Bildwissenschaftliche Abgrenzungen: Unterschied zwischen den Versionen
Zeile 24: | Zeile 24: | ||
:''Allein dass wir uns ''auf'' Bilder ver­stehen, bedeu­tet noch nicht, dass wir auch ihre Wirksam­keit schon ''verste­hen''. Es verhält sich hier ähnlich wie im Falle des Auto­fahrers, der, um sein Fahr­zeug benut­zen zu können, nicht zu wissen braucht, wie es funk­tioniert. Und tatsäch­lich wären wir, obwohl wir Bilder täglich produ­zieren, rezi­pieren und repro­duzie­ren, kaum imstande, ihre Funktions­weise genau zu beschrei­ben. Zwar verfü­gen wir über ein intui­tives Verständ­nis dessen, was uns als Bild gilt, kämen aber in Erklä­rungsnot, wenn wir benen­nen müssten, was das Bild­hafte an Bildern ist. Die schier ufer­lose Durch­bilde­rung lebens­weltli­cher Zusam­menhän­ge, die uns zu regel­rechten Bild­spezia­listen machen müsste, scheint sich gerade­zu umge­kehrt propor­tional zu unse­rem Ver­ständnis zu verhal­ten, was Bilder im speziel­len Sinne ausmacht. Für das Bild gilt ''muta­tis mutan­dis'', was Augusti­nus über das Wesen der Zeit sagte: 'Wenn mich nie­mand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragen­den erklä­ren, weiß ich es nicht’.'' (<bib id='Alloa 2011a'></bib>: S. 9) | :''Allein dass wir uns ''auf'' Bilder ver­stehen, bedeu­tet noch nicht, dass wir auch ihre Wirksam­keit schon ''verste­hen''. Es verhält sich hier ähnlich wie im Falle des Auto­fahrers, der, um sein Fahr­zeug benut­zen zu können, nicht zu wissen braucht, wie es funk­tioniert. Und tatsäch­lich wären wir, obwohl wir Bilder täglich produ­zieren, rezi­pieren und repro­duzie­ren, kaum imstande, ihre Funktions­weise genau zu beschrei­ben. Zwar verfü­gen wir über ein intui­tives Verständ­nis dessen, was uns als Bild gilt, kämen aber in Erklä­rungsnot, wenn wir benen­nen müssten, was das Bild­hafte an Bildern ist. Die schier ufer­lose Durch­bilde­rung lebens­weltli­cher Zusam­menhän­ge, die uns zu regel­rechten Bild­spezia­listen machen müsste, scheint sich gerade­zu umge­kehrt propor­tional zu unse­rem Ver­ständnis zu verhal­ten, was Bilder im speziel­len Sinne ausmacht. Für das Bild gilt ''muta­tis mutan­dis'', was Augusti­nus über das Wesen der Zeit sagte: 'Wenn mich nie­mand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragen­den erklä­ren, weiß ich es nicht’.'' (<bib id='Alloa 2011a'></bib>: S. 9) | ||
: | : | ||
− | Dieses Ungleichgewicht zwischen prakti­schem Wissen einer­seits und theore­tischer Erklär­barkeit sowie ana­lyti­scher Begriffs­schärfe ande­rerseits hängt zu großen Teilen sicher­lich mit einigen sprach­lichen Gepflo­genhei­ten zusam­men. Nicht nur im Deutschen, sondern auch in einer Viel­zahl von anderen Sprachen taucht die Kate­gorie der Bild­lichkeit in Zusam­menhän­gen auf, die neben [[Malerei|Gemäl­den]], [[Fotografie|Foto­grafien]], [[ | + | Dieses Ungleichgewicht zwischen prakti­schem Wissen einer­seits und theore­tischer Erklär­barkeit sowie ana­lyti­scher Begriffs­schärfe ande­rerseits hängt zu großen Teilen sicher­lich mit einigen sprach­lichen Gepflo­genhei­ten zusam­men. Nicht nur im Deutschen, sondern auch in einer Viel­zahl von anderen Sprachen taucht die Kate­gorie der Bild­lichkeit in Zusam­menhän­gen auf, die neben [[Malerei|Gemäl­den]], [[Fotografie|Foto­grafien]], [[Skulptur|Skulp­turen]] oder [[Simulation, Simulakrum|Simu­latio­nen]] auch Aus­drücke wie ‘[[Traumbild|Traum­bild]]’, ‘Hör­bild’, ‘[[Vorstellungsbilder|menta­les Bild]]’, ‘[[Schriftbildlichkeit|Schrift­bild]]’ oder den Begriff der »[[Visuelle und multimodale Metaphern|Meta­pher]]« umfassen.<ref>Vgl. hier­zu das Ka­pi­tel «What is an Image?» in <bib id='Mitchell 1986a'></bib>: S. 7-​46.</ref> Wissen­schaftler, die den Begriff des Bildes durch eine Defi­nition zu bestim­men versu­chen, die möglichst alle Facet­ten des Bild­lichen zusam­menzufas­sen vermag, sehen sich aufgrund der schieren Mannig­faltig­keit von bild­lichen Darstel­lungs- und Er­scheinungs­formen folglich vor erheb­liche klassi­fika­tori­sche Proble­me gestellt (vgl. <bib id='Neuber 2010a'></bib>: S. 7; <bib id='Hüppauf & Wulf 2006a'></bib>: S. 15). |
