Bildinhalt

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Version vom 21. Dezember 2010, 13:09 Uhr von Stefan Kahl (Diskussion | Beiträge) (Engere Begriffsbestimmung)
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Unterpunkt zu: Bildsemantik


Darstellung des gr. Zusammenhangs
Den meisten Zeichenmodellen ist eine Unterscheidung zwischen Zeichen, Zeichenbedeutung und Zeichenreferenz gemeinsam, obschon diese drei Größen in den verschiedenen Modellen sehr unterschiedliche Benennungen erfahren haben. Relativ grob charakterisiert geht es hierbei (1) um den als Zeichenträger verstandenen physischen Gegenstand, (2) um die dem Gegenstand zugeschriebene Bedeutung, durch die der Zeichenträger überhaupt erst zum Zeichen wird, und (3) um den Gegenstand bzw. die Gegenstandsklasse, auf den bzw. auf die mit dem Zeichen anhand der Zeichendeutung referiert wird. Diese Dreiteilung, die sich prominent mit den Benennung "Zeichen", "Sinn" und "Bedeutung" bei Frege findet (vgl. [Frege 1892]Frege, Gottlob (1996).
Über Sinn und Bedeutung, zitiert nach der Ausgabe in: Frege, Gottlob: Funktion, Begriff, Bedeutung. Göttingen: Vandenhoeck, 40-65.

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), lässt sich auch für Bilder fruchtbar machen, bei denen entsprechend zwischen Bildträger, Bildbedeutung bzw. Bildinhalt und Bildreferenz unterschieden werden kann. In der englischsprachigen Literatur hat sich für die Bedeutungsebene des Bildes der Ausdruck "content" eingebürgert (vgl. etwa [Lopes 1996]Literaturangabe fehlt.
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), an den sich der deutsche Ausdruck "Inhalt" anlehnt.
Engere Begriffsbestimmung
Als Bildinhalt sollte derjenige Bedeutungsaspekt bei Bildern angesehen werden, der sich unmittelbar mit der intrinsischen Struktur des Bildes verbindet. Er ist auf die Sprachebene bezogen der lexikalischen Bedeutung vergleichbar und von der symbolischen wie auch von der kommunikativen Bedeutung zu unterscheiden. Der Bildinhalt ist nach Richard Wollheim dasjenige, was jemand im Bild sieht. Er verdankt sich spezifischer Wahrnehmungsmechanismen. Ob diese im Sinne von Ähnlichkeitsstandards erläutert werden können, ist eine der viel diskutierten, bisher nicht entschiedenen Fragen (vgl. [Scholz 2004]Scholz, Oliver R. (2004).
Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..

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).

Da der Inhalt eines Bildes sich immer nur in der Relation zum Betrachter einstellt, liegt er nicht objektiv fest. Bilder sind aus diesem Grunde prinzipiell vieldeutig. Gleichwohl sollten bei Bilder zur Bestimmung des Bildinhalts Adäquatheitsbedingungen angenommen werden. Betrachten wir als Beispiel das in der Gestaltpsychologie oft beschriebene Phänomen des Kippbildes, bei dem Figur und Hintergrund vertauscht werden können. Jemand sieht in einem Bild einen Kelch. Ein zweiter sieht in dem Bild zwei Gesichter im Profil. Vermutlich werden sie sich sehr schnell einigen, dass beide Interpretationen korrekte Interpretationen sind, sofern sie auf die wesentlichen Entsprechungen hinweisen (d. h. Teile des Bildes herausgreifen) und darlegen können, dass ein bestimmter Linienabschnitt nasenförmig ist (den Begriff der Nase veranschaulicht) oder (in diesem Fall zugleich) einen Teil der Kontur eines Kelches darstellt. Sieht ein Dritter in dem Bild einen Elefanten, so ist dies nur dann als korrekte Interpretation zu werten, wenn er ebenfalls auf relevante Entsprechungen hinweisen kann. Die Tatsache, dass wir Unterschiedliches in einem Bild sehen können, ergibt sich der Ähnlichkeitstheorie zufolge daraus, dass verschiedene Dinge unter entsprechenden Perspektiven identische Wahrnehmungen erzeugen. Obschon dies der Regelfall ist, wird und die Vieldeutigkeit des Bildinhaltes oft nicht bewusst, weil die Kontextbedingungen eine bestimmte Interpretation als besonders relevant auszeichnen. Sie spezifizieren den Inhalt eines Bildes innerhalb einer bestimmten Interpretationsumgebung. Es lassen sich hierzu wenigstens drei Fälle unterscheiden. Der Bildinhalt wird durch Kotext, Kontext und Typikalität beeinflusst. Unter „Kotext“ ist die Summe der Elemente gemeint, die sich innerhalb der Bildfläche (bei Filmen auch zwischen verschiedenen Bildern) ausmachen lassen und die etwa durch einen Rahmen begrenzt werden. Einen Linienabschnitt als nasenförmig einzustufen ergibt sich demnach aus dem Zusammenhang, in den er eingebettet ist. Entsprechend kann ein und dasselbe Bildelement in unterschiedlichen Zusammenhängen nach dem Prinzip der Nähe als Unterschiedliches gesehen werden. Bildwahrnehmung ist daher wesentlich Gestaltwahrnehmung. Der Kotext ließe sich in verschiedene Ebenen gliedern. Die Organisation der Formelemente nach Gestaltgesetzen ist hierbei sehr grundsätzlich, interpretationseinschränkend wirkt aber auch die Einordnung der Gestalten in das Bildganze, das etwa als Landschaftsdarstellung erkannt wird. Hier scheinen dem hermeneutischen Zirkel analoge Prozesse abzulaufen, in denen sich der Gesamtzusammenhang und die einzelnen Elemente gegenseitig bestimmen. In ähnlicher Weise schränkt der Bildkontext die Interpretationsmöglichkeiten ein. „Kontext“ ist hier im engeren Sinne zu verstehen. Er enthält alle relevanten Aspekte der physischen Bildumgebung. Insbesondere formreduzierte Darstellungen können in verschiedenen Umgebungen unterschiedlich wahrgenommen werden. Das Piktogramm eines Lautsprechers ließe sich beispielsweise in einem Hutgeschäft als Darstellung von Strohhüten interpretieren, wenn es um 90° gedreht würde. Auch der Bildkontext liefert demnach einen Interpretationshorizont, der es ermöglich, den Inhalt eines Bildes in unterschiedlicher Weise zu bestimmen. Auf Grund dominanter Kontextbedingungen geraten die meisten möglichen Interpretationen in der Regel aber gar nicht erst in den Blick.

