Bildmorphologie: Unterschied zwischen den Versionen

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==Einordnung der Bildmorphologie==
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==Einordnung der Bildmor&shy;pholo&shy;gie==
Der Ausdruck ‘Bildmorphologie’ wird im allgemeinen nicht mit einer spezifischen, von ‘[[Bildgrammatik]]’ oder ‘[[Komposition|Bildkomposition]]’ verschiedenen Bedeutung gebraucht. Angesprochen wird mit all diesen Termini eine analytische Betrachtung des [[Bildobjekt / Bildträger|Bildträgers]] als zusammengesetzt aus für die Bildfunktion relevanten, im wesentlichen durch visuell wahrnehmbare Eigenschaften bestimmten Teilen, die auch in anderen Bildträgern, die sich durch die Zusammenstellung der Teile unterscheiden, Verwendung finden können. Es ist die Zusammenstellung der Teile zu einem Ganzen, die zusammen mit anderen ([[Pragmatik, Semantik, Syntax|nicht-syntaktischen]]) Faktoren die [[Identitätskriterien für Bildträger|(Typ-) Identität des Bildträgers]] und damit letztlich auch die möglichen Verwendungen des Bildträgers als Bild determiniert.
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Der Ausdruck ‘Bildmorphologie’ wird im allge&shy;meinen nicht mit einer spezi&shy;fischen, von ‘[[Bildgrammatik|Bildgram&shy;matik]]’ oder ‘[[Komposition|Bildkom&shy;posi&shy;tion]]’ verschie&shy;denen Bedeu&shy;tung gebraucht. Ange&shy;sprochen wird mit all diesen Termi&shy;ni eine ana&shy;lyti&shy;sche Betrach&shy;tung des [[Bildobjekt / Bildträger|Bildträ&shy;gers]] als zusam&shy;menge&shy;setzt aus für die Bildfunk&shy;tion rele&shy;vanten, im wesent&shy;lichen durch visu&shy;ell wahrnehm&shy;bare Eigen&shy;schaften bestimm&shy;ten Teilen, die auch in ande&shy;ren Bildträ&shy;gern, die sich durch die Zusam&shy;menstel&shy;lung der Teile unter&shy;scheiden, Verwen&shy;dung finden können. Es ist die Zusam&shy;menstel&shy;lung der Teile zu einem Ganzen, die gemein&shy;sam mit ande&shy;ren ([[Pragmatik, Semantik, Syntax|nicht-&#8203;syntak&shy;tischen]]) Fakto&shy;ren die [[Identitätskriterien für Bildträger|(Typ-) Iden&shy;tität des Bildträ&shy;gers]] und damit letztlich auch die mögli&shy;chen Verwen&shy;dungen des Bildträ&shy;gers als Bild deter&shy;miniert.
 
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Allerdings legt es die Unterscheidung von im engeren Sinne grammatischen gegenüber morphologischen Aspekten bei der Betrachtung von Sprache (⊳ [[Morphologie und Syntax]]) nahe, den Ausdruck ‘Bildmorphologie’ mit einem spezifischeren Sinn aufzuladen und ihn so von der Bildgrammatik (die eben damit zu einer ''Bildgrammatik im engeren Sinn'' wird) abzuheben. Die Bildgrammatik im engeren Sinn versucht vor allem syntaktische Kompositionalität bei Bildern im Sinne der formalen (Chomsky-) Grammatiken nachzuweisen, die die Unterscheidung von »Satz« und »Wort« voraussetzen<ref>Das bedeutet: Die [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zeichen dieser Zeichensysteme]] werden als aus [[Interaktion und Kommunikation|kommunikativ]] wirkenden Einheiten zusammengesetzt verstanden, denen zumindest zum Teil selbst wiederum Zeichencharakter zukommt. Eine Komposition aus kommunikativen Elementen, die nicht bereits selber Zeichen sind, wird dabei nicht berücksichtigt.</ref> und durch ein begrenztes Set von Ersetzungsregeln über einer endlichen Menge von Satzkonstituenten als Zwischenstufen („nonterminale Symbole“, etwa ‘Nominalphrase’) aus endlichen vielen Wörtern (im ''mentalen Lexikon'') auf eindeutige Weise unendlich viele Sätze abzuleiten oder zu analysieren gestatten (<bib id='Chomsky 1957a'></bib>). Dagegen ist eine Bildmorphologie im hier verwendeten Sinn an einer syntaktischen Bildkompositionalität anderer Art interessiert: Können Bildträger mithilfe allgemeiner Gruppierungsregeln – etwa analog zu den wesentlich “weicheren”, im geometrischen Kontinuum wirkenden [[Gestalt]]gesetzen – als aus “piktorialen Primitiven” bestehend beschrieben werden, die nicht bereits als Zeichen (Wörter) begriffen werden und aus einer möglicherweise unbegrenzten Grundmenge stammen, wobei auch die Bedingung der Eindeutigkeit der Ableitung abgeschwächt sein könnte? In Analogie zu den Wortbildungsregeln bei extrem [[Morphologie und Syntax#Isolierende, polysynthe­tische, fusio­nieren­de und agglu­tinie­rende Sprach­syste­me|polysynthetisch-fusionierenden]] Sprachen, ohne dabei aber schon vorauszusetzen, dass eine Anwendung der Unterscheidung zwischen »Satz« und »Wort« auf bildhafte Zeichensysteme sinnvoll sei, müsste eine solche Bildmorphologie der charakteristischen Eigenschaft der [[Syntaktische Dichte|syntaktischen Dichte]] von bildlichen Zeichensystemen gerecht werden.
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Allerdings legt es die Unterschei&shy;dung von im enge&shy;ren Sinne gramma&shy;tischen gegen&shy;über morpho&shy;logi&shy;schen Aspek&shy;ten bei der Betrach&shy;tung von Sprache (⊳ [[Morphologie und Syntax|Morpho&shy;logie und Syntax]]) nahe, den Ausdruck ‘Bildmor&shy;pholo&shy;gie’ mit einem spezi&shy;fische&shy;ren Sinn aufzu&shy;laden und ihn so von der Bildgram&shy;matik (die eben damit zu einer ''Bildgram&shy;matik im enge&shy;ren Sinn'' wird) abzu&shy;heben. Die Bildgram&shy;matik im enge&shy;ren Sinn versucht vor allem syntak&shy;tische Kompo&shy;sitio&shy;nali&shy;tät bei Bildern im Sinne der forma&shy;len (Chomsky-) Gramma&shy;tiken nachzu&shy;weisen, die die Unter&shy;scheidung von&#8203; »Satz«&#8203; und&#8203; »Wort«&#8203; voraus&shy;setzen<ref>Das be&shy;deu&shy;tet: Die [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zei&shy;chen die&shy;ser Zei&shy;chen&shy;sys&shy;te&shy;me]] wer&shy;den als aus [[Interaktion und Kommunikation|kom&shy;mu&shy;ni&shy;ka&shy;tiv]] wir&shy;ken&shy;den Ein&shy;hei&shy;ten zu&shy;sam&shy;men&shy;ge&shy;setzt ver&shy;stan&shy;den, de&shy;nen zu&shy;min&shy;dest zum Teil selbst wie&shy;de&shy;rum Zei&shy;chen&shy;cha&shy;rak&shy;ter im sel&shy;ben Sys&shy;tem zu&shy;kommt. Ei&shy;ne Kom&shy;po&shy;si&shy;ti&shy;on aus kom&shy;mu&shy;ni&shy;ka&shy;ti&shy;ven Ele&shy;men&shy;ten, die nicht be&shy;reits sel&shy;ber Zei&shy;chen sind, wird da&shy;bei nicht be&shy;rück&shy;sich&shy;tigt.</ref> und durch ein begrenz&shy;tes Set von Erset&shy;zungsre&shy;geln über einer endli&shy;chen Menge von Satzkon&shy;stitu&shy;enten als Zwischen&shy;stufen („nonter&shy;mina&shy;le Symbo&shy;le“, etwa ‘Nomi&shy;nalphra&shy;se’) aus endlich vielen Wörtern (im ''menta&shy;len Lexi&shy;kon'') auf eindeu&shy;tige Weise unend&shy;lich viele Sätze abzu&shy;leiten oder zu ana&shy;lysie&shy;ren gestat&shy;ten (<bib id='Chomsky 1957a'></bib>; <bib id='Sachs-Hombach 1999a'>Sachs-&#8203;Hom&shy;bach 1999a</bib>).<ref>Ge&shy;nau ge&shy;nom&shy;men ist da&shy;her die Fra&shy;ge nach der Bild&shy;gram&shy;ma&shy;tik nicht auf ein Bild&shy;''al&shy;pha&shy;bet'' ge&shy;rich&shy;tet, son&shy;dern eher auf ein “men&shy;ta&shy;les Le&shy;xi&shy;kon” zu ei&shy;ner end&shy;li&shy;chen Men&shy;ge von “Bild&shy;wör&shy;tern”.</ref> Dage&shy;gen ist eine Bildmor&shy;pholo&shy;gie im hier verwen&shy;deten Sinn an einer syntak&shy;tischen Bildkom&shy;posi&shy;tiona&shy;lität ande&shy;rer Art inte&shy;ressiert: Können Bildträ&shy;ger mithil&shy;fe allge&shy;meiner Gruppie&shy;rungsre&shy;geln – etwa ana&shy;log zu den wesent&shy;lich “weiche&shy;ren”, im geomet&shy;rischen Konti&shy;nuum wirken&shy;den [[Gestalt|Gestalt&shy;geset&shy;zen]] – als aus “pikto&shy;rialen Primi&shy;tiven” beste&shy;hend beschrie&shy;ben werden, die nicht bereits als Zeichen (Wörter) gelten und aus einer mögli&shy;cherwei&shy;se unbe&shy;grenzten Grundmen&shy;ge stammen, wobei auch die Bedin&shy;gung der Eindeu&shy;tigkeit der Ablei&shy;tung abge&shy;schwächt sein könnte? In Ana&shy;logie zu den Wortbil&shy;dungsre&shy;geln bei extrem [[Morphologie und Syntax#Isolierende, polysynthe­tische, fusio­nieren­de und agglu­tinie­rende Sprach­syste­me|poly&shy;synthe&shy;tisch-&#8203;fusio&shy;nieren&shy;den]] Sprachen, ohne dabei aber schon voraus&shy;zuset&shy;zen, dass eine Anwen&shy;dung der Unter&shy;scheidung zwischen&#8203; »Satz«&#8203; und&#8203; »Wort«&#8203; auf bildhaf&shy;te Zeichen&shy;syste&shy;me sinnvoll sei, müsste eine solche Bildmor&shy;pholo&shy;gie der charak&shy;teris&shy;tischen Eigen&shy;schaft der [[Syntaktische Dichte|syntak&shy;tischen Dichte]] von bildli&shy;chen Zeichen&shy;syste&shy;men gerecht werden.
 
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Besitzen Bilder eine solche Kompositionalität, so sind sie, obschon ebenfalls komplexe Zeichensysteme, sehr deutlich von Sprachzeichensystemen unterschieden (⊳ [[Ikonische Differenz]]). Ihnen fehlt die Aufgliederung der einzelnen [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem#Sprachliche Zeichen|Gesamtzeichenhandlungen]] in partiell unabhängige, wenn auch im Sinne Freges mehr oder minder ungesättigte, d.h. immer Ergänzungen bedürfender Teil''zeichen''handlungen – eben den Wörtern. Insbesondere bleibt dabei offen, ob die Verwendung isolierter syntaktischer Elemente bildhafter Zeichensysteme immer selbst bereits ungesättigte ''Zeichen''handlungen sind.
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Lässt sich eine solche morpho&shy;logi&shy;sche Bildkom&shy;posi&shy;tiona&shy;lität ratio&shy;nal einfüh&shy;ren, so sind Bilder, obschon eben&shy;falls komple&shy;xe Zeichen&shy;syste&shy;me, sehr deutlich von Sprachzei&shy;chensys&shy;temen unter&shy;schieden (⊳ [[Ikonische Differenz|Iko&shy;nische Diffe&shy;renz]]). Ihnen fehlt die Aufglie&shy;derung der einzel&shy;nen [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem#Sprachliche Zeichen|Gesamt&shy;zeichen&shy;handlun&shy;gen]] in partiell unab&shy;hängi&shy;ge, wenn auch im Sinne Freges mehr oder minder unge&shy;sättig&shy;te, d.h. immer Ergän&shy;zungen bedür&shy;fender Teil&shy;''zeichen''&shy;handlun&shy;gen – eben den Wörtern. Insbe&shy;sonde&shy;re bleibt dabei offen, ob die Verwen&shy;dungen iso&shy;lierter syntak&shy;tischer Ele&shy;mente bildhaf&shy;ter Zeichen&shy;syste&shy;me immer selbst bereits unge&shy;sättig&shy;te ''Zeichen''&shy;handlun&shy;gen sind.
 
