Bildmontage

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Einleitung

Der Begriff der Bildmontage bezieht sich sowohl auf Techniken der Malerei und Fotografie als auch auf solche des Films, durch die einzelne Bildelemente oder filmische Einstellungen miteinander kombiniert werden. In die Begrifflichkeit der Montage spielt zudem die künstlerische Form der Collage (frz. coller = kleben) hinein. Diese ist eine Technik der bildenden Kunst, bei der durch Aufkleben verschiedene Elemente, Materialien oder Objekte kombiniert werden, wodurch ein neues Ganzes geschaffen wird. Während eine Collage gemeinhin aus einer Anhäufung von Texten oder Bildern besteht, so handelt es sich um eine Assemblage, wenn hauptsächlich plastische Objekte zu einer neuen sinnbildenden Einheit zusammengefügt werden - dabei können bildhafte Kunstwerke mit reliefartiger Oberfläche oder auch dreidimensionale Objekte bzw. Skulpturen entstehen.


Montage im Bild

In der Montage im Bild oder der Collage werden Elemente aus Bildern, wie z.B. Ausschnitte aus Zeitungen, miteinander kombiniert. Das so entstandene Bild bildet eine neue Komposition und kann damit Träger einer Aussage werden, die nicht in den einzelnen Teilen des Bildes enthalten war.

Vorläufer der Collage finden sich in Japan, wo Kalligraphen im 12. Jahrhundert dazu übergingen, Werke von Dichtern auf Bögen zu schreiben, die mit leicht ferbigen Papieren beklebt waren. Diese Kompositionen, die mit unterschiedlichen Motiven versehen sind (dabei werden gerissene oder ausgeschnittene Konturen mit dem Pinsel übertuscht, um etwa Berge oder Flüsse anzudeuten). Im 13. Jahrhundert kommen im Orient Schnittkünste auf, die zusehends zur Collage führen. So entsteht in Persien der Lederschnitt, der im 15. Jahrhundert seine Glanzzeit erlebt und schließlich vom Papierschnitt abgelöst wird (vgl. [Wescher 1968a]Wescher, Herta (1968).
Die Collage / Geschichte eines künstlerischen Ausdrucksmittels. Köln: DuMont Schauberg.

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: S. 7). Im 17. und 18. Jahrhundert entfaltet sich diese Technik in der Kirchen- und Klosterkunst, wo sie kunstvoll weiterentwickelt und schließlich so bekannt wird, dass sie von der Populärkultur vereinnamt wird (als Aschenbecher oder Zigarettenbinden).

Abseits der Collage und ihrer Vorformen finden sich noch Vorläufer der Montage, die nicht auf einem tatsächlich Schnitt oder Riss beruhen. Das 1591 entstandene Bild Vertumnus von Giuseppe Arcimboldo kann dazu gezählt werden. Auf diesem Bild ist eine Ansammlung von Blumen, Früchten und Gemüse zu sehen, die sich zu einem Portrait von Rudolf II. zusammenfügen. Außerdem ist hier an die Vedutenmalerei ab dem 17. Jahrhundert zu denken, in der man Teile verschiedener Landschaften zu einem einheitlichen Bild zusammenführte.

Einzug in die Kunst erhält die Collage wieder mit Pablo Picasso, der in seinem kubistischen Stilleben Nature morte à la chaise cannée (1912) ein Stück Wachstuch einklebt. Hier erlebt die Collage eine erneute Weiterentwicklung - neben alltäglichen Gegenständen werden auch Druckbuchstaben und Ziffern in die Bilder aufgenommen. Sowohl in der Malerei als auch in der Literatur und Lyrik setzt sich die Collage als künstlerische Technik mit dem Futurismus vor allem in Italien, dem Expressionismus in Deutschland und um 1912 auch in Russland durch. Hier wird sie u.a. von Kasimir Malewitsch aufgegriffen, der darüber seinen Suprematismus entwickelt. Sie geht schließlich (mehr dazu unten) durch die Arbeiten von Lew Kuleschow und Alexandr Rodtschenko in die Fotomontage über, die mit der kinematographischen Montage in einer engen Wechselbeziehung steht.

Montage im Film

Die Montage im Film beschreibt einerseits die Gestaltung der einzelnen Einstellung, andererseits bezeichnet sie vor allem die Aneinanderreihung einzelner Einstellungen zu einer Sequenz. Innerhalb der Komposition einzelner Einstellung kann ein Montage zweier Bilder durch Doppelbelichtung erzeugt werden, doch auch die Kombination verschiedener Bildelemente ist hier möglich. In den Anfängen des Films wurden vor allem Rückprojektionen aus ökonomischen Zwecken genutzt, um z.B. zuvor aufgenommene Landschaften als Hintergründe für Szenen in Studioräumen zu nutzen. Dabei standen die Schauspieler vor einer Leinwand, auf welche der Film einer Wüste o.ä. von hinten projiziert wurde. So konnte sichergestellt werden, dass keine Schattenwürfe der Akteure die Illusion störten. Diese Technik wurde weiterentwickelt und findet im digitalen Zeitalter ihre Entsprechung in der Green- bzw. Bluescreen-Technik. Diese Techniken werden wiederum mit dem Compositing (engl.: Zusammensetzung) in Zusammenhang gebracht, welches zwei oder mehr getrennt voneinander aufgenommene oder erzeugte Bildelemente zu einem stimmigen Bild bzw. einer Einstellung zusammenführt.

