Bilder als Medien: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Der Ausdruck ‘Medium’ und die damit asso­ziier­ten Begrif­fe im hier ange­sproche­nen Rahmen erhal­ten, vor allem im Laufe des 20. Jahrhun­derts, Einzug in die wissen­schaftli­chen Debat­ten. Dies wird durch die rasan­te Entwick­lung der Kommu­nika­tions- und Repro­duktions­techno­logien in dieser Zeit begüns­tigt, denn diese Techno­logien lenken den Blick von den im enge­ren Sinn syntak­tisch-mate­rialen Betrach­tungen einer­seits und den mit Bedeu­tungsphä­nome­nen (im enge­ren Sinn) befass­ten seman­tischen Betrach­tungen ande­rerseits auf eine weite­re Ebe­ne der Kommu­nika­tion, die bis dahin nur wenig Beach­tung fand. Hierbei geht es um Einflüs­se auf das Verhal­ten der Kommu­nizie­renden, die durch das Verwen­den bestimm­ter Kommu­nika­tionsfor­men auftre­ten und die von den Betei­ligten größten­teils als unter­schwellig, indi­rekt und unbe­absich­tigt empfun­den werden. Media­le Betrach­tungen stehen daher in einem engen Zusam­menhang mit [[Pragmatik, Semantik, Syntax|pragma­tischen Aspek­ten]], wobei es Letzte­ren aber in der Regel vor allem um die von den Kommu­nizie­renden ''beab­sichtig­ten'' gegen­seiti­gen Einflüs­se geht, während Medien ihre Einflüs­se eher “hinter dem Rücken der Akteu­re” entfal­ten. | ||
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+ | ==Das Auftreten der Medien== | ||
+ | Als eigentlicher Ausgangs­punkt der moder­nen Medien­debat­te kann das Auftre­ten von Film und Kino als neues Medium rela­tiv zu verschie­denen Formen der “tradi­tionel­len” unbe­wegten Bilder, der Schrift und der gespro­chenen Sprache gese­hen werden. | ||
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+ | Nachdem das 19. Jhd. mit Photo­graphie, Kine­mato­graphie und Phono­graphie die techni­schen Grundla­gen dafür gelegt hatte, auf ver­hältnis­mäßig einfa­che Art und Weise visu­elle und audi­tive Erfah­rungen zu konser­vieren, trat – im Wesent­lichen mit dem Beginn des 20. Jhds – ein neuer Blick­punkt ins Bewusst­sein der Theore­tiker, nämlich dass die Formen der Kommu­nika­tion durch die massen­hafte Repro­duktion und Verbrei­tung jener technisch-konser­vierten sinnli­chen Erfah­rungen mit jeweils spezi­fischen Neben­effek­ten einher zu gehen scheinen. Die sozia­len, psychi­schen und poli­tischen Folgen dieser Phäno­mene im Gegen­satz insbe­sonde­re zum (anschei­nend) unver­mittel­ten eige­ne Erle­ben einer­seits und der tradi­tionell stark durch ratio­nale Über­prüfungs­instan­zen regle­mentier­ten sprachli­chen Kommu­nika­tion ande­rerseits führten zu einer immer eigen­ständi­geren Debat­te unter­schwelli­ger Auswir­kungen der Art bzw. der Mittel des Kommu­nizie­rens von Erfah­rung (<bib id='Benjamin 1939a'>Benja­min 1939a</bib>). Insbe­sonde­re die Prota­gonis­ten der philo­sophi­schen Postmo­derne haben sich schließ­lich im Rahmen ihrer gene­rell eher anti-ratio­nalen Einstel­lungen den media­len Betrach­tungen gewid­met und die tradi­tionell sprachzent­rierte Philo­sophie zu “de­konstrui­eren” versucht (etwa Deleuze, Baudril­lard, Viril­lo; ⊳ auch [[Mediologie|Medio­logie]], [[Kommunikologie|Kommu­niko­logie]]). Der in diesem Zusam­menhang ausge­rufe­ne ''medial turn'' mit seiner Spiel­art ''picto­rial'', ''visua­listic'' oder ''ico­nic turn'' weist dabei zunächst vor allem auf die gewach­sene Aufmerk­samkeit hin, die den nicht-sprach­lichen, darun­ter insbe­sonde­re den Bild-Medien zuge­wachsen ist. | ||
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+ | ===Medien “avant la lettre”=== | ||
