Bildwissenschaft vs. Bildtheorie: Unterschied zwischen den Versionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Eine gänzlich andere Betrachtungs- und Vor&shy;gehens&shy;weise lässt sich Wiesing zufolge auf der bild&shy;''theore&shy;tischen'' Unter&shy;suchungs&shy;ebene beob&shy;achten. Hier „inte&shy;ressiert [man] sich nicht für das konkre&shy;te Bild, sondern für das Bild als Medium“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.). Die Aufmerk&shy;samkeit richtet sich nicht auf das einzel&shy;ne, empi&shy;risch zugäng&shy;liche Bild&shy;werk, sondern ganz allge&shy;mein auf das Phäno&shy;men der Bild&shy;lich&shy;keit. Auf der Ebe&shy;ne der Bild&shy;''theo&shy;rie'' geht es somit aus&shy;schließ&shy;lich „um den Begriff des Bildes“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.), nicht um indi&shy;vidu&shy;elle Beson&shy;derhei&shy;ten eines konkre&shy;ten Bild&shy;werkes. Beach&shy;tung finden konkre&shy;te Bilder allen&shy;falls dann, wenn sie sich dazu eignen, allge&shy;meine Aussagen über das Wesen der Bild&shy;lichkeit - also über die Frage, „''was etwas zu einem Bild macht''“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IX; Hervor&shy;hebun&shy;gen im Ori&shy;ginal) - zu treffen. Meist handelt es sich bei derar&shy;tigen Bildern um soge&shy;nannte ''Meta&shy;bilder'', d.h. um solche Bilder, die sich in beson&shy;derer Weise „auf sich selbst oder auf andere Bilder bezie&shy;hen, [...] um zu zeigen, was ein Bild ist.“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 172). Das wohl berühm&shy;teste Beispiel für ein Meta&shy;bild ist das [[Kippbild|Kipp-]] bzw. [[Vexierbild|Vexier&shy;bild]], das häufig heran&shy;gezo&shy;gen wird, um die Beson&shy;derheit der Bild&shy;wahr&shy;nehmung zu illus&shy;trieren (⊳ [[Bild in reflexiver Verwendung|Bild in refle&shy;xiver Verwen&shy;dung]]).
 
Eine gänzlich andere Betrachtungs- und Vor&shy;gehens&shy;weise lässt sich Wiesing zufolge auf der bild&shy;''theore&shy;tischen'' Unter&shy;suchungs&shy;ebene beob&shy;achten. Hier „inte&shy;ressiert [man] sich nicht für das konkre&shy;te Bild, sondern für das Bild als Medium“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.). Die Aufmerk&shy;samkeit richtet sich nicht auf das einzel&shy;ne, empi&shy;risch zugäng&shy;liche Bild&shy;werk, sondern ganz allge&shy;mein auf das Phäno&shy;men der Bild&shy;lich&shy;keit. Auf der Ebe&shy;ne der Bild&shy;''theo&shy;rie'' geht es somit aus&shy;schließ&shy;lich „um den Begriff des Bildes“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: ebd.), nicht um indi&shy;vidu&shy;elle Beson&shy;derhei&shy;ten eines konkre&shy;ten Bild&shy;werkes. Beach&shy;tung finden konkre&shy;te Bilder allen&shy;falls dann, wenn sie sich dazu eignen, allge&shy;meine Aussagen über das Wesen der Bild&shy;lichkeit - also über die Frage, „''was etwas zu einem Bild macht''“ (<bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IX; Hervor&shy;hebun&shy;gen im Ori&shy;ginal) - zu treffen. Meist handelt es sich bei derar&shy;tigen Bildern um soge&shy;nannte ''Meta&shy;bilder'', d.h. um solche Bilder, die sich in beson&shy;derer Weise „auf sich selbst oder auf andere Bilder bezie&shy;hen, [...] um zu zeigen, was ein Bild ist.“ (<bib id='Mitchell 2008a'></bib>: S. 172). Das wohl berühm&shy;teste Beispiel für ein Meta&shy;bild ist das [[Kippbild|Kipp-]] bzw. [[Vexierbild|Vexier&shy;bild]], das häufig heran&shy;gezo&shy;gen wird, um die Beson&shy;derheit der Bild&shy;wahr&shy;nehmung zu illus&shy;trieren (⊳ [[Bild in reflexiver Verwendung|Bild in refle&shy;xiver Verwen&shy;dung]]).
 
