Bildpragmatik: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Pragmatische Betrachtungen haben in | + | Pragmatische Betrachtungen haben in verschie­denen zeichen­theore­tischen Ansät­zen unter­schiedli­ches Gewicht (vgl. <bib id='Levinson 1983a'>Levin­son 1983a</bib>: Kap. 1.2 sowie ⊳ [[Pragmatik, Semantik, Syntax|Pragma­tik, Seman­tik, Syntax]]). Gemein­sam ist ihnen, dass die Zeichen­verwen­dung als eine Handlung betrach­tet wird und insbe­sonde­re als eine Handlung im Zusam­menspiel mit ande­ren Handlun­gen. Es werden also alle handlungs­theore­tisch rele­vanten Fakto­ren berück­sichtigt, sofern diese nicht bereits unter die speziel­leren Frage­stellun­gen der Syntax oder Seman­tik fallen. Eine enge Auffas­sung von Pragma­tik, der ohne­hin im Wesent­lichen die seman­tischen Bezie­hungen im Zentrum stehen, begnügt sich dabei vor allem einer­seits mit dem Abgleich der (im weite­ren Sinne) [[Symbol, Index, Ikon|inde­xika­lischen Aspek­te]] der Zeichen­bedeu­tung mit der Situ­ation der Zeichen­verwen­dung, ande­rerseits mit dem Erfas­sen von Varia­tionen des Ausfüh­rungsstils der Zeichen­handlung. Inso­fern können etwa auch Studien zum [[Stil|Perso­nalstil]] eines bilden­den Künstlers als Grenzfall bildprag­mati­scher Betrach­tungen verstan­den werden. Etwas weiter gefasst rücken “Ange­messen­heitsbe­dingun­gen der Verwen­dung” eines Zeichens in den Fokus des Inte­resses. Hier spielt der Begriff des [[Kontext]]s wie auch psycho­logisch oder sozio­logisch deter­minier­te Eigen­schaften der Zeichen­verwen­der und ihrer Bezie­hung zuei­nander eine beson­dere Rolle: Auf Bilder bezo­gen richtet sich der Blick nun also auf die Bedin­gungen des Herstel­lungs- und Rezep­tionszu­sammen­hangs und die durch das Bild ausge­lösten Verän­derun­gen darin. |
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− | Berücksichtigt man, dass alle | + | Berücksichtigt man, dass alle Reak­tionen der Zeichen­verwen­der auf die Zeichen­handlung eben­falls Handlun­gen sind, gelangt man zu einem noch weiter ange­legten Pragma­tikbe­griff, der auch in diesem Kapi­tel zugrun­de gelegt ist. Bildprag­matik befasst sich demnach mit allen Regel­haftig­keiten zwischen einer Bildhand­lung einer­seits (Herstel­lung oder Auswahl, Präsen­tation und Rezep­tion, etc.) und ande­ren, damit irgend­wie zusam­menhän­genden Handlun­gen der betei­ligten Akteu­re ande­rerseits. Wittgen­steins begriff­licher Konnex von Sprach­spiel und [[Weltbild, Lebensform|Lebens­form]] exem­plifi­ziert diese Bezie­hung zwar für verbale Zeichen­handlun­gen (<bib id='Wittgenstein 1971a'>Wittgen­stein 1971a</bib>), kann aber durchaus auf pikto­rale Zeichen extra­poliert werden: So wird etwa das Verhal­ten durch die an Toilet­tentü­ren häufig ange­brachten Pikto­gramme recht direkt aber “Nutzer”-spezi­fisch beein­flusst. |
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− | Eine Reihe bildpragmatischer | + | Eine Reihe bildpragmatischer Ansät­ze betrach­tet daher Möglich­keiten und Grenzen des Versuchs, die Idee der Sprech­akte auf Bilder zu über­tragen: Welche [[Illokution|Illo­kuti­onen]] sind mit Bildern möglich, welche können nicht und welche nur mit Bildern durchge­führt werden? In diesen Zusam­menhang gehört auch die Frage nach der (oder gege­benen­falls den) grundle­genden pragma­tischen Funkti­onen von Bildhand­lungen (⊳ [[Prädikation|Prädi­kation]] und [[Nomination|Nomi­nation]]). |
