Bildpolitik: Unterschied zwischen den Versionen

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<!--Bildlichkeit und Politik sind eng miteinander verbunden. "Politische Ordnungen sind für die Aufrechterhaltung und die Durchsetzung ihrer Geltungsansprüche auf symbolische und ästhetische Formen der Eigendarstellung angewiesen" (Vorländer 2003, 16). Gesellschaftliche Machtverhältnisse werden deshalb seit vielen Jahrhunderten mit Hilfe visueller Medien (etwa Münzen, Gemälde, Skulpturen oder auch Bauwerke) stabilisiert. Beispielhaft für diese enge Verbindung von Politik und Symbolik bzw. Bildlichkeit stehen Herrschaftsbauten wie die mittelalterlichen Adelsburgen, die keineswegs nur wehrtechnische oder ökonomische, sondern auch visuell-repräsentative Funktionen erfüllten (vgl. Zeune 1997). Verschiedenste Architekturformen bieten reichhaltiges Belegmaterial für das enge Wechselspiel zwischen Bildlichkeit und Politik an (vgl. beispielsweise Warnke 1984; Beyme 2004): Parlamentsbauten etwa sind so eng mit dem demokratischen Repräsentationsgedanken verknüpft, dass neben dem Baukörper auch die dort errichtete Sitzordnung von hoher symbolischer Bedeutung ist (vgl. Manow 2008). Aufgrund ihrer Multifunktionalität bietet sich Architektur immer zur politischen Indienstnahme an: So können Sakralbauten wie der Speyerer Kaiserdom als Kulissen für Staatsbesuche dienen und im Rahmen transnationaler Medienereignisse wie etwa einer Fußballweltmeisterschaft finden Amtsträger sich häufig in Sportstadien ein, um die große Medienaufmerksamkeit für ihre Zwecke zu nutzen.
 
<!--Bildlichkeit und Politik sind eng miteinander verbunden. "Politische Ordnungen sind für die Aufrechterhaltung und die Durchsetzung ihrer Geltungsansprüche auf symbolische und ästhetische Formen der Eigendarstellung angewiesen" (Vorländer 2003, 16). Gesellschaftliche Machtverhältnisse werden deshalb seit vielen Jahrhunderten mit Hilfe visueller Medien (etwa Münzen, Gemälde, Skulpturen oder auch Bauwerke) stabilisiert. Beispielhaft für diese enge Verbindung von Politik und Symbolik bzw. Bildlichkeit stehen Herrschaftsbauten wie die mittelalterlichen Adelsburgen, die keineswegs nur wehrtechnische oder ökonomische, sondern auch visuell-repräsentative Funktionen erfüllten (vgl. Zeune 1997). Verschiedenste Architekturformen bieten reichhaltiges Belegmaterial für das enge Wechselspiel zwischen Bildlichkeit und Politik an (vgl. beispielsweise Warnke 1984; Beyme 2004): Parlamentsbauten etwa sind so eng mit dem demokratischen Repräsentationsgedanken verknüpft, dass neben dem Baukörper auch die dort errichtete Sitzordnung von hoher symbolischer Bedeutung ist (vgl. Manow 2008). Aufgrund ihrer Multifunktionalität bietet sich Architektur immer zur politischen Indienstnahme an: So können Sakralbauten wie der Speyerer Kaiserdom als Kulissen für Staatsbesuche dienen und im Rahmen transnationaler Medienereignisse wie etwa einer Fußballweltmeisterschaft finden Amtsträger sich häufig in Sportstadien ein, um die große Medienaufmerksamkeit für ihre Zwecke zu nutzen.
 
Besonders offensichtlich ist Bildpolitik immer dort, wo Herrschaft sich mit Hilfe von Visualisierungen darstellen lässt: In der abendländischen Kunstgeschichte ist das besonders häufig in Form von Herrschaftsbauten, gemalten Porträts und Denkmalen geschehen. Durch die mediale Entwicklung des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts haben sich die diesbezüglichen Möglichkeiten verändert und erweitert. In der "Mediokratie" (Meyer 2001) prägen verschiedenste Akteurinnen und Akteure (z.B. PR-Spezialisten, Bildagenturen, Fernsehsender, Künstler, etc.) und Formate (u.a. Pressefotos, Wahlplakate, Websites, Talkshows, etc.) die politische Kommunikation.
 
