Bildakt-Theorie
Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze
Bilder in AktionszusammenhängenDie Gründe dafür, dass der Status von Bildern in Aktionszusammenhängen in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt untersucht wird, sie nicht mehr als Epiphänomene, sondern als Akteure oder handlungsstiftende Agenten thematisiert werden, sind vielfältig. Sie liegen in der sich unaufhörlichen steigernden Produktion wie Präsenz von Bildern im Alltag von Menschen und ihrem zunehmenden Einfluss in allen Bereichen privaten und öffentlichen Lebens wie Wissenschaft, Werbung, Presse, Militär, aber auch in der leichteren Zugänglichkeit von Bildern durch das Internet und sich verändernde Möglichkeiten der Bildrecherche für die Wissenschaftler, die sich mit Bildern beschäftigen. Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart: Reclam, orig.: How to do things with Words, 1962. Eintrag in Sammlung zeigen) und Speech Acts (vgl. [Searle 1971a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) die Sprechakttheorie begründeten, scheint evident zu sein, und auch die Einführung des Begriffs durch den Dänen Sören Kjörup, der mit George Inness and the Battle at Hastings, or Doing Things with Pictures (vgl. [Kjörup 1974a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) und Pictorial Speech Acts (vgl. [Kjörup 1978a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) eine von der Sprachakttheorie ausgehende Bildakttheorie zu begründen versucht, weist auf diesen Ursprung zurück. Phillipe Dubois, der wenig später – 1983 – in L’Acte Photographique (vgl. [Dubois 1998a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) von „image-act“ spricht, stellt seine Analysen der Fotografie ebenfalls in einen pragmatischen Kontext, beruft sich jedoch auf Charles Sanders Peirce. Einen Bruch mit der sprachpragmatischen Fundierung bildet Horst Bredekamps Versuch einer Neubestimmung, die mit den drei Grundkategorien des schematischen, substitutiven und intrinsischen Bildakts die Aktivität im Bild selbst und nicht im Sprecher oder Betrachter erkennt. Diese Bestimmung erfolgt im Kontext aktueller Verkörperungstheorien (http://bildakt-verkoerperung.de/). Agieren mit Bildern und agierende BilderDie Bandbreite dessen, was unter „Bildakt“ oder „Bildhandeln“ in den verschiedenen Wissenschaften verstanden wird, ist groß; disparat erscheinen die Ansätze, die sich bislang kaum gegenseitig zur Kenntnis genommen haben. Sie reichen von
Um die Vielfalt der Ansätze dennoch zu systematisieren, bietet sich eine grobe Unterteilung in zwei Gruppen an: Zur ersten Gruppe gehören Ansätze, in denen das Wahrnehmungs- und Handlungsgeschehen untersucht wird, das sich zwischen Bild und Betrachter vollzieht. Dazu zählen auch solche Ansätze, die die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern untersuchen und in denen Bilder zu Akteuren werden. Das Bild generiert dabei nicht nur eine eigene handlungsauslösende Realität, es wird selbst zur Tat. Diese Theorien, in denen zumeist der Begriff „Bildakt“ verwendet wird, stehen im Zentrum dieses Artikels und werden im folgenden Abschnitt an Beispielen erläutert. Zur zweiten Gruppe gehören semiotisch und pragmatisch orientierte Theorien, die erklären, wie Menschen an und mit Bildern Handlungen vollziehen. In diesen Verwendungsweisen des Begriffes „Bildhandeln“ werden interpretatorische oder kommunikative Akte bezeichnet, in denen Bildträgern ein Bildstatus zugeschrieben wird, mit Bildern kommunikative Handlungen vollzogen oder sie als Werkzeuge verwendet werden. Charakteristisch für diese an der Sprachphilosophie orientierten Ansätze ist, dass Bilder als Abbilder betrachtet und zumeist als Zeichen behandelt werden. Ihnen wohnt die Tendenz inne, Bilder mit Propositionen oder Prädikaten zu vergleichen oder ihnen eine sprachunterstützende Funktion zuzuschreiben (z.B. diejenige, Begriffe zu veranschaulichen). Bilder sind in diesen Theorien keine Handlungssubjekte. Menschen machen, dass Bilder etwas abbilden, indem sie mit ihnen einen Bildakt vollziehen. Vertreter dieser Richtungen sind z.B. Oliver Scholz oder Klaus Sachs-Hombach. Einen guten Überblick über diese Richtungen gibt Silvia Seja in ihrem Buch Handlungstheorien des Bildes (vgl. [Seja 2009a]Literaturangabe fehlt. optional BeispieleFotografie: Philippe Dubois Für Philippe Dubois sind Fotografien von einer „unwiderstehliche[n], lebendige[n] Kraft“ ([Dubois 1998a]Literaturangabe fehlt. In diesem Zusammenhang bezieht sich Dubois auf Charles Sanders Peirces Differenzierung von Index, Ikon und Symbol und ordnet die Fotografie der Kategorie der Indizes zu, die er auch als Spur oder Symptom versteht, da Fotos aufgrund ihrer chemischen Entstehung materialiter an ihre Referenz gebunden sind und bleiben, zugleich aber räumlich und zeitlich getrennt von ihr als Zeichen existieren. Aus dieser Ambivalenz bezieht die Fotografie ihre Wirkmacht. In den Worten Dubois: „Dieses Geheimnis, diese Kraft, die unterirdisch jenseits des Abbildes […] in der Fotografie am Werk ist […], das ist die pragmatische Ontologie des Index, das, was Barthes als ‚die metonymische Ausdehnung des punctum‘ bezeichnet, die die körperliche Anwesenheit des Objekts oder des einmaligen Wesens selbst noch im Bild wiedergibt. Eine Anwesenheit, die Abwesenheit aussagt.