Bildrhetorik

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Rhetorik des Bildes
Die Rhetorik eines Bildes (verstanden als zweidimensionales still) ist sein kommunikatives, auf mentalen Wechsel beim Adressaten gerichtetes Beeinflussungspotential. Die so verstandene ‚Bildrhetorik’ ist Teil der weiter reichenden ‚visuellen Rhetorik’, die auch Bilderfolgen, kulturelle Symbole, Filme und sonstige visuelle Artefakte untersucht. Dem rhetorischen Verständnis des Bildes liegt der allgemeinrhetorische Ansatz zugrunde, der von produktionstheoretischen Überlegungen ausgeht und auch Bildtexturen (also geordnete, begrenzte Bildzeichenkomplexe in kommunikativer Absicht) als Ergebnis von Beeinflussungskalkülen sieht. Sie regieren aus rhetorischer Sicht die Produktion eines Bildes ganz oder teilweise. Rhetorische Kalküle sind Botschaftskalküle. Sie sind auf die Konstruktion von Aspekten der Bildsemantik orientiert, die den abgebildeten Sachverhalten eine Tendenz geben (daher „Orientierungsaspekte“, siehe [Knape 2008a]Knape, Joachim (2008).
Rheto­rik der Künste.
In Rheto­rik und Stilis­tik / Rhetoric and Stylis­tics. Ein inter­natio­nales Handbuch histo­rischer und syste­mati­scher Forschung / An Inter­national Handbook of Histor­ical and System­atic Research, 1. Halb­band/​Volume 1, 894-927.

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). Damit sind sie in der Lage, eine Bewusstseinsdifferenz beim Adressaten zu evozieren.
Rhetoriktheoretisch ist damit aber nur teilweise das umstrittene Problem gelöst, ob Bildtexturen ‚für sich genommen’ persuasiv sein können (also aus sich heraus mentalen Wechsel von A nach B bewirken) oder ob sie nicht immer einen lautsprachlichen Kontext brauchen, um persuasiv zu sein. Das hängt damit zusammen, dass Bildtexte, wenn es Bilder im strengen Sinn sind, (anders als lautsprachliche Texte) nicht in der Lage sind, allein mit Bildzeichen eine logisch-syllogistische Struktur abzubilden. Sie können als ‚Texte’ (konstruiert aus Bildzeichen) folglich auch keine argumentativen Schlüsse ‚formulieren‘ bzw. enthalten. Eventuelle Schlussfolgerungen ergeben sich nur mit Hilfe externer frames, die bildexterne Voraussetzungen und postperzeptuelle mentale Anschlussoperationen bedingen. In der Diskussion steht auch die Frage, inwieweit sich die klassische Figurenlehre der Rhetorik aufs Bild übertragen und in die Theorie der Bildrhetorik integrieren lässt (vergl. etwa [Doelker 2007a]Doelker, Christian (2007).
Figu­ren der visu­ellen Rheto­rik in werbli­chen Gesamt­texten.
In Bild­rheto­rik, 71–112.

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; siehe dagegen die skeptische Position bei [Knape 1994a]Knape, Joachim (1994).
Rhetorizität und Semiotik. Kategorientransfer zwischen Rhetorik und Kunsttheorie in der Frühen Neuzeit.
In Intertextualität in der Frühen Neuzeit. Studien zu ihren theoretischen und praktischen Perspektiven, 507-532.

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; [Knape 2005a]Knape, Joachim (2005).
Rheto­rik.
In Bild­wis­sen­schaft. Diszi­plinen, Themen, Metho­den, 134-148.

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: S. 140-142 und [Knape 2007a]Knape, Joachim (2007).
Bild­rheto­rik. Einfüh­rung in die Beiträ­ge des Bandes.
In Bild­rheto­rik, 9-32.

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: S. 20; ⊳ Bild und rhetorische Figur).

Regelmäßig sind bei der Bildproduktion aber auch ästhetische Kalküle am Werk, etwa auf Wohlgefallenseffekte orientiert. Sie müssen von den rhetorischen Kalkülen systematisch unterschieden werden. Wenn sie gegenüber den rhetorischen Kalkülen dominieren, spricht man den Bildern oft Kunstcharakter zu. Dennoch kann man bei Kunstwerken ebenfalls meistens davon ausgehen, dass solche Bilder zumindest einen rhetorischen Orientierungsfaktor (Botschaftsfaktor) besitzen.

Generell besteht die ‚rhetorische Analyse’ von Bildern darin, die der Produktion zugrunde liegenden und im Bild sedimentierten rhetorischen Kalküle herauszuarbeiten und in ihrem strategischen Ansatz zu rekonstruieren. Das Augenmerk ist dabei auf das erkennbare Evokationspotential des Bildes gerichtet, d.h. auf Bildtextaspekte, die bestimmte kognitive oder emotionale Anschlussoperationen beim Adressaten hervorzurufen vermögen. Es lassen sich sieben, oft auch im Verbund rhetorisch einsetzbare Orientierungsaspekte unterscheiden: der instruktive, verifikative, axiomative, evaluative, emotive, direkt-stimulative und der voluntative Aspekt ([Knape 2008a]Knape, Joachim (2008).
Rheto­rik der Künste.
In Rheto­rik und Stilis­tik / Rhetoric and Stylis­tics. Ein inter­natio­nales Handbuch histo­rischer und syste­mati­scher Forschung / An Inter­national Handbook of Histor­ical and System­atic Research, 1. Halb­band/​Volume 1, 894-927.

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: S. 918-924).

Inhaltsverzeichnis        

Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Doelker 2007a]: Doelker, Christian (2007). Figu­ren der visu­ellen Rheto­rik in werbli­chen Gesamt­texten. In: Knape, J. (Hg.): Bild­rheto­rik. Baden-Baden: Koer­ner, S. 71–112.

[Knape 1994a]: Knape, Joachim (1994). Rhetorizität und Semiotik. Kategorientransfer zwischen Rhetorik und Kunsttheorie in der Frühen Neuzeit. In: Kühlmann, W. & Neuber, W. (Hg.): Intertextualität in der Frühen Neuzeit. Studien zu ihren theoretischen und praktischen Perspektiven. Bern etc: Lang, S. 507-532. [Knape 2005a]: Knape, Joachim (2005). Rheto­rik. In: Sachs-​Hom­bach, K. (Hg.): Bild­wis­sen­schaft. Diszi­plinen, Themen, Metho­den. Frank­furt/M.: Suhr­kamp, S. 134-148. [Knape 2007a]: Knape, Joachim (2007). Bild­rheto­rik. Einfüh­rung in die Beiträ­ge des Bandes. In: Knape, J. (Hg.): Bild­rheto­rik. Baden-​Baden: Koerner, S. 9-32. [Knape 2008a]: Knape, Joachim (2008). Rheto­rik der Künste. In: Fix, U.; Gardt, A. & Knape, J. (Hg.): Rheto­rik und Stilis­tik / Rhetoric and Stylis­tics. Ein inter­natio­nales Handbuch histo­rischer und syste­mati­scher Forschung / An Inter­national Handbook of Histor­ical and System­atic Research, 1. Halb­band/​Volume 1. Berlin, New York: de Gruyter, S. 894-927.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Knape, Joachim

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [20] und Mark A. Halawa [5] — (Hinweis)