+ | Untersuchungen zu dem Verhält­nis zwischen Sprache und Bild, zwischen Laut- und Schrift­sprache oder zwischen den Gattun­gen der schönen Künste sind aller­dings bereits sehr viel früher aufge­treten und haben, ohne den Ausdruck ‘Medium’ zu gebrau­chen, Aspek­te behan­delt, die heute als medien­theore­tisch verstan­den werden. Dazu zählen insbe­sonde­re Platons Betrach­tungen, die zu einer Abwer­tung der Bilder und verwand­ter Darstel­lungsfor­men gegen­über der Sprache bei ratio­nalen Unter­nehmun­gen führten (⊳ auch [[Mimesis|Mime­sis]]), und Herders und W. v. Humboldts Auffas­sung von der Sprache als dem „bilden­den Organ des Gedan­kens“ und ihrer sprachphi­loso­phisch orien­tierten Kriti­ken an Kant. | ||
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+ | ===Das Phänomen der Massen­kommu­nika­tion als Teil­aspekt des Aus­drucks ‘Medium’=== | ||
+ | Bis ins 19. Jhd. war der Buchdruck im wesent­lichen das einzi­ge Verfah­ren, das es erlaub­te, sich mit Meinun­gen und Erfah­rungen an eine sehr große Menge räumlich und zeitlich weit verteil­ter Gegen­über zu wenden. Die theore­tische Aus­einan­derset­zung konzen­trierte sich dabei weit­gehend auf die domi­nant verwen­dete Schrift­sprache.<ref>Sie­he aber auch: Frü­he Flug­blät­ter: <bib id='Schilling 2012a'>Schil­ling 2012a</bib>.</ref> Erst die leichte techni­sche Repro­duzier­barkeit ande­rer, vor allem wahrneh­mungsnä­herer Kommu­nika­tionsfor­men, eröff­nete den Blick auf Gemein­samkei­ten massen­media­ler Kommu­nika­tion und gab so den Impuls für eine allge­meine­re, nun medien­theore­tisch genann­te wissen­schaftli­che Aus­einan­derset­zung. In der Tat wird der Ausdruck ‘Medien’ in der heuti­gen Alltags­sprache insbe­sonde­re für diese Kommu­nika­tionsfor­men gebraucht, bei der eine kleine Gruppe von Sendern sich ohne allzu große Rückmel­demög­lichkei­ten an eine sehr große Gruppe von Empfän­gern richtet.<ref>Da­bei ist zu be­ach­ten, dass der Fo­kus häu­fig ver­scho­ben ist: Wäh­rend bei Me­di­en im en­ge­ren Sinn als Ver­mitt­lungs­ins­tanz für Kom­mu­ni­ka­ti­on we­der der Sen­der noch der Emp­fän­ger als ge­nu­i­ner Teil des Me­di­ums auf­ge­fasst wird, wird beim Aus­druck ‘Mas­sen­me­di­um’ in der All­tags­spra­che meist die Sen­de-Ins­tan­zen als Teil des Me­di­ums ver­stan­den – und da­her auch als ver­ant­wort­lich für die me­di­a­len Ef­fek­te der Kom­mu­ni­ka­ti­on ge­se­hen (<bib id='Adorno & Horkheimer 1947a'>Ador­no & Hork­hei­mer 1947a</bib>). Hier­bei ver­mi­schen sich dem­nach die im en­ge­ren Sinn me­di­a­len Be­din­gun­gen und Ein­schrän­kun­gen von Kom­mu­ni­ka­ti­on und de­ren un­be­ab­sich­tig­te Aus­wir­kun­gen mit ei­gent­lich se­man­ti­schen und prag­ma­ti­schen As­pek­ten der ver­mit­tel­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on.</ref> Als »Einweg-Medien« sind sie viel­fach kriti­siert worden. Vor allem die Compu­tertech­nolo­gie hat hier neue Kommu­nika­tionsmög­lichkei­ten eröff­net, die zugleich massen­medial und ''inter­aktiv'' sind. | ||
− | < | + | ===“Neue” Medien=== |
