Bildtermini anderer Sprachen: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Annahme, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht nur in den Kulturwissenschaften eine Hinwendung, ein ''turn'' hin zu den Bildern stattgefunden habe, gehört zum Commonsense.<ref>Zu den einschlägigen Proklamationen dieses ''turn'' vgl. <bib id='Fellmann 1991a'></bib>: S. 26, (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 101-135 und <bib id='Boehm 1994a'></bib>.</ref> Vor diesem Hintergrund bedarf eine Rückwendung zur Sprache – und selbst wenn es sich dabei um eine Wendung zu den Bildtermini anderer Sprachen handelt – zumindest einer Erläuterung. Welche Gründe gibt es also, sich mit derartigen Bildtermini auseinanderzusetzen? # | Die Annahme, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht nur in den Kulturwissenschaften eine Hinwendung, ein ''turn'' hin zu den Bildern stattgefunden habe, gehört zum Commonsense.<ref>Zu den einschlägigen Proklamationen dieses ''turn'' vgl. <bib id='Fellmann 1991a'></bib>: S. 26, (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 101-135 und <bib id='Boehm 1994a'></bib>.</ref> Vor diesem Hintergrund bedarf eine Rückwendung zur Sprache – und selbst wenn es sich dabei um eine Wendung zu den Bildtermini anderer Sprachen handelt – zumindest einer Erläuterung. Welche Gründe gibt es also, sich mit derartigen Bildtermini auseinanderzusetzen? # | ||
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− | Obwohl offenbar gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Hinwendung zum Thema Bild stattgefunden hat, ist damit keineswegs das gängige wissenschaftliche Prozedere – um auf dieser allgemeinsten Ebene noch nicht von Methode zu sprechen – außer Kurs gesetzt worden: In der Regel ''reden'' oder ''schreiben'' wir in den Wissenschaften immer noch über die für uns relevanten Themen. Wir haben nicht begonnen, (über) sie stattdessen nur noch zu ''malen'' oder zu ''zeichnen''. Um über sie reden oder schreiben zu können, müssen wir naheliegender Weise auch Ausdrücke verwenden, mit denen wir uns auf sie beziehen. Sich mit Bildtermini auseinanderzusetzen bedeutet daher, sich über die Instrumente Aufschluss zu geben, mit denen wir uns (auch in den Wissenschaften) auf Bilder beziehen. Nebenbei, auch der letzte Satz ist ein Beispiel für diesen Bezug, denn vor dem letzten Wort | + | Obwohl offenbar gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Hinwendung zum Thema Bild stattgefunden hat, ist damit keineswegs das gängige wissenschaftliche Prozedere – um auf dieser allgemeinsten Ebene noch nicht von Methode zu sprechen – außer Kurs gesetzt worden: In der Regel ''reden'' oder ''schreiben'' wir in den Wissenschaften immer noch über die für uns relevanten Themen. Wir haben nicht begonnen, (über) sie stattdessen nur noch zu ''malen'' oder zu ''zeichnen''. Um über sie reden oder schreiben zu können, müssen wir naheliegender Weise auch Ausdrücke verwenden, mit denen wir uns auf sie beziehen. Sich mit Bildtermini auseinanderzusetzen bedeutet daher, sich über die Instrumente Aufschluss zu geben, mit denen wir uns (auch in den Wissenschaften) auf Bilder beziehen. Nebenbei, auch der letzte Satz ist ein Beispiel für diesen Bezug, denn vor dem letzten Wort in ihm finden sich bezeichnenderweise keine Bilder, vor ihm findet sich lediglich der Ausdruck ‘Bilder’. |
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− | Berücksichtigt man mehrere Sprachen | + | Berücksichtigt man mehrere Sprachen, kann man feststellen, dass es erstens eine Vielzahl von derartigen Termini gibt und dass es sich zweitens bei dieser Vielzahl nicht um eine onomasiologische Trivialität handelt. Die Onomasiologie fragt bekanntlich nach den verschiedenen Bezeichnungen, die eine Sache haben kann. Bei den uns interessierenden Termini handelt es sich jedoch nicht immer schlicht um verschiedene Termini für ein und dieselbe Sache, sondern welche Sache es tatsächlich ist, kann nach Maßgabe der Termini durchaus variieren. Wir stoßen bei ihnen also auf Bedeutungsnuancen. Die französische Alltagssprache kennt beispielsweise sowohl die Rede vom ''tableau'' als auch die von der ''image''; gemäß der unterschiedlichen Logik der beiden Begriffe, der konkreteren Ausrichtung des ersten und der abstrakteren Ausrichtung des zweiten, können wir von einem ''tableau'' sagen, dass wir es an die Wand hängen, bei einer ''image'' ist dies jedoch unmöglich.<ref>Entsprechendes trifft auch auf das Englische und die Unterscheidung zwischen ''picture'' und ''image'' zu.</ref> Die deutsche Alltagssprache hingegen verfährt anders, verschleift diesen Unterschied und nennt beides ‘Bild’.<ref>Im Deutschen wird dieser Unterschied erst durch eine Verbindung des Bildterminus mit einem Adjektiv oder durch eine andere Erweiterung eingeholt. Beispiele in der deutschen Wissenschaftssprache dafür finden sich bei Edmund Husserl, der das „physische Bild, das Bild aus Leinwand, aus Marmor usw.“ vom „repräsentierenden Bild“ oder „Bildobjekt“ abgrenzt (<bib id='Husserl 1980a'></bib>: S. 19), oder in der Bezeichnung [[Bildträger|‘Bildträger’]].</ref> |
