Bildpragmatik

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Hauptpunkt zu: Bilder als Zeichen


Eine Handlung unter anderen

Pragmatische Betrachtungen haben in verschie­denen zeichen­theore­tischen Ansät­zen unter­schiedli­ches Gewicht (vgl. [Levin­son 1983a]Levinson, Stephen C. (1983).
Pragmatics. Cambridge: Cambridge University Press.

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: Kap. 1.2 sowie ⊳ Pragma­tik, Seman­tik, Syntax). Gemein­sam ist ihnen, dass die Zeichen­verwen­dung als eine Handlung betrach­tet wird und insbe­sonde­re als eine Handlung im Zusam­menspiel mit ande­ren Handlun­gen. Es werden also alle handlungs­theore­tisch rele­vanten Fakto­ren berück­sichtigt, sofern diese nicht bereits unter die speziel­leren Frage­stellun­gen der Syntax oder Seman­tik fallen. Eine enge Auffas­sung von Pragma­tik, der ohne­hin im Wesent­lichen die seman­tischen Bezie­hungen im Zentrum stehen, begnügt sich dabei vor allem einer­seits mit dem Abgleich der (im weite­ren Sinne) inde­xika­lischen Aspek­te der Zeichen­bedeu­tung mit der Situ­ation der Zeichen­verwen­dung, ande­rerseits mit dem Erfas­sen von Varia­tionen des Ausfüh­rungsstils der Zeichen­handlung. Inso­fern können etwa auch Studien zum Perso­nalstil eines bilden­den Künstlers als Grenzfall bildprag­mati­scher Betrach­tungen verstan­den werden. Etwas weiter gefasst rücken “Ange­messen­heitsbe­dingun­gen der Verwen­dung” eines Zeichens in den Fokus des Inte­resses. Hier spielt der Begriff des Kontexts wie auch psycho­logisch oder sozio­logisch deter­minier­te Eigen­schaften der Zeichen­verwen­der und ihrer Bezie­hung zuei­nander eine beson­dere Rolle: Auf Bilder bezo­gen richtet sich der Blick nun also auf die Bedin­gungen des Herstel­lungs- und Rezep­tionszu­sammen­hangs und die durch das Bild ausge­lösten Verän­derun­gen darin.
Berücksichtigt man, dass alle Reaktionen der Zeichenverwender auf die Zeichenhandlung ebenfalls Handlungen sind, gelangt man zu einem noch weiter angelegten Pragmatikbegriff, der auch in diesem Kapitel zugrunde gelegt ist. Bildpragmatik befasst sich demnach mit allen Regelhaftigkeiten zwischen einer Bildhandlung einerseits (Herstellung oder Auswahl, Präsentation und Rezeption, etc.) und anderen, damit irgendwie zusammenhängenden Handlungen der beteiligten Akteure andererseits. Wittgensteins begrifflicher Konnex von Sprachspiel und Lebensform exemplifiziert diese Beziehung zwar für verbale Zeichenhandlungen ([Wittgenstein 1971a]Wittgenstein, Ludwig (1971).
Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

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), kann aber durchaus auf piktorale Zeichen extrapoliert werden: So wird etwa das Verhalten durch die an Toilettentüren häufig angebrachten Piktogramme recht direkt aber “Nutzer”-spezifisch beeinflusst.

Eine Reihe bildpragmatischer Ansätze betrachtet daher Möglichkeiten und Grenzen des Versuchs, die Idee der Sprechakte auf Bilder zu übertragen: Welche Illokutionen sind mit Bildern möglich, welche können nicht und welche nur mit Bildern durchgeführt werden? In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach der (oder gegebenenfalls den) grundlegenden pragmatischen Funktionen von Bildhandlungen (⊳ Prädikation und Nomination).


Zu den Unterpunkten

Die bildpragmatischen Aspekte kristallisieren sich insbesondere am Verhältnis der Handlung zu den beteiligten Interaktionspartnern heraus. Zudem lassen sich einerseits verschiedene hervorstechende Aspekte an Zeichenhandlungen sowie unterschiedliche charakteristische oder grenzwertige Arten von Zeichenhandlung anführen.[1] Daneben treten schließlich spezielle bildpragmatische Zusammenhänge, die von besonderer Bedeutung sind.

Die Handlung und die Handelnden

Während Wahrheit vor allem eine semantische Kategorie ist (⊳ Bildsemantik), die mit dem Sachbezug der betrachteten Zeichenhandlung zusammenhängt, zielt Authentizität auf den Selbstbezug der Zeichenverwender und damit auf eine allgemeinere Ebene der Performanz bildhafter Zeichenhandlungen. Dabei muss sich der Blick auch auf die Bildrezeption als Zeichenprozess richten. Wenn kontextuelle Faktoren und der jeweilige Vollzug der Bildzeichenhandlung eine so große Rolle spielen, entsteht zudem die Frage nach der Identität bildhafter Zeichen über eine konkrete Verwendung hinaus.

Kommunikative Aspekte von Bildhandlungen

Inwiefern sich durch den Einsatz bildhafter Zeichen visuelle Argumentationsformen auf der Basis einer eigenständigen visuellen Rationalität ergeben ist noch nicht abschließend geklärt. Immerhin spielen auch affektive Aspekte bei der Bildkommunikation eine wichtige Rolle – denn sie betreffen Verhaltensdispositionen und damit letztlich mögliche Folgehandlungen, so dass ihre Betrachtung ebenfalls in den Bereich der Bildpragmatik fällt. In einer Bildrhetorik müssten sowohl kognitive wie affektive Faktoren zusammenwirken.

Arten von Bildhandlungen

Spezielle Handlungszusammenhänge für Bilder ergeben sich insbesondere bei der Herstellung eines Bildträgers, bei dessen Reproduktion sowie bei seinem Einsatz als Bildzitat. Auch die Verwendung sogenannter “natürlicher” Zeichen, wie Spiegelungen oder Schatten, als Bilder und die Gebrauchsweisen im Zusammenhang mit Bildmagie stellen besondere Formen der Bildhandlung dar. Schließlich bildet die von der modalen Bildtheorie hervorgehobene Kontextbildung als grundlegender Bildhandlung einen zentralen Aspekt der Bildpragmatik.

Spezielle Handlungszusammenhänge

Spezifische pragmatische Aspekte, die häufig sogar zu eigenständigen Kodifizierungen geführt haben, treten schließlich im Bereich der Bildökonomie und der Bildpolitik auf.


Sonstiges

Zu den traditionell unter Pragmatik verhandelten Begriffen gehören auch Deixis, Präsupposition und Implikatur. Die Anwendung der beiden letzteren auf Bildhandlungen wird hier nicht gesondert angesprochen, weil sie sich nicht von der sprachlicher Kommunikation unterscheiden dürfte. Aspekte der Deixis sind zudem unter ⊳ Zeigen und Sich-Zeigen verhandelt.


Anmerkungen
  1. Zu konkreten Typen der Verwendung im Einzelnen ⊳ Bildverwendungstypen.
Literatur                             [Sammlung]

[Levin­son 1983a]: Levinson, Stephen C. (1983). Pragmatics. Cambridge: Cambridge University Press.

[Wittgenstein 1971a]: Wittgenstein, Ludwig (1971). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [38], Klaus Sachs-Hombach [4] und Emilia Didier [1] — (Hinweis)