− | [[ | + | Neben die Massenmedien sind daher in jünge­rer Zeit die so genann­ten ‘''Neuen'' Medien’ in Erschei­nung getre­ten. Gerade unter diesem Ausdruck sind Medien im Alltag beson­ders präsen­t.<ref>Es ist zu­recht häu­fig da­rauf hin­ge­wie­sen wor­den, dass ‘neu’ ei­ne stark kon­text­ab­hän­gi­ge Cha­rak­te­ri­sie­rung dar­stellt und da­her die Rede von ‘neu­en Me­di­en’ nicht be­son­ders glück­lich ge­wählt ist. Ab­ge­se­hen da­von, dass die hier an­ge­spro­che­ne Grup­pe von Me­di­en zu ei­nem be­stimm­ten his­to­ri­schen Zeit­punkt tat­säch­lich mehr oder we­ni­ger neu wa­ren, zeich­nen sie sich durch­aus auch mit an­de­ren Be­son­der­hei­ten aus, die es recht­fer­ti­gen, sie als ei­gen­stän­di­ge Teil­grup­pe von Me­di­en nä­her zu un­ter­su­chen. Das Be­son­de­re der Neu­en Me­di­en wird oft mit den fol­gen­den drei Be­grif­fen um­schrie­ben: »Ver­net­zung«, »In­ter­ak­ti­vi­tät«, »Mul­ti-Me­di­a­li­tät«.</ref> Zu der dabei fokus­sierten Gruppe von Medien zählen vor allem das Inter­net mit seinen verschie­denen Dienste (z.B. email, WWW, Chatrooms), die Handy­netze eben­falls mit mehre­ren Unter­medien (etwa SMS und MMS), sowie Compu­terspie­le und ähnli­che immer­sive Syste­me. Digi­tali­sierte Bilder spielen dabei häufig eine wichti­ge Rolle. Aller­dings verschiebt die multi­media­le Verbin­dung die Gewich­tung und eini­ge bildty­pische Aspek­te treten weni­ger deutlich, ande­re hinge­gen betont in Erschei­nung (⊳ etwa [[Cyberspace|Cyber­space]] sowie [[Hypermedien|Hyper­medien]]). |
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− | + | ===Ästhetische vs. kommu­nika­tive Aspek­te des Medien­diskur­ses=== | |
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− | + | Bei der Betrachtung von Bildern als Medien tauchen zwei deutlich zu unter­scheiden­de Medien­begrif­fe immer wieder auf, die man genauer als die ''Wahrneh­mungsme­dien'' einer­seits und die ''Kommu­nika­tionsme­dien'' ande­rerseits bezeich­nen kann. Darin spiegelt sich die Doppel­natur der Bildver­wendung wider, zu der zum einen spezi­fische Wahrneh­mungskom­peten­zen und zum ande­ren bestimm­te Kommu­nika­tionskom­peten­zen beitra­gen. | |
− | + | ===Medium und Prag­matik=== | |
− | + | Schließlich ist der ''medial turn'' im Zusammen­hang mit dem ''lingu­istic turn'' zu sehen. Der lingu­istic turn – d.h. die sprachtheo­reti­sche Wende – steht für die Erkennt­nis, dass sich Begrif­fe (als die inter­subjek­tiven Bezugs­punkte für das Über­prüfen der Geltung [[Proposition|prädi­kati­ver Äuße­rungen]]) nicht unab­hängig von Sprache bestim­men lassen. Der Ausdruck ‘medial turn’ kann als eine Erwei­terung verstan­den werden, inso­fern sprachphi­loso­phische und [[Bildanthropologie|bild­anthro­polo­gische]] Betrach­tungen darauf hindeu­ten, dass sich Sprache nicht unab­hängig von ande­ren, insbe­sonde­re wahrneh­mungsna­hen Medien­formen, hat ent­wickeln können. | |
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− | + | ==Die zentralen Fragen im Einzel­nen:== | |
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− | + | Leider stellt die Medien­wissen­schaft derzeit noch keinen auch nur halbwegs homo­gen defi­nierten, von der Mehrheit der Medien­wissen­schaftler akzep­tierten Medien­begriff zur Verfü­gung:<ref>>Sie­he auch [http://de.wikipedia.org/wiki/Medientheorie Wiki­pedia: Medien­theorie].</ref> Vielmehr bilden die in der medien­wissen­schaftli­chen Lite­ratur verwen­deten Begrif­fe im Sinne der Wittgen­steinschen Fami­lienähn­lichkei­ten ein Netz aus sehr vielen, besten­falls mehr oder weni­ger weitläu­fig, mit­einan­der verwand­ten Unter­scheidungs­krite­rien. | |
− | + | * ''''' Medien in welchem Sinn sind eigent­lich gemeint, wenn von Bildern als Medien die Rede ist?''''' | |
+ | Es kann hier nicht der Ort sein, diese miss­liche Gemen­gela­ge der rele­vanten Medien­begrif­fe zu berei­nigen. Doch soll eine gewis­se über­sichtli­che Sortie­rung die Orien­tierung erleich­tern (ohne die Vielfalt über­mäßig einzu­engen). Zu diesem Zweck führt der Hauptpunkt [[Medientheorien: Übersicht|Medien­theorien: Über­sicht]] in die medien­wissen­schaftli­chen Begriff­lichkei­ten ein. Dabei werden insbe­sonde­re die Medien­begrif­fe näher bestimmt, die für die Diskus­sion der Frage, inwie­fern Bilder Medien sind, eine Rolle spielen. | ||
