Bildwissenschaft vs. Bildtheorie: Unterschied zwischen den Versionen
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Eine gänzlich andere Betrachtungs- und Vor­gehens­weise lässt sich Wiesing zufolge auf der bild­''theore­tischen'' Unter­suchungs­ebene beob­achten. Hier „inte­ressiert [man] sich nicht für das konkre­te Bild, sondern für das Bild als Medium“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.). Die Aufmerk­samkeit richtet sich nicht auf das einzel­ne, empi­risch zugäng­liche Bild­werk, sondern ganz allge­mein auf das Phäno­men der Bild­lich­keit. Auf der Ebe­ne der Bild­''theo­rie'' geht es somit aus­schließ­lich „um den Begriff des Bildes“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.), nicht um indi­vidu­elle Beson­derhei­ten eines konkre­ten Bild­werkes. Beach­tung finden konkre­te Bilder allen­falls dann, wenn sie sich dazu eignen, allge­meine Aussagen über das Wesen der Bild­lichkeit - also über die Frage, „''was etwas zu einem Bild macht''“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IX; Hervor­hebun­gen im Ori­ginal) - zu treffen. Meist handelt es sich bei derar­tigen Bildern um soge­nannte ''Meta­bilder'', d.h. um solche Bilder, die sich in beson­derer Weise „auf sich selbst oder auf andere Bilder bezie­hen, [...] um zu zeigen, was ein Bild ist.“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 172). Das wohl berühm­teste Beispiel für ein Meta­bild ist das [[Kippbild|Kipp-]] bzw. [[Vexierbild|Vexier­bild]], das häufig heran­gezo­gen wird, um die Beson­derheit der Bild­wahr­nehmung zu illus­trieren (⊳ [[Bild in reflexiver Verwendung|Bild in refle­xiver Verwen­dung]]). | Eine gänzlich andere Betrachtungs- und Vor­gehens­weise lässt sich Wiesing zufolge auf der bild­''theore­tischen'' Unter­suchungs­ebene beob­achten. Hier „inte­ressiert [man] sich nicht für das konkre­te Bild, sondern für das Bild als Medium“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.). Die Aufmerk­samkeit richtet sich nicht auf das einzel­ne, empi­risch zugäng­liche Bild­werk, sondern ganz allge­mein auf das Phäno­men der Bild­lich­keit. Auf der Ebe­ne der Bild­''theo­rie'' geht es somit aus­schließ­lich „um den Begriff des Bildes“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.), nicht um indi­vidu­elle Beson­derhei­ten eines konkre­ten Bild­werkes. Beach­tung finden konkre­te Bilder allen­falls dann, wenn sie sich dazu eignen, allge­meine Aussagen über das Wesen der Bild­lichkeit - also über die Frage, „''was etwas zu einem Bild macht''“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IX; Hervor­hebun­gen im Ori­ginal) - zu treffen. Meist handelt es sich bei derar­tigen Bildern um soge­nannte ''Meta­bilder'', d.h. um solche Bilder, die sich in beson­derer Weise „auf sich selbst oder auf andere Bilder bezie­hen, [...] um zu zeigen, was ein Bild ist.“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 172). Das wohl berühm­teste Beispiel für ein Meta­bild ist das [[Kippbild|Kipp-]] bzw. [[Vexierbild|Vexier­bild]], das häufig heran­gezo­gen wird, um die Beson­derheit der Bild­wahr­nehmung zu illus­trieren (⊳ [[Bild in reflexiver Verwendung|Bild in refle­xiver Verwen­dung]]). | ||
