shy;sel&shy;begriff eine Per&shy;soni&shy;fika&shy;tion des Kunst&shy;werkes einzu&shy;führen, sondern unsere Be&shy;ziehung zu diesem in Frage zu stellen, die ''Rela&shy;tiona&shy;lität'' von Bild und Be&shy;trachter zum Gegen&shy;stand der Unter&shy;suchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreif&shy;lich, weniger trans&shy;parent zu machen; und außer&shy;dem die Analyse von Bil&shy;dern auf Fragen nach Pro&shy;zessen und Affek&shy;ten hinzu&shy;lenken sowie die Rolle des Betrach&shy;ters in Frage zu stellen.“ (<bib id='Mitchell 2008b'></bib>: S. 69)
 
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'''Kunstgeschichte und Anthropologie: Horst Bredekamp'''
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===Kunstgeschichte und Anthropologie: Horst Brede&shy;kamp===
 
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Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Bredekamp die Abbildtheorie der Bilder einer umfassenden Revision. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die aktivierende Lebendigkeit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bildakt erzeugen, was sie darstellen.  
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Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Brede&shy;kamp die Abbild&shy;theorie der Bilder einer um&shy;fassen&shy;den Revi&shy;sion. Im Zentrum seiner Unter&shy;suchungen stehen die akti&shy;vierende Leben&shy;dig&shy;keit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bild&shy;akt er&shy;zeugen, was sie dar&shy;stellen.  
 
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Im Unterschied zur semiotisch bzw. pragmatisch orientieren Theorie des Bildhandelns sind es hier nicht die Bilder erzeugenden und einsetzenden Personen, die Bildakte vollziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine energetische oder generative Kraft innewohnt. Unter „Bildakt“ versteht Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […] die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht“. (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 52  
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Im Unterschied zur semio&shy;tisch bzw. pragma&shy;tisch orien&shy;tieren Theorie des Bild&shy;handelns sind es hier nicht die Bilder erzeu&shy;genden und ein&shy;set&shy;zenden Personen, die Bild&shy;akte voll&shy;ziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine ener&shy;getische oder gene&shy;rative Kraft inne&shy;wohnt. Unter ‘Bild&shy;akt’ ver&shy;steht Brede&shy;kamp „eine Wir&shy;kung auf das Emp&shy;finden, Den&shy;ken und Handeln […] die aus der Kraft des Bildes und der Wechsel&shy;wirkung mit dem betrach&shy;tenden, berüh&shy;renden und auch hörenden Gegen&shy;über ent&shy;steht“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 52).
 
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Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bildakttheorie in erster Linie gegen die Vorstellung, dass Bilder etwas Vorgängiges abbilden oder repräsentieren. Da Bilder nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv, synästhetisch und kinetisch wirken und daher den kognitiven Kontrollbereich verlassen, entwickelt Bredekamp die Bildakttheorie im Kontext aktueller Verkörperungstheorien.
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Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bild&shy;akt&shy;theorie in erster Linie gegen die Vor&shy;stellung, dass Bilder etwas Vor&shy;gängi&shy;ges ab&shy;bilden oder re&shy;präsen&shy;tieren. Da Bilder nicht nur kog&shy;nitiv, sondern auch affek&shy;tiv, syn&shy;ästhe&shy;tisch und kine&shy;tisch wirken und daher den kogni&shy;tiven Kontroll&shy;bereich ver&shy;lassen, ent&shy;wickelt Brede&shy;kamp die Bild&shy;akt&shy;theorie im Kontext aktueller Ver&shy;körperungs&shy;theorien.
Bildakte, agierende Bilder untersucht Bredekamp im weitesten Bereich der Bildgeschichte, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Verbündete oder Verräter politischer Macht“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14 erscheinen, des Militärs, wo sie „Waffengänge […] steuern oder gar zu ersetzen vermögen“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14), und der Wissenschaft, wo sie „durchweg nicht als Darstellungsinstrument, sondern als eigenes Analysemittel eingesetzt werden“(<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14.  
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Bild&shy;akte, agie&shy;rende Bilder unter&shy;sucht Brede&shy;kamp im wei&shy;testen Bereich der Bild&shy;geschich&shy;te, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Ver&shy;bündete oder Ver&shy;räter poli&shy;tischer Macht“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14) er&shy;scheinen, des Mili&shy;tärs, wo sie „Waffen&shy;gänge […] steuern oder gar zu er&shy;setzen ver&shy;mögen“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14), und der Wissen&shy;schaft, wo sie „durch&shy;weg nicht als Dar&shy;stel&shy;lungs&shy;instrument, sondern als eigenes Ana&shy;lyse&shy;mittel ein&shy;ge&shy;setzt werden“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 14).  
 