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Der größte und wichtigste Unterschied zwischen der bild''wissenschaftlichen'' und der bild''theoretischen'' Untersuchungsebene besteht nach Wiesing darin, dass die Bildtheorie einen "Schritt ins Kategoriale" (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 13) nach sich zieht, "der notwendigerweise einen Wechsel der Methoden verlangt" (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.). Da die Bildtheorie - anders als die Bildwissenschaft - eine Klärung des Bildbegriffs anstrebt, macht sie sich auf die Suche nach Kriterien, die für ''alle'' Phänomene, die unter den Begriff des Bildes fallen, gültig sein sollen. Im Vordergrund steht in der Bildtheorie also "die Frage, was aus welchen Gründen ein Bild ist […]" (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 14). Wiesing ist davon überzeugt, dass es sich hierbei um eine Frage handelt, die sich in keiner Weise empirisch, sondern "ausschließlich argumentativ beantworten" (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.) lässt. Ausdrücklich heißt es: "Jeglicher Versuch einer empirischen Untersuchung sämtlicher Bilder würde notgedrungen an einem Problem scheitern, welches spezifisch für die meisten philosophischen Probleme ist. Es geht nicht um die Erforschung dessen, was schon kategorisiert ist, sondern um die Erforschung der Kategorisierung: eben um den Begriff des Bildes." (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.) Demzufolge sind es primär abstrakte Gründe, die darüber entscheiden, unter welchen Prämissen etwaige Phänomene zu Recht oder zu Unrecht unter den Begriff des Bildes gefasst werden. Demgegenüber können konkrete Bildwerke lediglich einen empirischen, keineswegs aber einen begrifflichen Wert besitzen.
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Der größte und wichtigste Unter&shy;schied zwischen der bild&shy;''wissen&shy;schaft&shy;lichen'' und der bild&shy;''theore&shy;tischen'' Unter&shy;suchungs&shy;ebene besteht nach Wiesing darin, dass die Bild&shy;theorie einen „Schritt ins Kate&shy;gori&shy;ale“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 13) nach sich zieht, „der notwen&shy;diger&shy;weise einen Wechsel der Metho&shy;den verlangt“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.). Da die Bild&shy;theorie - anders als die Bild&shy;wissen&shy;schaft - eine Klärung des Bild&shy;begriffs anstrebt, macht sie sich auf die Suche nach Krite&shy;rien, die für ''alle'' Phäno&shy;mene, die unter den Begriff des Bildes fallen, gültig sein sollen. Im Vorder&shy;grund steht in der Bild&shy;theorie also „die Frage, was aus welchen Gründen ein Bild ist […](<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 14). Wiesing ist davon über&shy;zeugt, dass es sich hierbei um eine Frage handelt, die sich in keiner Weise empi&shy;risch, sondern „aus&shy;schließlich argu&shy;menta&shy;tiv beant&shy;worten“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.) lässt. Ausdrück&shy;lich heißt es: „Jegli&shy;cher Versuch einer empi&shy;rischen Unter&shy;suchung sämt&shy;licher Bilder würde notge&shy;drungen an einem Problem scheitern, welches spezi&shy;fisch für die meisten philo&shy;sophi&shy;schen Probleme ist. Es geht nicht um die Erfor&shy;schung dessen, was schon kate&shy;gori&shy;siert ist, sondern um die Erfor&shy;schung der Kate&shy;gori&shy;sierung: eben um den Begriff des Bildes.(<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: ebd.) Demzu&shy;folge sind es primär abstrak&shy;te Gründe, die darü&shy;ber entschei&shy;den, unter welchen Prämis&shy;sen etwa&shy;ige Phäno&shy;mene zu Recht oder zu Unrecht unter den Begriff des Bildes gefasst werden. Dem&shy;gegen&shy;über können konkre&shy;te Bild&shy;werke ledig&shy;lich einen empi&shy;rischen, keines&shy;wegs aber einen begriff&shy;lichen Wert besit&shy;zen.
 
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Für Wiesing besteht die entscheidende Pointe, die aus der Grenzziehung zwischen ''Bildtheorie'' auf der einen und ''Bildwissenschaft'' auf der anderen Seite folgt, darin, dass die bild''theoretische'' Untersuchungsebene aufgrund ihres postulierten argumentativen Grundcharakters "gar nicht anders als ''philosophisch'' geschehen kann" (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 16; Hervorhebung hinzugefügt). Begründet wird diese These durch den Hinweis, dass die systematische Auseinandersetzung mit Begriffsfragen für die besondere Art und Weise philosophischen Forschens konstitutiv sei. ''Bildtheorie'' wäre demnach immer auch ''Bildphilosophie'', wobei zu vermerken ist, dass eine Philosophie des Bildes nach Wiesings Dafürhalten stets mit einer [[Phänomenologische Bildtheorien|Phänomenologie des Bildes]] einhergeht.
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Für Wiesing besteht die entschei&shy;dende Pointe, die aus der Grenz&shy;ziehung zwischen ''Bild&shy;theorie'' auf der einen und ''Bild&shy;wissen&shy;schaft'' auf der anderen Seite folgt, darin, dass die bild&shy;''theore&shy;tische'' Unter&shy;suchungs&shy;ebene aufgrund ihres postu&shy;lierten argu&shy;menta&shy;tiven Grund&shy;charakters „gar nicht anders als ''philo&shy;sophisch'' gesche&shy;hen kann“ (<bib id='Wiesing 2005a'></bib>: S. 16; Hervor&shy;hebung hinzu&shy;gefügt). Begrün&shy;det wird diese These durch den Hinweis, dass die syste&shy;mati&shy;sche Aus&shy;einan&shy;derset&shy;zung mit Begriffs&shy;fragen für die beson&shy;dere Art und Weise philo&shy;sophi&shy;schen Forschens konsti&shy;tutiv sei. ''Bild&shy;theorie'' wäre demnach immer auch ''Bild&shy;philo&shy;sophie'', wobei zu vermer&shy;ken ist, dass eine Philo&shy;sophie des Bildes nach Wiesings Dafür&shy;halten stets mit einer [[Phänomenologische Bildtheorien|Phäno&shy;meno&shy;logie des Bildes]] einher&shy;geht.
 