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− | Der größte und wichtigste | + | Der größte und wichtigste Unter­schied zwischen der bild­''wissen­schaft­lichen'' und der bild­''theore­tischen'' Unter­suchungs­ebene besteht nach Wiesing darin, dass die Bild­theorie einen „Schritt ins Kate­gori­ale“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 13) nach sich zieht, „der notwen­diger­weise einen Wechsel der Metho­den verlangt“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.). Da die Bild­theorie - anders als die Bild­wissen­schaft - eine Klärung des Bild­begriffs anstrebt, macht sie sich auf die Suche nach Krite­rien, die für ''alle'' Phäno­mene, die unter den Begriff des Bildes fallen, gültig sein sollen. Im Vorder­grund steht in der Bild­theorie also „die Frage, was aus welchen Gründen ein Bild ist […]“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 14). Wiesing ist davon über­zeugt, dass es sich hierbei um eine Frage handelt, die sich in keiner Weise empi­risch, sondern „aus­schließlich argu­menta­tiv beant­worten“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.) lässt. Ausdrück­lich heißt es: „Jegli­cher Versuch einer empi­rischen Unter­suchung sämt­licher Bilder würde notge­drungen an einem Problem scheitern, welches spezi­fisch für die meisten philo­sophi­schen Probleme ist. Es geht nicht um die Erfor­schung dessen, was schon kate­gori­siert ist, sondern um die Erfor­schung der Kate­gori­sierung: eben um den Begriff des Bildes.“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.) Demzu­folge sind es primär abstrak­te Gründe, die darü­ber entschei­den, unter welchen Prämis­sen etwa­ige Phäno­mene zu Recht oder zu Unrecht unter den Begriff des Bildes gefasst werden. Dem­gegen­über können konkre­te Bild­werke ledig­lich einen empi­rischen, keines­wegs aber einen begriff­lichen Wert besit­zen. |
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− | Für Wiesing besteht die | + | Für Wiesing besteht die entschei­dende Pointe, die aus der Grenz­ziehung zwischen ''Bild­theorie'' auf der einen und ''Bild­wissen­schaft'' auf der anderen Seite folgt, darin, dass die bild­''theore­tische'' Unter­suchungs­ebene aufgrund ihres postu­lierten argu­menta­tiven Grund­charakters „gar nicht anders als ''philo­sophisch'' gesche­hen kann“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 16; Hervor­hebung hinzu­gefügt). Begrün­det wird diese These durch den Hinweis, dass die syste­mati­sche Aus­einan­derset­zung mit Begriffs­fragen für die beson­dere Art und Weise philo­sophi­schen Forschens konsti­tutiv sei. ''Bild­theorie'' wäre demnach immer auch ''Bild­philo­sophie'', wobei zu vermer­ken ist, dass eine Philo­sophie des Bildes nach Wiesings Dafür­halten stets mit einer [[Phänomenologische Bildtheorien|Phäno­meno­logie des Bildes]] einher­geht. |
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− | Grundsätzlich erscheint es als | + | Grundsätzlich erscheint es als empfehlens­wert, Wiesings Differenz zwischen ''Bild­theorie'' und ''Bild­wissen­schaft'' ledig­lich in einem ideal­typi­schen Sinne zu ver­stehen. Wiesing selbst regt an, zwischen beiden Unter­suchungs­ebenen ein komple­mentä­res Verhält­nis zu sehen (vgl. <bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IV). Zum einen wird sich eine ledig­lich mit begriff­lichen Proble­men beschäf­tigen­de Bild­theorie in letzter Konse­quenz auch an ihrem prakti­schen Nutzen messen lassen müssen. Wer erklä­ren möchte, durch welche Fakto­ren allge­meine Krite­rien für Bild­lichkeit bereit­gestellt werden, kommt nicht umhin, eben diese Fakto­ren einem prakti­schen Test zu unter­ziehen. Anders gesagt: Eine allge­meine Theorie bzw. Philo­sophie des Bildes hat heraus­zustel­len, aus welchen Gründen ein konkre­tes Objekt berech­tigter­weise als Bild bezeich­net werden kann und warum ande­ren konkre­ten Objek­ten die Kate­gori­sierung als Bild verwehrt bleiben sollte. So sehr zu diesem Zweck abstrak­te Argu­mente vorge­bracht werden müssen, so wenig kann sich eine mit dem Begriff des Bildes beschäf­tigen­de Bild­theorie bzw. Bild­philo­sophie von konkre­ten Anschau­ungsbe­zügen ablö­sen. |