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Ebenso wie Dubois bringt Bredekamp die Wirkmacht von Bildern mit ihrer materiellen Gegenständlichkeit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristotelische enargeia, die in jedem Artefakt eine Energiequelle wähnt, die dem Werk erlaubt, zu einer wirkenden Kraft zu werden“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 5). Bredekamps Bildakttheorie zielt auf die „in der Form steckende potentia“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 55 ab.
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Ebenso wie Dubois bringt Bredekamp die Wirk&shy;macht von Bildern mit ihrer mate&shy;riellen Gegen&shy;ständ&shy;lich&shy;keit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristo&shy;telische enargeia, die in jedem Arte&shy;fakt eine Energie&shy;quelle wähnt, die dem Werk er&shy;laubt, zu einer wir&shy;kenden Kraft zu werden“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 5). Brede&shy;kamps Bild&shy;akt&shy;theorie zielt auf die „in der Form steckende potentia“ (<bib id='Bredekamp 2010a'></bib>: S. 55) ab.
 
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'''Visual History: Gerhard Paul'''
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===Visual History: Gerhard Paul===
 
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In direktem Anschluss an Horst Bredekamp begreift Gerhard Paul im Rahmen der sich etablierenden ''Visual History'' Bilder nicht nur als Quellenmaterial, in dem Geschichte sich dokumentiert, sondern als Agenten, die Geschichte beeinflussen oder schreiben. Angeregt durch die Debatten, die sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung (1995-1999) um die Beweiskraft bzw. Manipulierbarkeit von Bildern entzündet haben, werden diese von den Geschichtswissenschaften zunehmend als Instanzen, die Wahrnehmungsmuster und Sichtweisen prägen, und als „Realität erzeugende Bildakte“ (<bib id='Paul 2010a'></bib>: S. 15) betrachtet. „Für die Analyse und den Umgang mit Bildern bedeutet das“, so Gerhard Paul, „diese auch als Aktiva ernster zu nehmen: […] als Medien der Geschichts- und Erinnerungspolitik, die eine bestimmte Deutung von Geschichte generieren und transportieren, als Medien der kommerziellen Reklame, der politischen Propaganda und der Herrschaftssicherung sowie schließlich als Medium kollektiver Identitätsbildung, über die soziale und politische Kollektive ihre Identität herausbilden und abzusichern versuchen.“ (<bib id='Paul 2010a'></bib>: S. 10) Wie Bredekamp betrachtet auch Paul Bilder, deren Reichweite im medialen Zeitalter potenziell unbegrenzt ist, als integrale Bestandteile politischer und militärischer Strategien. Visual History nimmt auch diese Bildakte, in denen die Dokumentation zum eigentlichen Ziel der Aktion wird, in den Blick.  
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In direktem Anschluss an Horst Brede&shy;kamp begreift Ger&shy;hard Paul im Rahmen der sich etablie&shy;renden ''Visual History'' Bilder nicht nur als Quellen&shy;material, in dem Ge&shy;schichte sich doku&shy;mentiert, sondern als Agen&shy;ten, die Geschichte be&shy;ein&shy;flussen oder schreiben. Ange&shy;regt durch die Debatten, die sich an&shy;lässlich der Wehr&shy;machts&shy;aus&shy;stellung des Insti&shy;tuts für Sozial&shy;forschung (1995-1999) um die Beweis&shy;kraft bzw. Mani&shy;pulier&shy;bar&shy;keit von Bil&shy;dern ent&shy;zündet haben, werden diese von den Ge&shy;schichts&shy;wissen&shy;schaften zu&shy;nehmend als Instan&shy;zen, die Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;muster und Sicht&shy;weisen prägen, und als „Rea&shy;lität erzeu&shy;gende Bild&shy;akte“ (<bib id='Paul 2010a'></bib>: S. 15) betrachtet. „Für die Ana&shy;lyse und den Um&shy;gang mit Bildern bedeutet das“, so Gerhard Paul, „diese auch als Aktiva ernster zu nehmen: […] als Medien der Ge&shy;schichts- und Erin&shy;nerungs&shy;poli&shy;tik, die eine bestimmte Deu&shy;tung von Geschi&shy;chte gene&shy;rieren und trans&shy;portie&shy;ren, als Medien der kommer&shy;ziellen Rekla&shy;me, der poli&shy;tischen Propa&shy;ganda und der Herr&shy;schafts&shy;siche&shy;rung sowie schließ&shy;lich als Medium kollek&shy;tiver Iden&shy;titäts&shy;bildung, über die soziale und poli&shy;tische Kollek&shy;tive ihre Iden&shy;tität heraus&shy;bilden und abzu&shy;sichern ver&shy;suchen.“ (<bib id='Paul 2010a'></bib>: S. 10) Wie Brede&shy;kamp betrach&shy;tet auch Paul Bilder, deren Reich&shy;weite im medi&shy;alen Zeit&shy;alter poten&shy;ziell unbe&shy;grenzt ist, als inte&shy;grale Be&shy;stand&shy;teile poli&shy;tischer und mili&shy;täri&shy;scher Stra&shy;tegien. Visual History nimmt auch diese Bild&shy;akte, in denen die Doku&shy;menta&shy;tion zum eigent&shy;lichen Ziel der Aktion wird, in den Blick.  
 
