Comic: Unterschied zwischen den Versionen
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Zunächst treten Comics in Trägermedien wie Zeitungen, gedruckten Alben oder (immer häufiger) in digitalen Lesetechnologien wie der «ComiXology»-App auf; in gedruckter Form handelt es sich daher also um [[Typologien der Medien|Sekundärmedien]], in digitaler um [[Typologien der Medien|Tertiärmedien]] (vgl. <bib id='Hammel 2014a'></bib>: S. 48ff.; <bib id='Packard 2016a'></bib>: S. 59). Viele halten es darum für ungeeignet, beim Comic selbst von einem Medium zu sprechen und bevorzugen die Bezeichnungen ‘Format’, ‘Prinzip’ oder auch ‘Kunstform’. | Zunächst treten Comics in Trägermedien wie Zeitungen, gedruckten Alben oder (immer häufiger) in digitalen Lesetechnologien wie der «ComiXology»-App auf; in gedruckter Form handelt es sich daher also um [[Typologien der Medien|Sekundärmedien]], in digitaler um [[Typologien der Medien|Tertiärmedien]] (vgl. <bib id='Hammel 2014a'></bib>: S. 48ff.; <bib id='Packard 2016a'></bib>: S. 59). Viele halten es darum für ungeeignet, beim Comic selbst von einem Medium zu sprechen und bevorzugen die Bezeichnungen ‘Format’, ‘Prinzip’ oder auch ‘Kunstform’. | ||
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− | [[Datei:Comic_Abb2.jpg|thumb|Abbildung 2: Intermediale Referenzen in | + | [[Datei:Comic_Abb2.jpg|thumb|Abbildung 2: Intermediale Referenzen in «Scott Pilgrim» (USA, 2010)]] |
Der aus der Tradition der Intertextualitätsforschung und der Interart-Studies stammende Begriff der Intermedialität hat sich dennoch in der Comicforschung als sehr tragfähig erwiesen. Nach den Begrifflichkeiten von Irina O. Rajewsky und Werner Wolf muss es sich beim Comic daher um ein (konventionell als distinkt wahrgenommenes) Einzelmedium handeln (vgl. <bib id='Rajewsky 2010a'></bib>; <bib id='Wolf 2005a'></bib>), da dieses durch diskursiv-soziale Prozesse als solches ausdifferenziert worden ist. Seit den 1990er Jahren etwa nehmen zahlreiche Filmproduktionen auf Formensprache und Ästhetik des Comic Bezug: etwa durch die Integration Comic-typischer ''Soundwords'' in «Scott Pilgrim vs. the World» (Wright, 2010) (Abb. 2) oder einer besonderen Bildersprache in «Sin City» (Rodriguez & Miller 2005) (vgl. <bib id='Heyden 2013a'></bib>; <bib id='Rippl & Etter 2013a'></bib>). Ein solcher, aus der Literaturwissenschaft stammender Intermedialitätsbegriff untersucht situierte ästhetische Praxen, die durch Formzitate Bezüge zwischen Mediensystemen herstellen und dabei werkspezifische Strategien verfolgen. | Der aus der Tradition der Intertextualitätsforschung und der Interart-Studies stammende Begriff der Intermedialität hat sich dennoch in der Comicforschung als sehr tragfähig erwiesen. Nach den Begrifflichkeiten von Irina O. Rajewsky und Werner Wolf muss es sich beim Comic daher um ein (konventionell als distinkt wahrgenommenes) Einzelmedium handeln (vgl. <bib id='Rajewsky 2010a'></bib>; <bib id='Wolf 2005a'></bib>), da dieses durch diskursiv-soziale Prozesse als solches ausdifferenziert worden ist. Seit den 1990er Jahren etwa nehmen zahlreiche Filmproduktionen auf Formensprache und Ästhetik des Comic Bezug: etwa durch die Integration Comic-typischer ''Soundwords'' in «Scott Pilgrim vs. the World» (Wright, 2010) (Abb. 2) oder einer besonderen Bildersprache in «Sin City» (Rodriguez & Miller 2005) (vgl. <bib id='Heyden 2013a'></bib>; <bib id='Rippl & Etter 2013a'></bib>). Ein solcher, aus der Literaturwissenschaft stammender Intermedialitätsbegriff untersucht situierte ästhetische Praxen, die durch Formzitate Bezüge zwischen Mediensystemen herstellen und dabei werkspezifische Strategien verfolgen. | ||