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Grundsätzlich erscheint es als empfehlenswert, Wiesings Differenz zwischen ''Bildtheorie'' und ''Bildwissenschaft'' lediglich in einem idealtypischen Sinne zu verstehen. Wiesing selbst regt an, zwischen beiden Untersuchungsebenen ein komplementäres Verhältnis zu sehen (vgl. <bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IV). Zum einen wird sich eine lediglich mit begrifflichen Problemen beschäftigende Bildtheorie in letzter Konsequenz auch an ihrem praktischen Nutzen messen lassen müssen. Wer erklären möchte, durch welche Faktoren allgemeine Kriterien für Bildlichkeit bereitgestellt werden, kommt nicht umhin, eben diese Faktoren einem praktischen Test zu unterziehen. Anders gesagt: Eine allgemeine Theorie bzw. Philosophie des Bildes hat herauszustellen, aus welchen Gründen ein konkretes Objekt berechtigterweise als Bild bezeichnet werden kann und warum anderen konkreten Objekten die Kategorisierung als Bild verwehrt bleiben sollte. So sehr zu diesem Zweck abstrakte Argumente vorgebracht werden müssen, so wenig kann sich eine mit dem Begriff des Bildes beschäftigende Bildtheorie bzw. Bildphilosophie von konkreten Anschauungsbezügen ablösen.
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Grundsätzlich erscheint es als empfehlens&shy;wert, Wiesings Differenz zwischen ''Bild&shy;theorie'' und ''Bild&shy;wissen&shy;schaft'' ledig&shy;lich in einem ideal&shy;typi&shy;schen Sinne zu ver&shy;stehen. Wiesing selbst regt an, zwischen beiden Unter&shy;suchungs&shy;ebenen ein komple&shy;mentä&shy;res Verhält&shy;nis zu sehen (vgl. <bib id='Wiesing 2008a'></bib>: S. IV). Zum einen wird sich eine ledig&shy;lich mit begriff&shy;lichen Proble&shy;men beschäf&shy;tigen&shy;de Bild&shy;theorie in letzter Konse&shy;quenz auch an ihrem prakti&shy;schen Nutzen messen lassen müssen. Wer erklä&shy;ren möchte, durch welche Fakto&shy;ren allge&shy;meine Krite&shy;rien für Bild&shy;lichkeit bereit&shy;gestellt werden, kommt nicht umhin, eben diese Fakto&shy;ren einem prakti&shy;schen Test zu unter&shy;ziehen. Anders gesagt: Eine allge&shy;meine Theorie bzw. Philo&shy;sophie des Bildes hat heraus&shy;zustel&shy;len, aus welchen Gründen ein konkre&shy;tes Objekt berech&shy;tigter&shy;weise als Bild bezeich&shy;net werden kann und warum ande&shy;ren konkre&shy;ten Objek&shy;ten die Kate&shy;gori&shy;sierung als Bild verwehrt bleiben sollte. So sehr zu diesem Zweck abstrak&shy;te Argu&shy;mente vorge&shy;bracht werden müssen, so wenig kann sich eine mit dem Begriff des Bildes beschäf&shy;tigen&shy;de Bild&shy;theorie bzw. Bild&shy;philo&shy;sophie von konkre&shy;ten Anschau&shy;ungsbe&shy;zügen ablö&shy;sen.
 
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Zum anderen ist keinesfalls auszuschließen, dass eine empirisch arbeitende ''Bildwissenschaft'' nicht auch bildbegriffliche und damit bild''theoretische'' Erkenntnisse ans Licht bringen kann. Dazu ein Beispiel: Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp hat in seinen Arbeiten über Galileo Galilei aufgezeigt, wie wichtig die großen bildnerischen Fertigkeiten Galileis für die Entstehung seiner bahnbrechenden astronomischen Theorien gewesen sind (<bib id='Bredekamp 2007a'></bib>). Obwohl Bredekamp in diesem Zusammenhang ausgiebig auf Skizzen, Zeichnungen und Bilder Galileis zurückgreift, um diese These zu untermauern, beschränkt sich seine Forschung nicht darin, lediglich empirisch-historisches Material aufzuarbeiten und auszudeuten. Vielmehr wird anhand von konkreten Bildern demonstriert, welch bedeutenden Stellenwert bildliche Darstellungen für die Genese von wissenschaftlichem Wissen besitzen. Thematisiert werden damit nicht nur kunst- und wissenschaftshistorische Problemstellungen, sondern auch Fragen über die erkenntnisstiftende Kraft und Evidenz von Bildern - Fragen also, die seit jeher auch in der Philosophie des Bildes untersucht worden sind und insofern zugleich ein bild''theoretisches'' Erkenntnisinteresse bedienen.
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Zum anderen ist keinesfalls auszu&shy;schließen, dass eine empi&shy;risch arbei&shy;tende ''Bild&shy;wissen&shy;schaft'' nicht auch bildbe&shy;griffli&shy;che und damit bild&shy;''theore&shy;tische'' Erkennt&shy;nisse ans Licht bringen kann. Dazu ein Bei&shy;spiel: Der Kunst&shy;histo&shy;riker Horst Brede&shy;kamp hat in seinen Arbei&shy;ten über Gali&shy;leo Gali&shy;lei aufge&shy;zeigt, wie wichtig die großen bildne&shy;rischen Fertig&shy;keiten Gali&shy;leis für die Entste&shy;hung seiner bahn&shy;brechen&shy;den astro&shy;nomi&shy;schen Theorien gewe&shy;sen sind (<bib id='Bredekamp 2007a'></bib>). Obwohl Brede&shy;kamp in diesem Zusam&shy;menhang ausgie&shy;big auf Skizzen, Zeich&shy;nungen und Bilder Gali&shy;leis zurück&shy;greift, um diese These zu unter&shy;mauern, beschränkt sich seine Forschung nicht darin, ledig&shy;lich empi&shy;risch-histo&shy;risches Mate&shy;rial aufzu&shy;arbei&shy;ten und auszu&shy;deuten. Vielmehr wird anhand von konkre&shy;ten Bildern demon&shy;striert, welch bedeu&shy;tenden Stellen&shy;wert bildliche Darstel&shy;lungen für die Gene&shy;se von wissen&shy;schaft&shy;lichem Wissen besitzen. Thema&shy;tisiert werden damit nicht nur kunst- und wissen&shy;schafts&shy;histo&shy;rische Problem&shy;stellun&shy;gen, sondern auch Fragen über die erkennt&shy;nisstif&shy;tende Kraft und Evi&shy;denz von Bildern - Fragen also, die seit jeher auch in der Philo&shy;sophie des Bildes unter&shy;sucht worden sind und inso&shy;fern zugleich ein bild&shy;''theore&shy;tisches'' Erkennt&shy;nisin&shy;teres&shy;se bedie&shy;nen.
 