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Sicherlich lassen sich die für ein Objekt in seiner Funktion ''als Bildträger'' relevanten physischen Eigenschaften vor allem in der visuell wahrnehmbaren geometrischen Anordnung von Farbflächen finden. In diesem Sinn können die syntaktischen Elemente, in die bei einer [[Eigenwerte, Abbildungswerte und Darstellungswerte syntaktischer Einheiten|eigenwertlichen Betrachtung der Bildsyntax]] der Bildträger zerlegt wird, als piktoriale morphologische Elemente betrachtet werden. Diese sind über ihren Eigenwert hinaus weder notwendiger Weise mit einer bestimmten Bedeutung – einem bestimmten Abbildungswert aufgeladen, noch kommt ihnen unbedingt eine genau definierte pragmatische Funktion – ein festgelegter Darstellungswert – zu.
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Sicherlich lassen sich die für ein Objekt in seiner Funktion ''als Bildträ&shy;ger'' rele&shy;vanten physi&shy;schen Eigen&shy;schaften vor allem in der visu&shy;ell wahrnehm&shy;baren geome&shy;trischen Anord&shy;nung von Farbflä&shy;chen finden. In diesem Sinn können die syntak&shy;tischen Ele&shy;mente, in die bei einer [[Eigenwerte, Abbildungswerte und Darstellungswerte syntaktischer Einheiten|eigen&shy;wertli&shy;chen Betrach&shy;tung der Bildsyn&shy;tax]] der Bildträ&shy;ger zerlegt wird, als pikto&shy;riale morpho&shy;logi&shy;sche Elemente betrach&shy;tet werden. Diese sind über ihren Eigen&shy;wert hinaus weder notwen&shy;diger Weise mit einer bestimm&shy;ten Bedeu&shy;tung – einem bestimm&shy;ten Abbil&shy;dungswert aufge&shy;laden, noch kommt ihnen unbe&shy;dingt eine genau defi&shy;nierte pragma&shy;tische Funktion – ein festge&shy;legter Darstel&shy;lungswert – zu.
  
==Visuelle Gestalten, Coloreme und Pixeme==
 
  
[[Datei:Arnkerrthe-Traum (Gloria Temarre Petyarre).jpg|thumb|Abbildung 1: Als Beispiel: Gloria Temarre Petyarre: «Arnkerrthe(Berg-Teufel-Eidechse)-Traum»]]
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==Visuelle Gestalten, Colo&shy;reme und Pixe&shy;me==
Kurz gefasst bilden also genau die Entitäten, in die der Bildträger – oder genauer: der durch [[Rahmung, Rahmen|Rahmung]] ausgezeichnete Teil seiner Oberfläche – in der visuellen Wahrnehmung eingeteilt erscheint, das morphologische Repertoire bei Bildern. Psychologisch wird diese Einteilung durch die Gestaltgesetze bestimmt: Sie determinieren, welche Raumstellen als zusammenhängend gesehen werden, und zwar nicht nur im Sinne eines in sich ungeteilten, gleichfarbigen und zusammenhängenden Gebiets, sondern auch im Sinne von Gruppierungen höherer Ordnung, etwa ''Folgen'' von gleichfarbigen Strichen. Dies führt beispielsweise in Abbildung 1 dazu, dass neben den roten, braunen, schwarzen, gelben und weißen Elementargebieten auch die Gruppen von gelb- bzw. weiß-gefassten, dunkel gefüllten Bögen und Balken als zusammengehörige visuelle Gestalten wahrgenommen werden.  
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[[Datei:Arnkerrthe-Traum (Gloria Temarre Petyarre).jpg|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 1: Als Bei&shy;spiel: Glo&shy;ria Te&shy;mar&shy;re Pe&shy;tyar&shy;re: «Arn&shy;kerrt&shy;he&#8203;(Berg-&#8203;Teufel-&#8203;Eidechse)-&#8203;Traum»]]
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Kurz ge&shy;fasst bil&shy;den al&shy;so ge&shy;nau die En&shy;ti&shy;tä&shy;ten, in die der Bild&shy;trä&shy;ger – oder ge&shy;nau&shy;er: der durch [[Rahmung, Rahmen|Rah&shy;mung]] aus&shy;ge&shy;zeich&shy;ne&shy;te Teil sei&shy;ner Ober&shy;flä&shy;che – in der vi&shy;su&shy;el&shy;len Wahr&shy;neh&shy;mung ein&shy;ge&shy;teilt er&shy;scheint, das mor&shy;pho&shy;lo&shy;gi&shy;sche Re&shy;per&shy;toire bei Bil&shy;dern. Psy&shy;cho&shy;lo&shy;gisch wird die&shy;se Ein&shy;tei&shy;lung durch die Ge&shy;stalt&shy;ge&shy;set&shy;ze be&shy;stimmt: Sie de&shy;ter&shy;mi&shy;nie&shy;ren, wel&shy;che Raum&shy;stel&shy;len als zu&shy;sam&shy;men&shy;hän&shy;gend ge&shy;se&shy;hen wer&shy;den, und zwar nicht nur im Sin&shy;ne ei&shy;nes in sich un&shy;ge&shy;teil&shy;ten, gleich&shy;far&shy;bi&shy;gen und zu&shy;sam&shy;men&shy;hän&shy;gen&shy;den Ge&shy;biets, son&shy;dern auch im Sin&shy;ne von Grup&shy;pie&shy;run&shy;gen hö&shy;he&shy;rer Ord&shy;nung, et&shy;wa ''Fol&shy;gen'' von gleich&shy;far&shy;bi&shy;gen Stri&shy;chen. Dies führt bei&shy;spiels&shy;wei&shy;se in Ab&shy;bil&shy;dung 1 da&shy;zu, dass ne&shy;ben den ro&shy;ten, brau&shy;nen, schwar&shy;zen, gel&shy;ben und wei&shy;ßen Ele&shy;men&shy;tar&shy;ge&shy;bie&shy;ten auch die Grup&shy;pen von gelb- bzw. weiß-&#8203;ge&shy;fass&shy;ten, dun&shy;kel ge&shy;füll&shy;ten Bö&shy;gen und Bal&shy;ken als zu&shy;sam&shy;men&shy;ge&shy;hö&shy;ri&shy;ge vi&shy;su&shy;el&shy;le Ge&shy;stal&shy;ten wahr&shy;ge&shy;nom&shy;men wer&shy;den.  
 
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In ihrem einflußreichen Buch zur Bildsyntax (<bib id='Saint-Martin 1990a'></bib>) führt Fernande Saint-Martin als morphologische Basiseinheit die sogenannten ‘Coloreme’ ein:  
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In ihrem einflussreichen Buch zur Bildsyn&shy;tax (<bib id='Saint-Martin 1990a'>Saint-&#8203;Martin 1990a</bib>) führt Fernan&shy;de Saint-&#8203;Martin als morpho&shy;logi&shy;sche Basis&shy;einheit die so genann&shy;ten ‘Colo&shy;reme’ ein:  
:[A coloreme] ''corresponds to that aggregate of visual variables perceived in the visual representation by the way of an ocular fixation, or focus of the gaze. … A coloreme is defined […] as the zone of the visual linguistic field correlated to a centration of the eye. It is constituted by a mass of energetic matter presenting a given set of visual variables.'' (<bib id='Saint-Martin 1990a'></bib>: S. 5).<ref>Vgl. hierzu auch den Eintrag ''Kolorem'' im [http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=2125 «Lexikon der Filmbegriffe»].</ref>  
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:[A coloreme] ''corresponds to that aggre&shy;gate of visual vari&shy;ables per&shy;ceived in the visual repre&shy;sen&shy;tation by the way of an ocu&shy;lar fixa&shy;tion, or focus of the gaze. … A col&shy;oreme is de&shy;fined […] as the zone of the visual linguis&shy;tic field corre&shy;lated to a centra&shy;tion of the eye. It is consti&shy;tuted by a mass of ener&shy;getic matter present&shy;ing a given set of visual vari&shy;ables.'' (<bib id='Saint-Martin 1990a'>Saint-&#8203;Martin 1990a</bib>: S. 5).<ref>Vgl. hier&shy;zu auch den Ein&shy;trag ''Ko&shy;lo&shy;rem'' im [http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=2125 «Le&shy;xi&shy;kon der Film&shy;be&shy;grif&shy;fe»].</ref>  
 
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[[Datei:Kolorem.jpg|thumb|Abbildung 2: Visualisierung eines Colorems nach Saint-Martin (schematische Darstellung): Das das Colorem bestimmende kreisförmige foveale Zentrierungsgebiet ist herausgehoben und vergrößert, der Rest hingegen etwas abgedunkelt dargestellt]]
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[[Datei:Kolorem.jpg|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 2: Vi&shy;su&shy;a&shy;li&shy;sie&shy;rung ei&shy;nes Co&shy;lo&shy;rems nach Saint-&#8203;Mar&shy;tin (sche&shy;ma&shy;ti&shy;sche Dar&shy;stel&shy;lung): Das das Co&shy;lo&shy;rem be&shy;stim&shy;men&shy;de kreis&shy;för&shy;mi&shy;ge fo&shy;ve&shy;a&shy;le Zen&shy;trie&shy;rungs&shy;ge&shy;biet ist he&shy;raus&shy;ge&shy;ho&shy;ben und ver&shy;grö&shy;ßert, der Rest hin&shy;ge&shy;gen et&shy;was ab&shy;ge&shy;dun&shy;kelt dar&shy;ge&shy;stellt]]
Saint-Martins Verständnis der Coloreme konzentriert sich offensichtlich auf momentane psychophysische Aspekte: Zu jedem Zeitpunkt kann jeweils nur eine okulare Fixation erfolgen und folglich nur ein Colorem wahrgenomen werden (vgl. Abb. 2). Allerdings soll auf dieser Basis eine „colorematische (oder coloremische) Analyse“ aufbauen, die
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Saint-&#8203;Mar&shy;tins Ver&shy;ständ&shy;nis der Co&shy;lo&shy;re&shy;me kon&shy;zen&shy;triert sich of&shy;fen&shy;sicht&shy;lich auf mo&shy;men&shy;ta&shy;ne psy&shy;cho&shy;phy&shy;si&shy;sche As&shy;pek&shy;te: Zu je&shy;dem Zeit&shy;punkt kann je&shy;weils nur ei&shy;ne oku&shy;la&shy;re Fi&shy;xa&shy;ti&shy;on er&shy;fol&shy;gen und folg&shy;lich nur ein Co&shy;lo&shy;rem wahr&shy;ge&shy;nom&shy;men wer&shy;den (vgl. Abb. 2). Al&shy;ler&shy;dings soll auf die&shy;ser Ba&shy;sis ei&shy;ne „co&shy;lo&shy;re&shy;ma&shy;ti&shy;sche (oder co&shy;lo&shy;re&shy;mi&shy;sche) Ana&shy;ly&shy;se“ auf&shy;bau&shy;en, die
  
:''describes the transformations which a coloreme undergoes by its interrelations with the other coloremes of its immediate entourage through macular centrations. The analyses proceeds thus at a first regrouping of coloremes through the topological relations which establish the first perceptual construction and structure the energetic exchanges between coloremes.'' (<bib id='Saint-Martin 1990a'></bib>: S. 194).  
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:''de&shy;scribes the trans&shy;for&shy;ma&shy;tions which a col&shy;oreme un&shy;der&shy;goes by its in&shy;ter&shy;re&shy;la&shy;tions with the other co&shy;loremes of its im&shy;me&shy;di&shy;ate en&shy;tourage through mac&shy;ular cen&shy;tra&shy;tions. The analy&shy;ses pro&shy;ceeds thus at a first re&shy;group&shy;ing of co&shy;loremes through the topo&shy;logi&shy;cal re&shy;la&shy;tions which es&shy;tab&shy;lish the first per&shy;cep&shy;tual con&shy;struc&shy;tion and struc&shy;ture the en&shy;er&shy;getic ex&shy;changes be&shy;tween co&shy;loremes.'' (<bib id='Saint-Martin 1990a'>Saint-&#8203;Mar&shy;tin 1990a</bib>: S. 194).  
 