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==Zu den Unterpunkten== | ==Zu den Unterpunkten== | ||
− | Die bildpragmatischen Aspekte | + | Die bildpragmatischen Aspekte kristal­lisieren sich insbe­sonde­re am Verhält­nis der Handlung zu den betei­ligten Inter­aktions­partnern heraus. Zudem lassen sich einer­seits verschie­dene hervor­stechen­de Aspek­te an Zeichen­handlun­gen sowie unter­schied­liche charak­teris­tische oder grenz­wertige Arten von Zeichen­handlung anfüh­ren.<ref>Zu kon­kre­ten Ty­pen der Ver­wen­dung im Ein­zel­nen ⊳ [[Bildverwendungstypen|Bild­ver­wen­dungs­ty­pen]].</ref> Dane­ben treten schließlich speziel­le bildprag­mati­sche Zusam­menhän­ge, die von beson­derer Bedeu­tung sind. |
===Die Handlung und die Handelnden === | ===Die Handlung und die Handelnden === | ||
− | Während Wahrheit vor allem eine | + | Während Wahrheit vor allem eine seman­tische Kate­gorie ist (⊳ [[Bildsemantik|Bildse­mantik]]), die mit dem [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug|Sachbe­zug]] der betrach­teten Zeichen­handlung zusam­menhängt, zielt [[Authentizität|Authen­tizi­tät]] auf den [[Interaktions-, Selbst- und Sachbezug|Selbst­bezug]] der Zeichen­verwen­der und damit auf eine allge­meine­re Ebe­ne der [[Performanz|Perfor­manz]] bildhaf­ter Zeichen­handlun­gen. Dabei muss sich der Blick auch auf die [[Bildrezeption als Kommunikationsprozess|Bildre­zeption als Kommu­nika­tions­prozess]] richten. Wenn kontex­tuelle Fakto­ren und der jewei­lige Vollzug der Bildzei­chenhand­lung eine so große Rolle spielen, entsteht zudem die Frage nach der [[Identität bildhafter Zeichen|Iden­tität bildhaf­ter Zeichen]] über eine konkre­te Verwen­dung hinaus. |
− | ===Kommunikative Aspekte von | + | ===Kommunikative Aspekte von Bildhand­lungen === |
− | Inwiefern sich durch den Einsatz | + | Inwiefern sich durch den Einsatz bild­hafter Zeichen visu­elle Argu­menta­tionsfor­men auf der Basis einer eigen­ständi­gen [[visuelle Rationalität|visu­ellen Ratio­nali­tät]] erge­ben ist noch nicht ab­schließend geklärt. Immer­hin spielen auch [[Affekt|affek­tive Aspek­te]] bei der Bildkom­muni­kation eine wichti­ge Rolle – denn sie betref­fen Verhal­tensdis­posi­tionen und damit letzt­lich mögli­che Folge­handlun­gen, so dass ihre Betrach­tung eben­falls in den Bereich der Bildprag­matik fällt. In einer [[Bildrhetorik|Bildrhe­torik]] müssten sowohl kogni­tive wie affek­tive Fakto­ren zusam­menwir­ken. |
− | ===Arten von | + | ===Arten von Bildhand­lungen === |
− | Spezielle | + | Spezielle Handlungszusammen­hänge für Bilder erge­ben sich insbe­sonde­re bei der [[Bildherstellung|Herstel­lung]] eines Bildträ­gers, bei dessen [[Reproduktion|Repro­duktion]] sowie bei seinem Einsatz als [[Bildzitat|Bild­zitat]]. Auch die Verwen­dung soge­nannter [["natürliche" Bilder|“natür­licher” Zeichen]], wie Spiege­lungen oder Schatten, als Bilder und die Gebrauchs­weisen im Zusam­menhang mit [[magischer Bildgebrauch|Bild­magie]] stellen beson­dere Formen der Bildhand­lung dar. Schließlich bildet die von der moda­len Bildthe­orie hervor­gehobene [[Kontextbildung|Kontext­bildung]] als grundle­gender Bildhand­lung einen zentra­len Aspekt der Bildprag­matik. |
− | ===Spezielle | + | ===Spezielle Handlungszu­sammen­hänge=== |