− | + | * ''''' Welche unterschied­lichen Bild­medien gibt es?''''' | |
+ | Eine Aufteilung des Phänomen­bereichs “Bilder” in verschie­dene [[Bildmedien|Bild­medien]] hängt entschei­dend ab von der Art des jeweils betrachteten Medien­begriffs. | ||
+ | Als ''Kommunikationsmedien'' erfolgt eine Bestim­mung im Wesent­lichen aufgrund mate­rieller (syntak­tischer) und techni­scher Randbe­dingun­gen: In diesem Sinn bilden Film und Video verschie­dene Bildme­dien, da unter­schiedli­che Techni­ken zum Einsatz kommen und das Bildma­terial entspre­chend syntak­tisch vari­iert. | ||
− | + | Als ''Wahrnehmungsmedien'' ergibt sich die Bestim­mung vor allem über spezi­fische Eigen­heiten der betei­ligten Wahrneh­mungskom­peten­zen: In diesem Sinne bilden Dia­gramme und Holo­gramme jeweils eige­ne Bildme­dien, denn das, was abge­bildet ist, muss dabei auf je spezi­fische Weise gese­hen werden. | |
+ | * ''''' Welche Bildklassen lassen sich durch spezi­fische Verwen­dungszu­sammen­hänge bilden?''''' | ||
+ | Legt man einen weiteren, handlungs­theore­tisch gefass­ten Medien­begriff zugrun­de, erge­ben sich Klassi­fika­tionen von Bildme­dien, die weni­ger von techni­schen, mate­riellen oder appa­rati­ven Randbe­dingun­gen abhän­gen, als vielmehr von charak­teris­tischen Eigen­heiten des jeweili­gen Verwen­dungszu­sammen­hangs – die also gegen­über der syntak­tischen eine mehr pragma­tische Perspek­tive einneh­men. In einer Kirche mag etwa ein sakra­les Tafel­bild ande­re medi­ale Effek­te erzie­len als in der säku­lari­sierten Umge­bung eines Muse­ums. Damit ergibt sich eine feine­re Unter­teilung der Bild­medien in pragma­tisch bestimm­te ''Bildver­wendungs­typen''. Insbe­sonde­re wird damit ausdrück­lich ins Auge gefasst, dass ein und dersel­be Bildträ­ger in verschie­denen Verwen­dungszu­sammen­hängen als unter­schiedli­che Bilder in Erschei­nung treten kann (Kontex­tuali­sierung). | ||
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− | + | * [[Medientheorien: Übersicht]] | |
− | + | * [[Bildmedien]] | |
+ | * [[Bildverwendungstypen]] | ||
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Aktuelle Version vom 10. Februar 2014, 12:15 Uhr
Theorieperspektive im Glossar der Bildphilosophie
Der Ausdruck ‘Medium’ und die damit assoziierten Begriffe im hier angesprochenen Rahmen erhalten, vor allem im Laufe des 20. Jahrhunderts, Einzug in die wissenschaftlichen Debatten. Dies wird durch die rasante Entwicklung der Kommunikations- und Reproduktionstechnologien in dieser Zeit begünstigt, denn diese Technologien lenken den Blick von den im engeren Sinn syntaktisch-materialen Betrachtungen einerseits und den mit Bedeutungsphänomenen (im engeren Sinn) befassten semantischen Betrachtungen andererseits auf eine weitere Ebene der Kommunikation, die bis dahin nur wenig Beachtung fand. Hierbei geht es um Einflüsse auf das Verhalten der Kommunizierenden, die durch das Verwenden bestimmter Kommunikationsformen auftreten und die von den Beteiligten größtenteils als unterschwellig, indirekt und unbeabsichtigt empfunden werden. Mediale Betrachtungen stehen daher in einem engen Zusammenhang mit pragmatischen Aspekten, wobei es Letzteren aber in der Regel vor allem um die von den Kommunizierenden beabsichtigten gegenseitigen Einflüsse geht, während Medien ihre Einflüsse eher “hinter dem Rücken der Akteure” entfalten.