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In ihrer Dynamik und direkter Abhängigkeit von den psychophysischen Eigenheiten eines wahrnehmenden Individuums sind Coloreme vor allem theoretische Entitäten. Praktisch schlägt Saint-Martin vor, die Bildfläche in ein regelmäßiges 5*5-Raster aufzuteilen, das als Basis für eine angenäherte Beschreibung der möglichen oder wahrscheinlichen Coloreme dient: Jedes Raster ist wiederum in ein 5*5-Subraster aufgeteilt, das die Gliederung in foveale Zentren und makulare Randbereiche aufgreift (ibid.: S. 197ff).     
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In ihrer Dynamik und direkten Abhän&shy;gigkeit von den psycho&shy;physi&shy;schen Eigen&shy;heiten eines wahrneh&shy;menden Indi&shy;vidu&shy;ums sind Colo&shy;reme vor allem theore&shy;tische Enti&shy;täten. Praktisch schlägt Saint-&#8203;Martin vor, die Bildflä&shy;che in ein regel&shy;mäßi&shy;ges 5*5-&#8203;Raster aufzu&shy;teilen, das als Basis für eine ange&shy;näher&shy;te Beschrei&shy;bung der mögli&shy;chen oder wahrschein&shy;lichen Colo&shy;reme dient: Jedes Raster ist wiede&shy;rum in ein 5*5-&#8203;Subras&shy;ter aufge&shy;teilt, das die Gliede&shy;rung in fove&shy;ale Zentren und maku&shy;lare Randbe&shy;reiche aufgreift (''ibid''.: S. 197ff).     
 
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Um nicht zu stark an die recht spezifische Konzeption Saint-Martins gebunden zu sein, empfiehlt es sich allgemeiner, die – letztlich auf einen hypothetischen Normalbetrachter bezogenen visuellen Gestalten im bildsyntaktischen Zusammenhang zunächst eher strukturalistisch zu betrachten und in Analogie zu dem linguistischen Ausdruck ‘Morphem’ als ‘Pixeme’ zu bezeichnen. Dabei kann in erster Näherung auch von der Dynamik abgesehen werden, die bei Saint-Martin die morphologische Beschreibung eines Bildträgers erschwert.<ref>In neurophysiologischer Perspektive verschiebt sich dabei der Fokus vom Auge zu den sogenannten neuralen Karten des visuellen Kortex oder besser der logischen Struktur der dort enkodierten visuellen Muster.</ref>
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Um nicht zu stark an die recht spezi&shy;fische Konzep&shy;tion Saint-&#8203;Martins gebun&shy;den zu sein, empfiehlt es sich allge&shy;meiner, die – letztlich auf einen hypo&shy;theti&shy;schen Normal&shy;betrach&shy;ter bezo&shy;genen visu&shy;ellen Gestal&shy;ten im bildsyn&shy;takti&shy;schen Zusam&shy;menhang zunächst eher struktu&shy;ralis&shy;tisch zu betrach&shy;ten und in Ana&shy;logie zu dem lingu&shy;isti&shy;schen Ausdruck ‘Morphem’ als ‘Pixe&shy;me’ zu bezeich&shy;nen. Dabei kann in erster Nähe&shy;rung auch von der Dyna&shy;mik abge&shy;sehen werden, die bei Saint-&#8203;Martin die morpho&shy;logi&shy;sche Beschrei&shy;bung eines Bildträ&shy;gers beträcht&shy;lich erschwert.<ref>In neu&shy;ro&shy;phy&shy;si&shy;o&shy;lo&shy;gi&shy;scher Per&shy;spek&shy;ti&shy;ve ver&shy;schiebt sich da&shy;bei der Fo&shy;kus vom Au&shy;ge zu den so ge&shy;nann&shy;ten neu&shy;ra&shy;len Kar&shy;ten des vi&shy;su&shy;el&shy;len Kor&shy;tex oder bes&shy;ser der lo&shy;gi&shy;schen Struk&shy;tur der dort en&shy;ko&shy;dier&shy;ten vi&shy;su&shy;el&shy;len Mus&shy;ter.</ref>  
 
 
  
 
===Pixem-Attribute===
 
===Pixem-Attribute===
 
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Saint-Martin unterscheidet zwei Arten von Eigen&shy;schaften der syntak&shy;to-&#8203;morpho&shy;logi&shy;schen Ele&shy;mente bildhaf&shy;ter Zeichen, die häufig auf folgen&shy;de Weise inter&shy;pretiert werden (vgl. z.B. <bib id='Dölling 1999a'></bib>): ''Plasti&shy;sche'' Eigen&shy;schaften gehö&shy;ren zum [[Material|Mate&shy;rial]] des Bildträ&shy;gers, während ande&shy;re Eigen&shy;schaften ''im Auge des Betrach&shy;ters'' liegen und von eher visu&shy;eller also wahrneh&shy;mungsab&shy;hängi&shy;ger Art sind. Die geomet&shy;rischen Formen und ihre topo&shy;logi&shy;schen Rela&shy;tionen werden als typi&shy;sche Beispie&shy;le für den letzte&shy;ren Eigen&shy;schaftstyp gege&shy;ben, während [[Farbwahrnehmung|Farben]] und [[Textur|Textu&shy;ren]] als Exem&shy;pel für Eigen&shy;schaften des Mate&shy;rials selbst betrach&shy;tet werden. Colo&shy;reme sind stets Kombi&shy;nati&shy;onen von plasti&shy;schen und visu&shy;ell-&#8203;perzep&shy;tiven Eigen&shy;schaften.
Saint-Martin unterscheidet zwei Arten von Eigenschaften der syntakto-morphologischen Elemente bildhafter Zeichen, die häufig auf folgende Weise interpretiert werden (vgl. z.B. <bib id='Dölling 1999a'></bib>): ''Plastische'' Eigenschaften gehören zum [[Material]] des Bildträgers, während andere Eigenschaften ''im Auge des Betrachters'' liegen und von eher visueller also wahrnehmungsabhängiger Art sind. Die geometrischen Formen und ihre topologischen Relationen werden als typische Beispiele für den letzteren Eigenschaftstyp gegeben, während [[Farbwahrnehmung|Farben]] und [[Textur]]en als Beispiele für Eigenschaften des Materials selbst betrachtet werden. Coloreme sind stets Kombinationen von plastischen und visuell-perzeptiven Eigenschaften.
 
 
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Tatsächlich kann auch der allgemeinere Begriff des Pixems logisch analysiert werden in eine rein [[Raum und Geometrie|geometrische ''Basisstruktur'']] einerseits und ein Begriffsfeld von diese Strukturen sichtbar machenden [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|''Markerdimensionen'']] andererseits, denn Raum als solcher wäre ja nicht wahrnehmbar. Erst die Segmentation in zusammengehörige – nämlich gleich markierte – ''Gebiete'' ergibt eine Strukturierung in die räumlichen Elemente eines Ganzen.<ref>Auf den ersten Blick mag dieser Analyse sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit einer grammatischen Struktur im engeren Sinn eignen, wobei der geometrische Kalkül gewissermaßen als Grammatik fungiert und die Regeln zur Ableitung non-terminaler “Satz”-Tiefenstrukturen bereitstellt, während die möglichen Ausprägungen der Markerdimensionen das piktoriale “Lexikon” – die terminalen Symbole zufügen, die die bildliche Oberflächenstruktur ergibt.</ref>  
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Tatsächlich kann auch der allge&shy;meine&shy;re Begriff des Pixems logisch ana&shy;lysiert werden in eine rein [[Raum und Geometrie|geomet&shy;rische ''Basis&shy;struktur'']] einer&shy;seits und ein Begriffs&shy;feld von diese Struktu&shy;ren sichtbar machen&shy;den [[Farbe als bildsyntaktische Kategorie|''Marker&shy;dimen&shy;sionen'']] ande&shy;rerseits, denn Raum als solcher wäre ja nicht wahrnehm&shy;bar. Erst die Segmen&shy;tation in zusam&shy;menge&shy;höri&shy;ge – nämlich gleich markier&shy;te – ''Gebie&shy;te'' ergibt eine Struktu&shy;rierung in die räumli&shy;chen Ele&shy;mente eines Ganzen.<ref>Auf den ers&shy;ten Blick mag die&shy;ser Ana&shy;ly&shy;se so&shy;gar ei&shy;ne ge&shy;wis&shy;se Ähn&shy;lich&shy;keit mit ei&shy;ner gram&shy;ma&shy;ti&shy;schen Struk&shy;tur im en&shy;ge&shy;ren Sinn eig&shy;nen, wo&shy;bei der geo&shy;met&shy;ri&shy;sche Kal&shy;kül ge&shy;wis&shy;ser&shy;ma&shy;ßen als Gram&shy;ma&shy;tik fun&shy;giert und die Re&shy;geln zur Ab&shy;lei&shy;tung non-&#8203;ter&shy;mi&shy;na&shy;ler “Satz”-&#8203;Tie&shy;fen&shy;struk&shy;tu&shy;ren be&shy;reit&shy;stellt, wäh&shy;rend die mög&shy;li&shy;chen Aus&shy;prä&shy;gun&shy;gen der Mar&shy;ker&shy;di&shy;men&shy;si&shy;o&shy;nen das pik&shy;to&shy;ri&shy;a&shy;le “Le&shy;xi&shy;kon” – die ter&shy;mi&shy;na&shy;len Sym&shy;bo&shy;le zu&shy;fü&shy;gen, die die bild&shy;li&shy;che Ober&shy;flä&shy;chen&shy;struk&shy;tur er&shy;gibt.</ref>  
 
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Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Geometrie (d.h. Räumlichkeit) und Farbe nicht (oder jedenfalls nicht wesentlich) abhängig von der Differenzierung zwischen Eigenschaften, die zum Material des Bildträgers gehören – und daher als objektive Eigenschaften zu betrachten wären – und Eigenschaften, die vom Betrachter konstruiert werden – und folglich als subjektive Eigenschaften zu bewerten wären.<ref>Es erscheint schon merkwürdig, dass ausgerechnet »Farbe« gemeinhin als Paradebeispiel für eine ''sekundäre'' Qualität angeführt – bei Saint-Martin zu den objektiven Materialeigenschaften gehört und nicht dem Wahrnehmungsapparat zugeschlagen wird.</ref> Vielmehr können Bildphilosophen über Farben und die Beziehungen zwischen ihnen einerseits und über räumliche Entitäten und die geometrischen oder topologischen Beziehungen zwischen ihnen andererseits diskutieren, ohne dabei die beiden Argumentationen miteinander vermischen zu müssen. Sie können als unabhängig voneinander betrachtet und als von – jedenfalls auf den ersten Blick – autonomen Begriffsfeldern geregelt behandelt werden.<ref>Eben aus diesem Grund ist eine von Farbtheorien unabhängige Geometrie möglich. Zwar kommen in Farbtheorien oft geometrische Begriffe vor (»Farbraum«, »Farbdistanz«, »Farbkörper«), doch sind diese raummetaphorisch gemein und beziehen sich gerade nicht auf die geometrischen Eigenschaften farbiger Gegenstände.</ref> Argumentationen über Pixeme müssen hingegen die Logik der Farben und die Logik des Raums miteinander kombinieren, d.h. in einer begrifflichen Synthese vereinigen.  
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Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Geome&shy;trie (d.h. Räumlich&shy;keit) und Farbe nicht (oder jeden&shy;falls nicht wesent&shy;lich) abhän&shy;gig von der Diffe&shy;renzie&shy;rung zwischen Eigen&shy;schaften, die zum Mate&shy;rial des Bildträ&shy;gers gehö&shy;ren – und daher als objek&shy;tive Eigen&shy;schaften zu betrach&shy;ten wären – und Eigen&shy;schaften, die vom Betrach&shy;ter konstru&shy;iert werden – und folglich als subjek&shy;tive Eigen&shy;schaften zu bewer&shy;ten wären.<ref>Es er&shy;scheint schon merk&shy;wür&shy;dig, dass aus&shy;ge&shy;rech&shy;net&#8203; »Far&shy;be«&#8203; ge&shy;mein&shy;hin als Pa&shy;ra&shy;de&shy;bei&shy;spiel für ei&shy;ne ''se&shy;kun&shy;dä&shy;re'' Qua&shy;li&shy;tät an&shy;ge&shy;führt – bei Saint-&#8203;Mar&shy;tin zu den ob&shy;jek&shy;ti&shy;ven Ma&shy;te&shy;ri&shy;al&shy;ei&shy;gen&shy;schaf&shy;ten ge&shy;hört und nicht dem Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;ap&shy;pa&shy;rat zu&shy;ge&shy;schla&shy;gen wird.</ref> Vielmehr können Bildphi&shy;loso&shy;phen über Farben und die Bezie&shy;hungen zwischen ihnen einer&shy;seits und über räumli&shy;che Enti&shy;täten und die geomet&shy;rischen oder topo&shy;logi&shy;schen Bezie&shy;hungen zwischen ihnen ande&shy;rerseits disku&shy;tieren, ohne dabei die beiden Argu&shy;menta&shy;tionen mitein&shy;ander vermi&shy;schen zu müssen. Sie können als unab&shy;hängig vonein&shy;ander betrach&shy;tet und als von – jeden&shy;falls auf den ersten Blick – auto&shy;nomen Begriffs&shy;feldern gere&shy;gelt behan&shy;delt werden.<ref>Eben aus die&shy;sem Grund ist ei&shy;ne von Farb&shy;the&shy;o&shy;ri&shy;en un&shy;ab&shy;hän&shy;gi&shy;ge Geo&shy;met&shy;rie mög&shy;lich. Zwar kom&shy;men in Farb&shy;the&shy;o&shy;ri&shy;en oft geo&shy;met&shy;ri&shy;sche Aus&shy;drü&shy;cke vor (‘Farb&shy;raum’, ‘Farb&shy;dis&shy;tanz’, ‘Farb&shy;kör&shy;per’), doch sind die&shy;se raum&shy;me&shy;ta&shy;pho&shy;risch ge&shy;mein und be&shy;zie&shy;hen sich ge&shy;ra&shy;de nicht auf die geo&shy;met&shy;ri&shy;schen Ei&shy;gen&shy;schaf&shy;ten far&shy;bi&shy;ger Ge&shy;gen&shy;stän&shy;de.</ref> Argu&shy;menta&shy;tionen über Pixe&shy;me müssen hinge&shy;gen die Logik der Farben und die Logik des Raums mitein&shy;ander kombi&shy;nieren, d.h. in einer begriff&shy;lichen Synthe&shy;se verei&shy;nigen.  
 