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Allen kritischen Einwänden zum Trotz bietet Wiesings Differenzierung von ''Bildtheorie'' und ''Bildwissenschaft'' in einem Punkt einen klaren Vorteil: Die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, lässt sich durch die von ihm vorgeschlagene Grenzziehung verhältnismäßig einfach beantworten. Wer herausfinden möchte, ob Leonardo da Vinci in seiner ''Mona Lisa'' tatsächlich eine ›empirische‹ Frau abgebildet hat oder nicht (und wenn ja: welche), würde nach Wiesings Definition einen bild''wissenschaftlichen'' Beitrag leisten. Wer hingegen erörtern möchte, ob bzw. inwieweit Gemälde, [[Skulptur|Skulpturen]], [[Vorstellungsbilder]] oder [[Virtuelles Bild|virtuelle Bilder]] allesamt in gleichem Maße die wesentlichen Kriterien der Bildlichkeit erfüllen, bewegt sich auf dem Gebiet der Bild''theorie''. Die ''Bildtheorie'' ließe sich diesem Bestimmungsverhältnis zufolge schließlich als grundlagentheoretische Basis der Bildwissenschaft verstehen, weil sie stets auf einem allgemeineren, grundlegenderen Niveau operiert als die ''Bildwissenschaft''.
 
Allen kritischen Einwänden zum Trotz bietet Wiesings Differenzierung von ''Bildtheorie'' und ''Bildwissenschaft'' in einem Punkt einen klaren Vorteil: Die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, lässt sich durch die von ihm vorgeschlagene Grenzziehung verhältnismäßig einfach beantworten. Wer herausfinden möchte, ob Leonardo da Vinci in seiner ''Mona Lisa'' tatsächlich eine ›empirische‹ Frau abgebildet hat oder nicht (und wenn ja: welche), würde nach Wiesings Definition einen bild''wissenschaftlichen'' Beitrag leisten. Wer hingegen erörtern möchte, ob bzw. inwieweit Gemälde, [[Skulptur|Skulpturen]], [[Vorstellungsbilder]] oder [[Virtuelles Bild|virtuelle Bilder]] allesamt in gleichem Maße die wesentlichen Kriterien der Bildlichkeit erfüllen, bewegt sich auf dem Gebiet der Bild''theorie''. Die ''Bildtheorie'' ließe sich diesem Bestimmungsverhältnis zufolge schließlich als grundlagentheoretische Basis der Bildwissenschaft verstehen, weil sie stets auf einem allgemeineren, grundlegenderen Niveau operiert als die ''Bildwissenschaft''.

Version vom 24. April 2013, 09:43 Uhr

Unterpunkt zu: Bildphilosophische Abgrenzungen


Die Heterogenität der bild­wissen­schaft­lichen For­schungs­debat­te

Die bildwissenschaftliche Forschungs­debat­te ist durch ein hohes Maß an Hete­roge­nität charak­teri­siert. Nicht nur gibt es kontro­verse Diskus­sionen über die Frage, welche Diszip­lin(en) und Metho­de(n) den Ausgangs­punkt einer allge­meinen Bild­wissen­schaft zu bilden haben; auch herrscht große Un­einig­keit darü­ber, mit welchem Ober­begriff die wissen­schaft­liche Beschäf­tigung mit dem Phäno­men der Bild­lich­keit verse­hen werden sollte. In der Tat werden die ver­schieden­sten Ansät­ze und Metho­den häufig einheit­lich als ‘Bild­wissen­schaft’ bezeich­net. Diese Vor­gehens­weise stößt bei eini­gen Bild­forschern indes auf Kritik. Ihrer Meinung nach werden die Diffe­renzen, die zwischen höchst unter­schied­lich aufge­bauten bild­wissen­schaft­lichen Konzep­tionen bestehen, durch eine mangeln­de termi­nolo­gische Trenn­schärfe nur schwer ersicht­lich oder sogar unkennt­lich gemacht. Aus diesem Grund fordern sie dazu auf, vorhan­dene program­mati­sche Diffe­renzen termi­nolo­gisch klar zu kenn­zeichnen.

Bildwissenschaft vs. Bild­theorie

Der vielleicht einfachste Vor­schlag zur termi­nolo­gischen Diffe­renzie­rung von höchst unter­schied­lich aufge­bauten bild­wissen­schaft­lichen Konzep­tionen stammt von dem Philo­sophen Lambert Wiesing. Um den program­mati­schen und metho­dischen Unter­schieden zwischen empi­risch-histo­risch und theore­tisch-begriff­lich ausge­richte­ten bild­wissen­schaft­lichen Forschungs­ansät­zen bereits termi­nolo­gisch Rechnung zu tragen, schlägt Wiesing vor, eine bild­wissen­schaft­liche und eine bild­theore­tische Unter­suchungs­ebene zu diffe­renzie­ren. Dabei zählt er zur Bild­wissen­schaft solche Diszip­linen, die Bilder als „konkre­te Dinge“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).
Die Sichtbar­keit des Bildes. Geschich­te und Perspek­tiven der forma­len Ästhe­tik. Frank­furt/M. & New York: Campus.

