Bildpolitik: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 23. Dezember 2012, 22:30 Uhr
Unterpunkt zu: Bildpragmatik
Bildlichkeit und PolitikBildlichkeit und Politik sind eng miteinander verbunden. "Politische Ordnungen", schreibt Hans Vorländer, "sind für die Aufrechterhaltung und die Durchsetzung ihrer Geltungsansprüche auf symbolische und ästhetische Formen der Eigendarstellung angewiesen" ([Vorländer 2003a]Literaturangabe fehlt.Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 16). Gesellschaftliche Machtverhältnisse werden deshalb seit vielen Jahrhunderten mithilfe visueller Medien (etwa Münzen, Gemälde, Skulpturen oder auch Bauwerke) stabilisiert. Beispielhaft für diese enge Verbindung von Politik und Symbolik bzw. Bildlichkeit stehen Herrschaftsbauten wie die mittelalterlichen Adelsburgen, die keineswegs nur wehrtechnische oder ökonomische, sondern auch visuell-repräsentative Funktionen erfüllten (vgl. [Zeune 1997a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Verschiedenste Architekturformen bieten reichhaltiges Belegmaterial für das enge Wechselspiel zwischen Bildlichkeit und Politik an (vgl. z.B. [Warnke 1984a]Warnke, Martin (1984). Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute: Repräsentation und Gemeinschaft. Köln: DuMont. Eintrag in Sammlung zeigen; [Beyme 2004a]Beyme, Klaus von (2004). Politische Ikonologie der modernen Architektur. In Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Theorien, Methoden, Problemstellungen, 351-372. Eintrag in Sammlung zeigen): Parlamentsbauten etwa sind so eng mit dem demokratischen Repräsentationsgedanken verknüpft, dass neben dem Baukörper auch die dort errichtete Sitzordnung von hoher symbolischer Bedeutung ist (vgl. [Manow 2008a]Manow, Philip (2008). Im Schatten des Königs. Die politische Anatomie demokratischer Repräsentation. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen). Aufgrund ihrer Multifunktionalität bietet sich Architektur immer zur politischen Indienstnahme an: So können Sakralbauten wie der Speyerer Kaiserdom als Kulissen für Staatsbesuche dienen und im Rahmen transnationaler Medienereignisse wie etwa einer Fußballweltmeisterschaft finden Amtsträger sich häufig in Sportstadien ein, um die große Medienaufmerksamkeit für ihre Zwecke zu nutzen. Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch das Mediensystem. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen) prägen verschiedenste Akteurinnen und Akteure (z.B. PR-Spezialisten, Bildagenturen, Fernsehsender, Künstler, etc.) und Formate (u.a. Pressefotos, Wahlplakate, Websites, Talkshows, etc.) die politische Kommunikation. Medienikonen des Krieges. Die symbolische Entthronung Saddams als Versuch strategischer Ikonisierung. In War Visions. Bildkommunikation und Krieg, 356-387. Eintrag in Sammlung zeigen). Der Schweißfleck der Kanzlerkandidatin. Bildmanipulation, Bildfälschung und Bildethik im Zeitalter der digitalen Fotografie. In Communicatio Socialis, 3, 276-293. Eintrag in Sammlung zeigen), sie tun dies aber nicht zwingend. Denn Bilder sind politische Instrumente, die der Lüge ebenso dienen können wie anderen politischen Zwecken. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Politik immer auch eine symbolische Dimension hat, weil sie kommunikativ erzeugt wird. Diese symbolische Dimension lässt sich nur künstlich von der "eigentlichen" Politik trennen. Politisches Handeln hat "in jeder Situation instrumentelle und expressive Anteile (...) - auch das sogenannte Entscheidungshandeln vollzieht sich in dieser Hinsicht symbolisch" ([Soeffner & Tänzler 2002a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 21). Das Erscheinungsbild eines Ministers oder einer Präsidentin wird deshalb ganz unabhängig von der Qualität ihrer Selbstinszenierung immer Anlass für politisch-ästhetische Kritik oder Bildfindungen sein. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Paul 2009a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). So wird "das politische Bild" ([Grittmann 2007a]Grittmann, Elke (2007). Das politische Bild. Fotojournalismus und Pressefotografie. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen) zunehmend zum Thema sozialwissenschaftlicher Analysen. Für die Konjunktur der historiographisch orientierten Erforschung politischer Bildlichkeit stehen Schlagworte wie "Visual History" oder "historische Bildkunde" (vgl. [Burke 2003a]Burke, Peter (2003). Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen. Berlin: Wagenbach. Eintrag in Sammlung zeigen, [Paul 2006a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. , [Jäger & Knauer 2009a]Jäger, Jens; Knauer, Martin (2009). Bilder als historische Quellen? Dimensionen der Debatte um historische Bildforschung. München: Fink. Eintrag in Sammlung zeigen). Bildpolitik: engere BegriffsbestimmungDer Terminus "Bildpolitik" wird in der einschlägigen Fachliteratur häufig ohne explizite Definition verwendet. Je nach den zugrunde gelegten Bild- und Politikbegriffen changiert seine Bedeutung (vgl. etwa [Werckmeister 2005a]Werckmeister, Otto Karl (2005).Der Medusa Effekt. Politische Bildstrategien seit dem 11. September 2001. Berlin: form + zweck, 2. Auflage. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 7; [Bieger 2007a]Bieger, Laura (2007). Ästhetik der Immersion. Raum-Erleben zwischen Welt und Bild. Bielefeld: transcript. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 16). "Bildpolitik" kann die Wechselwirkung von Bildlichkeit und Politik ebenso beschreiben wie die strategische Nutzung von Sichtbarkeit bzw. Bildwirkungen, beispielsweise durch Künstler oder in den Naturwissenschaften. Sehr häufig ist der Begriff auf die Indienstnahme von Bildern durch Herrscher oder andere Akteure bezogen, die an der Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen beteiligt sind. In diesem Sinne ist dann beispielsweise von der Bildpolitik der Päpste, der Alliierten oder der Europäischen Union die Rede. Bilder sind aber nicht per se als politisch zu verstehen. Entscheidend ist ihre Kontextualisierung (vgl. [Drechsel 2006a]Drechsel, Benjamin (2006). Was ist ein politisches Bild? Einige Überlegungen zur Entwicklung der Politikwissenschaft als Bildwissenschaft. In Moderne. Kulturwissenschaftliches Jahrbuch, 2, 106-120. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 113). Von Bilderkriegen und VisualisierungsstrategienNeuere Forschungsansätze thematisieren etwa die Rolle von Bildpolitik bei der Politikvermittlung oder bei der Kriegsführung und -legitimation (vgl. [Bachmann-Medick 2006a]Bachmann-Medick, Doris (2006).Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 355). Der Begriff "Bilderkrieg" ist in diesem Zusammenhang zum geflügelten Wort in der politischen Publizistik und der historisch-politischen Bildforschung geworden. Die Rede vom "Bilderkrieg" bezeichnet einen Wandel in der Führung und Darstellung moderner Kriege, der zunächst die technischen Bildmedien Fotografie und Film, später auch die elektronischen Medien wie Fernsehen und Internet zunehmend in die Planung und Führung von Kriegen einbezog ([Paul 2005a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 15f.). Medien verpassen dem Krieg ein bestimmtes "Image", das den Charakter der Kriegsführung sowie der Kriegswahrnehmung entscheidend verändert. Ihr Eingriff konstituiert einen visuellen Kampfplatz mit eigenen Gesetzen und Regeln. Kriege werden heute also auch an einer "vierten Front" ([Paul 2005a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 16) geführt: Sie werden medial vorbereitet, beginnen zur "Primetime" und bestehen zu einem nicht unerheblichen Teil aus medial geführten und symbolischen Attacken (vgl. [Paul 2005a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : ebd.). Für die Berichterstattung vom Kriegsschauplatz hatte dieser Wandel im Verhältnis von Medien und Krieg insofern Bedeutung, als visuelle Kriegsberichterstattung zunehmend als Teil der Kriegsführung etabliert wurde, wobei die Bilder mehr und mehr zu zentralen Waffen avancierten (Stichwort "embedded journalism"). Seit wann von einem Bilderkrieg gesprochen werden kann, darüber herrscht in der einschlägigen Fachliteratur allerdings Uneinigkeit (vgl. [Knieper & Müller 2005a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Den Terror klonen. Der Krieg der Bilder 2001-2004. In Iconic Worlds. Neue Bilderwelten und Wissensräume, 255-285. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 259). Die Zerstörung der Twin Towers kann auch als ein ikonoklastischer Akt zur Vernichtung des "Idols der anderen" verstanden werden. Mit Ground Zero wurde wiederum eine Gegen-Ikone geschaffen, die auf ihre Weise sehr viel mehr Wirkungsmacht entfaltet als die säkulare Architekturikone, die sie ersetzte (vgl. [Mitchell 2006a]Mitchell, William J. T. (2006). Den Terror klonen. Der Krieg der Bilder 2001-2004. In Iconic Worlds. Neue Bilderwelten und Wissensräume, 255-285. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 262). Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 29). Das Präsentieren von Gegen-Bildern gilt heute als eine wichtige Ergänzung öffentlicher Debatten zugunsten einer politisch ausgewogenen Information. Gegen-Bilder werden häufig im Internet veröffentlicht, das deutlich weniger monopolisiert ist als andere Medien. Als im Juni 2009 nach den Präsidentschaftswahlen in Iran Bilder von Mobiltelefonen der Opposition um die Welt gingen, die protestierende Menschen, Verhaftungen und Polizeigewalt zeigten, wurde ihnen ein hoher Grad an Authentizität zugeschrieben. Im "Asymmetrische(n) Bilderkrieg" ([Mirzoeff 2007a]Mirzoeff, Nicholas (2007). Von Bildern und Helden. Sichtbarkeit im Krieg der Bilder. In Feindbilder. Ideologien und visuelle Strategien der Kulturen, 135-156. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 135) vermag es also auch die vermeintlich schwächere Seite, die Beweiswirkung visueller Kommunikation für sich zu nutzen. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) oder zur Bildpolitik der Europäischen Union (vgl. [Bernhardt et al. 2009a]Bernhardt, Petra; Hadj-Abdou, Leila; Liebhart, Karin; Pribersky, Andreas (2009). EUropäische Bildpolitiken. Politische Bildanalyse an Beispielen der EU-Politik. Wien: facultas UTB. Eintrag in Sammlung zeigen) vorgelegt. Während die Europäische Union in ihrer Selbstdarstellung konsequent das Image einer Familie von Staaten pflegt, die ein gemeinsames europäisches Haus (mit der Option auf Neuzuzug) bewohnt, deuten Beitrittswerber wie Kritiker diese Bilder zu einer "Festung Europa" um, in der ein hierarchisches Familienmodell Platz greift (vgl. [Bernhardt et al. 2009a]Bernhardt, Petra; Hadj-Abdou, Leila; Liebhart, Karin; Pribersky, Andreas (2009). EUropäische Bildpolitiken. Politische Bildanalyse an Beispielen der EU-Politik. Wien: facultas UTB. Eintrag in Sammlung zeigen). Bildpolitik entsteht im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit: "Transparenz steht für die Durchsichtigkeit eines Entscheidungszentrums. [...] Mit Visualisierung hingegen ist die Kontrolle der Sichtbarkeitsverhältnisse durch das Entscheidungszentrum gemeint" ([Münkler 2009a]Literaturangabe fehlt. Auswirkungen auf andere Begriffe- Visual Culture/Visual Studies - Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit - Bildakt-Theorie - Idolatrie und Ikonoklasmus |
Anmerkungen
[Bachmann-Medick 2006a]: Bachmann-Medick, Doris (2006). Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
[Bernhardt et al. 2009a]: Bernhardt, Petra; Hadj-Abdou, Leila; Liebhart, Karin; Pribersky, Andreas (2009). EUropäische Bildpolitiken. Politische Bildanalyse an Beispielen der EU-Politik. Wien: facultas UTB.
[Beyme 2004a]: Beyme, Klaus von (2004). Politische Ikonologie der modernen Architektur. In: Schwelling, Birgit (Hg.): Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Theorien, Methoden, Problemstellungen. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, S. 351-372.
[Bieger 2007a]: Bieger, Laura (2007). Ästhetik der Immersion. Raum-Erleben zwischen Welt und Bild. Bielefeld: transcript.
[Burke 2003a]: Burke, Peter (2003). Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen. Berlin: Wagenbach.
[Drechsel 2006a]: Drechsel, Benjamin (2006). Was ist ein politisches Bild? Einige Überlegungen zur Entwicklung der Politikwissenschaft als Bildwissenschaft. Moderne. Kulturwissenschaftliches Jahrbuch, Nummer: 2, S. 106-120.
[Fahlenbrach & Viehoff 2005a]: Fahlenbrach, Kathrin; Viehoff, Reinhold (2005). Medienikonen des Krieges. Die symbolische Entthronung Saddams als Versuch strategischer Ikonisierung. In: Knieper, Thomas; Müller, Marion G. (Hg.): War Visions. Bildkommunikation und Krieg. Köln: Halem, S. 356-387.
[Grittmann 2007a]: Grittmann, Elke (2007). Das politische Bild. Fotojournalismus und Pressefotografie. Köln: Halem.
[Hömberg & Karasek 2008a]: Hömberg, Walter; Karasek, Johannes (2008). Der Schweißfleck der Kanzlerkandidatin. Bildmanipulation, Bildfälschung und Bildethik im Zeitalter der digitalen Fotografie. Communicatio Socialis, Nummer: 3, S. 276-293.
[Jäger & Knauer 2009a]: Jäger, Jens; Knauer, Martin (Hg.) (2009). Bilder als historische Quellen? Dimensionen der Debatte um historische Bildforschung. München: Fink.
[Knieper & Müller 2005a]: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [29] und Petra Bernhardt [23] — (Hinweis) |