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Grundlegende Eigenschaften von Pixemen sind mithin genau die Attribute, die beliebige gefärbte Entitäten der zweidimensionalen Geometrie aufweisen, sowie die Relationen, die sie untereinander einnehmen können. Neben den charakteristischen Eigenschaften geometrischer Entitäten insbesondere topologische, metrische und direktionale Relationen zwischen ihren Teilen (''Form'') und zu anderen Gebieten (''Lage'') – und den etwa durch Farbton, Helligkeit und Sättigung näher bestimmten Farbmarkierungen im engeren Sinn<ref>Zu beach&shy;ten ist aller&shy;dings, dass die Dimen&shy;sionen »Farb&shy;ton«, »Hellig&shy;keit« und »Sätti&shy;gung« zur Charak&shy;teri&shy;sierung eines pikto&shy;rialen Marker&shy;werts nicht abso&shy;lut gesehen werden können, sondern in starker Weise von ihrer Umge&shy;bung abhängen: sowohl Beleuchtung (objektiv) als auch die Farben der umgebenden Pixeme (subjektiv) beeinflussen die Wahrnehmung von Farbe.</ref> können auch homogene Farbverläufe oder spezielle Farbvariationen Texturen – als Attribute höherer Ordnung relevant sein. Zudem treten Wechselwirklungen auf, die sich aus der räumlichen Anordnung verschiedener Farben zueinander ergeben, vor allem Kontrast-Effekte.
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Grundlegende Eigenschaften von Pixe&shy;men sind mithin genau die Attri&shy;bute, die belie&shy;bige gefärb&shy;te Enti&shy;täten der zwei&shy;dimen&shy;siona&shy;len Geome&shy;trie aufwei&shy;sen, sowie die Rela&shy;tionen, die sie unter&shy;einan&shy;der einneh&shy;men können. Neben den charak&shy;teris&shy;tischen Eigen&shy;schaften geomet&shy;rischer Enti&shy;täten insbe&shy;sonde&shy;re topo&shy;logi&shy;sche, metri&shy;sche und direk&shy;tiona&shy;le Rela&shy;tionen zwischen ihren Teilen (''Form'') und zu ande&shy;ren Gebie&shy;ten (''Lage'') – und den etwa durch Farb&shy;ton, Hellig&shy;keit und Sätti&shy;gung näher bestimm&shy;ten Farbmar&shy;kierun&shy;gen im enge&shy;ren Sinn<ref>Zu be&shy;ach&shy;ten ist al&shy;ler&shy;dings, dass die Di&shy;men&shy;si&shy;o&shy;nen&#8203; »Farb&shy;ton«,&#8203; »Hel&shy;lig&shy;keit«&#8203; und&#8203; »Sät&shy;ti&shy;gung«&#8203; zur Cha&shy;rak&shy;te&shy;ri&shy;sie&shy;rung ei&shy;nes pik&shy;to&shy;ri&shy;a&shy;len Mar&shy;ker&shy;werts nicht ab&shy;so&shy;lut ge&shy;se&shy;hen wer&shy;den kön&shy;nen, son&shy;dern in star&shy;ker Wei&shy;se von ih&shy;rer Um&shy;ge&shy;bung ab&shy;hän&shy;gen: So&shy;wohl Be&shy;leuch&shy;tung (ob&shy;jek&shy;tiv) als auch die Far&shy;ben der um&shy;ge&shy;ben&shy;den Pi&shy;xe&shy;me (sub&shy;jek&shy;tiv) be&shy;ein&shy;flus&shy;sen die Wahr&shy;neh&shy;mung von Far&shy;be.</ref> können auch homo&shy;gene Farbver&shy;läufe oder spezi&shy;elle Farbva&shy;riati&shy;onen Textu&shy;ren – als Attri&shy;bute höhe&shy;rer Ordnung rele&shy;vant sein. Zudem treten Wechsel&shy;wirkun&shy;gen auf, die sich aus der räumli&shy;chen Anord&shy;nung verschie&shy;dener Farben zuein&shy;ander erge&shy;ben, vor allem Kontrast-&#8203;Effek&shy;te.
  
===Kombinationen von Pixemen, Maximalpixem===
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===Kombinationen von Pixemen, Ma&shy;ximal&shy;pixem===
  
Da die Unterteilung in »Wort« und »Satz« für eine morphologische Analyse von Bildern irrelevant ist, können auch Zusammensetzungen aus mehreren Pixemen ohne weiteres wieder als Pixeme betrachtet werden: Die Morphologie von Bildern besteht damit aus Teil-Ganzes-Ordnungen von Pixemen, die sich zwischen dem Bildganzen – als Maximalpixem – und den als minimal betrachteten Gebieten mit jeweils nur einer einzigen homogenen Markerbelegung in meist mehreren Stufen aufspannen.  
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Da die Unterteilung in&#8203; »Wort«&#8203; und&#8203; »Satz«&#8203; für eine morpho&shy;logi&shy;sche Ana&shy;lyse von Bildern irre&shy;levant ist, können auch Zusam&shy;menset&shy;zungen aus mehre&shy;ren Pixe&shy;men ohne weite&shy;res wieder als Pixe&shy;me betrach&shy;tet werden: Die Morpho&shy;logie von Bildern besteht damit aus Teil-&#8203;Ganzes-&#8203;Ordnun&shy;gen von Pixe&shy;men, die sich zwischen dem Bildgan&shy;zen – als Maxi&shy;malpi&shy;xem – und den als mini&shy;mal betrach&shy;teten Gebie&shy;ten mit jeweils nur einer einzi&shy;gen homo&shy;genen Marker&shy;bele&shy;gung in meist mehre&shy;ren Stufen aufspan&shy;nen.  
 
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Pixemen höherer Ordnung kommt mithin nicht nur eine Markerbelegung im oben erwähnten Sinn zu. Sie haben vielmehr eine quasi-pikturale Substruktur. So bilden beispielsweise in Abbildung 1 die mittig angeordneten bandförmigen, braun gefüllt und gelb umrandeten  Pixeme ein säulenartiges komplexes Pixem höherer Ordnung. Seine geometrische Basisstruktur wird nicht einfach durch Farb- oder Texturwerte, sondern gerade durch die es konstituierenden Pixeme niederer Ordnung markiert.
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Pixemen höherer Ordnung kommt mithin nicht nur eine Marker&shy;bele&shy;gung im oben erwähn&shy;ten Sinn zu. Sie haben vielmehr eine quasi-&#8203;pikturale Substruk&shy;tur. So bilden beispiels&shy;weise in Abbil&shy;dung 1 die mittig ange&shy;ordne&shy;ten bandför&shy;migen, braun gefüllt und gelb umran&shy;deten Pixe&shy;me ein säulen&shy;arti&shy;ges komple&shy;xes Pixem höhe&shy;rer Ordnung. Seine geomet&shy;rische Basis&shy;struktur wird nicht einfach durch Farb- oder Textur&shy;werte, sondern gera&shy;de durch die es konsti&shy;tuieren&shy;den Pixe&shy;me niede&shy;rer Ordnung markiert.
 