: | : | ||
Aktuelle Version vom 19. April 2015, 19:08 Uhr
Hauptpunkt zu: Bildtheorie/Bildwissenschaft/Bildkritik
Bildwissenschaft als interdisziplinäres ProjektNachdem die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bildwerken lange Zeit vorwiegend in der Kunstgeschichte stattgefunden hat, spielt sich die bildwissenschaftliche Forschung inzwischen in einem ausgesprochen breiten interdisziplinären Rahmen ab. Davon betroffen sind nicht zuletzt auch solche Disziplinen, die den Stellenwert, den bildliche Darstellungen in ihnen beispielsweise als methodisch unverzichtbare Werkzeuge einnehmen, in der Regel nicht eigens zum Thema gemacht haben. Exemplarisch genannt seien neben der Politik- und der Rechtswissenschaft unter anderem die Soziologie oder die Archäologie.[1] Die Intensität, mit der in der gegenwärtigen geistes- und kulturwissenschaftlichen Theoriedebatte systematisch über bildwissenschaftliche Fragestellungen nachgedacht wird, stellt zweifellos eine innovative Entwicklung dar. Zwar wurden in der abendländischen Geistesgeschichte unter anderem im Kontext von theologischen, metaphysischen, erkenntnistheoretischen, wahrnehmungstheoretischen oder ästhetischen Arbeiten wiederholt Überlegungen angestellt, die auch heute noch von großer bildwissenschaftlicher Relevanz sind.[2] Jedoch hat sich das Phänomen des Bildes erst in jüngerer Zeit von einem wissenschaftlichen Randthema zu einem fächerübergreifend intensiv diskutierten Forschungsobjekt entwickelt. Folgende Fragen stehen in diesem Zusammenhang zumeist im Mittelpunkt: Worin besteht die Besonderheit von Bildern? Wie werden Bilder wahrgenommen und verwendet? Inwieweit unterscheidet sich die Betrachtung eines Bildes von der Betrachtung nicht-bildlicher Gegenstände? Wie wirken Bilder auf ihre Betrachtenden? Worin unterscheiden sich Bilder von anderen Medien, insbesondere von der gesprochenen und der geschriebenen Sprache? Wie lässt sich die viel beschworene Macht der Bilder erklären?[3]
Die Komplexität des BildbegriffsAuch wenn diese Fragen auf alltägliche und damit scheinbar triviale Sachverhalte hindeuten, berühren sie etliche Probleme, die sich keineswegs leicht auflösen lassen. Wie unter anderem Philosophen wie Augustinus oder Wittgenstein hervorgehoben haben, erweisen sich zahllose Sachverhalte, die in der alltäglichen Praxis für selbstverständlich genommen und kaum weiter reflektiert werden, vor dem Hintergrund einer theoretischen Einstellung als überaus kompliziert und rätselhaft. So mag es zwar vorstellbar oder sogar sehr wahrscheinlich sein, dass eine Person, die täglich mit Bildern produzierend und/oder rezipierend zu tun hat, unmittelbar zu wissen glaubt, worauf sich der Begriff des Bildes im Einzelnen bezieht. Aus dieser Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass eine im Umgang mit Bildern geübte Person zugleich problemlos erklären kann, woran genau sich die Einordnung eines bestimmten Gegenstandes unter den Begriff des Bildes unter allgemeinen Gesichtspunkten festmacht. Um es mit Emmanuel Alloa zu sagen:
Versuch einer einleitenden historisch-semantischen Rekonstruktion. In Das Bild als Denkfigur. Funktionen des Bildbegriffs in der Philosophie, 7-32. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 7; [Hüppauf & Wulf 2006a]Hüppauf, Bernd & Wulf, Christoph (2006). Warum Bilder die Einbildungskraft brauchen. In Bild und Einbildungskraft, 9-44. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 15).