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* [[Darstellung und Repräsentation]]  
 
* [[Darstellung und Repräsentation]]  
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* [[Illokution]]
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* [[Interaktion und Kommunikation]]
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* [[Material]]
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* [[Phänomenologische Bildtheorien]]
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* [[Photographie]]
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* [[Prädikation]]
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* [[Pragmatik, Semantik, Syntax]]
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* [[Proposition]]
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* [[Referenz]]
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* [[Symbol, Index, Ikon]]
 
* [[Visual Culture / Visual Studies]]
 
* [[Visual Culture / Visual Studies]]
* [[Phänomenologische Bildtheorien]]
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* [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem]]
* [[Bildsemiotik]]
 
* [[Bildhandeln]]
 
 
 
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 00:55 Uhr

Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze


Bilder in Aktionszusammenhängen

Die Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Ak­tions­zusam­men­hän­gen in den letzten drei Jahr­zehnten ver­stärkt unter­sucht wird, sie nicht mehr als Epi­phäno­mene, sondern als Akteure oder hand­lungs­stiftende Agenten thema­tisiert werden, sind viel­fältig. Sie liegen in der sich un­auf­hör­lichen steigernden Produk­tion wie Präsenz von Bildern im All­tag von Menschen und ihrem zuneh­menden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffent­lichen Lebens wie Wissen­schaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leich­teren Zu­gäng­lich­keit von Bildern durch das Inter­net und sich verän­dernde Mög­lich­keiten der Bild­recher­che für die Wissen­schaftler, die sich mit Bildern be­schäf­tigen.

Die Ableitung des Terminus ‘Bild­akt’ vom sprach­pragma­tischen Ansatz John Langshaw Austins und seines Schülers John Searle, die mit «How to Do Things with Words» (vgl. [Austin 1972a]Austin, John L. (1972).
Zur Theorie der Sprechakte. Stutt­gart: Reclam.