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Obwohl die Pixeme “mittlerer” Ordnung in ihrer morphologischen Struktur einem Bildträger gleichen, sind sie noch nicht ohne weiteres als Bildträger zu verwenden. Das liegt insbesondere an zwei zusammenhängenden Faktoren:
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Obwohl die Pixeme “mittlerer” Ordnung in ihrer morpho&shy;logi&shy;schen Struktur einem Bildträ&shy;ger gleichen, sind sie noch nicht ohne weite&shy;res als Bildträ&shy;ger zu verwen&shy;den. Das liegt insbe&shy;sonde&shy;re an zwei zusam&shy;menhän&shy;genden Fakto&shy;ren:
* a) Gestalttheoretisch gesprochen bilden Pixeme jeweils ''[[Figur/Grund-Differenzierung|Figuren]]'': der Hintergrund, vor dem sie als solche unausweichlich betrachtet werden, gehört entsprechend nicht zu ihnen. Im oben erwähnten Beispiel sind die die gelb-braunen Bänder umschließenden roten Bereiche nicht eingeschlossen. Obwohl durch die Pixem-Segmentierung prinzipiell in eine Vielfalt von Figur-Grund-Paaren zerlegbar, gilt doch für den Bildträger, dass er insgesamt nur in ''einer'' Hinsicht Figur ist, nämlich vor dem Rahmen. Das gilt unter allen beteiligten Pixemen nur für das Maximalpixem und hat dort eine besondere Wirkung.
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* a) Gestalttheoretisch gesprochen bilden Pixe&shy;me jeweils ''[[Figur/Grund-Differenzierung|Figu&shy;ren]]'': der Hinter&shy;grund, vor dem sie als solche unaus&shy;weichlich betrach&shy;tet werden, gehört entspre&shy;chend nicht zu ihnen. Im oben erwähn&shy;ten Beispiel sind die die gelb-&#8203;braunen Bänder um&shy;schließen&shy;den roten Berei&shy;che nicht einge&shy;schlossen. Obwohl durch die Pixem-&#8203;Segmen&shy;tierung prinzi&shy;piell in eine Vielfalt von Figur-&#8203;Grund-&#8203;Paaren zerleg&shy;bar, gilt doch für den Bildträ&shy;ger, dass er insge&shy;samt nur in ''einer'' Hinsicht Figur ist, nämlich vor dem Rahmen. Das gilt unter allen betei&shy;ligten Pixe&shy;men nur für das Maxi&shy;malpi&shy;xem und hat dort eine beson&shy;dere Wirkung.
[[Datei:Arnkerrthe-Ausschnitt1.gif|frameless|rechts|Abbildung 3: Pixem-Ausschnitt als Bild]]
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[[Datei:Arnkerrthe-Ausschnitt1.gif|frameless|rechts|Ab&shy;bil&shy;dung 3: Pi&shy;xem-&#8203;Aus&shy;schnitt als Bild]]
* b) Die ''[[Rahmung, Rahmen|Rahmung]]'' des Maximalpixems setzt letzteres nämlich in den Verwendungszusammenhang, der diese Figur als Ganze zu einer Zeichenmarke in einer Zeichenhandlung macht, d.h.: zu einem Bildträger. Natürlich ist es prinzipiell durchaus möglich, diese ''Rahmungshandlung'' auch bei jedem der Pixeme niederer Ordnung zu vollziehen, sie also als separierte Bildträger (und damit als andere Bilder) zu betrachten. Doch bleiben bei einem solchen Vorgehen die pragmatischen und semantischen Bezüge nicht erhalten:<ref>Eine Ausnahme zu dieser Regel dürften diejenigen Pixeme bilden, die abbildungswertlich als Bild im Bild interpretiert werden. Deren pragmatische und semantische Relationen sind dann allerdings in die Szene des [[Theorien des Bildraums|Bildraumes]] verschoben.</ref> Schnitte man eines der gelb-umrandeten, braun gefüllten Bänder aus dem Mittelteil von Abb. 1 aus und montierte es alleine auf den Hintergrund einer neutral gefärbten Fläche (oder auch freischwebend im Raum), so kann man das Resultat durchaus als ein Bild mit etwas ungewöhnlich gewölbtem Rand (also eine Rahmung ohne expliziten Rahmen) begreifen (Abb. 3). Verwendungszusammenhänge und Bedeutungszuschreibungen dieses Bildes hängen indes bestenfalls sehr locker mit denen von Abbildung 1 zusammen.  
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* b) Die ''[[Rahmung, Rahmen|Rah&shy;mung]]'' des Ma&shy;xi&shy;mal&shy;pi&shy;xems setzt letz&shy;te&shy;res näm&shy;lich in den Ver&shy;wen&shy;dungs&shy;zu&shy;sam&shy;men&shy;hang, der die&shy;se Fi&shy;gur als Gan&shy;ze zu ei&shy;ner Zei&shy;chen&shy;mar&shy;ke in ei&shy;ner Zei&shy;chen&shy;hand&shy;lung macht, d.h.: zu ei&shy;nem Bild&shy;trä&shy;ger. Na&shy;tür&shy;lich ist es prin&shy;zi&shy;pi&shy;ell durch&shy;aus mög&shy;lich, die&shy;se ''Rah&shy;mungs&shy;hand&shy;lung'' auch bei je&shy;dem der Pi&shy;xe&shy;me nie&shy;de&shy;rer Ord&shy;nung zu voll&shy;zie&shy;hen, sie al&shy;so als se&shy;pa&shy;rier&shy;te Bild&shy;trä&shy;ger (und da&shy;mit als an&shy;de&shy;re Bil&shy;der) zu be&shy;trach&shy;ten. Doch blei&shy;ben bei ei&shy;nem sol&shy;chen Vor&shy;ge&shy;hen die prag&shy;ma&shy;ti&shy;schen und se&shy;man&shy;ti&shy;schen Be&shy;zü&shy;ge nicht er&shy;hal&shy;ten:<ref>Ei&shy;ne Aus&shy;nah&shy;me zu die&shy;ser Re&shy;gel dürf&shy;ten die&shy;je&shy;ni&shy;gen Pi&shy;xe&shy;me bil&shy;den, die ab&shy;bil&shy;dungs&shy;wert&shy;lich als Bild im Bild in&shy;ter&shy;pre&shy;tiert wer&shy;den. De&shy;ren prag&shy;ma&shy;ti&shy;schen und se&shy;man&shy;ti&shy;schen Re&shy;la&shy;ti&shy;o&shy;nen sind dann al&shy;ler&shy;dings in die Sze&shy;ne des [[Theorien des Bildraums|Bild&shy;rau&shy;mes]] ver&shy;scho&shy;ben.</ref> Schnitte man eines der gelb umran&shy;deten, braun gefüll&shy;ten Bänder aus dem Mittel&shy;teil von Abbil&shy;dung 1 aus und montier&shy;te es allei&shy;ne auf den Hinter&shy;grund einer neutral gefärb&shy;ten Fläche (oder auch freischwe&shy;bend im Raum), so kann man das Resul&shy;tat durchaus als ein Bild mit etwas unge&shy;wöhnlich gewölb&shy;tem Rand (also eine Rahmung ohne expli&shy;ziten Rahmen) begrei&shy;fen (Abb. 3). Verwen&shy;dungszu&shy;sammen&shy;hänge und Bedeu&shy;tungszu&shy;schreibun&shy;gen dieses Bildes hängen indes besten&shy;falls sehr locker mit denen von Abbil&shy;dung 1 zusam&shy;men.
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===Pixem-bildende Opera&shy;tionen===
  
===Pixem-bildende Operationen===
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Die Pixem-bildenden Operationen gehen letztlich auf die elemen&shy;taren Pixem-&#8203;Attri&shy;bute zurück. Begrün&shy;det in den psycho&shy;physio&shy;logi&shy;schen Wahrneh&shy;mungsme&shy;chanis&shy;men, laufen sie in der Regel unbe&shy;wusst ab. Dabei sind beson&shy;ders zwei gegen&shy;läufi&shy;ge Aspek&shy;te wichtig: ''Kontrast&shy;verstär&shy;kung'' und ''Gestalt&shy;bildung''.
 
 
Die Pixem-bildenden Operationen gehen letztlich auf die elementaren Pixem-Attribute zurück. Begründet in den psychophysiologischen Wahrnehmungsmechanismen, laufen sie in der Regel unbewußt ab. Dabei sind besonders zwei gegenläufige Aspekte wichtig: ''Kontrastverstärkung'' und ''Gestaltbildung''.
 
 
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Die Konstitution von Pixemen bei der Betrachtung eines Bildträgers ist – als Variante der Segmentierung beim [[Sehen]] ganz allgemein – stark kontextsensitiv: So führen lokal wirksame kontrastverstärkende Komponenten des Wahrnehmungsapparates zu Grenzen zwischen als einheitlich wahrgenommenen Gebieten. Bemerkbar werden diese Operationen vor allem dann, wenn sie zu Täuschungen, d.h. zu zusätzlichen Pixemen (bzw. allgemeiner: Wahrnehmungssegmenten<ref>Der Hinweis auf den möglichen Unterschied zwischen visueller Wahrnehmung ganz allgemein und [[Bildwahrnehmung]] im Besonderen ist im Zusammenhang mit “optischen” Täuschungen (⊳ [[Wahrnehmungsillusion]]) durchaus erwähnenswert, finden doch die psychologischen Tests etwa zur Kontrasttäuschung wie auch die Experimente zur Gestaltbildung in der Regel mithilfe von Bildmaterial statt, während die Schlußfolgerungen daraus sich auf die visuelle Wahrnehmung ganz unabhängig von Bildern beziehen sollen. </ref>) führen, etwa bei der Kontrasttäuschung.<ref>Ein gut präsentiertes Beispiel der Kontrasttäuschung findet sich auf der folgenden Seite: [http://www.sehtestbilder.de/optische-taeuschungen-illusionen/optische-taeuschung-rauten-helligkeit.php Kontrasttäuschung bei sehtestbilder.de].</ref>
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Die Konstitution von Pixemen bei der Betrach&shy;tung eines Bildträ&shy;gers ist – als Vari&shy;ante der Segmen&shy;tierung beim [[Theorien der visuellen Wahrnehmung |Sehen]] ganz allge&shy;mein – stark kontext&shy;sensi&shy;tiv: So führen lokal wirksa&shy;me kontrast&shy;verstär&shy;kende Kompo&shy;nenten des Wahrneh&shy;mungsap&shy;para&shy;tes zu Grenzen zwischen als einheit&shy;lich wahrge&shy;nomme&shy;nen Gebie&shy;ten. Bemerk&shy;bar werden diese Ope&shy;rati&shy;onen vor allem dann, wenn sie zu Täuschun&shy;gen, d.h. zu zusätz&shy;lichen Pixe&shy;men (bzw. allge&shy;meiner: Wahrneh&shy;mungsseg&shy;menten<ref>Der Hin&shy;weis auf den mög&shy;li&shy;chen Un&shy;ter&shy;schied zwi&shy;schen vi&shy;su&shy;el&shy;ler Wahr&shy;neh&shy;mung ganz all&shy;ge&shy;mein und [[Bildwahrnehmung|Bild&shy;wahr&shy;neh&shy;mung]] im Be&shy;son&shy;de&shy;ren ist im Zu&shy;sam&shy;men&shy;hang mit “op&shy;ti&shy;schen” Täu&shy;schun&shy;gen (⊳ [[Wahrnehmungsillusion|Wahr&shy;neh&shy;mungs&shy;il&shy;lu&shy;si&shy;on]]) durch&shy;aus er&shy;wäh&shy;nens&shy;wert, fin&shy;den doch die psy&shy;cho&shy;lo&shy;gi&shy;schen Tests et&shy;wa zur Kon&shy;trast&shy;täu&shy;schung wie auch die Ex&shy;pe&shy;ri&shy;men&shy;te zur vi&shy;su&shy;el&shy;len Ge&shy;stalt&shy;bil&shy;dung in der Re&shy;gel mit&shy;hil&shy;fe von Bild&shy;ma&shy;te&shy;ri&shy;al statt, wäh&shy;rend die Schluß&shy;fol&shy;ge&shy;run&shy;gen da&shy;raus sich auf die vi&shy;su&shy;el&shy;le Wahr&shy;neh&shy;mung ganz un&shy;ab&shy;hän&shy;gig von Bil&shy;dern be&shy;zie&shy;hen sol&shy;len. </ref>) führen, etwa bei der Kontrast&shy;täuschung.<ref>Ein gut prä&shy;sen&shy;tier&shy;tes Bei&shy;spiel der Kon&shy;trast&shy;täu&shy;schung fin&shy;det sich auf der fol&shy;gen&shy;den Sei&shy;te: [http://www.sehtestbilder.de/optische-taeuschungen-illusionen/optische-taeuschung-rauten-helligkeit.php Kon&shy;trast&shy;täu&shy;schung bei seh&shy;test&shy;bil&shy;der.de].</ref>
 
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Die Mechanismen der Kontrastverstärkung unterstützen andererseits das Zusammenfassen homogener Gebiete durch [[Gestalt|Gestaltbildung]] im Sinne der Gestaltgesetze. Deren unbewußtes Wirken bestimmt die wahrgenommenen Teil-Ganzes-Hierarchien der zusammengesetzen Pixeme. Das Wechselspiel von Grenzziehung durch Kontrastverstärkung und Integration gemäß der Gestaltgesetze führt letztlich zur Konstitution einer bildmorphologischen (Normal-)Struktur zwischen Maximalpixem und elementaren Gebieten, die allerdings bei der alltäglichen Bildwahrnehmung bereits beim Aufbau sehr stark von semantischen und pragmatischen Randbedingungen determiniert wird. Eben aus diesem Grund heben etwa Gestaltungslehrbücher stets besonders hervor, dass “das Auge” in der ''gestalterischen Sehweise'' geschult werden müsse, die gerade von solchen Einflüssen absieht und letztlich einen rein eigenwertlichen Zugang zur Bildmorphologie erreichen will (etwa <bib id='Klee 1956a'></bib>).  
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Die Mechanismen der Kontrastver&shy;stärkung unter&shy;stützen ande&shy;rerseits das Zusam&shy;menfas&shy;sen homo&shy;gener Gebie&shy;te durch [[Gestalt|Gestalt&shy;bildung]] im Sinne der Gestalt&shy;geset&shy;ze. Deren unbe&shy;wusstes Wirken bestimmt die wahrge&shy;nomme&shy;nen Teil-&#8203;Ganzes-&#8203;Hierar&shy;chien der zusam&shy;menge&shy;setzten Pixe&shy;me. Das Wechsel&shy;spiel von Grenzzie&shy;hung durch Kontrast&shy;verstär&shy;kung und Inte&shy;gration gemäß der Gestalt&shy;geset&shy;ze führt letztlich zur Konsti&shy;tution einer bildmor&shy;pholo&shy;gischen (Normal-)&#8203;Struktur zwischen Maxi&shy;malpi&shy;xem und ele&shy;menta&shy;ren Gebie&shy;ten, die aller&shy;dings bei der alltäg&shy;lichen Bildwahr&shy;nehmung bereits beim Aufbau sehr stark von seman&shy;tischen und pragma&shy;tischen Randbe&shy;dingun&shy;gen deter&shy;miniert wird. Eben aus diesem Grund heben etwa Gestal&shy;tungslehr&shy;bücher stets beson&shy;ders hervor, dass “das Auge” in der ''gestal&shy;teri&shy;schen Sehwei&shy;se'' geschult werden müsse, die gera&shy;de von solchen Einflüs&shy;sen absieht und letztlich einen rein eigen&shy;wertli&shy;chen Zugang zur Bildmor&shy;pholo&shy;gie errei&shy;chen will (etwa <bib id='Klee 1956a'></bib>).
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==Anwendungen==
 