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− | Demgegenüber lässt sich der Comic auch mit einem eher medientheoretischen Zugang, wie er etwa von Jay D. Bolter und Richard Grusin vertreten wird, unter die Lupe nehmen (<bib id='Bolter & Grusin 2000a'></bib>; vgl. <bib id='Sina 2016a'></bib>). Hier interessieren nicht die Strategien einzelner Werke oder Artefakte, sondern die historische Ausdifferenzierung der medialen Identität des Comic selbst, etwa durch Anleihen bei (und Abgrenzungen gegenüber) anderen Medien, die ebenfalls als distinkt wahrgenommen werden. Intermedialität ist hier ein Basisphänomen, das der Identifizierbarkeit einzelner Medien paradoxerweise vorausgehen muss (vgl. <bib id='Schröter 2012a'></bib>: S. 29; <bib id='Wilde 2014a'></bib>). Die Konzeption des Comic als ''Graphic Novel'' (also als eine Form der Literatur) ist schließlich ebenso eine fremdmediale Metapher wie jene von ''Sequential Art'' (als eine Form der bildenden Künste); durch jüngste Digitalisierungsprozesse und die Einbettung des Comic in Webseiten, Blogs und sozialen Netzwerken werden diese Konzeptionen durch neue mediale Metaphern (wie “graphisches Bloggen”) transformiert. Zugleich ermöglicht die Digitalisierung auch eine punktuell andere Formensprache: Der von McCloud propagierte | + | Demgegenüber lässt sich der Comic auch mit einem eher medientheoretischen Zugang, wie er etwa von Jay D. Bolter und Richard Grusin vertreten wird, unter die Lupe nehmen (<bib id='Bolter & Grusin 2000a'></bib>; vgl. <bib id='Sina 2016a'></bib>). Hier interessieren nicht die Strategien einzelner Werke oder Artefakte, sondern die historische Ausdifferenzierung der medialen Identität des Comic selbst, etwa durch Anleihen bei (und Abgrenzungen gegenüber) anderen Medien, die ebenfalls als distinkt wahrgenommen werden. Intermedialität ist hier ein Basisphänomen, das der Identifizierbarkeit einzelner Medien paradoxerweise vorausgehen muss (vgl. <bib id='Schröter 2012a'></bib>: S. 29; <bib id='Wilde 2014a'></bib>). Die Konzeption des Comic als ''Graphic Novel'' (also als eine Form der Literatur) ist schließlich ebenso eine fremdmediale Metapher wie jene von ''Sequential Art'' (als eine Form der bildenden Künste); durch jüngste Digitalisierungsprozesse und die Einbettung des Comic in Webseiten, Blogs und sozialen Netzwerken werden diese Konzeptionen durch neue mediale Metaphern (wie “graphisches Bloggen”) transformiert. Zugleich ermöglicht die Digitalisierung auch eine punktuell andere Formensprache: Der von McCloud propagierte „Infinite Canvas“ (die Möglichkeit auf Seitenumbrüche zu verzichten, Abb. 3) stellt hier nur das bekannteste Beispiel dar(vgl. <bib id='McCloud 2000a'></bib>: S. 222; <bib id='Wilde 2015a'></bib>: S. 8). |
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− | [[Datei:Comic_Abb3.jpg|thumb|Abbildung 3: Veränderung der Formensprache durch neue | + | [[Datei:Comic_Abb3.jpg|thumb|Abbildung 3: Veränderung der Formensprache durch neue „Trägermedien“ (<bib id='McCloud 2000a'></bib>: S. 222.]] |