Das Auftreten der MedienAls eigentlicher Ausgangspunkt der modernen Mediendebatte kann das Auftreten von Film und Kino als neues Medium relativ zu verschiedenen Formen der “traditionellen” unbewegten Bilder, der Schrift und der gesprochenen Sprache gesehen werden. Nachdem das 19. Jhd. mit Photographie, Kinematographie und Phonographie die technischen Grundlagen dafür gelegt hatte, auf verhältnismäßig einfache Art und Weise visuelle und auditive Erfahrungen zu konservieren, trat – im Wesentlichen mit dem Beginn des 20. Jhds – ein neuer Blickpunkt ins Bewusstsein der Theoretiker, nämlich dass die Formen der Kommunikation durch die massenhafte Reproduktion und Verbreitung jener technisch-konservierten sinnlichen Erfahrungen mit jeweils spezifischen Nebeneffekten einher zu gehen scheinen. Die sozialen, psychischen und politischen Folgen dieser Phänomene im Gegensatz insbesondere zum (anscheinend) unvermittelten eigene Erleben einerseits und der traditionell stark durch rationale Überprüfungsinstanzen reglementierten sprachlichen Kommunikation andererseits führten zu einer immer eigenständigeren Debatte unterschwelliger Auswirkungen der Art bzw. der Mittel des Kommunizierens von Erfahrung ([Benjamin 1939a]Literaturangabe fehlt. Medien “avant la lettre”Untersuchungen zu dem Verhältnis zwischen Sprache und Bild, zwischen Laut- und Schriftsprache oder zwischen den Gattungen der schönen Künste sind allerdings bereits sehr viel früher aufgetreten und haben, ohne den Ausdruck ‘Medium’ zu gebrauchen, Aspekte behandelt, die heute als medientheoretisch verstanden werden. Dazu zählen insbesondere Platons Betrachtungen, die zu einer Abwertung der Bilder und verwandter Darstellungsformen gegenüber der Sprache bei rationalen Unternehmungen führten (⊳ auch Mimesis), und Herders und W. v. Humboldts Auffassung von der Sprache als dem „bildenden Organ des Gedankens“ und ihrer sprachphilosophisch orientierten Kritiken an Kant. Das Phänomen der Massenkommunikation als Teilaspekt des Ausdrucks ‘Medium’Bis ins 19. Jhd. war der Buchdruck im wesentlichen das einzige Verfahren, das es erlaubte, sich mit Meinungen und Erfahrungen an eine sehr große Menge räumlich und zeitlich weit verteilter Gegenüber zu wenden. Die theoretische Auseinandersetzung konzentrierte sich dabei weitgehend auf die dominant verwendete Schriftsprache.[1] Erst die leichte technische Reproduzierbarkeit anderer, vor allem wahrnehmungsnäherer Kommunikationsformen, eröffnete den Blick auf Gemeinsamkeiten massenmedialer Kommunikation und gab so den Impuls für eine allgemeinere, nun medientheoretisch genannte wissenschaftliche Auseinandersetzung. In der Tat wird der Ausdruck ‘Medien’ in der heutigen Alltagssprache insbesondere für diese Kommunikationsformen gebraucht, bei der eine kleine Gruppe von Sendern sich ohne allzu große Rückmeldemöglichkeiten an eine sehr große Gruppe von Empfängern richtet.[2] Als »Einweg-Medien« sind sie vielfach kritisiert worden. Vor allem die Computertechnologie hat hier neue Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet, die zugleich massenmedial und interaktiv sind. “Neue” MedienNeben die Massenmedien sind daher in jüngerer Zeit die so genannten ‘Neuen Medien’ in Erscheinung getreten. Gerade unter diesem Ausdruck sind Medien im Alltag besonders präsent.