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: S. IV) zur Grund­lage haben. Bilder, erläu­tert Wiesing, würden hier als „reale Gegen­stände in ihrer Ent­stehung, in ihren psycho­logi­schen Wirkun­gen, in ihren medi­alen Voraus­setzun­gen, in ihrer inhalt­lich und sozia­len Bedeu­tung, in ihren histo­rischen Zusam­menhän­gen und noch zahl­reichen ande­ren empi­rischen Aspek­ten erforscht [...].“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).
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: ebd.) Eine Kunst­histori­kerin, die zum Beispiel über die sozi­alen und poli­tischen Ursa­chen und Auswir­kungen des byzan­tini­schen oder refor­mato­rischen Bilder­streits forscht, würde dieser Erklä­rung zufolge bild­wissen­schaft­liche Studien betrei­ben. Im Zentrum ihrer Ana­lysen stünde eine Reihe von konkre­ten Bild­werken, die unter ande­rem im Hinblick auf ihre Ur­heber­schaft, ihre mate­riel­le Be­schaffen­heit oder ihren ursprüng­lichen Aufstel­lungsort unter­sucht werden. Das Ziel solchen Forschens kann nach Wiesing etwa darin beste­hen, ein­zelne Bild­werke oder sogar einen geschlos­senen Korpus von Bildern in Bezug auf Stil, Epo­che, Authen­tizi­tät, poli­tische Funk­tion usw. zu kate­gori­sieren.
Eine gänzlich andere Betrachtungs- und Vor­gehens­weise lässt sich Wiesing zufolge auf der bild­theore­tischen Unter­suchungs­ebene beob­achten. Hier „inte­ressiert [man] sich nicht für das konkre­te Bild, sondern für das Bild als Medium“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).
Die Sichtbar­keit des Bildes. Geschich­te und Perspek­tiven der forma­len Ästhe­tik. Frank­furt/M. & New York: Campus.

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: ebd.). Die Aufmerk­samkeit richtet sich nicht auf das einzel­ne, empi­risch zugäng­liche Bild­werk, sondern ganz allge­mein auf das Phäno­men der Bild­lich­keit. Auf der Ebe­ne der Bild­theo­rie geht es somit aus­schließ­lich „um den Begriff des Bildes“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).
Die Sichtbar­keit des Bildes. Geschich­te und Perspek­tiven der forma­len Ästhe­tik. Frank­furt/M. & New York: Campus.

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: ebd.), nicht um indi­vidu­elle Beson­derhei­ten eines konkre­ten Bild­werkes. Beach­tung finden konkre­te Bilder allen­falls dann, wenn sie sich dazu eignen, allge­meine Aussagen über das Wesen der Bild­lichkeit - also über die Frage, „was etwas zu einem Bild macht“ ([Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).
Die Sichtbar­keit des Bildes. Geschich­te und Perspek­tiven der forma­len Ästhe­tik. Frank­furt/M. & New York: Campus.

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: S. IX; Hervor­hebun­gen im Ori­ginal) - zu treffen. Meist handelt es sich bei derar­tigen Bildern um soge­nannte Meta­bilder, d.h. um solche Bilder, die sich in beson­derer Weise „auf sich selbst oder auf andere Bilder bezie­hen, [...] um zu zeigen, was ein Bild ist.“ ([Mitchell 2008a]Mitchell, William J. Thomas (2008).
Bildtheorie. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 172). Das wohl berühm­teste Beispiel für ein Meta­bild ist das Kipp- bzw. Vexier­bild, das häufig heran­gezo­gen wird, um die Beson­derheit der Bild­wahr­nehmung zu illus­trieren (⊳ Bild in refle­xiver Verwen­dung).
Der größte und wichtigste Unter­schied zwischen der bild­wissen­schaft­lichen und der bild­theore­tischen Unter­suchungs­ebene besteht nach Wiesing darin, dass die Bild­theorie einen „Schritt ins Kate­gori­ale“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 13) nach sich zieht, „der notwen­diger­weise einen Wechsel der Metho­den verlangt“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: ebd.). Da die Bild­theorie - anders als die Bild­wissen­schaft - eine Klärung des Bild­begriffs anstrebt, macht sie sich auf die Suche nach Krite­rien, die für alle Phäno­mene, die unter den Begriff des Bildes fallen, gültig sein sollen. Im Vorder­grund steht in der Bild­theorie also „die Frage, was aus welchen Gründen ein Bild ist […]“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 14). Wiesing ist davon über­zeugt, dass es sich hierbei um eine Frage handelt, die sich in keiner Weise empi­risch, sondern „aus­schließlich argu­menta­tiv beant­worten“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: ebd.) lässt. Ausdrück­lich heißt es: „Jegli­cher Versuch einer empi­rischen Unter­suchung sämt­licher Bilder würde notge­drungen an einem Problem scheitern, welches spezi­fisch für die meisten philo­sophi­schen Probleme ist. Es geht nicht um die Erfor­schung dessen, was schon kate­gori­siert ist, sondern um die Erfor­schung der Kate­gori­sierung: eben um den Begriff des Bildes.“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: ebd.) Demzu­folge sind es primär abstrak­te Gründe, die darü­ber entschei­den, unter welchen Prämis­sen etwa­ige Phäno­mene zu Recht oder zu Unrecht unter den Begriff des Bildes gefasst werden. Dem­gegen­über können konkre­te Bild­werke ledig­lich einen empi­rischen, keines­wegs aber einen begriff­lichen Wert besit­zen.
Für Wiesing besteht die entschei­dende Pointe, die aus der Grenz­ziehung zwischen Bild­theorie auf der einen und Bild­wissen­schaft auf der anderen Seite folgt, darin, dass die bild­theore­tische Unter­suchungs­ebene aufgrund ihres postu­lierten argu­menta­tiven Grund­charakters „gar nicht anders als philo­sophisch gesche­hen kann“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 16; Hervor­hebung hinzu­gefügt). Begrün­det wird diese These durch den Hinweis, dass die syste­mati­sche Aus­einan­derset­zung mit Begriffs­fragen für die beson­dere Art und Weise philo­sophi­schen Forschens konsti­tutiv sei. Bild­theorie wäre demnach immer auch Bild­philo­sophie, wobei zu vermer­ken ist, dass eine Philo­sophie des Bildes nach Wiesings Dafür­halten stets mit einer Phäno­meno­logie des Bildes einher­geht.
Grundsätzlich erscheint es als empfehlens­wert, Wiesings Differenz zwischen Bild­theorie und Bild­wissen­schaft ledig­lich in einem ideal­typi­schen Sinne zu ver­stehen. Wiesing selbst regt an, zwischen beiden Unter­suchungs­ebenen ein komple­mentä­res Verhält­nis zu sehen (vgl. [Wiesing 2008a]Wiesing, Lambert (2008).
Die Sichtbar­keit des Bildes. Geschich­te und Perspek­tiven der forma­len Ästhe­tik. Frank­furt/M. & New York: Campus.