Auf der Suche nach einer allgemeinen Theorie des BildesIm Zuge des gestiegenen Interesses an bildwissenschaftlichen Fragestellungen sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Publikationen erschienen, die das Ziel verfolgen, eben diese Probleme zu lösen. Es wurden sowohl Konzepte zur Formulierung eines allgemeinen Bildbegriffs vorgeschlagen als auch Forschungsprogramme skizziert, die vorgeben, welche Methoden und Ziele von einer allgemeinen Bildwissenschaft verwendet und anvisiert werden sollten. Alleine im deutschsprachigen Raum sind innerhalb kürzester Zeit mehr als ein halbes Dutzend Entwürfe für eine allgemeine Theorie des Bildes vorgestellt worden.[5] Sie alle versuchen, die Schwierigkeiten aufzulösen, die bei dem Versuch auftreten, dem Kern des Bildbegriffs auf den Grund zu kommen. Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen: 9), so strittig ist es, „welche spezifischen Aufgaben, Inhalte oder Methoden mit ihr verbunden sein sollen“ ([Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.). So wundert es nicht, dass sich die Bildwissenschaft auf der Suche nach ihren theoretischen, methodischen und disziplinären Grundlagen nach wie vor in einem „vorparadigmatischen Stadium“ ([Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: 12) befindet. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass in der gegenwärtigen bildwissenschaftlichen Theoriedebatte etliche Positionen auffindbar sind, die im Hinblick auf die Frage nach dem Sinn und Zweck bildwissenschaftlichen Forschens oft zu vollkommen unterschiedlichen Antworten gelangen. Große Uneinigkeit herrscht zum Beispiel in Bezug auf die Frage, ob Bilder prinzipiell als Zeichen und kommunikative Medien zu verstehen seien und die Semiotik von daher als zentrale bildwissenschaftliche Forschungsdisziplin betrachtet werden sollte. Nicht minder kontrovers wird die Frage diskutiert, welchen Stellenwert die Kunstgeschichte in einer allgemeinen Bildwissenschaft einnimmt bzw. einnehmen sollte: Soll sie als Basis einer allgemeinen Bildwissenschaft gelten? Oder repräsentiert sie nur einen bildwissenschaftlichen Zweig unter vielen anderen? Fragen wie diese zeigen, dass zum jetzigen Zeitpunkt von der Bildwissenschaft im Sinne eines theoretisch, methodisch und disziplinär fest umrissenen wissenschaftlichen Forschungsprogramms nicht die Rede sein kann. Ganz im Gegenteil zeichnet sich der bildwissenschaftliche Forschungsdiskurs durch ein hohes Maß an Heterogenität aus. Ziel der diesem Hauptpunkt zugeordneten Unterpunkte ist es, die Heterogenität des bildwissenschaftlichen Diskussionsstandes übersichtlich und einführend darzustellen. Neben den theoretischen und methodischen Kernprämissen der wichtigsten Bilddisziplinen sollen außerdem die von diesen anvisierten Aufgaben und Inhalte erläutert werden. Obgleich alle Unterpunkte dieses Themenabschnitts als eigenständige Artikel gelesen werden können, soll diese Sektion dazu dienen, einen vergleichenden Überblick über gängige bildwissenschaftliche Forschungsprogramme und Abgrenzungen zu ermöglichen. Schließlich nimmt die Vielzahl von bildwissenschaftlichen Zielvorstellungen und Aufgaben, die in den unterschiedlichen Bildkonzeptionen formuliert werden, einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die Frage, was eine Bilddisziplin leisten kann und soll, im Einzelfall beantwortet wird. Während etwa in vielen philosophischen Bildtheorien der Versuch unternommen wird, die Beschäftigung mit bildtheoretischen Frage- und Problemstellungen eher begrifflich-systematisch statt empirisch-historisch durchzuführen (Bildwissenschaft vs. Bildtheorie), verknüpfen einige Vertreter der Kunstgeschichte ihre bildwissenschaftlichen Forschungen mit dem Ziel, aus der Kunstgeschichte eine Bildgeschichte zu machen, d.h. eine historische Disziplin, die Bildwerke jeder Art (nicht nur ausgewiesene Kunstwerke) einer ausführlichen bildgeschichtlichen Analyse zuführt (Kunstgeschichte als Bildgeschichte). Darüber hinaus verknüpfen einige Vertreterinnen und Vertreter der Bildforschung ihre bildtheoretischen Reflexionen mit einer Kritik des so genannten linguistic turn und semiologischen Strukturalismus. Die Beschäftigung mit dem Bild geschieht hier unter anderem mit dem Ziel, unter Beweis zu stellen, dass eine Klärung des Bildbegriffs erst dann erreicht werden kann, wenn sich von der Idee gelöst wird, Bilder als semiotisch oder hermeneutisch entschlüsselbare Texte aufzufassen (Bildwissenschaft als Sprach- und Bildkritik). |
Unterpunkte
Anmerkungen
[Alloa 2011a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belting 2001a]: Belting, Hans (2001). Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München: Wilhelm Fink Verlag. [Belting 2004a]: Belting, Hans (2004). Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München: C.H. Beck, 6. Auflage.
[Boehm 1994c]: Boehm, Gottfried (1994). Was ist ein Bild?. München: Wilhelm Fink Verlag.
[Brandt 1999a]: Brandt, Reinhard (1999). Die Wirklichkeit der Bilder. Sehen und Erkennen – Vom Spiegel zum Kunstbild. München: Carl Hanser.
[Böhme 1999a]: Böhme, Gernot (1999). Theorie des Bildes. München: Wilhelm Fink.
[Halawa 2008a]: Halawa, Mark A. (2008). Wie sind Bilder möglich? Argumente für eine semiotische Fundierung des Bildbegriffs. Köln: Herbert von Halem.
[Huber 2004a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [35], Joerg R.J. Schirra [33] und Franziska Kurz [1] — (Hinweis) |