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− | Die Semasiologie fragt danach, was alles unter ein und dieselbe Bezeichnung fällt. Im Falle der Bildtermini ist diese Frage ebenfalls aufschlussreich, da sie keineswegs nur visuell wahrnehmbare Artefakte bezeichnen. William James Thomas Mitchell hat auch aufgrund dessen die Familie der Bilder grob in graphische ([[Malerei|Gemäl­de]], Zeichnungen etc., [[Skulptur|Statuen]], Pläne), optische ([[Spiegel|Spiegel]], Projektionen), perzeptuelle (Sinnesdaten, „Formen“, Erscheinungen), mentale ([[Traumbild|Träume]], Erinnerungen, Ideen, [[Vorstellungsbilder / Mentale Modelle|Vorstellungsbilder]]) und sprachliche Bilder ([[Metapher|Metaphern]], Beschreibungen) eingeteilt (<bib id='Mitchell 1986a'></bib>: S. 10). Etwas anders gesagt, in synchroner Perspektive lässt sich beobachten, dass eine Fülle verschiedener Gegenstände unter die fraglichen Termini fällt. In einer wiederum diachronen Perspektive fällt auf, dass Bildtermin – teils durch explizite Vergleiche oder Analogien gestützt – oftmals einem metaphorischen Gebrauch zugeführt wurden. | + | Die Semasiologie fragt danach, was alles unter ein und dieselbe Bezeichnung fällt. Im Falle der Bildtermini ist diese Frage ebenfalls aufschlussreich, da sie keineswegs nur visuell wahrnehmbare Artefakte bezeichnen. William James Thomas Mitchell hat auch aufgrund dessen die Familie der Bilder grob in graphische ([[Malerei|Gemäl­de]], Zeichnungen etc., [[Skulptur|Statuen]], Pläne), optische ([[Spiegel|Spiegel]], Projektionen), perzeptuelle (Sinnesdaten, „Formen“, Erscheinungen), mentale ([[Traumbild|Träume]], Erinnerungen, Ideen, [[Vorstellungsbilder / Mentale Modelle|Vorstellungsbilder]]) und sprachliche Bilder ([[Metapher|Metaphern]], Beschreibungen) eingeteilt (<bib id='Mitchell 1986a'></bib>: S. 10). Etwas anders gesagt, in synchroner Perspektive lässt sich beobachten, dass eine Fülle verschiedener Gegenstände unter die fraglichen Termini fällt. |
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+ | Neben diesen Bedeutungsnuancen, die sich in der synchronen Perspektive erschließen, finden sich auch Unterschiede, wenn man wie die Begriffsgeschichte oder die historische Semantik Termini in der diachronen Perspektive verfolgt.<ref>Für die Philosophie vgl. dazu <bib id='Ritter 1967a'></bib>, für die Historiographie <bib id='Koselleck 1979a'></bib> und für die Soziologie <bib id='Luhmann 1980a'></bib>.</ref> Beispielsweise fiel unter ‘imago’, der Wurzel für das französische oder englische ‘image’, keineswegs immer nur etwas Abstrakte(re)s, sondern zu Beginn der rekonstruierbaren Begriffsgeschichte ganz handgreiflich die römische Totenmaske (⊳ [[Lateinisch: 'effigies', 'species', 'simulacrum', 'imago']]).<ref> Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Noch Husserls Erklärungen zum physischen Bild verraten ansatzweise, dass es früher im Gegensatz zu heute üblich war, unter ‘Bild’ vor allem plastische und nicht plane Gegenstände zu fassen.</ref> | ||
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+ | In einer wiederum diachronen Perspektive fällt auf, dass Bildtermin – teils durch explizite Vergleiche oder Analogien gestützt – oftmals einem metaphorischen Gebrauch zugeführt wurden. | ||
Wir können sie u.a. in der Erkenntnistheorie, Psychologie, Ethik | Wir können sie u.a. in der Erkenntnistheorie, Psychologie, Ethik |
Version vom 18. Dezember 2013, 14:31 Uhr
Hauptpunkt zu: Bild und Sprache