Wichtig bei der Kategorisierung dessen, was wir im Bild sehen, ist schließlich auch, wie typisch die dargestellten Eigenschaften für eine Gegenstandsklasse sind. Deshalb korreliert nur sehr eingeschränkt ein niedriger Detaillierungsgrad mit einem großen Interpretationsspielraum. Ob die Strichzeichnung eines Fisches als Darstellung eines Haifisches gilt, hängt davon ab, ob die Eigenschaften dargestellt sind, Haifische auszeichnen, etwa die besondere Form der Flosse oder der Zähne. Sind diese in der Darstellung erkennbar, wird die entsprechende Klassifikation auch dann vorgenommen, wenn andere Eigenschaften fehlen oder sogar falsch dargestellt wurden. Das trifft selbst auf die Darstellung individueller Gesichtszüge zu. Ob nur irgendein Gesicht oder ein bestimmtes Gesicht veranschaulicht werden soll, kann durch die Darstellung spezifischer Eigenschaften nahegelegt werden. Die angemessene Interpretation hängt dann freilich davon ab, ob die entsprechenden Wahrnehmungskompetenzen vorliegen. Was wir im Bild sehen, ist folglich durch mentale Prototypen eingeschränkt, in denen bestimmte Eigenschaften als typisch ausgewiesen sind und somit als relevant für die Ähnlichkeitsbeziehung gelten. Diese Typikalitätserwägungen sind nicht nur individuell variabel, sondern zudem kulturellen Standards unterworfen. Je nach Lebenswelt können zudem unterschiedliche Eigenschaften für typisch gehalten werden (vgl. [Blanke 2003, 96]Blanke, Börries (2003).
Vom Bild zum Sinn. Das ikonische Zeichen zwischen strukturalistischer Semiotik und analytischer Philosophie. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag, Reihe Bildwissenschaft, Bd. 4.

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). Insofern wird der Bildinhalt zwar entscheidend durch Wahrnehmungsmechanismen bestimmt, diese unterlegen aber durchaus kulturellen Prägungen.
optional Beispiele
Auswirkungen auf andere Begriffe
Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Blanke 2003, 96]: Blanke, Börries (2003). Vom Bild zum Sinn. Das ikonische Zeichen zwischen strukturalistischer Semiotik und analytischer Philosophie. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag, Reihe Bildwissenschaft, Bd. 4.

[Frege 1892]: Frege, Gottlob (1996). Über Sinn und Bedeutung, zitiert nach der Ausgabe in: Frege, Gottlob: Funktion, Begriff, Bedeutung. Göttingen: Vandenhoeck, 40-65. [Lopes 1996]:
Literaturangabe fehlt.
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[Scholz 2004]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl..


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Klaus Sachs-Hombach

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