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− | + | Die Rhetorik eines ''Bildes'' (verstanden als zwei­dimen­sio­nales ''still'') ist sein kommu­nika­tives, auf menta­len Wechsel beim Adres­saten gerich­tetes Be­ein­flus­sungs­poten­zial. Die so ver­stande­ne ''Bild­rheto­rik'' ist Teil der weiter rei­chenden ''visu­ellen Rheto­rik'', die auch Bilder­folgen, kultu­relle Symbole, [[Film]]e und sonstige visu­elle Arte­fakte unter­sucht. Dem rheto­rischen Ver­ständ­nis des Bildes liegt der all­gemein­rheto­rische Ansatz zu­grunde, der von produk­tions­theore­tischen Über­legungen aus­geht und auch Bild­texturen (also geord­nete, be­grenzte Bild­zeichen­komple­xe in kommu­nika­tiver Ab­sicht) als Ergeb­nis von Be­ein­flus­sungs­kalkü­len sieht. Sie regie­ren aus rheto­rischer Sicht die Produk­tion eines Bildes ganz oder teil­weise. Rheto­rische Kalküle sind Bot­schafts­kal­küle. Sie sind auf die Kon­struk­tion von Aspek­ten der [[Bildsemantik|Bild­seman­tik]] orien­tiert, die den ab­gebil­deten [[Proposition|Sach­ver­hal­ten]] eine Ten­denz geben (daher „Orien­tierungs­aspekte“, siehe <bib id='Knape 2008a'></bib>). Da­mit sind sie in der Lage, eine Be­wusst­seins­diffe­renz beim Adres­saten zu evo­zieren. | |
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− | Rhetoriktheoretisch ist damit aber nur | + | Rhetoriktheoretisch ist damit aber nur teil­weise das um­stritte­ne Prob­lem ge­löst, ob Bild­tex­turen “für sich genom­men” persu­asiv sein können (also aus sich heraus men­talen Wechsel von ''A'' nach ''B'' bewir­ken können) oder ob sie nicht immer einen laut­sprach­lichen [[Kontext]] brauchen, um persu­asiv zu sein. Das hängt damit zusam­men, dass Bild­texte, wenn es Bilder im stren­gen Sinn sind, (anders als laut­sprach­liche Texte) nicht dazu in der Lage sind, allein mit Bild­zeichen eine logisch-syl­logisti­sche Struk­tur abzu­bilden. Sie können als “Texte” (konstru­iert aus Bild­zeichen) folg­lich auch keine ar­gumen­tati­ven Schlüsse “formu­lieren” bzw. ent­halten. Even­tuelle Schluss­folge­rungen erge­ben sich nur mit­hilfe exter­ner ''frames'', die bild­exter­ne Voraus­setzun­gen und post­perzep­tuelle mentale An­schluss­ope­rati­onen bedin­gen. In der Dis­kussion steht auch die Frage, inwie­weit sich die klas­sische Fi­guren­lehre der Rheto­rik auf das Bild über­tragen und in die Theo­rie der Bild­rheto­rik in­tegrie­ren lässt (vgl. etwa <bib id='Doelker 2007a'></bib>; siehe da­gegen die skep­tische Position bei <bib id='Knape 1994a'></bib>; <bib id='Knape 2005a'></bib>: S. 140-142 und <bib id='Knape 2007a'></bib>: S. 20; ⊳ [[Bild und rhetorische Figur|Bild und rheto­rische Figur]]). |
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− | Regelmäßig sind bei der | + | Regelmäßig sind bei der Bild­produk­tion aber auch ''ästhe­tische'' Kalkü­le am Werk, die etwa auf Wohl­gefallens­effekte orien­tiert sind. Sie müssen von den rheto­rischen Kalkü­len syste­matisch unter­schieden werden. Wenn sie gegen­über den rheto­rischen Kalkü­len domi­nieren, spricht man den Bildern oft [[künstlerisches Bild und Alltagsbild|Kunst­charak­ter]] zu. Den­noch kann man bei Kunst­werken eben­falls meistens davon aus­gehen, dass solche Bilder zumin­dest einen ''rheto­rischen Orien­tierungs­faktor'' (Bot­schafts­faktor) be­sitzen. |
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− | Generell besteht die | + | Generell besteht die ''rheto­rische Analyse'' von Bil­dern darin, die der Pro­duktion zu­grunde liegen­den und im Bild sedi­mentier­ten rheto­rischen Kalkü­le heraus­zu­arbeiten und in ihrem strate­gischen Ansatz zu re­konstru­ieren. Das Augen­merk ist dabei auf das erkenn­bare Evo­kations­poten­zial des Bildes gerich­tet, d.h. auf Bild­text­aspek­te, die be­stimmte kogni­tive oder emotio­nale An­schluss­opera­tionen beim Adres­saten her­vorzu­rufen ver­mögen. Es lassen sich sie­ben, oft auch im Ver­bund rheto­risch ein­setz­bare Orien­tierungs­aspek­te unter­scheiden: der ''instruk­tive'' (die Sache wird kon­kret so und nicht anders dar­gestellt), der ''veri­fikati­ve'' (für die Sache wird in der außer­semio­tischen Reali­tät, also jen­seits der Bild­textur, eine fakti­sche Ent­sprechung/[[Referenz|Refe­renz]] postu­liert), der ''axio­mative'' (die Gel­tung von Werten und Regeln steht in Frage), der ''evalu­ative'' (etwas wird bewer­tet), ''emo­tive'' (die [[Affekt|Affek­te]] werden ange­sprochen), der ''direkt-stimu­lative'' (Evo­katio­nen werden über direkte Stimu­lus-Respon­se-Mecha­nismen ausge­löst) und der ''volun­tative'' Aspekt (Appell an hand­lungs­aus­lösen­de Willens­impul­se) (vgl. <bib id='Knape 2008a'></bib>: S. 918-924). |