Die Annahme, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht nur in den Kulturwissenschaften eine Hinwendung, ein turn hin zu den Bildern stattgefunden habe, gehört zum Commonsense.[1] Vor diesem Hintergrund bedarf eine Rückwendung zur Sprache – und selbst wenn es sich dabei um eine Wendung zu den Bildtermini anderer Sprachen handelt – zumindest einer Erläuterung. Welche Gründe gibt es also, sich mit derartigen Bildtermini auseinanderzusetzen? # Obwohl offenbar gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Hinwendung zum Thema Bild stattgefunden hat, ist damit keineswegs das gängige wissenschaftliche Prozedere – um auf dieser allgemeinsten Ebene noch nicht von Methode zu sprechen – außer Kurs gesetzt worden: In der Regel reden oder schreiben wir in den Wissenschaften immer noch über die für uns relevanten Themen. Wir haben nicht begonnen, (über) sie stattdessen nur noch zu malen oder zu zeichnen. Um über sie reden oder schreiben zu können, müssen wir naheliegender Weise auch Ausdrücke verwenden, mit denen wir uns auf sie beziehen. Sich mit Bildtermini auseinanderzusetzen bedeutet daher, sich über die Instrumente Aufschluss zu geben, mit denen wir uns (auch in den Wissenschaften) auf Bilder beziehen. Nebenbei, auch der letzte Satz ist ein Beispiel für diesen Bezug, denn vor dem letzten Wort in ihm finden sich bezeichnenderweise keine Bilder, vor ihm findet sich lediglich der Ausdruck ‘Bilder’. Berücksichtigt man mehrere Sprachen, kann man feststellen, dass es erstens eine Vielzahl von derartigen Termini gibt und dass es sich zweitens bei dieser Vielzahl nicht um eine onomasiologische Trivialität handelt. Die Onomasiologie fragt bekanntlich nach den verschiedenen Bezeichnungen, die eine Sache haben kann. Bei den uns interessierenden Termini handelt es sich jedoch nicht immer schlicht um verschiedene Termini für ein und dieselbe Sache, sondern welche Sache es tatsächlich ist, kann nach Maßgabe der Termini durchaus variieren. Wir stoßen bei ihnen also auf Bedeutungsnuancen. Die französische Alltagssprache kennt beispielsweise sowohl die Rede vom tableau als auch die von der image; gemäß der unterschiedlichen Logik der beiden Begriffe, der konkreteren Ausrichtung des ersten und der abstrakteren Ausrichtung des zweiten, können wir von einem tableau sagen, dass wir es an die Wand hängen, bei einer image ist dies jedoch unmöglich.[2] Die deutsche Alltagssprache hingegen verfährt anders, verschleift diesen Unterschied und nennt beides ‘Bild’.[3] Iconology. Image, Text, Ideology. Chicago, London: The University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 10). Etwas anders gesagt, in synchroner Perspektive lässt sich beobachten, dass eine Fülle verschiedener Gegenstände unter die fraglichen Termini fällt.
In einer wiederum diachronen Perspektive fällt auf, dass Bildtermin – teils durch explizite Vergleiche oder Analogien gestützt – oftmals einem metaphorischen Gebrauch zugeführt wurden. Wir können sie u.a. in der Erkenntnistheorie, Psychologie, Ethik FragestellungIm ersten Kapitel seines einflussreichen Buches «Iconology» unterscheidet W.J.T. Mitchell mehrere Zweige in der Familie der „images“, darunter den graphischen, optischen, mentalen und verbalen (vgl. [Mitchell 1986a]Mitchell, William J. T. (1986).Iconology. Image, Text, Ideology. Chicago, London: The University of Chicago Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 10). Das ist auf den ersten Blick einleuchtend. Es entspricht weitgehend unserem Sprachverständnis, dass wir Gemälde, Spiegelungen, Vorstellungen und auch bestimmte rhetorische Figuren – wie etwa die eben verwendete Metapher des Zweigs – ‘Bilder’ nennen (⊳ Bild und rhetorische Figur). Allerdings sollte uns schon Mitchells Text selbst skeptisch machen: Wieso spricht er von ‘images’ und nicht von ‘pictures’? Immerhin lässt sich doch beides mit ‘Bild’ übersetzen! Und welche Bedeutungsdifferenz im Englischen entgeht uns, wenn wir genau das tun und beides mit ein und demselben deutschen Wort wiedergeben? Außerdem ist Sprache, sind Sprachen wandelbar. Dafür ist zufälligerweise das deutsche Wort ‘Image’ ein gutes Beispiel, das, aus dem Englischen kommend, sich in den 1950er Jahren zuerst in der Wirtschaftspsychologie und dann in der Alltagssprache verbreitete (vgl. [Brachfeld 1976a]Literaturangabe fehlt. In den hier zusammengestellten Beiträgen wird es darum gehen, genau diese Skrupel zu berücksichtigen und vor allem danach zu fragen, was sich in älteren und fremdsprachigen Texten tatsächlich findet, wenn in der deutschen Übersetzung zumeist nur ‘Bild’ zu lesen ist. Es wird sich also um Beiträge zur Begriffsgeschichte oder zur historischen Semantik von ‘Bild’ und seinen Übersetzungen handeln.[6] |
Unterpunkte
Anmerkungen
[Boehm 1994a]: Boehm, Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. In: Boehm, G. (Hg.): Was ist ein Bild?. München: Fink, S. 11-38.
[Brachfeld 1976a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [66], Joerg R.J. Schirra [63] und Zsuzsanna Kondor [1] — (Hinweis) |