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) und «Speech Acts» (vgl. [Searle 1971a]Searle, John R. (1971).
Sprech­akt­theorie - Ein sprach­philo­sophi­scher Essay. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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) die Sprech­akt­theorie begrün­deten, scheint evident zu sein, und auch die Ein­führung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit «George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures» (vgl. [Kjörup 1974a]Kjørup, Søren (1974).
George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures. In The Monist, 58, 2, 216-235.

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) und «Pictorial Speech Acts» (vgl. [Kjörup 1978a]Kjørup, Søren (1978).
Picto­rial Speech Acts. In Erkennt­nis, 12, 1, 55-71.

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) eine von der Sprach­akt­theorie aus­gehende Bild­akt­theorie zu be­gründen ver­sucht, weist auf diesen Ur­sprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in «L’Acte Photo­graphique» (vgl. [Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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) von ‘image-act’ spricht, stellt seine Ana­lysen der Foto­grafie eben­falls in einen prag­matischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce.

Einen Bruch mit der sprach­pragma­tischen Fundie­rung bildet Horst Brede­kamps Versuch einer Neu­bestim­mung, die mit den drei Grund­kate­gorien des schema­tischen, substi­tuti­ven und intrin­sischen Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Ver­kör­pe­rungs­theo­rien.[1]


Agieren mit Bildern und agie­rende Bilder

Die Bandbreite dessen, was unter ‘Bild­akt’ oder ‘Bild­handeln’ in den ver­schie­denen Wissen­schaften ver­standen wird, ist groß; disparat er­scheinen die An­sätze, die sich bis­lang kaum gegen­seitig zur Kenntnis ge­nommen haben. Sie reichen von

1. Interpretations- oder Prä­di­ka­tions­leistun­gen, durch die Bilder erst zu Bildern werden, über
2. ein Handeln in und mit Bildern, in dem produzierte Bilder nach­träg­lich Werk­zeug­charak­ter er­halten, über
3. eine phänomenologisch orientierte Charak­teri­sierung des Inter­aktions­ge­füges von Rezi­pient und Bild, in der das Augen­merk auf die „pathi­schen“ Aspekte der Auf­merk­samkeit auf und Wahr­nehmung von Bildern gelegt wird, bis
4. zur An­nahme eines Handelns der Bilder selbst als Bild­akt, durch den Reali­täten erzeugt werden.

Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu syste­mati­sieren, bietet sich eine grobe Unter­teilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe ge­hören An­sätze, in denen das Wahr­nehmungs- und Hand­lungs­geschehen unter­sucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter voll­zieht. Dazu zählen auch solche An­sätze, die die beson­dere Wirk­mäch­tig­keit von Bil­dern unter­suchen und in denen Bilder zu Ak­teuren werden. Das Bild gene­riert dabei nicht nur eine eigene hand­lungs­aus­lösen­de Rea­lität, es wird selbst zur Tat. Diese Theo­rien, in denen zu­meist der Be­griff »Bild­akt« ver­wendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispie­len er­läutert.

Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und prag­matisch orien­tierte Theo­rien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Hand­lungen voll­ziehen. In diesen Ver­wen­dungs­weisen des Aus­drucks ‘Bild­handeln’ werden inter­preta­torische oder kommu­nika­tive Akte bezeichnet, in denen Bild­trägern ein Bild­status zuge­schrieben wird, mit Bil­dern kommu­nika­tive Hand­lungen voll­zogen oder sie als Werk­zeuge ver­wendet werden.

Charakteristisch für diese an der Sprach­philo­sophie orien­tierten An­sätze ist, dass Bilder als Ab­bilder be­trachtet und zumeist als Zeichen be­handelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit Pro­posi­tionen oder Prä­dika­ten zu ver­gleichen oder ihnen eine sprach­unter­stüt­zende Funktion zuzu­schreiben (z.B. die­jenige, Begriffe zu ver­an­schau­lichen). Bilder sind in diesen Theorien keine Hand­lungs­sub­jekte. Menschen machen, dass Bilder etwas ab­bilden, indem sie mit ihnen einen Bild­akt voll­ziehen. Ver­treter dieser Rich­tungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Über­blick über diese Rich­tungen gibt Silvia Seja in ihrem Buch «Hand­lungs­theo­rien des Bildes» (vgl. [Seja 2009a]Seja, Silvia (2009).
Hand­lungsthe­orien des Bildes. Köln: Halem.