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* [[Bildsemiotik]] | * [[Bildsemiotik]] | ||
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* [[Künstlerisches Bild und Alltagsbild]] | * [[Künstlerisches Bild und Alltagsbild]] | ||
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 02:04 Uhr
Unterpunkt zu: Bildpragmatik
Die Rhetorik eines Bildes (verstanden als zweidimensionales still) ist sein kommunikatives, auf mentalen Wechsel beim Adressaten gerichtetes Beeinflussungspotenzial. Die so verstandene Bildrhetorik ist Teil der weiter reichenden visuellen Rhetorik, die auch Bilderfolgen, kulturelle Symbole, Filme und sonstige visuelle Artefakte untersucht. Dem rhetorischen Verständnis des Bildes liegt der allgemeinrhetorische Ansatz zugrunde, der von produktionstheoretischen Überlegungen ausgeht und auch Bildtexturen (also geordnete, begrenzte Bildzeichenkomplexe in kommunikativer Absicht) als Ergebnis von Beeinflussungskalkülen sieht. Sie regieren aus rhetorischer Sicht die Produktion eines Bildes ganz oder teilweise. Rhetorische Kalküle sind Botschaftskalküle. Sie sind auf die Konstruktion von Aspekten der Bildsemantik orientiert, die den abgebildeten Sachverhalten eine Tendenz geben (daher „Orientierungsaspekte“, siehe [Knape 2008a]Knape, Joachim (2008).
Rhetorik der Künste. In Rhetorik und Stilistik / Rhetoric and Stylistics. Ein internationales Handbuch historischer und systematischer Forschung / An International Handbook of Historical and Systematic Research, 1. Halbband/Volume 1, 894-927. Eintrag in Sammlung zeigen). Damit sind sie in der Lage, eine Bewusstseinsdifferenz beim Adressaten zu evozieren. Figuren der visuellen Rhetorik in werblichen Gesamttexten. In Bildrhetorik, 71–112. Eintrag in Sammlung zeigen; siehe dagegen die skeptische Position bei [Knape 1994a]Knape, Joachim (1994). Rhetorizität und Semiotik. Kategorientransfer zwischen Rhetorik und Kunsttheorie in der Frühen Neuzeit. In Intertextualität in der Frühen Neuzeit. Studien zu ihren theoretischen und praktischen Perspektiven, 507-532. Eintrag in Sammlung zeigen; [Knape 2005a]Knape, Joachim (2005). Rhetorik. In Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, 134-148. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 140-142 und [Knape 2007a]Knape, Joachim (2007). Bildrhetorik. Einführung in die Beiträge des Bandes. In Bildrhetorik, 9-32. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 20; ⊳ Bild und rhetorische Figur). Regelmäßig sind bei der Bildproduktion aber auch ästhetische Kalküle am Werk, die etwa auf Wohlgefallenseffekte orientiert sind. Sie müssen von den rhetorischen Kalkülen systematisch unterschieden werden. Wenn sie gegenüber den rhetorischen Kalkülen dominieren, spricht man den Bildern oft Kunstcharakter zu. Dennoch kann man bei Kunstwerken ebenfalls meistens davon ausgehen, dass solche Bilder zumindest einen rhetorischen Orientierungsfaktor (Botschaftsfaktor) besitzen. Rhetorik der Künste. In Rhetorik und Stilistik / Rhetoric and Stylistics. Ein internationales Handbuch historischer und systematischer Forschung / An International Handbook of Historical and Systematic Research, 1. Halbband/Volume 1, 894-927. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 918-924). |
Anmerkungen
[Doelker 2007a]: Doelker, Christian (2007). Figuren der visuellen Rhetorik in werblichen Gesamttexten. In: Knape, J. (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden: Koerner, S. 71–112.
[Knape 1994a]: Knape, Joachim (1994). Rhetorizität und Semiotik. Kategorientransfer zwischen Rhetorik und Kunsttheorie in der Frühen Neuzeit. In: Kühlmann, W. & Neuber, W. (Hg.): Intertextualität in der Frühen Neuzeit. Studien zu ihren theoretischen und praktischen Perspektiven. Bern etc: Lang, S. 507-532. [Knape 2005a]: Knape, Joachim (2005). Rhetorik. In: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 134-148. [Knape 2007a]: Knape, Joachim (2007). Bildrhetorik. Einführung in die Beiträge des Bandes. In: Knape, J. (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden: Koerner, S. 9-32. [Knape 2008a]: Knape, Joachim (2008). Rhetorik der Künste. In: Fix, U.; Gardt, A. & Knape, J. (Hg.): Rhetorik und Stilistik / Rhetoric and Stylistics. Ein internationales Handbuch historischer und systematischer Forschung / An International Handbook of Historical and Systematic Research, 1. Halbband/Volume 1. Berlin u. New York: de Gruyter, S. 894-927. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20] und Mark A. Halawa [5] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Knape 2013g-a]Literaturangabe fehlt. |