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− | Zum anderen ist keinesfalls | + | Zum anderen ist keinesfalls auszu­schließen, dass eine empi­risch arbei­tende ''Bild­wissen­schaft'' nicht auch bildbe­griffli­che und damit bild­''theore­tische'' Erkennt­nisse ans Licht bringen kann. Dazu ein Bei­spiel: Der Kunst­histo­riker Horst Brede­kamp hat in seinen Arbei­ten über Gali­leo Gali­lei aufge­zeigt, wie wichtig die großen bildne­rischen Fertig­keiten Gali­leis für die Entste­hung seiner bahn­brechen­den astro­nomi­schen Theorien gewe­sen sind (<bib id='Bredekamp 2007a'></bib>). Obwohl Brede­kamp in diesem Zusam­menhang ausgie­big auf Skizzen, Zeich­nungen und Bilder Gali­leis zurück­greift, um diese These zu unter­mauern, beschränkt sich seine Forschung nicht darin, ledig­lich empi­risch-histo­risches Mate­rial aufzu­arbei­ten und auszu­deuten. Vielmehr wird anhand von konkre­ten Bildern demon­striert, welch bedeu­tenden Stellen­wert bildliche Darstel­lungen für die Gene­se von wissen­schaft­lichem Wissen besitzen. Thema­tisiert werden damit nicht nur kunst- und wissen­schafts­histo­rische Problem­stellun­gen, sondern auch Fragen über die erkennt­nisstif­tende Kraft und Evi­denz von Bildern - Fragen also, die seit jeher auch in der Philo­sophie des Bildes unter­sucht worden sind und inso­fern zugleich ein bild­''theore­tisches'' Erkennt­nisin­teres­se bedie­nen. |
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Allen kritischen Einwänden zum Trotz bietet Wiesings Differenzierung von ''Bildtheorie'' und ''Bildwissenschaft'' in einem Punkt einen klaren Vorteil: Die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, lässt sich durch die von ihm vorgeschlagene Grenzziehung verhältnismäßig einfach beantworten. Wer herausfinden möchte, ob Leonardo da Vinci in seiner ''Mona Lisa'' tatsächlich eine ›empirische‹ Frau abgebildet hat oder nicht (und wenn ja: welche), würde nach Wiesings Definition einen bild''wissenschaftlichen'' Beitrag leisten. Wer hingegen erörtern möchte, ob bzw. inwieweit Gemälde, [[Skulptur|Skulpturen]], [[Vorstellungsbilder]] oder [[Virtuelles Bild|virtuelle Bilder]] allesamt in gleichem Maße die wesentlichen Kriterien der Bildlichkeit erfüllen, bewegt sich auf dem Gebiet der Bild''theorie''. Die ''Bildtheorie'' ließe sich diesem Bestimmungsverhältnis zufolge schließlich als grundlagentheoretische Basis der Bildwissenschaft verstehen, weil sie stets auf einem allgemeineren, grundlegenderen Niveau operiert als die ''Bildwissenschaft''. | Allen kritischen Einwänden zum Trotz bietet Wiesings Differenzierung von ''Bildtheorie'' und ''Bildwissenschaft'' in einem Punkt einen klaren Vorteil: Die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, lässt sich durch die von ihm vorgeschlagene Grenzziehung verhältnismäßig einfach beantworten. Wer herausfinden möchte, ob Leonardo da Vinci in seiner ''Mona Lisa'' tatsächlich eine ›empirische‹ Frau abgebildet hat oder nicht (und wenn ja: welche), würde nach Wiesings Definition einen bild''wissenschaftlichen'' Beitrag leisten. Wer hingegen erörtern möchte, ob bzw. inwieweit Gemälde, [[Skulptur|Skulpturen]], [[Vorstellungsbilder]] oder [[Virtuelles Bild|virtuelle Bilder]] allesamt in gleichem Maße die wesentlichen Kriterien der Bildlichkeit erfüllen, bewegt sich auf dem Gebiet der Bild''theorie''. Die ''Bildtheorie'' ließe sich diesem Bestimmungsverhältnis zufolge schließlich als grundlagentheoretische Basis der Bildwissenschaft verstehen, weil sie stets auf einem allgemeineren, grundlegenderen Niveau operiert als die ''Bildwissenschaft''. |
Version vom 24. April 2013, 09:43 Uhr
Unterpunkt zu: Bildphilosophische Abgrenzungen