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: S. IV). Zum einen wird sich eine ledig­lich mit begriff­lichen Proble­men beschäf­tigen­de Bild­theorie in letzter Konse­quenz auch an ihrem prakti­schen Nutzen messen lassen müssen. Wer erklä­ren möchte, durch welche Fakto­ren allge­meine Krite­rien für Bild­lichkeit bereit­gestellt werden, kommt nicht umhin, eben diese Fakto­ren einem prakti­schen Test zu unter­ziehen. Anders gesagt: Eine allge­meine Theorie bzw. Philo­sophie des Bildes hat heraus­zustel­len, aus welchen Gründen ein konkre­tes Objekt berech­tigter­weise als Bild bezeich­net werden kann und warum ande­ren konkre­ten Objek­ten die Kate­gori­sierung als Bild verwehrt bleiben sollte. So sehr zu diesem Zweck abstrak­te Argu­mente vorge­bracht werden müssen, so wenig kann sich eine mit dem Begriff des Bildes beschäf­tigen­de Bild­theorie bzw. Bild­philo­sophie von konkre­ten Anschau­ungsbe­zügen ablö­sen.
Zum anderen ist keinesfalls auszu­schließen, dass eine empi­risch arbei­tende Bild­wissen­schaft nicht auch bildbe­griffli­che und damit bild­theore­tische Erkennt­nisse ans Licht bringen kann. Dazu ein Bei­spiel: Der Kunst­histo­riker Horst Brede­kamp hat in seinen Arbei­ten über Gali­leo Gali­lei aufge­zeigt, wie wichtig die großen bildne­rischen Fertig­keiten Gali­leis für die Entste­hung seiner bahn­brechen­den astro­nomi­schen Theorien gewe­sen sind ([Bredekamp 2007a]Bredekamp, Horst (2007).
Galilei der Künstler. Der Mond. Die Sonne. Die Hand. Berlin: Akademie.

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). Obwohl Brede­kamp in diesem Zusam­menhang ausgie­big auf Skizzen, Zeich­nungen und Bilder Gali­leis zurück­greift, um diese These zu unter­mauern, beschränkt sich seine Forschung nicht darin, ledig­lich empi­risch-histo­risches Mate­rial aufzu­arbei­ten und auszu­deuten. Vielmehr wird anhand von konkre­ten Bildern demon­striert, welch bedeu­tenden Stellen­wert bildliche Darstel­lungen für die Gene­se von wissen­schaft­lichem Wissen besitzen. Thema­tisiert werden damit nicht nur kunst- und wissen­schafts­histo­rische Problem­stellun­gen, sondern auch Fragen über die erkennt­nisstif­tende Kraft und Evi­denz von Bildern - Fragen also, die seit jeher auch in der Philo­sophie des Bildes unter­sucht worden sind und inso­fern zugleich ein bild­theore­tisches Erkennt­nisin­teres­se bedie­nen.

Allen kritischen Einwänden zum Trotz bietet Wiesings Differenzierung von Bildtheorie und Bildwissenschaft in einem Punkt einen klaren Vorteil: Die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, lässt sich durch die von ihm vorgeschlagene Grenzziehung verhältnismäßig einfach beantworten. Wer herausfinden möchte, ob Leonardo da Vinci in seiner Mona Lisa tatsächlich eine ›empirische‹ Frau abgebildet hat oder nicht (und wenn ja: welche), würde nach Wiesings Definition einen bildwissenschaftlichen Beitrag leisten. Wer hingegen erörtern möchte, ob bzw. inwieweit Gemälde, Skulpturen, Vorstellungsbilder oder virtuelle Bilder allesamt in gleichem Maße die wesentlichen Kriterien der Bildlichkeit erfüllen, bewegt sich auf dem Gebiet der Bildtheorie. Die Bildtheorie ließe sich diesem Bestimmungsverhältnis zufolge schließlich als grundlagentheoretische Basis der Bildwissenschaft verstehen, weil sie stets auf einem allgemeineren, grundlegenderen Niveau operiert als die Bildwissenschaft.

Bilderwissenschaft vs. Bildwissenschaft

Lambert Wiesing ist nicht der einzige Autor, der das weitverzweigte bildwissenschaftliche Forschungsfeld mithilfe von terminologisch klar umrissenen Trennlinien übersichtlicher gestalten möchte. So halten auch Klaus Sachs-Hombach und Jörg R. J. Schirra eine Aufteilung der Bildwissenschaft in zwei Arbeitsfelder, die sich aus ihrer Sicht sowohl inhaltlich als auch methodisch stark voneinander unterscheiden, für sinnvoll. In diesem Zusammenhang greifen sie auf Differenzierungskriterien zurück, die auf den ersten Blick mit denen Wiesings identisch zu sein scheinen, bei näherem Hinsehen jedoch unterschiedliche konzeptionelle Konsequenzen und Schwerpunkte implizieren. Für die Analyse der "spezifische[n] Eigenarten von konkreten Bildwerken" ([Schirra & Sachs-Hombach 2006a]Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hom­bach, Klaus (2006).
Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwis­senschaft­licher Sicht. In ELiSe: Esse­ner Lingu­isti­sche Skripte – elek­tronisch, 6, 1, 51-72.