Besonders offensichtlich ist Bildpolitik immer dort, wo Herrschaft sich mit Hilfe von Visualisierungen darstellen lässt: In der abendländischen Kunstgeschichte ist das besonders häufig in Form von Herrschaftsbauten, gemalten Porträts und Denkmalen geschehen. Durch die mediale Entwicklung des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts haben sich die diesbezüglichen Möglichkeiten verändert und erweitert. In der "Mediokratie" (Meyer 2001) prägen verschiedenste Akteurinnen und Akteure (z.B. PR-Spezialisten, Bildagenturen, Fernsehsender, Künstler, etc.) und Formate (u.a. Pressefotos, Wahlplakate, Websites, Talkshows, etc.) die politische Kommunikation.
Obwohl in der einschlägigen Literatur umstritten ist, ab wann historisch von "Bildpolitik" gesprochen werden kann, lassen sich einige ihrer aktuellen Tendenzen auf tief reichende bildgeschichtliche Wurzeln zurückführen: Beispielsweise geht ein abrupter politischer Systemwechsel häufig mit Bilderstürzen im öffentlichen Raum einher; das gilt für die Zeit der Französischen Revolution ebenso wie für das Ende des ostmitteleuropäischen Staatssozialismus 200 Jahre später oder für den Irakkrieg zu Beginn des 21. Jahrhunderts (vgl. etwa Speitkamp 1997; Fahlenbach/Viehoff 2005). -->
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Obwohl in der einschlägigen Literatur umstritten ist, ab wann historisch von "Bildpolitik" gesprochen werden kann, lassen sich einige ihrer aktuellen Tendenzen auf tief reichende bildgeschichtliche Wurzeln zurückführen: Beispielsweise geht ein abrupter politischer Systemwechsel häufig mit Bilderstürzen im öffentlichen Raum einher; das gilt für die Zeit der Französischen Revolution ebenso wie für das Ende des ostmitteleuropäischen Staatssozialismus 200 Jahre später oder für den Irakkrieg zu Beginn des 21. Jahrhunderts (vgl. etwa Speitkamp 1997; Fahlenbach/Viehoff 2005).
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Der Zusammenhang von Politik und Bildlichkeit sollte nicht auf Propaganda verengt werden. Bilder dienen in politischen Zusammenhängen zwar häufig der Manipulation (vgl. etwa Hömberg/Karasek 2008), sie tun dies aber nicht zwingend. Denn Bilder sind politische Instrumente, die der Lüge ebenso dienen können wie anderen politischen Zwecken. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Politik immer auch eine symbolische Dimension hat, weil sie kommunikativ erzeugt wird. Diese symbolische Dimension lässt sich nur künstlich von der "eigentlichen" Politik trennen. Politisches Handeln hat "in jeder Situation instrumentelle und expressive Anteile (...) auch das sogenannte Entscheidungshandeln vollzieht sich in dieser Hinsicht symbolisch" (Soeffner/Tänzler 2002, 21). Das Erscheinungsbild eines Ministers oder einer Präsidentin wird deshalb ganz unabhängig von der Qualität ihrer Selbstinszenierung immer Anlass für politisch-ästhetische Kritik oder Bildfindungen sein.
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Das Verhältnis von Bildlichkeit und Politik wird insbesondere seit den 1990er Jahren transdisziplinär erforscht. Die politische Ikonographie hat ihre Wurzeln in der Kunstgeschichte; Bildpolitik wird aber auch von Politik-, Medien- und Kommunikationswissenschaftern analysiert (vgl. etwa die zahlreichen Beiträge in Paul 2008/2009). So wird "das politische Bild" (Grittmann 2007) zunehmend zum Thema sozialwissenschaftlicher Analysen. Für die Konjunktur der historiographisch orientierten Erforschung politischer Bildlichkeit stehen Schlagworte wie "Visual History" oder "historische Bildkunde" (vgl. Burke 2003, Paul 2006, Jäger/Knauer 2009).  -->
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<!--Literaturverweise im laufenden Text <bib id='Jonas 61a'>Jonas 1961</bib> -->
 
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Version vom 8. April 2011, 21:20 Uhr


Unterpunkt zu: Bildpragmatik


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Literatur                            [Sammlung]

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