Die Heterogenität der bildwissenschaftlichen ForschungsdebatteDie bildwissenschaftliche Forschungsdebatte ist durch ein hohes Maß an Heterogenität charakterisiert. Nicht nur gibt es kontroverse Diskussionen über die Frage, welche Disziplin(en) und Methode(n) den Ausgangspunkt einer allgemeinen Bildwissenschaft zu bilden haben; auch herrscht große Uneinigkeit darüber, mit welchem Oberbegriff die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen der Bildlichkeit versehen werden sollte. In der Tat werden die verschiedensten Ansätze und Methoden häufig einheitlich als ‘Bildwissenschaft’ bezeichnet. Diese Vorgehensweise stößt bei einigen Bildforschern indes auf Kritik. Ihrer Meinung nach werden die Differenzen, die zwischen höchst unterschiedlich aufgebauten bildwissenschaftlichen Konzeptionen bestehen, durch eine mangelnde terminologische Trennschärfe nur schwer ersichtlich oder sogar unkenntlich gemacht. Aus diesem Grund fordern sie dazu auf, vorhandene programmatische Differenzen terminologisch klar zu kennzeichnen. Bildwissenschaft vs. BildtheorieDer vielleicht einfachste Vorschlag zur terminologischen Differenzierung von höchst unterschiedlich aufgebauten bildwissenschaftlichen Konzeptionen stammt von dem Philosophen Lambert Wiesing. Um den programmatischen und methodischen Unterschieden zwischen empirisch-historisch und theoretisch-begrifflich ausgerichteten bildwissenschaftlichen Forschungsansätzen bereits terminologisch Rechnung zu tragen, schlägt Wiesing vor, eine bildwissenschaftliche und eine bildtheoretische Untersuchungsebene zu differenzieren. Dabei zählt er zur Bildwissenschaft solche Disziplinen, die Bilder als „konkrete Dinge“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: S. IV) zur Grundlage haben. Bilder, erläutert Wiesing, würden hier als „reale Gegenstände in ihrer Entstehung, in ihren psychologischen Wirkungen, in ihren medialen Voraussetzungen, in ihrer inhaltlich und sozialen Bedeutung, in ihren historischen Zusammenhängen und noch zahlreichen anderen empirischen Aspekten erforscht [...].“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008). Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.) Eine Kunsthistorikerin, die zum Beispiel über die sozialen und politischen Ursachen und Auswirkungen des byzantinischen oder reformatorischen Bilderstreits forscht, würde dieser Erklärung zufolge bildwissenschaftliche Studien betreiben. Im Zentrum ihrer Analysen stünde eine Reihe von konkreten Bildwerken, die unter anderem im Hinblick auf ihre Urheberschaft, ihre materielle Beschaffenheit oder ihren ursprünglichen Aufstellungsort untersucht werden. Das Ziel solchen Forschens kann nach Wiesing etwa darin bestehen, einzelne Bildwerke oder sogar einen geschlossenen Korpus von Bildern in Bezug auf Stil, Epoche, Authentizität, politische Funktion usw. zu kategorisieren. Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.). Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht auf das einzelne, empirisch zugängliche Bildwerk, sondern ganz allgemein auf das Phänomen der Bildlichkeit. Auf der Ebene der Bildtheorie geht es somit ausschließlich „um den Begriff des Bildes“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008). Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.), nicht um individuelle Besonderheiten eines konkreten Bildwerkes. Beachtung finden konkrete Bilder allenfalls dann, wenn sie sich dazu eignen, allgemeine Aussagen über das Wesen der Bildlichkeit - also über die Frage, „was etwas zu einem Bild macht“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008). Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: S. IX; Hervorhebungen im Original) - zu treffen. Meist handelt es sich bei derartigen Bildern um sogenannte Metabilder, d.h. um solche Bilder, die sich in besonderer Weise „auf sich selbst oder auf andere Bilder beziehen, [...] um zu zeigen, was ein Bild ist.