“ ([Dubois 1998a]Literaturangabe fehlt. Phänomenologische Ansätze: Gottfried Boehm, Eva Schürmann, Bernhard Waldenfels Die besondere Wirkmächtigkeit von Bildern wird in der phänomenologisch orientierten Rede vom Bildhandeln und der Wirkung von Bildern untersucht, in der das Wahrnehmungsgeschehen von Bildern – mit Maurice Merleau-Ponty formuliert: der vom Gegenstand ausgelöste Wahrnehmungsakt (vgl. [Schürmann 2000a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Gottfried Boehm spricht von einem „Energiegefälle, das sich zwischen Zeichenhaftigkeit und Impulsivität aufbaut“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 37) und das er hermeneutisch aus dem Kontrast zwischen einer „erstarrten Visuellen Setzung“ und dem „Potential ihrer vieldeutigen Lesbarkeit“ ([Boehm 2008a]Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 38) herleitetet. Eva Schürmann verwendet den Begriff des Bildakts im Kontext ihrer Thematisierung von Blick- bzw. Wahrnehmungsakten: „Die Bilder, die ein Ich durch soziales Sichtbarsein und Gesehenwerden herausbildet, stellen insofern Bildakte dar, als sie performativ und prozessual ausgehandelte Selbst- und Weltrelationen hervorbringen.“ Der Blick ist „ein performatives Geschehen, durch das ein Bild gebildet wird – vom Ich, dem anderen, der Situation“ ([Schürmann 2011a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 158). Charakteristisch für die phänomenologischen Ansätze ist eine Aufhebung der klassischen Subjekt-Objekttrennung in der Wahrnehmung, die sowohl produktiv als auch rezeptiv verstanden wird, sowie eine an Maurice Merleau-Ponty orientierte Beschäftigung mit einer vorsymbolischen Wirkung von Bildern, die ihre Zeichenhaftigkeit übersteigt und leiblich empfunden wird. Visual Culture/Visual Studies: W.J.T. Mitchell W.J.T. Mitchell, der als Mitbegründer der Visual Culture bzw. Visual Studies gilt, operiert mit der These der Lebendigkeit der Bilder: „Bilder sind nicht einfach passive Wesen […]. Sie verändern die Art, in der wir denken, sehen und träumen. Sie funktionieren unsere Erinnerungen und Vorstellungen um, bringen neue Maßstäbe und neue Wünsche in die Welt.“ ([Mitchell 2008a]Literaturangabe fehlt. Kunstgeschichte und Anthropologie: Horst Bredekamp Unter dem Begriff des Bildakts unterzieht Horst Bredekamp die Abbildtheorie der Bilder einer umfassenden Revision. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen die aktivierende Lebendigkeit von Bildern sowie die These, dass Bilder im Bildakt erzeugen, was sie darstellen. Im Unterschied zur semiotisch bzw. pragmatisch orientieren Theorie des Bildhandelns sind es hier nicht die Bilder erzeugenden und einsetzenden Personen, die Bildakte vollziehen, sondern die Bilder selbst, denen eine energetische oder generative Kraft innewohnt. Unter „Bildakt“ versteht Bredekamp „eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln […] die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht“ ([Bredekamp 2010a]Literaturangabe fehlt. Mit der These‚ wonach Bilder das erzeugen, was sie zeigen, wendet sich diese Bildakttheorie in erster Linie gegen die Vorstellung, dass Bilder etwas Vorgängiges abbilden oder repräsentieren. Da Bilder nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv, synästhetisch und kinetisch wirken und daher den kognitiven Kontrollbereich verlassen, entwickelt Bredekamp die Bildakttheorie im Kontext aktueller Verkörperungstheorien.
Bildakte, agierende Bilder untersucht Bredekamp im weitesten Bereich der Bildgeschichte, so auch im Bereich der Politik, wo Bilder als „Verbündete oder Verräter politischer Macht“ ([Bredekamp 2010a]Literaturangabe fehlt. Ebenso wie Dubois bringt Bredekamp die Wirkmacht von Bildern mit ihrer materiellen Gegenständlichkeit in Verbindung: Allein die physische Präsenz birgt jene „aristotelische enargeia, die in jedem Artefakt eine Energiequelle wähnt, die dem Werk erlaubt, zu einer wirkenden Kraft zu werden“ ([Bredekamp 2010a]Literaturangabe fehlt. Visual History: Gerhard Paul In direktem Anschluss an Horst Bredekamp begreift Gerhard Paul im Rahmen der sich etablierenden Visual History Bilder nicht nur als Quellenmaterial, in dem Geschichte sich dokumentiert, sondern als Agenten, die Geschichte beeinflussen oder schreiben. Angeregt durch die Debatten, die sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung (1995-1999) um die Beweiskraft bzw. Manipulierbarkeit von Bildern entzündet haben, werden diese von den Geschichtswissenschaften zunehmend als Instanzen, die Wahrnehmungsmuster und Sichtweisen prägen, und als „Realität erzeugende Bildakte“ ([Paul 2010a]Literaturangabe fehlt. Auswirkungen auf andere Begriffe
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Anmerkungen
[Austin 1972a]: Austin, John L. (1972). Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart: Reclam, orig.: How to do things with Words, 1962.
[Boehm 2008a]: Boehm, Gottfried (2008). Augenmaß. Zur Genese der ikonischen Evidenz. In: Mersman, Birgit & Spies, Christian (Hg.): Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt. München: Wilhelm Fink.
[Bredekamp 2010a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20], Mark A. Halawa [14], Dr. Marion Lauschke [5] und Eva Schürmann [1] — (Hinweis) |