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).


Spezielle Beispiele

Fotografie: Philippe Dubois

Für Philippe Dubois sind Fotografien von einer „un­wider­steh­liche[n], leben­dige[n] Kraft“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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: S. 19) belebt. Fotos sind „iko­nische Akte“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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: S. 19), „arbei­tende Bild[er]“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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: S. 19), die in ihrem prag­mati­schen Zu­sammen­hang, d.h. in ihrer Pro­duk­tion und Re­zep­tion, be­trachtet und nach­voll­zogen werden müssen. „Mit der Foto­grafie ist es uns nicht mehr mög­lich, das Bild außer­halb des Aktes zu denken, der es gene­riert“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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: S. 19). Um diese These sprach­lich zu unter­stützen, kreiert Dubois die Wort­syn­these ‘Bild-Akt’ bzw. frz. ‘image-act’. Sie drückt aus, dass in der Be­trach­tung der Foto­gra­fie „die üb­liche Spal­tung zwischen dem Produkt (der ferti­gen Mit­teilung) und dem Prozeß (dem gene­rieren­den Akt in seinem Voll­zug“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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: S. 61) über­wunden werden soll. Zum Akt der Er­zeu­gung einer Foto­gra­fie zählt Dubois sowohl die Pro­duk­tion, d.h. den Blick des Foto­grafen auf das Objekt und den Moment der Auf­nahme, als auch die Re­zep­tion, d.h. den Blick des Be­trac­hters und die in­hären­ten Inter­preta­tions­leistungen samt Kon­text­ab­hängig­keit.
In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Sanders Peirces Dif­fe­ren­zie­rung von Index, Ikon und Symbol und ordnet die Foto­gra­fie der Kate­gorie der Indi­zes zu, die er auch als Spur oder Symp­tom versteht, da Fotos auf­grund ihrer chemi­schen Ent­stehung ma­te­ria­liter an ihre Re­fe­renz ge­bunden sind und bleiben, zu­gleich aber räum­lich und zeit­lich getrennt von ihr als Zeichen existie­ren. Aus dieser Ambi­valenz bezieht die Foto­grafie ihre Wirk­macht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheim­nis, diese Kraft, die unter­irdisch jenseits des Ab­bildes […] in der Foto­grafie am Werk ist […], das ist die prag­matische Onto­logie des Index, das, was Barthes als ‘die meto­nymische Aus­dehnung des punctum’ bezeichnet, die die körper­liche An­wesen­heit des Objekts oder des ein­mali­gen Wesens selbst noch im Bild wieder­gibt. Eine An­wesen­heit, die Ab­wesen­heit aussagt.“ ([Dubois 1998a]Dubois, Philippe (1998).
Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst.

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: S. 85)

Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schür­mann, Bern­hard Wal­den­fels

Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phäno­meno­logisch orien­tierten Rede vom Bild­handeln und der Wir­kung von Bil­dern unter­sucht, in der das Wahr­neh­mungs­gesche­hen von Bildern – mit Mau­rice Merleau-Ponty for­mu­liert: der vom Gegen­stand aus­gelöste Wahr­neh­mungs­akt (vgl. [Schürmann 2000a]Schürmann, Eva (2000).
Erscheinen und Wahrnehmen. Eine vergleichende Studie zur Kunst von James Turrell und der Philosophie Merleau-Pontys. München: Wilhelm Fink.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 26) – in den Blick tritt.
Bernhard Waldenfels thematisiert die Bild­wirkung als Af­fek­tion, die der Bild­wahr­neh­mung in­hä­rent ist und als Be­un­ru­hi­gung er­fahren wird (vgl. [Waldenfels 2008a]Waldenfels, Bern­hard (2008).
Von der Wirk­macht und Wirk­kraft der Bilder.
In Movens Bild. Zwischen Evi­denz und Affekt, 47-63.