==Anwendungen==
[[Datei:BrodatzTexturErkennung.jpg|thumb|Abbildung 4: Ergebnis einer automatischen Segmentierung: Texturbasierte Pixembildung. Rechts sind die gefundenen Pixeme farblich markiert dargestellt.]]
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[[Datei:BrodatzTexturErkennung.jpg|thumb|Ab&shy;bil&shy;dung 4: Er&shy;geb&shy;nis ei&shy;ner au&shy;to&shy;ma&shy;ti&shy;schen Seg&shy;men&shy;tie&shy;rung: Tex&shy;tur&shy;ba&shy;sier&shy;te Pi&shy;xem&shy;bil&shy;dung. Rechts sind die ge&shy;fun&shy;de&shy;nen Pi&shy;xe&shy;me farb&shy;lich mar&shy;kiert dar&shy;ge&shy;stellt.]]
Das algorithmische Nachbilden pixem-bildender Operationen führt zur Möglichkeit bildmorphologischer Analysen in der Computervisualistik und bildt einen zentralen Bestandteil der [[Bildverarbeitung, digitale|digitalen Bildverarbeitung]]: Auf informatische Kodierungen ([[Notation|Notationen]]) von Bildträgern können entsprechende ''Segmentierungsverfahren'' programmiert werden, die (in der entsprechenden Literatur oft als ‘Objekte’ bezeichnete) Pixeme zu bestimmen erlauben (Abb. 4). Hierbei werden vor allem die Gestaltgesetze der Nähe, Ähnlichkeit und Guten Kontinuität über den Farb- und Texturmarkern operationalisiert.  
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Das al&shy;go&shy;rith&shy;mi&shy;sche Nach&shy;bil&shy;den pi&shy;xem-&#8203;bil&shy;den&shy;der Ope&shy;ra&shy;ti&shy;o&shy;nen führt zur Mög&shy;lich&shy;keit bild&shy;mor&shy;pho&shy;lo&shy;gi&shy;scher Ana&shy;ly&shy;sen in der Com&shy;pu&shy;ter&shy;vi&shy;su&shy;a&shy;lis&shy;tik und bil&shy;det ei&shy;nen zen&shy;tra&shy;len Be&shy;stand&shy;teil der [[Bildverarbeitung, digitale|di&shy;gi&shy;ta&shy;len Bild&shy;ver&shy;ar&shy;bei&shy;tung]]: Auf in&shy;for&shy;ma&shy;ti&shy;sche Ko&shy;die&shy;run&shy;gen ([[Notation|No&shy;ta&shy;ti&shy;o&shy;nen]]) von Bild&shy;trä&shy;gern kön&shy;nen ent&shy;spre&shy;chen&shy;de ''Seg&shy;men&shy;tie&shy;rungs&shy;ver&shy;fah&shy;ren'' pro&shy;gram&shy;miert wer&shy;den, die (in der ent&shy;spre&shy;chen&shy;den Li&shy;te&shy;ra&shy;tur oft als ‘Ob&shy;jek&shy;te’ be&shy;zeich&shy;ne&shy;te) Pi&shy;xe&shy;me zu be&shy;stim&shy;men er&shy;lau&shy;ben (Abb. 4). Hier&shy;bei wer&shy;den vor al&shy;lem die Ge&shy;stalt&shy;ge&shy;set&shy;ze der Nä&shy;he, Ähn&shy;lich&shy;keit und Gu&shy;ten Kon&shy;ti&shy;nu&shy;i&shy;tät über den Farb- und Tex&shy;tur&shy;mar&shy;kern ope&shy;ra&shy;ti&shy;o&shy;na&shy;li&shy;siert.  
 
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Auf lange Sicht mag es möglich sein, der Bildwissenschaft auf diese Weise ein Set von technischen Standardwerkzeugen zur morphologischen Bildanalyse bereitzustellen. Dies ist insbesondere sinnvoll, insofern die Pixem-Komposition des Bildträgers, wie oben erwähnt, auf einen theoretisch vorausgesetzten ''Normalbetrachter'' bezogen werden muss. Zu bedenken bleibt dabei allerdings, dass die menschliche Wahrnehmung von Bildern, wie u.a. von Saint Martin beschrieben, neben den möglichen individuellen Abweichungen vom Normalbetrachter auch ''dynamische'' Aspekte umfasst, die durch eine solche rein strukturelle Analyse ebenfalls ausgeblendet bleiben.
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Auf lange Sicht mag es möglich sein, der Bildwis&shy;senschaft auf diese Weise ein Set von techni&shy;schen Standard&shy;werkzeu&shy;gen zur morpho&shy;logi&shy;schen Bild&shy;ana&shy;lyse bereit&shy;zustel&shy;len. Dies ist insbe&shy;sonde&shy;re sinnvoll, inso&shy;fern die Pixem-&#8203;Kompo&shy;sition des Bildträ&shy;gers, wie oben erwähnt, auf einen theore&shy;tisch voraus&shy;gesetz&shy;ten ''Normal&shy;betrach&shy;ter'' bezo&shy;gen werden muss. Zu beden&shy;ken bleibt dabei aller&shy;dings, dass die menschli&shy;che Wahrneh&shy;mung von Bildern, wie u.a. von Saint-&#8203;Martin beschrie&shy;ben, neben den mögli&shy;chen indi&shy;vidu&shy;ellen Abwei&shy;chungen vom Normal&shy;betrach&shy;ter auch ''dyna&shy;mische'' Aspek&shy;te umfasst, die durch eine solche rein struktu&shy;relle Ana&shy;lyse eben&shy;falls ausge&shy;blendet bleiben.
 
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Auf begrifflicher Ebene erlaubt die Synthese der bildlichen Morphosyntax aus geometrischem Basiskalkül und dem Begriffsfeld der farblichen Markerwerte schließlich, eine lange gehegte Vermutung zu widerlegen: dass nämlich der Begriff der syntaktischen (Nicht-)Wohlgeformtheit auf Bilder überhaupt nicht anzuwenden wäre (vgl. <bib id='Plümacher 1999a'></bib>). Da durch Beschädigungen des Bildträgers die geometrische Basisstruktur des Maximalpixems gestört werden kann, ist der Begriff eines [[syntaktisch unkorrekte Bilder|syntaktisch unkorrekten Bildes]] sehr wohl sinnvoll.
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Auf begrifflicher Ebene erlaubt die Synthe&shy;se der bildli&shy;chen Morpho&shy;syntax aus geome&shy;trischem Basis&shy;kalkül und dem Begriffs&shy;feld der farbli&shy;chen Marker&shy;werte schließlich, eine lang geheg&shy;te Vermu&shy;tung zu wider&shy;legen: dass nämlich der Begriff der syntak&shy;tischen (Nicht-)&#8203;Wohlge&shy;formtheit auf Bilder über&shy;haupt nicht anzu&shy;wenden wäre (vgl. <bib id='Plümacher 1999a'>Plüma&shy;cher 1999a</bib>). Da durch Beschä&shy;digun&shy;gen des Bildträ&shy;gers die geomet&shy;rische Basis&shy;struktur des Maxi&shy;malpi&shy;xems gestört werden kann, ist der Begriff eines [[syntaktisch unkorrekte Bilder|syntak&shy;tisch unkor&shy;rekten Bildes]] sehr wohl sinnvoll.
  
 
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Aktuelle Version vom 24. Juli 2023, 16:13 Uhr

Unterpunkt zu: Bildsyntax

English Version: Image Morphology


Einordnung der Bildmor­pholo­gie

Der Ausdruck ‘Bildmorphologie’ wird im allge­meinen nicht mit einer spezi­fischen, von ‘Bildgram­matik’ oder ‘Bildkom­posi­tion’ verschie­denen Bedeu­tung gebraucht. Ange­sprochen wird mit all diesen Termi­ni eine ana­lyti­sche Betrach­tung des Bildträ­gers als zusam­menge­setzt aus für die Bildfunk­tion rele­vanten, im wesent­lichen durch visu­ell wahrnehm­bare Eigen­schaften bestimm­ten Teilen, die auch in ande­ren Bildträ­gern, die sich durch die Zusam­menstel­lung der Teile unter­scheiden, Verwen­dung finden können. Es ist die Zusam­menstel­lung der Teile zu einem Ganzen, die gemein­sam mit ande­ren (nicht-​syntak­tischen) Fakto­ren die (Typ-) Iden­tität des Bildträ­gers und damit letztlich auch die mögli­chen Verwen­dungen des Bildträ­gers als Bild deter­miniert.

Allerdings legt es die Unterschei­dung von im enge­ren Sinne gramma­tischen gegen­über morpho­logi­schen Aspek­ten bei der Betrach­tung von Sprache (⊳ Morpho­logie und Syntax) nahe, den Ausdruck ‘Bildmor­pholo­gie’ mit einem spezi­fische­ren Sinn aufzu­laden und ihn so von der Bildgram­matik (die eben damit zu einer Bildgram­matik im enge­ren Sinn wird) abzu­heben. Die Bildgram­matik im enge­ren Sinn versucht vor allem syntak­tische Kompo­sitio­nali­tät bei Bildern im Sinne der forma­len (Chomsky-) Gramma­tiken nachzu­weisen, die die Unter­scheidung von​ »Satz«​ und​ »Wort«​ voraus­setzen[1] und durch ein begrenz­tes Set von Erset­zungsre­geln über einer endli­chen Menge von Satzkon­stitu­enten als Zwischen­stufen („nonter­mina­le Symbo­le“, etwa ‘Nomi­nalphra­se’) aus endlich vielen Wörtern (im menta­len Lexi­kon) auf eindeu­tige Weise unend­lich viele Sätze abzu­leiten oder zu ana­lysie­ren gestat­ten ([Chomsky 1957a]; [Sachs-​Hom­bach 1999a]).[2] Dage­gen ist eine Bildmor­pholo­gie im hier verwen­deten Sinn an einer syntak­tischen Bildkom­posi­tiona­lität ande­rer Art inte­ressiert: Können Bildträ­ger mithil­fe allge­meiner Gruppie­rungsre­geln – etwa ana­log zu den wesent­lich “weiche­ren”, im geomet­rischen Konti­nuum wirken­den Gestalt­geset­zen – als aus “pikto­rialen Primi­tiven” beste­hend beschrie­ben werden, die nicht bereits als Zeichen (Wörter) gelten und aus einer mögli­cherwei­se unbe­grenzten Grundmen­ge stammen, wobei auch die Bedin­gung der Eindeu­tigkeit der Ablei­tung abge­schwächt sein könnte? In Ana­logie zu den Wortbil­dungsre­geln bei extrem poly­synthe­tisch-​fusio­nieren­den Sprachen, ohne dabei aber schon voraus­zuset­zen, dass eine Anwen­dung der Unter­scheidung zwischen​ »Satz«​ und​ »Wort«​ auf bildhaf­te Zeichen­syste­me sinnvoll sei, müsste eine solche Bildmor­pholo­gie der charak­teris­tischen Eigen­schaft der syntak­tischen Dichte von bildli­chen Zeichen­syste­men gerecht werden.

Lässt sich eine solche morpho­logi­sche Bildkom­posi­tiona­lität ratio­nal einfüh­ren, so sind Bilder, obschon eben­falls komple­xe Zeichen­syste­me, sehr deutlich von Sprachzei­chensys­temen unter­schieden (⊳ Iko­nische Diffe­renz). Ihnen fehlt die Aufglie­derung der einzel­nen Gesamt­zeichen­handlun­gen in partiell unab­hängi­ge, wenn auch im Sinne Freges mehr oder minder unge­sättig­te, d.h. immer Ergän­zungen bedür­fender Teil­zeichen­handlun­gen – eben den Wörtern. Insbe­sonde­re bleibt dabei offen, ob die Verwen­dungen iso­lierter syntak­tischer Ele­mente bildhaf­ter Zeichen­syste­me immer selbst bereits unge­sättig­te Zeichen­handlun­gen sind.

Sicherlich lassen sich die für ein Objekt in seiner Funktion als Bildträ­ger rele­vanten physi­schen Eigen­schaften vor allem in der visu­ell wahrnehm­baren geome­trischen Anord­nung von Farbflä­chen finden. In diesem Sinn können die syntak­tischen Ele­mente, in die bei einer eigen­wertli­chen Betrach­tung der Bildsyn­tax der Bildträ­ger zerlegt wird, als pikto­riale morpho­logi­sche Elemente betrach­tet werden. Diese sind über ihren Eigen­wert hinaus weder notwen­diger Weise mit einer bestimm­ten Bedeu­tung – einem bestimm­ten Abbil­dungswert – aufge­laden, noch kommt ihnen unbe­dingt eine genau defi­nierte pragma­tische Funktion – ein festge­legter Darstel­lungswert – zu.