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: S. 52) reservieren Sachs-Hombach und Schirra den Pluralis Bilderwissenschaft. Von der Singularform Bildwissenschaft sollte ihres Erachtens hingegen nur "dann die Rede sein, wenn sich das wissenschaftliche Interesse der Frage zuwendet, was es grundsätzlich bedeutet, mit Bildern (als solchen) umgehen zu können." ([Schirra & Sachs-Hombach 2006a]Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hom­bach, Klaus (2006).
Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwis­senschaft­licher Sicht. In ELiSe: Esse­ner Lingu­isti­sche Skripte – elek­tronisch, 6, 1, 51-72.

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: ebd.; Hervorhebung im Original) Anders als in bilderwissenschaftlichen Analysen stehen auf der bildwissenschaftlichen Untersuchungsebene sodann "gar nicht einzelne Bilder im unmittelbaren Fokus des Interesses, sondern vielmehr die Fähigkeit, Bilder verwenden (d.h. erzeugen und rezipieren) zu können." ([Schirra & Sachs-Hombach 2006a]Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hom­bach, Klaus (2006).
Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwis­senschaft­licher Sicht. In ELiSe: Esse­ner Lingu­isti­sche Skripte – elek­tronisch, 6, 1, 51-72.

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: ebd.) Im Zentrum bildwissenschaftlicher Forschung stehen insofern Fragen der Bildkompetenz und solche der Bildpragmatik.
Oberflächlich betrachtet, spiegelt sich in der Distinktion von Sachs-Hombach und Schirra dieselbe methodologische Intention wie bei Wiesing wider. Deren Dichotomie ›Bildwissenschaft vs. Bilderwissenschaft‹ scheint zunächst nicht von Wiesings Differenz ›Bildtheorie vs. Bildwissenschaft‹ abzuweichen. Allein: Dieser Eindruck trügt. Zwar ist es richtig, dass Sachs-Hombach und Schirra mit der Wendung Bilderwissenschaft ebenso wie Wiesing mit seiner Konzeption der Bildwissenschaft eine im weitesten Sinne empirische Betrachtungsweise einzufangen versuchen. In Bezug auf die eher systematisch-begrifflich akzentuierten Termini Bildwissenschaft (Sachs-Hombach & Schirra) resp. Bildtheorie (Wiesing) lässt sich allerdings ein gewichtiger Unterschied feststellen: Für Wiesing führt eine bildtheoretische Betrachtungsweise in erster Linie zu der Forschungsfrage: "Was soll als Bild bezeichnet werden?" ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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: S. 14; Hervorhebungen im Original) Sinn und Zweck der Bildtheorie ist es ferner, diejenigen allgemeinen Kriterien zu ermitteln, die es erlauben, ein bestimmtes Phänomen als Bild zu bestimmen. Bildtheoretische Forschung konzentriert sich hier demgemäß vorwiegend auf Fragen der Kategorisierung bzw. Klassifikation.
Bei Sachs-Hombach und Schirra findet sich hingegen eine andere Schwerpunktsetzung. Ihnen geht es primär um die bildpragmatische Frage, über welche kognitiven und perzeptiven Kompetenzen ein Wesen verfügen muss, um eine grundsätzliche Bildfähigkeit unter Beweis stellen zu können. Dreht sich Wiesings Bildtheorie vordergründig um Probleme der Kategorisierung, zielen Sachs-Hombach und Schirra in letzter Konsequenz auf eine anthropologische Zuspitzung ihrer Konzeption einer allgemeinen Bildwissenschaft ab (⊳Bildanthropologie). Obwohl auch sie die systematische Untersuchung von bildbegrifflichen Forschungsfragen mit ihrem Terminus Bildwissenschaft ausdrücklich in einen philosophischen Kontext rücken, dient ihnen das Studium des Bildes nicht alleine dem Zweck, sämtliche kategorialen Bedingungen des Bildbegriffs zu ermitteln. Vielmehr hoffen sie, durch ihre systematische Beschäftigung mit Fragen der Bildlichkeit allgemeine Einsichten über das Wesen des Menschen zu erlangen. Insofern knüpfen sie an bildanthropologische Überlegungen an, die auf den Philosophen Hans Jonas (1903-1993) zurückgehen. Jonas, der gemeinhin als Begründer der Bildanthropologie bezeichnet wird, verstand den Menschen als einen homo pictor. In dieser Bezeichnung verdichtet sich die auch von Sachs-Hombach und Schirra geteilte Überzeugung, dass die Fähigkeit zur Produktion und Rezeption von Bildwerken als sicherer Beweis für die "mehr-als-tierische" ([Jonas 1961a]Jonas, Hans (1961).
Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die diffe­rentia des Menschen. In Zeitschrift für Philo­sophische For­schung, 15, 161–176.

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: S. 162) Natur des Menschen zu deuten sei.[1]
Diese Behauptung ist insofern bemerkenswert, als in weiten Teilen der Geistes- und Kulturwissenschaften der Standpunkt vertreten wird, dass die differentia specifica des Menschen alleine in der Sprache zu finden sei. Indem das Konzept des homo pictor diese Auffassung durch die These in Frage stellt, dass "die Fähigkeit der Bildverwendung […] ein anthropologisches Grundprinzip [darstellt], von dem auch die Herausbildung der Sprachfähigkeit abhängt" ([Sachs-Hombach & Schirra 2009a]Sachs-Hom­bach, Klaus & Schirra, Jörg R.J. (2009).
Medien­theorie, visu­elle Kultur und Bildan­thropo­logie.
In Bild­theorien. Anthro­polo­gische und kultu­relle Grundla­gen des Visua­listic Turn, 393-424.

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: S. 395), trägt es schließlich zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Positionen bei, die vielerorts bereits seit Jahrhunderten vertreten werden[2] und speziell auf dem Gebiet der Philosophie den Status eines Gemeinplatzes besitzen[3].
Anmerkungen
  1. Vgl. hierzu ausführlich [Schirra & Sachs-Hombach 2011a]Schirra Jörg R.J. & Sachs-Hom­bach, Klaus (2011).
    Anthro­pologie in der syste­mati­schen Bildwis­senschaft: Auf der Spur des homo pictor.
    In Diszi­plinen der Anthro­pologie, 145-177.

