Bildbewusstsein und Einbildungskraft: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. November 2015, 19:12 Uhr
Hauptpunkt zu: Bild und Wahrnehmung
Zum Begriff des BildbewusstseinsWer sich einem Bild gegenübersieht, ist sich dessen in der Regel bewusst. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass eine Person bei der Wahrnehmung des Bildes eines Apfels für gewöhnlich nicht auf die Idee kommen wird, nach der dargestellten Frucht zu greifen, um anschließend in diese hineinzubeißen. Ganz im Gegenteil darf damit gerechnet werden, dass über die besondere bildliche Qualität des wahrgenommenen Objekts Klarheit besteht, insofern das, was im Modus der Bildlichkeit gegeben ist, nicht mit der leibhaftigen Präsenz des betreffenden Gegenstandes verwechselt wird. Um in unserem Beispiel zu bleiben: Der in einem Bild wahrgenommene Apfel wird gemeinhin lediglich als das Bild eines Apfels aufgefasst, nicht als der Apfel selbst, mit dem bekanntlich in ganz anderer Weise umgegangen werden kann als mit dessen bildlicher Darstellung. G. Plinius Secundus d. Ä: Naturkunde / Naturalis historia: lateinisch-deutsch. Zürich: Artemis. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 57ff.) oder die Kunst des trompe l’œil bezeugen, verweist die Fähigkeit, Bilder wie ›echte‹ Dinge erscheinen zu lassen, auf ein kontinuierliches Faszinosum der abendländischen Kulturgeschichte. Wie sind Bilder möglich? Argumente für eine semiotische Fundierung des Bildbegriffs. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 124ff., sowie ⊳ Dezeptiver und immersiver Modus). Erst im Moment der Aufdeckung der zunächst nicht als solche erfassten Illusion tritt ein Bildbewusstsein in Kraft, durch welches das wahrgenommene Objekt aus dem Raum des Realen zurücktritt, um sodann in den Modus der Bildlichkeit überführt zu werden (vgl. [Geimer 2007a]Geimer, Peter (2007). Das Bild als Spur. Mutmaßung über ein untotes Paradigma. In Spur. Spurenlesen als Orientierungstechnik und Wissenskunst, 95-120. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 103f.). Wo es ein solches Bildbewusstsein nicht gibt, gibt es auch keine Bildwahrnehmung. Oder um es mit Bernhard Rang zu sagen:
Bildlichkeit konstituiert sich mithin alleine in Korrespondenz zu einem spezifischen Bildbewusstsein. Die Frage, inwieweit Bilder – analog zum Phänomen des trompe l’œil – über ein illusorisches oder simulatorisches Potenzial verfügen, kann von daher nicht unabhängig von dem Phänomen des Bildbewusstseins diskutiert werden (Simulation / Illusion).
Der Konnex von Bildbewusstsein und EinbildungskraftWorin zeichnet sich nun die Besonderheit eines solchen Bildbewusstseins aus? Wie kommt es zustande? Welchen Bedingungen unterliegt es? Welche kognitiven und perzeptiven Kompetenzen erfordert es? Fragen wie diese nehmen in zahlreichen Zweigen der gegenwärtigen bildwissenschaftlichen Forschung einen wichtigen Stellenwert ein, darunter besonders in phänomenologischen und kognitionswissenschaftlichen Strömungen der Bildtheorie. Die Antworten auf diese Fragen können dabei höchst unterschiedlich ausfallen. Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. In Zeitschrift für Philosophische Forschung, 15, 161–176. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 174). Die Fähigkeit, Bilder zu produzieren und im Rahmen der Wahrnehmung als solche (d.h.: als Bilder und nicht als leibhaftige Objekte) zu rezipieren, wird damit an die Virulenz einer besonderen (für Jonas: spezifisch menschlichen) Einbildungskraft gekoppelt. Bildbewusstsein und Einbildungskraft wären für eine allgemeine Bildtheorie insofern vor allem im Hinblick auf die Frage nach den kognitiven und perzeptuellen Voraussetzungen einer genuinen Bildfähigkeit bzw. Bildkompetenz unabdingbare Ausgangspunkte. Doch auch diese These lässt eine Reihe von Fragen aufkommen: In welchem Verhältnis stehen Bildbewusstsein und Einbildungskraft zueinander? Gehen beide Phänomene ineinander auf oder müssen auch hier genauere Grenzen gezogen werden? Kritik der reinen Vernunft. Berlin: de Gruyter, A: 1781, B: 1787. Eintrag in Sammlung zeigen) bis heute intensiv diskutiert und im Rahmen der in dieser Sektion versammelten Unterpunkte ausführlicher erörtert werden. |
Unterpunkte
Anmerkungen
[Geimer 2007a]: Geimer, Peter (2007). Das Bild als Spur. Mutmaßung über ein untotes Paradigma. In: Krämer, S.; Kogge, W. & Grube, G. (Hg.): Spur. Spurenlesen als Orientierungstechnik und Wissenskunst. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 95-120.
[Halawa 2008a]: Halawa, Mark A. (2008). Wie sind Bilder möglich? Argumente für eine semiotische Fundierung des Bildbegriffs. Köln: Halem. [Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. Zeitschrift für Philosophische Forschung, Band: 15, S. 161–176. [Kant 1968a]: Kant, Immanuel (1968). Kritik der reinen Vernunft. Berlin: de Gruyter, A: 1781, B: 1787. [Kapust 2009a]: Kapust, Antje (2009). Phänomenologische Bildpositionen. In: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 255-283. [Plinius 2004a]: König, Roderich et al. (Hg.) (1990–2004). G. Plinius Secundus d. Ä: Naturkunde / Naturalis historia: lateinisch-deutsch. Zürich: Artemis. [Rang 1990a]: Rang, Bernhard (1990). Husserls Phänomenologie der materiellen Natur. Frankfurt/M.: Klostermann. [Wiesing 2005a]: Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [26], Mark A. Halawa [17] und Eva Schürmann [3] — (Hinweis) |