“ ([Mitchell 2008a]Mitchell, William J. Thomas (2008). Bildtheorie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 172). Das wohl berühmteste Beispiel für ein Metabild ist das Kipp- bzw. Vexierbild, das häufig herangezogen wird, um die Besonderheit der Bildwahrnehmung zu illustrieren (⊳ Bild in reflexiver Verwendung). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 13) nach sich zieht, „der notwendigerweise einen Wechsel der Methoden verlangt“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.). Da die Bildtheorie - anders als die Bildwissenschaft - eine Klärung des Bildbegriffs anstrebt, macht sie sich auf die Suche nach Kriterien, die für alle Phänomene, die unter den Begriff des Bildes fallen, gültig sein sollen. Im Vordergrund steht in der Bildtheorie also „die Frage, was aus welchen Gründen ein Bild ist […]“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 14). Wiesing ist davon überzeugt, dass es sich hierbei um eine Frage handelt, die sich in keiner Weise empirisch, sondern „ausschließlich argumentativ beantworten“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.) lässt. Ausdrücklich heißt es: „Jeglicher Versuch einer empirischen Untersuchung sämtlicher Bilder würde notgedrungen an einem Problem scheitern, welches spezifisch für die meisten philosophischen Probleme ist. Es geht nicht um die Erforschung dessen, was schon kategorisiert ist, sondern um die Erforschung der Kategorisierung: eben um den Begriff des Bildes.“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.) Demzufolge sind es primär abstrakte Gründe, die darüber entscheiden, unter welchen Prämissen etwaige Phänomene zu Recht oder zu Unrecht unter den Begriff des Bildes gefasst werden. Demgegenüber können konkrete Bildwerke lediglich einen empirischen, keineswegs aber einen begrifflichen Wert besitzen. Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 16; Hervorhebung hinzugefügt). Begründet wird diese These durch den Hinweis, dass die systematische Auseinandersetzung mit Begriffsfragen für die besondere Art und Weise philosophischen Forschens konstitutiv sei. Bildtheorie wäre demnach immer auch Bildphilosophie, wobei zu vermerken ist, dass eine Philosophie des Bildes nach Wiesings Dafürhalten stets mit einer Phänomenologie des Bildes einhergeht. Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Eintrag in Sammlung zeigen: S. IV). Zum einen wird sich eine lediglich mit begrifflichen Problemen beschäftigende Bildtheorie in letzter Konsequenz auch an ihrem praktischen Nutzen messen lassen müssen. Wer erklären möchte, durch welche Faktoren allgemeine Kriterien für Bildlichkeit bereitgestellt werden, kommt nicht umhin, eben diese Faktoren einem praktischen Test zu unterziehen. Anders gesagt: Eine allgemeine Theorie bzw. Philosophie des Bildes hat herauszustellen, aus welchen Gründen ein konkretes Objekt berechtigterweise als Bild bezeichnet werden kann und warum anderen konkreten Objekten die Kategorisierung als Bild verwehrt bleiben sollte. So sehr zu diesem Zweck abstrakte Argumente vorgebracht werden müssen, so wenig kann sich eine mit dem Begriff des Bildes beschäftigende Bildtheorie bzw. Bildphilosophie von konkreten Anschauungsbezügen ablösen. Galilei der Künstler. Der Mond. Die Sonne. Die Hand. Berlin: Akademie. Eintrag in Sammlung zeigen). Obwohl Bredekamp in diesem Zusammenhang ausgiebig auf Skizzen, Zeichnungen und Bilder Galileis zurückgreift, um diese These zu untermauern, beschränkt sich seine Forschung nicht darin, lediglich empirisch-historisches Material aufzuarbeiten und auszudeuten. Vielmehr wird anhand von konkreten Bildern demonstriert, welch bedeutenden Stellenwert bildliche Darstellungen für die Genese von wissenschaftlichem