Visuelle Gestalten, Colo­reme und Pixe­me

Ab­bil­dung 1: Als Bei­spiel: Glo­ria Te­mar­re Pe­tyar­re: «Arn­kerrt­he​(Berg-​Teufel-​Eidechse)-​Traum»

Kurz ge­fasst bil­den al­so ge­nau die En­ti­tä­ten, in die der Bild­trä­ger – oder ge­nau­er: der durch Rah­mung aus­ge­zeich­ne­te Teil sei­ner Ober­flä­che – in der vi­su­el­len Wahr­neh­mung ein­ge­teilt er­scheint, das mor­pho­lo­gi­sche Re­per­toire bei Bil­dern. Psy­cho­lo­gisch wird die­se Ein­tei­lung durch die Ge­stalt­ge­set­ze be­stimmt: Sie de­ter­mi­nie­ren, wel­che Raum­stel­len als zu­sam­men­hän­gend ge­se­hen wer­den, und zwar nicht nur im Sin­ne ei­nes in sich un­ge­teil­ten, gleich­far­bi­gen und zu­sam­men­hän­gen­den Ge­biets, son­dern auch im Sin­ne von Grup­pie­run­gen hö­he­rer Ord­nung, et­wa Fol­gen von gleich­far­bi­gen Stri­chen. Dies führt bei­spiels­wei­se in Ab­bil­dung 1 da­zu, dass ne­ben den ro­ten, brau­nen, schwar­zen, gel­ben und wei­ßen Ele­men­tar­ge­bie­ten auch die Grup­pen von gelb- bzw. weiß-​ge­fass­ten, dun­kel ge­füll­ten Bö­gen und Bal­ken als zu­sam­men­ge­hö­ri­ge vi­su­el­le Ge­stal­ten wahr­ge­nom­men wer­den.

In ihrem einflussreichen Buch zur Bildsyn­tax ([Saint-​Martin 1990a]) führt Fernan­de Saint-​Martin als morpho­logi­sche Basis­einheit die so genann­ten ‘Colo­reme’ ein:

[A coloreme] corresponds to that aggre­gate of visual vari­ables per­ceived in the visual repre­sen­tation by the way of an ocu­lar fixa­tion, or focus of the gaze. … A col­oreme is de­fined […] as the zone of the visual linguis­tic field corre­lated to a centra­tion of the eye. It is consti­tuted by a mass of ener­getic matter present­ing a given set of visual vari­ables. ([Saint-​Martin 1990a]: S. 5).[3]
Ab­bil­dung 2: Vi­su­a­li­sie­rung ei­nes Co­lo­rems nach Saint-​Mar­tin (sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung): Das das Co­lo­rem be­stim­men­de kreis­för­mi­ge fo­ve­a­le Zen­trie­rungs­ge­biet ist he­raus­ge­ho­ben und ver­grö­ßert, der Rest hin­ge­gen et­was ab­ge­dun­kelt dar­ge­stellt

Saint-​Mar­tins Ver­ständ­nis der Co­lo­re­me kon­zen­triert sich of­fen­sicht­lich auf mo­men­ta­ne psy­cho­phy­si­sche As­pek­te: Zu je­dem Zeit­punkt kann je­weils nur ei­ne oku­la­re Fi­xa­ti­on er­fol­gen und folg­lich nur ein Co­lo­rem wahr­ge­nom­men wer­den (vgl. Abb. 2). Al­ler­dings soll auf die­ser Ba­sis ei­ne „co­lo­re­ma­ti­sche (oder co­lo­re­mi­sche) Ana­ly­se“ auf­bau­en, die

de­scribes the trans­for­ma­tions which a col­oreme un­der­goes by its in­ter­re­la­tions with the other co­loremes of its im­me­di­ate en­tourage through mac­ular cen­tra­tions. The analy­ses pro­ceeds thus at a first re­group­ing of co­loremes through the topo­logi­cal re­la­tions which es­tab­lish the first per­cep­tual con­struc­tion and struc­ture the en­er­getic ex­changes be­tween co­loremes. ([Saint-​Mar­tin 1990a]: S. 194).

In ihrer Dynamik und direkten Abhän­gigkeit von den psycho­physi­schen Eigen­heiten eines wahrneh­menden Indi­vidu­ums sind Colo­reme vor allem theore­tische Enti­täten. Praktisch schlägt Saint-​Martin vor, die Bildflä­che in ein regel­mäßi­ges 5*5-​Raster aufzu­teilen, das als Basis für eine ange­näher­te Beschrei­bung der mögli­chen oder wahrschein­lichen Colo­reme dient: Jedes Raster ist wiede­rum in ein 5*5-​Subras­ter aufge­teilt, das die Gliede­rung in fove­ale Zentren und maku­lare Randbe­reiche aufgreift (ibid.: S. 197ff).

Um nicht zu stark an die recht spezi­fische Konzep­tion Saint-​Martins gebun­den zu sein, empfiehlt es sich allge­meiner, die – letztlich auf einen hypo­theti­schen Normal­betrach­ter bezo­genen – visu­ellen Gestal­ten im bildsyn­takti­schen Zusam­menhang zunächst eher struktu­ralis­tisch zu betrach­ten und in Ana­logie zu dem lingu­isti­schen Ausdruck ‘Morphem’ als ‘Pixe­me’ zu bezeich­nen. Dabei kann in erster Nähe­rung auch von der Dyna­mik abge­sehen werden, die bei Saint-​Martin die morpho­logi­sche Beschrei­bung eines Bildträ­gers beträcht­lich erschwert.[4]

Pixem-Attribute

Saint-Martin unterscheidet zwei Arten von Eigen­schaften der syntak­to-​morpho­logi­schen Ele­mente bildhaf­ter Zeichen, die häufig auf folgen­de Weise inter­pretiert werden (vgl. z.B. [Dölling 1999a]): Plasti­sche Eigen­schaften gehö­ren zum Mate­rial des Bildträ­gers, während ande­re Eigen­schaften im Auge des Betrach­ters liegen und von eher visu­eller also wahrneh­mungsab­hängi­ger Art sind. Die geomet­rischen Formen und ihre topo­logi­schen Rela­tionen werden als typi­sche Beispie­le für den letzte­ren Eigen­schaftstyp gege­ben, während Farben und Textu­ren als Exem­pel für Eigen­schaften des Mate­rials selbst betrach­tet werden. Colo­reme sind stets Kombi­nati­onen von plasti­schen und visu­ell-​perzep­tiven Eigen­schaften.

Tatsächlich kann auch der allge­meine­re Begriff des Pixems logisch ana­lysiert werden in eine rein geomet­rische Basis­struktur einer­seits und ein Begriffs­feld von diese Struktu­ren sichtbar machen­den Marker­dimen­sionen ande­rerseits, denn Raum als solcher wäre ja nicht wahrnehm­bar. Erst die Segmen­tation in zusam­menge­höri­ge – nämlich gleich markier­te – Gebie­te ergibt eine Struktu­rierung in die räumli­chen Ele­mente eines Ganzen.[5]

Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Geome­trie (d.h. Räumlich­keit) und Farbe nicht (oder jeden­falls nicht wesent­lich) abhän­gig von der Diffe­renzie­rung zwischen Eigen­schaften, die zum Mate­rial des Bildträ­gers gehö­ren – und daher als objek­tive Eigen­schaften zu betrach­ten wären – und Eigen­schaften, die vom Betrach­ter konstru­iert werden – und folglich als subjek­tive Eigen­schaften zu bewer­ten wären.[6] Vielmehr können Bildphi­loso­phen über Farben und die Bezie­hungen zwischen ihnen einer­seits und über räumli­che Enti­täten und die geomet­rischen oder topo­logi­schen Bezie­hungen zwischen ihnen ande­rerseits disku­tieren, ohne dabei die beiden Argu­menta­tionen mitein­ander vermi­schen zu müssen. Sie können als unab­hängig vonein­ander betrach­tet und als von – jeden­falls auf den ersten Blick – auto­nomen Begriffs­feldern gere­gelt behan­delt werden.[7] Argu­menta­tionen über Pixe­me müssen hinge­gen die Logik der Farben und die Logik des Raums mitein­ander kombi­nieren, d.h. in einer begriff­lichen Synthe­se verei­nigen.

Grundlegende Eigenschaften von Pixe­men sind mithin genau die Attri­bute, die belie­bige gefärb­te Enti­täten der zwei­dimen­siona­len Geome­trie aufwei­sen, sowie die Rela­tionen, die sie unter­einan­der einneh­men können. Neben den charak­teris­tischen Eigen­schaften geomet­rischer Enti­täten – insbe­sonde­re topo­logi­sche, metri­sche und direk­tiona­le Rela­tionen zwischen ihren Teilen (Form) und zu ande­ren Gebie­ten (Lage) – und den etwa durch Farb­ton, Hellig­keit und Sätti­gung näher bestimm­ten Farbmar­kierun­gen im enge­ren Sinn[8] können auch homo­gene Farbver­läufe oder spezi­elle Farbva­riati­onen – Textu­ren – als Attri­bute höhe­rer Ordnung rele­vant sein. Zudem treten Wechsel­wirkun­gen auf, die sich aus der räumli­chen Anord­nung verschie­dener Farben zuein­ander erge­ben, vor allem Kontrast-​Effek­te.

Kombinationen von Pixemen, Ma­ximal­pixem

Da die Unterteilung in​ »Wort«​ und​ »Satz«​ für eine morpho­logi­sche Ana­lyse von Bildern irre­levant ist, können auch Zusam­menset­zungen aus mehre­ren Pixe­men ohne weite­res wieder als Pixe­me betrach­tet werden: Die Morpho­logie von Bildern besteht damit aus Teil-​Ganzes-​Ordnun­gen von Pixe­men, die sich zwischen dem Bildgan­zen – als Maxi­malpi­xem – und den als mini­mal betrach­teten Gebie­ten mit jeweils nur einer einzi­gen homo­genen Marker­bele­gung in meist mehre­ren Stufen aufspan­nen.

Pixemen höherer Ordnung kommt mithin nicht nur eine Marker­bele­gung im oben erwähn­ten Sinn zu. Sie haben vielmehr eine quasi-​pikturale Substruk­tur. So bilden beispiels­weise in Abbil­dung 1 die mittig ange­ordne­ten bandför­migen, braun gefüllt und gelb umran­deten Pixe­me ein säulen­arti­ges komple­xes Pixem höhe­rer Ordnung. Seine geomet­rische Basis­struktur wird nicht einfach durch Farb- oder Textur­werte, sondern gera­de durch die es konsti­tuieren­den Pixe­me niede­rer Ordnung markiert.

Obwohl die Pixeme “mittlerer” Ordnung in ihrer morpho­logi­schen Struktur einem Bildträ­ger gleichen, sind sie noch nicht ohne weite­res als Bildträ­ger zu verwen­den. Das liegt insbe­sonde­re an zwei zusam­menhän­genden Fakto­ren:

  • a) Gestalttheoretisch gesprochen bilden Pixe­me jeweils Figu­ren: der Hinter­grund, vor dem sie als solche unaus­weichlich betrach­tet werden, gehört entspre­chend nicht zu ihnen. Im oben erwähn­ten Beispiel sind die die gelb-​braunen Bänder um­schließen­den roten Berei­che nicht einge­schlossen. Obwohl durch die Pixem-​Segmen­tierung prinzi­piell in eine Vielfalt von Figur-​Grund-​Paaren zerleg­bar, gilt doch für den Bildträ­ger, dass er insge­samt nur in einer Hinsicht Figur ist, nämlich vor dem Rahmen. Das gilt unter allen betei­ligten Pixe­men nur für das Maxi­malpi­xem und hat dort eine beson­dere Wirkung.
Ab­bil­dung 3: Pi­xem-​Aus­schnitt als Bild
  • b) Die Rah­mung des Ma­xi­mal­pi­xems setzt letz­te­res näm­lich in den Ver­wen­dungs­zu­sam­men­hang, der die­se Fi­gur als Gan­ze zu ei­ner Zei­chen­mar­ke in ei­ner Zei­chen­hand­lung macht, d.h.: zu ei­nem Bild­trä­ger. Na­tür­lich ist es prin­zi­pi­ell durch­aus mög­lich, die­se Rah­mungs­hand­lung auch bei je­dem der Pi­xe­me nie­de­rer Ord­nung zu voll­zie­hen, sie al­so als se­pa­rier­te Bild­trä­ger (und da­mit als an­de­re Bil­der) zu be­trach­ten. Doch blei­ben bei ei­nem sol­chen Vor­ge­hen die prag­ma­ti­schen und se­man­ti­schen Be­zü­ge nicht er­hal­ten:[9] Schnitte man eines der gelb umran­deten, braun gefüll­ten Bänder aus dem Mittel­teil von Abbil­dung 1 aus und montier­te es allei­ne auf den Hinter­grund einer neutral gefärb­ten Fläche (oder auch freischwe­bend im Raum), so kann man das Resul­tat durchaus als ein Bild mit etwas unge­wöhnlich gewölb­tem Rand (also eine Rahmung ohne expli­ziten Rahmen) begrei­fen (Abb. 3). Verwen­dungszu­sammen­hänge und Bedeu­tungszu­schreibun­gen dieses Bildes hängen indes besten­falls sehr locker mit denen von Abbil­dung 1 zusam­men.