  Eintrag in Sammlung zeigen
). Gott­fried Boehm spricht von einem „Ener­gie­ge­fälle, das sich zwischen Zeichen­haf­tig­keit und Im­pul­si­vi­tät auf­baut“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008).
Au­gen­maß. Zur Gene­se der iko­nischen Evi­denz.
In Movens Bild. Zwischen Evi­denz und Affekt, 15-43.

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: S. 37) und das er her­me­neu­tisch aus dem Kon­trast zwischen einer „er­starrten Visuel­len Set­zung“ und dem „Poten­tial ihrer viel­deuti­gen Les­bar­keit“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008).
Au­gen­maß. Zur Gene­se der iko­nischen Evi­denz.
In Movens Bild. Zwischen Evi­denz und Affekt, 15-43.

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: S. 38) her­lei­tet. Eva Schür­mann ver­wendet den Begriff des Bild­akts im Kontext ihrer Thema­tisie­rung von Blick- bzw. Wahr­neh­mungs­ak­ten: „Die Bil­der, die ein Ich durch sozia­les Sicht­bar­sein und Ge­sehen­werden heraus­bildet, stellen inso­fern Bild­akte dar, als sie per­forma­tiv und pro­zessual aus­gehan­delte Selbst- und Welt­rela­tionen hervor­bringen.“ Der Blick ist „ein per­forma­tives Ge­schehen, durch das ein Bild ge­bildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situ­ation“ ([Schürmann 2011a]Schürmann, Eva (2011).
Unendliches im Endlichen. Über einige Gemeinsamkeiten des Gesichter- und Bildersehens.
In Sehen und Handeln, 155-167.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 158). Charak­teris­tisch für die phäno­meno­logischen An­sätze ist eine Auf­hebung der klas­sischen Subjekt-Objekt­trennung in der Wahr­nehmung, die sowohl produk­tiv als auch rezep­tiv ver­standen wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orien­tierte Beschäf­tigung mit einer vor­symbo­lischen Wir­kung von Bildern, die ihre Zeichen­haftig­keit über­steigt und leib­lich emp­funden wird.

Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. Mitchell

W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der Visual Culture bzw. Visual Studies gilt, ope­riert mit der These der Leben­dig­keit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […]. Sie ver­ändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funk­tio­nieren unsere Erin­nerun­gen und Vor­stel­lungen um, bringen neue Maß­stäbe und neue Wünsche in die Welt“ ([Mitchell 2008a]Mitchell, William J. Thomas (2008).
Bildtheorie. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 292). Mitchell geht von dem Fak­tum aus, dass wir gegen­über Bildern in einer ma­gischen, vor­moder­nen Hal­tung ge­fangen sind, denn wir er­leben, dass Bilder Re­ak­tionen fordern, pro­vozie­ren und ver­führen und somit als Han­delnde in einem Aktions­zusam­men­hang anzu­sehen sind. Er glaubt jedoch nicht, dass Bilder tat­sächlich leben­dig sind, es sind „quasi-Akteure“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck.

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: S. 66) – die Vor­stellung eines leben­digen Bildes ist seiner Meinung nach eine „un­ver­meid­liche Metapher“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck.

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: S. 75). Die Frage, „Was will das Bild?“, die er in seinem Essay des­selben Titels stellt, hat somit heu­risti­sche Funktion und dient dazu, die Wir­kung von Bil­dern, die „Pro­zesse aus­führ­lich dar­zu­legen, durch die das Leben der Ob­jekte in der mensch­lichen Er­fahrung pro­duziert wird“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck.