In jedem Fall erscheint es sinnvoll, die Medialität der so verstandenen Gegenstandsklasse insofern als multidimensional zu konzipieren, als dass sie semiotische, technologische und institutionelle Ebenen gleichermaßen umfasst, und eben auch anhand prototypischer Werke und Produkte identifiziert werden kann (vgl. <bib id='Thon 2014a'></bib>). Nach Siegfried J. Schmidt ist ein solcher Medienbegriff eher als mediales Dispositiv zu verstehen (vgl. <bib id='Schmidt 2000b'></bib>; <bib id='Schmidt 2004a'></bib>), das im Falle des Comics eben auch sozialsystemische Institutionen wie Verlagshäuser, Händler und Internet-Communities, sowie eine arbeitsteilige Autorschaft zwischen vielen Akteuren umfasst (vgl. <bib id='Packard 2016a'></bib>: S. 58). Ein Entwurf zu einer von Bruno Latour inspirierten Lesung der Comic-Medialität als einem Netzwerk heterogener Akteure, zu denen gleichermaßen Produzenten wie [[Materialität|Materialitäten]] gehören, stammt von Sebastian Bartosch (<bib id='Bartosch 2016a'></bib>). | In jedem Fall erscheint es sinnvoll, die Medialität der so verstandenen Gegenstandsklasse insofern als multidimensional zu konzipieren, als dass sie semiotische, technologische und institutionelle Ebenen gleichermaßen umfasst, und eben auch anhand prototypischer Werke und Produkte identifiziert werden kann (vgl. <bib id='Thon 2014a'></bib>). Nach Siegfried J. Schmidt ist ein solcher Medienbegriff eher als mediales Dispositiv zu verstehen (vgl. <bib id='Schmidt 2000b'></bib>; <bib id='Schmidt 2004a'></bib>), das im Falle des Comics eben auch sozialsystemische Institutionen wie Verlagshäuser, Händler und Internet-Communities, sowie eine arbeitsteilige Autorschaft zwischen vielen Akteuren umfasst (vgl. <bib id='Packard 2016a'></bib>: S. 58). Ein Entwurf zu einer von Bruno Latour inspirierten Lesung der Comic-Medialität als einem Netzwerk heterogener Akteure, zu denen gleichermaßen Produzenten wie [[Materialität|Materialitäten]] gehören, stammt von Sebastian Bartosch (<bib id='Bartosch 2016a'></bib>). | ||
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Konzipiert man hingegen ‘Narrativität’ – unterschieden von ‘Narrativen’ – als ein skaliertes und allenfalls prototypisch vorhandenes Merkmalsbündel, einem „Fuzzy Set“,<ref> Vgl. etwa <bib id='Abbot 2011a'></bib>; <bib id='Ryan 2007a'></bib> und <bib id='Thon 2014b'></bib>.</ref> so steht in dessen Zentrum lediglich die (selektive) Darstellung einer raumzeitlich lokalisierten [[Kontext|Situation]]. Dazu können verschiedene, eher fakultativ angesehene narrativitätssteigernde Elemente hinzukommen. So müssen auch Einbild-Cartoons insofern als narrativ erachtet werden, als sie ein „referential meaning“ (<bib id='Bordwell 1989a'></bib>: S. 8), eine [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Bezugnahme]] auf [[Sortale Gegenstände und Individuation|individuierte]] fiktionale oder non-fiktionale, in jedem Fall aber extensionale Gegenstände voraussetzen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Bilder des Comic und verwandter Gegenstandsklassen etwa grundsätzlich von Verkehrsschildern, Piktogrammen oder Emoticons, aber auch von den Gattungsbildern in Bildlexika, denen wir allesamt keine Ausschnitte selektiv dargestellter Situationen in möglichen ''Storyworlds'' unterstellen (vgl. <bib id='Sachs-Hombach & Schirra 2011a'></bib>; <bib id='Wilde 2016c'></bib>). | Konzipiert man hingegen ‘Narrativität’ – unterschieden von ‘Narrativen’ – als ein skaliertes und allenfalls prototypisch vorhandenes Merkmalsbündel, einem „Fuzzy Set“,<ref> Vgl. etwa <bib id='Abbot 2011a'></bib>; <bib id='Ryan 2007a'></bib> und <bib id='Thon 2014b'></bib>.</ref> so steht in dessen Zentrum lediglich die (selektive) Darstellung einer raumzeitlich lokalisierten [[Kontext|Situation]]. Dazu können verschiedene, eher fakultativ angesehene narrativitätssteigernde Elemente hinzukommen. So müssen auch Einbild-Cartoons insofern als narrativ erachtet werden, als sie ein „referential meaning“ (<bib id='Bordwell 1989a'></bib>: S. 8), eine [[Referenz, Denotation, Exemplifikation|Bezugnahme]] auf [[Sortale Gegenstände und Individuation|individuierte]] fiktionale oder non-fiktionale, in jedem Fall aber extensionale Gegenstände voraussetzen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Bilder des Comic und verwandter Gegenstandsklassen etwa grundsätzlich von Verkehrsschildern, Piktogrammen oder Emoticons, aber auch von den Gattungsbildern in Bildlexika, denen wir allesamt keine Ausschnitte selektiv dargestellter Situationen in möglichen ''Storyworlds'' unterstellen (vgl. <bib id='Sachs-Hombach & Schirra 2011a'></bib>; <bib id='Wilde 2016c'></bib>). | ||