[3] Zu der dabei fokussierten Gruppe von Medien zählen vor allem das Internet mit seinen verschiedenen Dienste (z.B. email, WWW, Chatrooms), die Handynetze ebenfalls mit mehreren Untermedien (etwa SMS und MMS), sowie Computerspiele und ähnliche immersive Systeme. Digitalisierte Bilder spielen dabei häufig eine wichtige Rolle. Allerdings verschiebt die multimediale Verbindung die Gewichtung und einige bildtypische Aspekte treten weniger deutlich, andere hingegen betont in Erscheinung (⊳ etwa Cyberspace sowie Hypermedien). Ästhetische vs. kommunikative Aspekte des MediendiskursesBei der Betrachtung von Bildern als Medien tauchen zwei deutlich zu unterscheidende Medienbegriffe immer wieder auf, die man genauer als die Wahrnehmungsmedien einerseits und die Kommunikationsmedien andererseits bezeichnen kann. Darin spiegelt sich die Doppelnatur der Bildverwendung wider, zu der zum einen spezifische Wahrnehmungskompetenzen und zum anderen bestimmte Kommunikationskompetenzen beitragen. Medium und PragmatikSchließlich ist der medial turn im Zusammenhang mit dem linguistic turn zu sehen. Der linguistic turn – d.h. die sprachtheoretische Wende – steht für die Erkenntnis, dass sich Begriffe (als die intersubjektiven Bezugspunkte für das Überprüfen der Geltung prädikativer Äußerungen) nicht unabhängig von Sprache bestimmen lassen. Der Ausdruck ‘medial turn’ kann als eine Erweiterung verstanden werden, insofern sprachphilosophische und bildanthropologische Betrachtungen darauf hindeuten, dass sich Sprache nicht unabhängig von anderen, insbesondere wahrnehmungsnahen Medienformen, hat entwickeln können.
Die zentralen Fragen im Einzelnen:Leider stellt die Medienwissenschaft derzeit noch keinen auch nur halbwegs homogen definierten, von der Mehrheit der Medienwissenschaftler akzeptierten Medienbegriff zur Verfügung:[4] Vielmehr bilden die in der medienwissenschaftlichen Literatur verwendeten Begriffe im Sinne der Wittgensteinschen Familienähnlichkeiten ein Netz aus sehr vielen, bestenfalls mehr oder weniger weitläufig, miteinander verwandten Unterscheidungskriterien.
Es kann hier nicht der Ort sein, diese missliche Gemengelage der relevanten Medienbegriffe zu bereinigen. Doch soll eine gewisse übersichtliche Sortierung die Orientierung erleichtern (ohne die Vielfalt übermäßig einzuengen). Zu diesem Zweck führt der Hauptpunkt Medientheorien: Übersicht in die medienwissenschaftlichen Begrifflichkeiten ein. Dabei werden insbesondere die Medienbegriffe näher bestimmt, die für die Diskussion der Frage, inwiefern Bilder Medien sind, eine Rolle spielen.
Eine Aufteilung des Phänomenbereichs “Bilder” in verschiedene Bildmedien hängt entscheidend ab von der Art des jeweils betrachteten Medienbegriffs. Als Kommunikationsmedien erfolgt eine Bestimmung im Wesentlichen aufgrund materieller (syntaktischer) und technischer Randbedingungen: In diesem Sinn bilden Film und Video verschiedene Bildmedien, da unterschiedliche Techniken zum Einsatz kommen und das Bildmaterial entsprechend syntaktisch variiert. Als Wahrnehmungsmedien ergibt sich die Bestimmung vor allem über spezifische Eigenheiten der beteiligten Wahrnehmungskompetenzen: In diesem Sinne bilden Diagramme und Hologramme jeweils eigene Bildmedien, denn das, was abgebildet ist, muss dabei auf je spezifische Weise gesehen werden.
Legt man einen weiteren, handlungstheoretisch gefassten Medienbegriff zugrunde, ergeben sich Klassifikationen von Bildmedien, die weniger von technischen, materiellen oder apparativen Randbedingungen abhängen, als vielmehr von charakteristischen Eigenheiten des jeweiligen Verwendungszusammenhangs – die also gegenüber der syntaktischen eine mehr pragmatische Perspektive einnehmen. In einer Kirche mag etwa ein sakrales Tafelbild andere mediale Effekte erzielen als in der säkularisierten Umgebung eines Museums. Damit ergibt sich eine feinere Unterteilung der Bildmedien in pragmatisch bestimmte Bildverwendungstypen. Insbesondere wird damit ausdrücklich ins Auge gefasst, dass ein und derselbe Bildträger in verschiedenen Verwendungszusammenhängen als unterschiedliche Bilder in Erscheinung treten kann (Kontextualisierung). |
Anmerkungen
[Adorno & Horkheimer 1947a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Benjamin 1939a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Schilling 2012a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [42], Klaus Sachs-Hombach [3] und Emilia Didier [3] — (Hinweis) |