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: S. 48). „Wo­rauf es […] an­kommt, ist nicht, als Schlüs­sel­begriff eine Per­soni­fika­tion des Kunst­werkes einzu­führen, sondern unsere Be­ziehung zu diesem in Frage zu stellen, die Rela­tiona­lität von Bild und Be­trachter zum Gegen­stand der Unter­suchung zu machen. Die Idee ist, Bilder weniger begreif­lich, weniger trans­parent zu machen; und außer­dem die Analyse von Bil­dern auf Fragen nach Pro­zessen und Affek­ten hinzu­lenken sowie die Rolle des Betrach­ters in Frage zu stellen.“ ([Mitchell 2008b]Mitchell, William J.T. (2008).
Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 69)

Kunstgeschichte und Anthropologie: Horst Brede­kamp

Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Brede­kamp die Abbild­theorie der Bilder einer um­fassen­den Revi­sion. Im Zentrum seiner Unter­suchungen stehen die akti­vierende Leben­dig­keit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bild­akt er­zeugen, was sie dar­stellen.

Im Unterschied zur semio­tisch bzw. pragma­tisch orien­tieren Theorie des Bild­handelns sind es hier nicht die Bilder erzeu­genden und ein­set­zenden Personen, die Bild­akte voll­ziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine ener­getische oder gene­rative Kraft inne­wohnt. Unter ‘Bild­akt’ ver­steht Brede­kamp „eine Wir­kung auf das Emp­finden, Den­ken und Handeln […] die aus der Kraft des Bildes und der Wechsel­wirkung mit dem betrach­tenden, berüh­renden und auch hörenden Gegen­über ent­steht“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 52).

Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bild­akt­theorie in erster Linie gegen die Vor­stellung, dass Bilder etwas Vor­gängi­ges ab­bilden oder re­präsen­tieren. Da Bilder nicht nur kog­nitiv, sondern auch affek­tiv, syn­ästhe­tisch und kine­tisch wirken und daher den kogni­tiven Kontroll­bereich ver­lassen, ent­wickelt Brede­kamp die Bild­akt­theorie im Kontext aktueller Ver­körperungs­theorien.

Bild­akte, agie­rende Bilder unter­sucht Brede­kamp im wei­testen Bereich der Bild­geschich­te, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Ver­bündete oder Ver­räter poli­tischer Macht“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 14) er­scheinen, des Mili­tärs, wo sie „Waffen­gänge […] steuern oder gar zu er­setzen ver­mögen“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 14), und der Wissen­schaft, wo sie „durch­weg nicht als Dar­stel­lungs­instrument, sondern als eigenes Ana­lyse­mittel ein­ge­setzt werden“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

  Eintrag in Sammlung zeigen
: S. 14).
Ebenso wie Dubois bringt Bredekamp die Wirk­macht von Bildern mit ihrer mate­riellen Gegen­ständ­lich­keit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristo­telische enargeia, die in jedem Arte­fakt eine Energie­quelle wähnt, die dem Werk er­laubt, zu einer wir­kenden Kraft zu werden“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 5). Brede­kamps Bild­akt­theorie zielt auf die „in der Form steckende potentia“ ([Bredekamp 2010a]Bredekamp, Horst (2010).
Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 55) ab.

Visual History: Gerhard Paul

In direktem Anschluss an Horst Brede­kamp begreift Ger­hard Paul im Rahmen der sich etablie­renden Visual History Bilder nicht nur als Quellen­material, in dem Ge­schichte sich doku­mentiert, sondern als Agen­ten, die Geschichte be­ein­flussen oder schreiben. Ange­regt durch die Debatten, die sich an­lässlich der Wehr­machts­aus­stellung des Insti­tuts für Sozial­forschung (1995-1999) um die Beweis­kraft bzw. Mani­pulier­bar­keit von Bil­dern ent­zündet haben, werden diese von den Ge­schichts­wissen­schaften zu­nehmend als Instan­zen, die Wahr­neh­mungs­muster und Sicht­weisen prägen, und als „Rea­lität erzeu­gende Bild­akte“ ([Paul 2010a]Paul, Gerhard (2010).
Visual History, Version: 1.0. In Docu­pedia-​Zeitge­schichte, 11.