Wissen besitzen. Thematisiert werden damit nicht nur kunst- und wissenschaftshistorische Problemstellungen, sondern auch Fragen über die erkenntnisstiftende Kraft und Evidenz von Bildern - Fragen also, die seit jeher auch in der Philosophie des Bildes untersucht worden sind und insofern zugleich ein bildtheoretisches Erkenntnisinteresse bedienen. Allen kritischen Einwänden zum Trotz bietet Wiesings Differenzierung von Bildtheorie und Bildwissenschaft in einem Punkt einen klaren Vorteil: Die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, lässt sich durch die von ihm vorgeschlagene Grenzziehung verhältnismäßig einfach beantworten. Wer herausfinden möchte, ob Leonardo da Vinci in seiner Mona Lisa tatsächlich eine ›empirische‹ Frau abgebildet hat oder nicht (und wenn ja: welche), würde nach Wiesings Definition einen bildwissenschaftlichen Beitrag leisten. Wer hingegen erörtern möchte, ob bzw. inwieweit Gemälde, Skulpturen, Vorstellungsbilder oder virtuelle Bilder allesamt in gleichem Maße die wesentlichen Kriterien der Bildlichkeit erfüllen, bewegt sich auf dem Gebiet der Bildtheorie. Die Bildtheorie ließe sich diesem Bestimmungsverhältnis zufolge schließlich als grundlagentheoretische Basis der Bildwissenschaft verstehen, weil sie stets auf einem allgemeineren, grundlegenderen Niveau operiert als die Bildwissenschaft. Bilderwissenschaft vs. BildwissenschaftLambert Wiesing ist nicht der einzige Autor, der das weitverzweigte bildwissenschaftliche Forschungsfeld mithilfe von terminologisch klar umrissenen Trennlinien übersichtlicher gestalten möchte. So halten auch Klaus Sachs-Hombach und Jörg R. J. Schirra eine Aufteilung der Bildwissenschaft in zwei Arbeitsfelder, die sich aus ihrer Sicht sowohl inhaltlich als auch methodisch stark voneinander unterscheiden, für sinnvoll. In diesem Zusammenhang greifen sie auf Differenzierungskriterien zurück, die auf den ersten Blick mit denen Wiesings identisch zu sein scheinen, bei näherem Hinsehen jedoch unterschiedliche konzeptionelle Konsequenzen und Schwerpunkte implizieren. Für die Analyse der "spezifische[n] Eigenarten von konkreten Bildwerken" ([Schirra & Sachs-Hombach 2006a]Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hombach, Klaus (2006).Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwissenschaftlicher Sicht. In ELiSe: Essener Linguistische Skripte – elektronisch, 6, 1, 51-72. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 52) reservieren Sachs-Hombach und Schirra den Pluralis Bilderwissenschaft. Von der Singularform Bildwissenschaft sollte ihres Erachtens hingegen nur "dann die Rede sein, wenn sich das wissenschaftliche Interesse der Frage zuwendet, was es grundsätzlich bedeutet, mit Bildern (als solchen) umgehen zu können." ([Schirra & Sachs-Hombach 2006a]Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hombach, Klaus (2006). Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwissenschaftlicher Sicht. In ELiSe: Essener Linguistische Skripte – elektronisch, 6, 1, 51-72. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.; Hervorhebung im Original) Anders als in bilderwissenschaftlichen Analysen stehen auf der bildwissenschaftlichen Untersuchungsebene sodann "gar nicht einzelne Bilder im unmittelbaren Fokus des Interesses, sondern vielmehr die Fähigkeit, Bilder verwenden (d.h. erzeugen und rezipieren) zu können." ([Schirra & Sachs-Hombach 2006a]Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hombach, Klaus (2006). Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwissenschaftlicher Sicht. In ELiSe: Essener Linguistische Skripte – elektronisch, 6, 1, 51-72. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.) Im Zentrum bildwissenschaftlicher Forschung stehen insofern Fragen der Bildkompetenz und solche der Bildpragmatik. Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 14; Hervorhebungen im Original) Sinn und Zweck der Bildtheorie ist es ferner, diejenigen allgemeinen Kriterien zu ermitteln, die es erlauben, ein bestimmtes Phänomen als Bild zu bestimmen. Bildtheoretische Forschung konzentriert sich hier demgemäß vorwiegend auf Fragen der Kategorisierung bzw. Klassifikation. Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. In Zeitschrift für Philosophische Forschung, 15, 161–176. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 162) Natur des Menschen zu deuten sei.[1] Medientheorie, visuelle Kultur und Bildanthropologie. In Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn, 393-424. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 395), trägt es schließlich zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Positionen bei, die vielerorts bereits seit Jahrhunderten vertreten werden[2] und speziell auf dem Gebiet der Philosophie den Status eines Gemeinplatzes besitzen[3]. |
Anmerkungen
[Brandom 2000a]: Brandom, Robert (2000). Expressive Vernunft. Begründung, Repräsentation und diskursive Festlegung (1994). Frankfurt/M.: Suhrkamp.
[Bredekamp 2007a]: Bredekamp, Horst (2007). Galilei der Künstler. Der Mond. Die Sonne. Die Hand. Berlin: Akademie. [Habermas 1995a]: Habermas, Jürgen (1995). Theorie des kommunikativen Handelns (1981), 2 Bd.. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 7. Aufl. [Halawa 2011a]: Halawa, Mark A. (2011). Editorial: Homo pictor und animal symbolicum: Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer philosophischen Bildanthropologie. IMAGE - Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, Band: 14, S. 2-9, Themenheft "Anthropologie", hg. v. Mark A. Halawa. [Halawa 2012a]: Halawa, Mark A. (2012). Die Bilderfrage als Machtfrage. Perspektiven einer Kritik des Bildes. Berlin: Kadmos. [Herder 2001a]: Herder, Johann Gottfried (2001). Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772). Stuttgart: Philipp Reclam jun.. [Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die differentia des Menschen. Zeitschrift für Philosophische Forschung, Band: 15, S. 161–176. [Mitchell 2008a]: Mitchell, William J. Thomas (2008). Bildtheorie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Popper 2002a]: Popper, Karl R. (2002). Alle Menschen sind Philosophen. München, Zürich: Piper. [Sachs-Hombach & Schirra 2009a]: Sachs-Hombach, Klaus & Schirra, Jörg R.J. (2009). Medientheorie, visuelle Kultur und Bildanthropologie. In: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 393-424. [Schirra & Sachs-Hombach 2006a]: Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hombach, Klaus (2006). Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwissenschaftlicher Sicht. ELiSe: Essener Linguistische Skripte – elektronisch, Band: 6, Nummer: 1, S. 51-72. [Schirra & Sachs-Hombach 2011a]: Schirra Jörg R.J. & Sachs-Hombach, Klaus (2011). Anthropologie in der systematischen Bildwissenschaft: Auf der Spur des homo pictor. In: Meyer, S. & Owzar, A. (Hg.): Disziplinen der Anthropologie. Münster: Waxmann, S. 145-177. [Ulama 2011a]: Ulama, Nisaar (2011). Von Bildfreiheit und Geschichtsverlust: Zu Hans Jonas' homo pictor. IMAGE - Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, Band: 14, S. 10-17, Themenheft "Anthropologie", hg. v. Mark A. Halawa. [Wiesing 2005a]: Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Wiesing 2008a]: Wiesing, Lambert (2008). Die Sichtbarkeit des Bildes. Geschichte und Perspektiven der formalen Ästhetik. Frankfurt/M. & New York: Campus. Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [64] und Joerg R.J. Schirra [18] — (Hinweis) |