Die Filmmontage, verstanden als das Aneinanderkleben einzelner Einstellungen oder shots als kleinster sinnhafter Einheiten des Films, hat ihren theoretischen Ursprung in den Montage-Experimenten, die Ende 1910 und in den frühen 1920er Jahren vom sowjetischen Regisseur Kuleschow durchgeführt worden sind. Kuleschow stellte die These auf, dass die Montage – verstanden als die Gliederung des Films – einzelner Einstellungen wichtiger sei als die Art und Weise wie die Einstellungen aufgenommen wurden. So schnitt er u.a. drei unterschiedliche Einstellungen mit dem Gesicht des Schauspielers Iwan Mosschuchin zusammen, was den Zuschauer - je nach Kombination - unterschiedliche Gesichtsausdrücke erkennen ließ, obwohl die Aufnahme von Mosschuchin immer dieselbe blieb (vgl. [Beller 2005a]Beller, Hans (2005).
Aspekte der Filmmontage - Eine Art Einführung.
In Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts, 9-33.

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: S. 20ff.). Der praktische Ursprung der Montage liegt noch etwas weiter zurück und ist das Produkt eines Zufalls: Während einer Filmaufnahme des französischen Künstlers George Méliès verfing sich der Film in der Kamera, und Méliès konnte erst mit einer einminütigen Verzögerung weiterkurbeln. In dieser Zeit hatten sich Passanten und Automobile bewegt, und Méliès sah zu seiner Verwunderung, „daß aus dem Omnibus Madeleine-Bastille ein Leichenwagen und aus Männern Frauen geworden waren“ (zitiert nach [Ebert 1979a]Ebert, Jürgen (1979).
Montage Editing Schnitt. In Filmkritik, 12, 547-558.

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: S. 558).

Durch diesen Zufall wurde die Möglichkeit entdeckt, verschiedene Einstellungen von differenten Szenarien und Objekten aneinander zu fügen und aufeinander zu projizieren. Dieses Prinzip erlaubte es durch die Kombination unterschiedlicher Einstellungen eine neue Aussage zu evozieren. Innerhalb der sowjetischen Montagetheorie wurden der Montage unterschiedliche Aufgaben zugeschrieben. Während Vsevolod Pudovkin die Produktion von Kontinuität bzw. Kohärenz und die Erzeugung eines synthetischen Ganzes als Aufgabe der Montage in den Vordergrund stellte – einen Gedanke, den er von David W. Griffith übernommen hatte –, betont Sergei Eisenstein das Konfliktpotential der Montage. Indem sie zwei Einstellungen kollidieren lässt, zwingt sie den Zuschauer diese in seinem Kopf zu synthetisieren. Daher geht es Eisenstein auch weniger um psychologische Stimmigkeit und die Überzeugungskraft der Bilder, sondern vor allem um die Erzeugung von Gedankenbildern und Begriffen im Kopf des Zuschauers durch die Montage.

Im angelsächsischen Raum setzte sich Eisensteins Montagegedanke jedoch nicht durch, hier setzte man ab 1910 auf eine filmisch kohärente Erzählweise, die man mit dem Begriff continuity beschrieb. Hier geht es vor allem darum, Figuren- und Kamerabewegungen verschiedener Einstellungen so zu kombinieren, dass dem Zuschauer einerseits eine raum-zeitliche Orientierung möglich ist und andererseits seine Aufmerksamkeit gelenkt werden kann. Im so genannten continuity system werden Raumgefüge und Zeitverläufe ohne abrupte Sprünge von Einstellung zu Einstellung konstruiert. Diese 'weiche' Montageform wurde zum Markenzeichen der Filme des Classical Hollywood und ist auch in der aktuellen Produktion moderner Filme noch wirksam (vgl. [Beller 2005a]Beller, Hans (2005).
Aspekte der Filmmontage - Eine Art Einführung.
In Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts, 9-33.

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: S. 18f.).
Auswirkungen auf andere Begriffe


Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Beller 2005a]: Beller, Hans (2005). Aspekte der Filmmontage - Eine Art Einführung. In: Beller, H. (Hg.): Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts. München: TR-Verlagsunion, S. 9-33.

[Ebert 1979a]: Ebert, Jürgen (1979). Montage Editing Schnitt. Filmkritik, Band: 12, S. 547-558. [Wescher 1968a]: Wescher, Herta (1968). Die Collage / Geschichte eines künstlerischen Ausdrucksmittels. Köln: DuMont Schauberg.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Patrick Kruse

Lars Grabbe

Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [20], Joerg R.J. Schirra [17], Patrick Kruse [12], Lars Grabbe [11], Eva Schürmann [4] und Franziska Kurz [2] — (Hinweis)