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    , [Halawa 2012a]Halawa, Mark A. (2012).
    Die Bilderfrage als Machtfrage. Perspektiven einer Kritik des Bildes. Berlin: Kadmos.

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    : Kap. 8, [Halawa 2011a]Halawa, Mark A. (2011).
    Editorial: Homo pictor und animal symbolicum: Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer philosophischen Bildanthropologie. In IMAGE - Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, 14, 2-9, Themenheft "Anthropologie", hg. v. Mark A. Halawa.

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    , [Ulama 2011a]Ulama, Nisaar (2011).
    Von Bildfreiheit und Geschichtsverlust: Zu Hans Jonas' homo pictor. In IMAGE - Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, 14, 10-17, Themenheft "Anthropologie", hg. v. Mark A. Halawa.

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    .
  2. Vgl. zum Beispiel [Herder 2001a]Herder, Johann Gottfried (2001).
    Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772). Stutt­gart: Philipp Reclam jun..

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    : S. 20: „[…] da die Menschen für uns die einzigen Sprachgeschöpfe sind, die wir kennen, und sich eben durch Sprache von allen Tieren unterscheiden […].“ Ähnlich äußerte sich der österreichisch-britische Philosoph und Begründer des Kritischen Rationalismus Sir Karl R. Popper in einem Gespräch mit Konrad Lorenz: "[…] der Mensch – das ist vor allem die Sprache" [Popper 2002a]Popper, Karl R. (2002).
    Alle Menschen sind Philo­sophen. München, Zürich: Piper.

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    : S. 52.
  3. So manifestiert sich die humanspezifische Rationalität des Menschen für Jürgen Habermas oder Robert Brandom – zwei der einflussreichsten Philosophen unserer Zeit – in erster Linie in der Sprache. Vgl. [Habermas 1995a]Habermas, Jürgen (1995).
    Theorie des kommunikativen Handelns (1981), 2 Bd.. Frank­furt/M.: Suhr­kamp, 7. Aufl.

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    ; [Brandom 2000a]Brandom, Robert (2000).
    Expressive Vernunft. Begründung, Repräsentation und diskursive Festlegung (1994). Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

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    .
Literatur                             [Sammlung]

[Brandom 2000a]: Brandom, Robert (2000). Expressive Vernunft. Begründung, Repräsentation und diskursive Festlegung (1994). Frank­furt/M.: Suhr­kamp.

[Bredekamp 2007a]: Bredekamp, Horst (2007). Galilei der Künstler. Der Mond. Die Sonne. Die Hand. Berlin: Akademie. [Habermas 1995a]: Habermas, Jürgen (1995). Theorie des kommunikativen Handelns (1981), 2 Bd.. Frank­furt/M.: Suhr­kamp, 7. Aufl. [Halawa 2011a]: Halawa, Mark A. (2011). Editorial: Homo pictor und animal symbolicum: Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer philosophischen Bildanthropologie. IMAGE - Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, Band: 14, S. 2-9, Themenheft "Anthropologie", hg. v. Mark A. Halawa. [Halawa 2012a]: Halawa, Mark A. (2012). Die Bilderfrage als Machtfrage. Perspektiven einer Kritik des Bildes. Berlin: Kadmos. [Herder 2001a]: Herder, Johann Gottfried (2001). Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772). Stutt­gart: Philipp Reclam jun.. [Jonas 1961a]: Jonas, Hans (1961). Die Freiheit des Bildens – Homo pictor und die diffe­rentia des Menschen. Zeitschrift für Philo­sophische For­schung, Band: 15, S. 161–176. [Mitchell 2008a]: Mitchell, William J. Thomas (2008). Bildtheorie. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Popper 2002a]: Popper, Karl R. (2002). Alle Menschen sind Philo­sophen. München, Zürich: Piper. [Sachs-Hombach & Schirra 2009a]: Sachs-Hom­bach, Klaus & Schirra, Jörg R.J. (2009). Medien­theorie, visu­elle Kultur und Bildan­thropo­logie. In: Sachs-­Hom­bach, K. (Hg.): Bild­theorien. Anthro­polo­gische und kultu­relle Grundla­gen des Visua­listic Turn. Frank­furt/M.: Suhr­kamp, S. 393-424. [Schirra & Sachs-Hombach 2006a]: Schirra, Jörg R. J. & Sachs-Hom­bach, Klaus (2006). Bild und Wort. Ein Vergleich aus bildwis­senschaft­licher Sicht. ELiSe: Esse­ner Lingu­isti­sche Skripte – elek­tronisch, Band: 6, Nummer: 1, S. 51-72. [Schirra & Sachs-Hombach 2011a]: Schirra Jörg R.J. & Sachs-Hom­bach, Klaus (2011). Anthro­pologie in der syste­mati­schen Bildwis­senschaft: Auf der Spur des homo pictor. In: Meyer, S. & Owzar, A. (Hg.): Diszi­plinen der Anthro­pologie. Münster: Waxmann, S. 145-177. [Ulama 2011a]: Ulama, Nisaar (2011). Von Bildfreiheit und Geschichtsverlust: Zu Hans Jonas' homo pictor. IMAGE - Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft, Band: 14, S. 10-17, Themenheft "Anthropologie", hg. v. Mark A. Halawa. [Wiesing 2005a]: Wiesing, Lambert (2005). Arti­fiziel­le Präsenz. Studien zur Philo­sophie des Bildes. Frank­furt/M.: Suhr­kamp. [Wiesing 2008a]: Wiesing, Lambert (2008). Die Sichtbar­keit des Bildes. Geschich­te und Perspek­tiven der forma­len Ästhe­tik. Frank­furt/M. & New York: Campus.


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Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [64] und Joerg R.J. Schirra [18] — (Hinweis)