− | Spezifische pragmatische Aspekte, die häufig sogar zu | + | Spezifische pragmatische Aspekte, die häufig sogar zu eigen­ständi­gen Kodi­fizie­rungen geführt haben, treten schließlich im Bereich der [[Bildökonomie|Bild­öko­nomie]] und der [[Bildpolitik|Bildpo­litik]] auf. |
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− | Zu den traditionell unter | + | Zu den traditionell unter Prag­matik verhan­delten Begrif­fen gehören auch »Deixis«, »Präsup­posi­tion« und »Impli­katur«. Die Anwen­dung der beiden letzte­ren auf Bildhand­lungen wird hier nicht geson­dert ange­sprochen, weil sie sich nicht von der sprach­licher Kommu­nika­tion unter­scheiden dürfte. Aspek­te der Deixis sind zudem unter ⊳ [[Zeigen und Sich-Zeigen]] verhan­delt. |
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* [[Bildhandeln]] | * [[Bildhandeln]] | ||
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* [[Kontextbildung]] | * [[Kontextbildung]] | ||
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Aktuelle Version vom 25. August 2023, 19:57 Uhr
Hauptpunkt zu: Bilder als Zeichen
English Version: Image Pragmatics
Eine Handlung unter anderenPragmatische Betrachtungen haben in verschiedenen zeichentheoretischen Ansätzen unterschiedliches Gewicht (vgl. [Levinson 1983a]Levinson, Stephen C. (1983).Pragmatics. Cambridge: Univ. Press. Eintrag in Sammlung zeigen: Kap. 1.2 sowie ⊳ Pragmatik, Semantik, Syntax). Gemeinsam ist ihnen, dass die Zeichenverwendung als eine Handlung betrachtet wird und insbesondere als eine Handlung im Zusammenspiel mit anderen Handlungen. Es werden also alle handlungstheoretisch relevanten Faktoren berücksichtigt, sofern diese nicht bereits unter die spezielleren Fragestellungen der Syntax oder Semantik fallen. Eine enge Auffassung von Pragmatik, der ohnehin im Wesentlichen die semantischen Beziehungen im Zentrum stehen, begnügt sich dabei vor allem einerseits mit dem Abgleich der (im weiteren Sinne) indexikalischen Aspekte der Zeichenbedeutung mit der Situation der Zeichenverwendung, andererseits mit dem Erfassen von Variationen des Ausführungsstils der Zeichenhandlung. Insofern können etwa auch Studien zum Personalstil eines bildenden Künstlers als Grenzfall bildpragmatischer Betrachtungen verstanden werden. Etwas weiter gefasst rücken “Angemessenheitsbedingungen der Verwendung” eines Zeichens in den Fokus des Interesses. Hier spielt der Begriff des Kontexts wie auch psychologisch oder soziologisch determinierte Eigenschaften der Zeichenverwender und ihrer Beziehung zueinander eine besondere Rolle: Auf Bilder bezogen richtet sich der Blick nun also auf die Bedingungen des Herstellungs- und Rezeptionszusammenhangs und die durch das Bild ausgelösten Veränderungen darin. Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen), kann aber durchaus auf piktorale Zeichen extrapoliert werden: So wird etwa das Verhalten durch die an Toilettentüren häufig angebrachten Piktogramme recht direkt aber “Nutzer”-spezifisch beeinflusst. Eine Reihe bildpragmatischer Ansätze betrachtet daher Möglichkeiten und Grenzen des Versuchs, die Idee der Sprechakte auf Bilder zu übertragen: Welche Illokutionen sind mit Bildern möglich, welche können nicht und welche nur mit Bildern durchgeführt werden? In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach der (oder gegebenenfalls den) grundlegenden pragmatischen Funktionen von Bildhandlungen (⊳ Prädikation und Nomination).