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: S. 15) betrachtet. „Für die Ana­lyse und den Um­gang mit Bildern bedeutet das“, so Gerhard Paul, „diese auch als Aktiva ernster zu nehmen: […] als Medien der Ge­schichts- und Erin­nerungs­poli­tik, die eine bestimmte Deu­tung von Geschi­chte gene­rieren und trans­portie­ren, als Medien der kommer­ziellen Rekla­me, der poli­tischen Propa­ganda und der Herr­schafts­siche­rung sowie schließ­lich als Medium kollek­tiver Iden­titäts­bildung, über die soziale und poli­tische Kollek­tive ihre Iden­tität heraus­bilden und abzu­sichern ver­suchen.“ ([Paul 2010a]Paul, Gerhard (2010).
Visual History, Version: 1.0. In Docu­pedia-​Zeitge­schichte, 11.

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: S. 10) Wie Brede­kamp betrach­tet auch Paul Bilder, deren Reich­weite im medi­alen Zeit­alter poten­ziell unbe­grenzt ist, als inte­grale Be­stand­teile poli­tischer und mili­täri­scher Stra­tegien. Visual History nimmt auch diese Bild­akte, in denen die Doku­menta­tion zum eigent­lichen Ziel der Aktion wird, in den Blick.
Anmerkungen
  1. Vgl.hierzu auch Kolleg-Forscher­gruppe Bild­akt und Ver­körpe­rung der Humboldt-Universität zu Berlin.
Literatur                             [Sammlung]

[Austin 1972a]: Austin, John L. (1972). Zur Theorie der Sprechakte. Stutt­gart: Reclam.

[Boehm 2008a]: Boehm, Gottfried (2008). Au­gen­maß. Zur Gene­se der iko­nischen Evi­denz. In: Boehm, G. & Mers­mann, B. & Spies, Ch. (Hg.): Movens Bild. Zwischen Evi­denz und Affekt. München: Fink, S. 15-43. [Bredekamp 2010a]: Bredekamp, Horst (2010). Theorie des Bild­akts. Frank­furter Ador­no-​Vorle­sungen 2007. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Dubois 1998a]: Dubois, Philippe (1998). Der foto­grafi­sche Akt. Versuch über ein theore­tisches Dispo­sitiv. Dresden, Amster­dam: Verlag der Kunst. [Kjörup 1974a]: Kjørup, Søren (1974). George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures. The Monist, Band: 58, Nummer: 2, S. 216-235. [Kjörup 1978a]: Kjørup, Søren (1978). Picto­rial Speech Acts. Erkennt­nis, Band: 12, Nummer: 1, S. 55-71. [Mitchell 2008a]: Mitchell, William J. Thomas (2008). Bildtheorie. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Mitchell 2008b]: Mitchell, William J.T. (2008). Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: C.H. Beck. [Paul 2010a]: Paul, Gerhard (2010). Visual History, Version: 1.0. Docu­pedia-​Zeitge­schichte, Band: 11. [Schürmann 2000a]: Schürmann, Eva (2000). Erscheinen und Wahrnehmen. Eine vergleichende Studie zur Kunst von James Turrell und der Philosophie Merleau-Pontys. München: Wilhelm Fink. [Schürmann 2011a]: Schürmann, Eva (2011). Unendliches im Endlichen. Über einige Gemeinsamkeiten des Gesichter- und Bildersehens. In: Bredekamp, H. & Krois, J. M. (Hg.): Sehen und Handeln. Berlin: Akademie, S. 155-167. [Searle 1971a]: Searle, John R. (1971). Sprech­akt­theorie - Ein sprach­philo­sophi­scher Essay. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Seja 2009a]: Seja, Silvia (2009). Hand­lungsthe­orien des Bildes. Köln: Halem. [Waldenfels 2008a]: Waldenfels, Bern­hard (2008). Von der Wirk­macht und Wirk­kraft der Bilder. In: Boehm, G. & Mers­mann, B. & Spies, Ch. (Hg.): Movens Bild. Zwischen Evi­denz und Affekt. München: Wilhelm Fink, S. 47-63.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20], Mark A. Halawa [14], Dr. Marion Lauschke [5] und Eva Schürmann [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Lauschke 2013g-a]Vergleiche vollständigen Eintrag
in Literatursammlung
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Lauschke, Marion (2013). Bildakt-Theorie. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024).
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