Pixem-bildende Opera­tionen

Die Pixem-bildenden Operationen gehen letztlich auf die elemen­taren Pixem-​Attri­bute zurück. Begrün­det in den psycho­physio­logi­schen Wahrneh­mungsme­chanis­men, laufen sie in der Regel unbe­wusst ab. Dabei sind beson­ders zwei gegen­läufi­ge Aspek­te wichtig: Kontrast­verstär­kung und Gestalt­bildung.

Die Konstitution von Pixemen bei der Betrach­tung eines Bildträ­gers ist – als Vari­ante der Segmen­tierung beim Sehen ganz allge­mein – stark kontext­sensi­tiv: So führen lokal wirksa­me kontrast­verstär­kende Kompo­nenten des Wahrneh­mungsap­para­tes zu Grenzen zwischen als einheit­lich wahrge­nomme­nen Gebie­ten. Bemerk­bar werden diese Ope­rati­onen vor allem dann, wenn sie zu Täuschun­gen, d.h. zu zusätz­lichen Pixe­men (bzw. allge­meiner: Wahrneh­mungsseg­menten[10]) führen, etwa bei der Kontrast­täuschung.[11]

Die Mechanismen der Kontrastver­stärkung unter­stützen ande­rerseits das Zusam­menfas­sen homo­gener Gebie­te durch Gestalt­bildung im Sinne der Gestalt­geset­ze. Deren unbe­wusstes Wirken bestimmt die wahrge­nomme­nen Teil-​Ganzes-​Hierar­chien der zusam­menge­setzten Pixe­me. Das Wechsel­spiel von Grenzzie­hung durch Kontrast­verstär­kung und Inte­gration gemäß der Gestalt­geset­ze führt letztlich zur Konsti­tution einer bildmor­pholo­gischen (Normal-)​Struktur zwischen Maxi­malpi­xem und ele­menta­ren Gebie­ten, die aller­dings bei der alltäg­lichen Bildwahr­nehmung bereits beim Aufbau sehr stark von seman­tischen und pragma­tischen Randbe­dingun­gen deter­miniert wird. Eben aus diesem Grund heben etwa Gestal­tungslehr­bücher stets beson­ders hervor, dass “das Auge” in der gestal­teri­schen Sehwei­se geschult werden müsse, die gera­de von solchen Einflüs­sen absieht und letztlich einen rein eigen­wertli­chen Zugang zur Bildmor­pholo­gie errei­chen will (etwa [Klee 1956a]).


Anwendungen

Ab­bil­dung 4: Er­geb­nis ei­ner au­to­ma­ti­schen Seg­men­tie­rung: Tex­tur­ba­sier­te Pi­xem­bil­dung. Rechts sind die ge­fun­de­nen Pi­xe­me farb­lich mar­kiert dar­ge­stellt.

Das al­go­rith­mi­sche Nach­bil­den pi­xem-​bil­den­der Ope­ra­ti­o­nen führt zur Mög­lich­keit bild­mor­pho­lo­gi­scher Ana­ly­sen in der Com­pu­ter­vi­su­a­lis­tik und bil­det ei­nen zen­tra­len Be­stand­teil der di­gi­ta­len Bild­ver­ar­bei­tung: Auf in­for­ma­ti­sche Ko­die­run­gen (No­ta­ti­o­nen) von Bild­trä­gern kön­nen ent­spre­chen­de Seg­men­tie­rungs­ver­fah­ren pro­gram­miert wer­den, die (in der ent­spre­chen­den Li­te­ra­tur oft als ‘Ob­jek­te’ be­zeich­ne­te) Pi­xe­me zu be­stim­men er­lau­ben (Abb. 4). Hier­bei wer­den vor al­lem die Ge­stalt­ge­set­ze der Nä­he, Ähn­lich­keit und Gu­ten Kon­ti­nu­i­tät über den Farb- und Tex­tur­mar­kern ope­ra­ti­o­na­li­siert.

Auf lange Sicht mag es möglich sein, der Bildwis­senschaft auf diese Weise ein Set von techni­schen Standard­werkzeu­gen zur morpho­logi­schen Bild­ana­lyse bereit­zustel­len. Dies ist insbe­sonde­re sinnvoll, inso­fern die Pixem-​Kompo­sition des Bildträ­gers, wie oben erwähnt, auf einen theore­tisch voraus­gesetz­ten Normal­betrach­ter bezo­gen werden muss. Zu beden­ken bleibt dabei aller­dings, dass die menschli­che Wahrneh­mung von Bildern, wie u.a. von Saint-​Martin beschrie­ben, neben den mögli­chen indi­vidu­ellen Abwei­chungen vom Normal­betrach­ter auch dyna­mische Aspek­te umfasst, die durch eine solche rein struktu­relle Ana­lyse eben­falls ausge­blendet bleiben.

Auf begrifflicher Ebene erlaubt die Synthe­se der bildli­chen Morpho­syntax aus geome­trischem Basis­kalkül und dem Begriffs­feld der farbli­chen Marker­werte schließlich, eine lang geheg­te Vermu­tung zu wider­legen: dass nämlich der Begriff der syntak­tischen (Nicht-)​Wohlge­formtheit auf Bilder über­haupt nicht anzu­wenden wäre (vgl. [Plüma­cher 1999a]). Da durch Beschä­digun­gen des Bildträ­gers die geomet­rische Basis­struktur des Maxi­malpi­xems gestört werden kann, ist der Begriff eines syntak­tisch unkor­rekten Bildes sehr wohl sinnvoll.

Anmerkungen
  1. Das be­deu­tet: Die Zei­chen die­ser Zei­chen­sys­te­me wer­den als aus kom­mu­ni­ka­tiv wir­ken­den Ein­hei­ten zu­sam­men­ge­setzt ver­stan­den, de­nen zu­min­dest zum Teil selbst wie­de­rum Zei­chen­cha­rak­ter im sel­ben Sys­tem zu­kommt. Ei­ne Kom­po­si­ti­on aus kom­mu­ni­ka­ti­ven Ele­men­ten, die nicht be­reits sel­ber Zei­chen sind, wird da­bei nicht be­rück­sich­tigt.
  2. Ge­nau ge­nom­men ist da­her die Fra­ge nach der Bild­gram­ma­tik nicht auf ein Bild­al­pha­bet ge­rich­tet, son­dern eher auf ein “men­ta­les Le­xi­kon” zu ei­ner end­li­chen Men­ge von “Bild­wör­tern”.
  3. Vgl. hier­zu auch den Ein­trag Ko­lo­rem im «Le­xi­kon der Film­be­grif­fe».
  4. In neu­ro­phy­si­o­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve ver­schiebt sich da­bei der Fo­kus vom Au­ge zu den so ge­nann­ten neu­ra­len Kar­ten des vi­su­el­len Kor­tex oder bes­ser der lo­gi­schen Struk­tur der dort en­ko­dier­ten vi­su­el­len Mus­ter.
  5. Auf den ers­ten Blick mag die­ser Ana­ly­se so­gar ei­ne ge­wis­se Ähn­lich­keit mit ei­ner gram­ma­ti­schen Struk­tur im en­ge­ren Sinn eig­nen, wo­bei der geo­met­ri­sche Kal­kül ge­wis­ser­ma­ßen als Gram­ma­tik fun­giert und die Re­geln zur Ab­lei­tung non-​ter­mi­na­ler “Satz”-​Tie­fen­struk­tu­ren be­reit­stellt, wäh­rend die mög­li­chen Aus­prä­gun­gen der Mar­ker­di­men­si­o­nen das pik­to­ri­a­le “Le­xi­kon” – die ter­mi­na­len Sym­bo­le – zu­fü­gen, die die bild­li­che Ober­flä­chen­struk­tur er­gibt.
  6. Es er­scheint schon merk­wür­dig, dass aus­ge­rech­net​ »Far­be«​ – ge­mein­hin als Pa­ra­de­bei­spiel für ei­ne se­kun­dä­re Qua­li­tät an­ge­führt – bei Saint-​Mar­tin zu den ob­jek­ti­ven Ma­te­ri­al­ei­gen­schaf­ten ge­hört und nicht dem Wahr­neh­mungs­ap­pa­rat zu­ge­schla­gen wird.
  7. Eben aus die­sem Grund ist ei­ne von Farb­the­o­ri­en un­ab­hän­gi­ge Geo­met­rie mög­lich. Zwar kom­men in Farb­the­o­ri­en oft geo­met­ri­sche Aus­drü­cke vor (‘Farb­raum’, ‘Farb­dis­tanz’, ‘Farb­kör­per’), doch sind die­se raum­me­ta­pho­risch ge­mein und be­zie­hen sich ge­ra­de nicht auf die geo­met­ri­schen Ei­gen­schaf­ten far­bi­ger Ge­gen­stän­de.
  8. Zu be­ach­ten ist al­ler­dings, dass die Di­men­si­o­nen​ »Farb­ton«,​ »Hel­lig­keit«​ und​ »Sät­ti­gung«​ zur Cha­rak­te­ri­sie­rung ei­nes pik­to­ri­a­len Mar­ker­werts nicht ab­so­lut ge­se­hen wer­den kön­nen, son­dern in star­ker Wei­se von ih­rer Um­ge­bung ab­hän­gen: So­wohl Be­leuch­tung (ob­jek­tiv) als auch die Far­ben der um­ge­ben­den Pi­xe­me (sub­jek­tiv) be­ein­flus­sen die Wahr­neh­mung von Far­be.
  9. Ei­ne Aus­nah­me zu die­ser Re­gel dürf­ten die­je­ni­gen Pi­xe­me bil­den, die ab­bil­dungs­wert­lich als Bild im Bild in­ter­pre­tiert wer­den. De­ren prag­ma­ti­schen und se­man­ti­schen Re­la­ti­o­nen sind dann al­ler­dings in die Sze­ne des Bild­rau­mes ver­scho­ben.
  10. Der Hin­weis auf den mög­li­chen Un­ter­schied zwi­schen vi­su­el­ler Wahr­neh­mung ganz all­ge­mein und Bild­wahr­neh­mung im Be­son­de­ren ist im Zu­sam­men­hang mit “op­ti­schen” Täu­schun­gen (⊳ Wahr­neh­mungs­il­lu­si­on) durch­aus er­wäh­nens­wert, fin­den doch die psy­cho­lo­gi­schen Tests et­wa zur Kon­trast­täu­schung wie auch die Ex­pe­ri­men­te zur vi­su­el­len Ge­stalt­bil­dung in der Re­gel mit­hil­fe von Bild­ma­te­ri­al statt, wäh­rend die Schluß­fol­ge­run­gen da­raus sich auf die vi­su­el­le Wahr­neh­mung ganz un­ab­hän­gig von Bil­dern be­zie­hen sol­len.
  11. Ein gut prä­sen­tier­tes Bei­spiel der Kon­trast­täu­schung fin­det sich auf der fol­gen­den Sei­te: Kon­trast­täu­schung bei seh­test­bil­der.de.
Literatur                             [Sammlung]

[Chomsky 1957a]: Chomsky, Noam (1957). Syntactic Structures. Den Haag: Mouton.

[Dölling 1999a]:
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[Klee 1956a]:
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[Plüma­cher 1999a]: Plümacher, Martina (1999). Wohlgeformtheitsbedingugen für Bilder?. In: Sachs-Hombach, K. & Rehkämper, K. (Hg.): Bildgrammatik. Interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildlicher Darstellungsformen. Magdeburg: Scriptum, S. 47-56. [Sachs-​Hom­bach 1999a]: Sachs-Hombach, (1999). Gibt es ein Bildalphabet?. In: Sachs-Hombach, K. & Rehkämper, K. (Hg.): Bildgrammatik. Interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildlicher Darstellungsformen. Magdeburg: Scriptum, S. 57-66. [Saint-​Mar­tin 1990a]: Saint-Martin, Fernande (1990). Semiotics of Visual Language. Bloomington, IN: Indiana University Press.


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Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [48] und Klaus Sachs-Hombach [10] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schirra 2013g-f] [Dölling 1999a]:
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[Klee 1956a]:
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[Schirra 2013g-f]:
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