Bildbewusstsein und Einbildungskraft
Hauptpunkt zu: Bild und Wahrnehmung
Zum Begriff des BildbewusstseinsWer sich einem Bild gegenübersieht, ist sich dessen in der Regel bewusst. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass eine Person bei der Wahrnehmung des Bildes eines Apfels für gewöhnlich nicht auf die Idee kommen wird, nach der dargestellten Frucht zu greifen, um anschließend in diese hineinzubeißen. Ganz im Gegenteil darf damit gerechnet werden, dass über die besondere bildliche Qualität des wahrgenommenen Objekts Klarheit besteht, insofern das, was im Modus der Bildlichkeit gegeben ist, nicht mit der leibhaftigen Präsenz des betreffenden Gegenstandes verwechselt wird. Um in unserem Beispiel zu bleiben: Der in einem Bild wahrgenommene Apfel wird gemeinhin lediglich als das Bild eines Apfels aufgefasst, nicht als der Apfel selbst, mit dem bekanntlich in ganz anderer Weise umgegangen werden kann als mit dessen bildlicher Darstellung. Nun hat erfahrungsgemäß jede Regel eine Ausnahme. So lassen sich selbstverständlich Fälle denken, in denen einer bildbetrachtenden Person das Ziehen einer klaren Grenze zwischen artifizieller Bildpräsenz[1] einerseits und leibhaftiger Objektpräsenz andererseits offenkundig nicht gelungen ist. Es ist durchaus möglich, einem Bild gegenüberzustehen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wie die berühmte Zeuxis-Anekdote ([Plinius 2004a]Literaturangabe fehlt. Gleichwohl widerspricht diese Tatsache nicht der These, dass der Modus der Bildwahrnehmung stets an ein besonderes Bildbewusstsein gekoppelt ist; sie bestätigt sie vielmehr. Wer sich von einem trompe l’œil täuschen lässt, sieht sich offensichtlich keinem Bild, sondern einem leibhaftigen Objekt gegenüber (vgl. [Halawa 2008a]Literaturangabe fehlt.
Bildlichkeit konstituiert sich mithin alleine in Korrespondenz zu einem spezifischen Bildbewusstsein. Die Frage, inwieweit Bilder – analog zum Phänomen des trompe l’œil – über ein illusorisches oder simulatorisches Potenzial verfügen, kann von daher nicht unabhängig von dem Phänomen des Bildbewusstseins diskutiert werden (Simulation / Illusion).
Der Konnex von Bildbewusstsein und EinbildungskraftWorin zeichnet sich nun die Besonderheit eines solchen Bildbewusstseins aus? Wie kommt es zustande? Welchen Bedingungen unterliegt es? Welche kognitiven und perzeptiven Kompetenzen erfordert es? Fragen wie diese nehmen in zahlreichen Zweigen der gegenwärtigen bildwissenschaftlichen Forschung einen wichtigen Stellenwert ein, darunter besonders in phänomenologischen und kognitionswissenschaftlichen Strömungen der Bildtheorie. Die Antworten auf diese Fragen können dabei höchst unterschiedlich ausfallen. Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. In Zeitschrift für Philosophische Forschung, 15, 161–176, Wieder abgedruckt in: Jonas, Hans: Zwischen Nichts und Ewigkeit – Zur Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 26–43. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 174). Die Fähigkeit, Bilder zu produzieren und im Rahmen der Wahrnehmung als solche (d.h.: als Bilder und nicht als leibhaftige Objekte) zu rezipieren, wird damit an die Virulenz einer besonderen (für Jonas: spezifisch menschlichen) Einbildungskraft gekoppelt. Bildbewusstsein und Einbildungskraft wären für eine allgemeine Bildtheorie insofern vor allem im Hinblick auf die Frage nach den kognitiven und perzeptuellen Voraussetzungen einer genuinen Bildfähigkeit bzw. Bildkompetenz unabdingbare Ausgangspunkte. Doch auch diese These lässt eine Reihe von Fragen aufkommen: In welchem Verhältnis stehen Bildbewusstsein und Einbildungskraft zueinander? Gehen beide Phänomene ineinander auf oder müssen auch hier genauere Grenzen gezogen werden? Berücksichtigt man, dass gewöhnlich auch bei Vorstellungs-, Phantasie- oder sogar Traumbildern von dem Wirken einer Einbildungskraft die Rede ist, stellt sich zudem noch eine weitere Frage: Sind die Vorstellungen, die laut Jonas die Bedingung der Möglichkeit von bildlichen Darstellungen sein sollen, selbst schon bildhaft? Diese Frage berührt zum einen die so genannte imagery debate, die in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Kognitionswissenschaften und der Philosophie des Geistes kontrovers geführt worden ist. Zum anderen greift sie auf philosophische Probleme zurück, die spätestens seit Immanuel Kants berühmten Überlegungen zum Verhältnis zwischen Anschauung und Begriff in dessen «Kritik der reinen Vernunft» (vgl. [Kant 1968a]Literaturangabe fehlt. |
Unterpunkte
Anmerkungen
[Geimer 2007a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Halawa 2008a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. Zeitschrift für Philosophische Forschung, Band: 15, S. 161–176, Wieder abgedruckt in: Jonas, Hans: Zwischen Nichts und Ewigkeit – Zur Lehre vom Menschen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 26–43. [Kant 1968a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [26], Mark A. Halawa [17] und Eva Schürmann [3] — (Hinweis) |