Zu den UnterpunktenDie bildpragmatischen Aspekte kristallisieren sich insbesondere am Verhältnis der Handlung zu den beteiligten Interaktionspartnern heraus. Zudem lassen sich einerseits verschiedene hervorstechende Aspekte an Zeichenhandlungen sowie unterschiedliche charakteristische oder grenzwertige Arten von Zeichenhandlung anführen.[1] Daneben treten schließlich spezielle bildpragmatische Zusammenhänge, die von besonderer Bedeutung sind. Die Handlung und die HandelndenWährend Wahrheit vor allem eine semantische Kategorie ist (⊳ Bildsemantik), die mit dem Sachbezug der betrachteten Zeichenhandlung zusammenhängt, zielt Authentizität auf den Selbstbezug der Zeichenverwender und damit auf eine allgemeinere Ebene der Performanz bildhafter Zeichenhandlungen. Dabei muss sich der Blick auch auf die Bildrezeption als Kommunikationsprozess richten. Wenn kontextuelle Faktoren und der jeweilige Vollzug der Bildzeichenhandlung eine so große Rolle spielen, entsteht zudem die Frage nach der Identität bildhafter Zeichen über eine konkrete Verwendung hinaus. Kommunikative Aspekte von BildhandlungenInwiefern sich durch den Einsatz bildhafter Zeichen visuelle Argumentationsformen auf der Basis einer eigenständigen visuellen Rationalität ergeben ist noch nicht abschließend geklärt. Immerhin spielen auch affektive Aspekte bei der Bildkommunikation eine wichtige Rolle – denn sie betreffen Verhaltensdispositionen und damit letztlich mögliche Folgehandlungen, so dass ihre Betrachtung ebenfalls in den Bereich der Bildpragmatik fällt. In einer Bildrhetorik müssten sowohl kognitive wie affektive Faktoren zusammenwirken. Arten von BildhandlungenSpezielle Handlungszusammenhänge für Bilder ergeben sich insbesondere bei der Herstellung eines Bildträgers, bei dessen Reproduktion sowie bei seinem Einsatz als Bildzitat. Auch die Verwendung sogenannter “natürlicher” Zeichen, wie Spiegelungen oder Schatten, als Bilder und die Gebrauchsweisen im Zusammenhang mit Bildmagie stellen besondere Formen der Bildhandlung dar. Schließlich bildet die von der modalen Bildtheorie hervorgehobene Kontextbildung als grundlegender Bildhandlung einen zentralen Aspekt der Bildpragmatik. Spezielle HandlungszusammenhängeSpezifische pragmatische Aspekte, die häufig sogar zu eigenständigen Kodifizierungen geführt haben, treten schließlich im Bereich der Bildökonomie und der Bildpolitik auf.
SonstigesZu den traditionell unter Pragmatik verhandelten Begriffen gehören auch »Deixis«, »Präsupposition« und »Implikatur«. Die Anwendung der beiden letzteren auf Bildhandlungen wird hier nicht gesondert angesprochen, weil sie sich nicht von der sprachlicher Kommunikation unterscheiden dürfte. Aspekte der Deixis sind zudem unter ⊳ Zeigen und Sich-Zeigen verhandelt. |
Unterpunkte
Anmerkungen
[Levinson 1983a]: Levinson, Stephen C. (1983). Pragmatics. Cambridge: Univ. Press.
[Wittgenstein 1971a]: Wittgenstein, Ludwig (1971). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [38], Klaus Sachs-Hombach [4] und Emilia Didier [1] — (Hinweis) |