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− | [[Datei:Comic_Abb7.jpg|thumb|Abbildung 7: Abstrakte Comics mit gegenständlichen Bildern: | + | [[Datei:Comic_Abb7.jpg|thumb|Abbildung 7: Abstrakte Comics mit gegenständlichen Bildern: „non sequitur“ (<bib id='McCloud 1993a'></bib>: S. 72]] |
Diese besondere Konsequenz der vorausgesetzten ‘Basis-Narrativität’ zeigt sich vor allem in Hinblick auf Grenzfälle wie abstrakte Comics: Jan Baetens etwa zeigt, dass darunter nicht nur solche Werke fallen, die über keinerlei gegenständliche und figurative Bilder mehr verfügen, sondern auch solche, deren gegenständliche Bilder sich keinem raumzeitlichen Kontinuum mehr zuordnen lassen (‘non sequitur’), in denen die dargestellten Objekte eine individuierte Existenz hätten (Abb. 7): | Diese besondere Konsequenz der vorausgesetzten ‘Basis-Narrativität’ zeigt sich vor allem in Hinblick auf Grenzfälle wie abstrakte Comics: Jan Baetens etwa zeigt, dass darunter nicht nur solche Werke fallen, die über keinerlei gegenständliche und figurative Bilder mehr verfügen, sondern auch solche, deren gegenständliche Bilder sich keinem raumzeitlichen Kontinuum mehr zuordnen lassen (‘non sequitur’), in denen die dargestellten Objekte eine individuierte Existenz hätten (Abb. 7): | ||
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Wenn es möglich ist, Comics unter anderem auch als Medien zu betrachten, so lässt sich mit William J.T. Mitchell danach fragen, ob sich ein spezieller „comic view of the world“ bestimmen lässt (<bib id='Mitchell 2014a'></bib>: S. 256). Durch die primäre Hybridsierung der einzelnen Comic-Bilder (oder Lexia) als Elemente in größeren narrativen Syntagmen ist vielfach die Rede davon, dass ein Comic nicht nur betrachtet, sondern auch gelesen werden muss. Auf Ebene der ''mise en page'', des Seitenganzen, adressiert dies „the manifold schemata, assumptions, inferences, and hypotheses that readers rely on to impute narrative meanings to a sequence of images" (<bib id='Horstkotte 2013a'></bib>: S: 39). Trotz einer großen Vielfalt von Genres, Stilen, Traditionen und kulturellen Bezugspunkten spricht jedoch vieles dafür, dass auch dem Einzelbild des Comics (zumindest typischerweise) eine spezielle Bildlichkeit zu eigen ist, die im Folgenden genauer bestimmt werden soll. | Wenn es möglich ist, Comics unter anderem auch als Medien zu betrachten, so lässt sich mit William J.T. Mitchell danach fragen, ob sich ein spezieller „comic view of the world“ bestimmen lässt (<bib id='Mitchell 2014a'></bib>: S. 256). Durch die primäre Hybridsierung der einzelnen Comic-Bilder (oder Lexia) als Elemente in größeren narrativen Syntagmen ist vielfach die Rede davon, dass ein Comic nicht nur betrachtet, sondern auch gelesen werden muss. Auf Ebene der ''mise en page'', des Seitenganzen, adressiert dies „the manifold schemata, assumptions, inferences, and hypotheses that readers rely on to impute narrative meanings to a sequence of images" (<bib id='Horstkotte 2013a'></bib>: S: 39). Trotz einer großen Vielfalt von Genres, Stilen, Traditionen und kulturellen Bezugspunkten spricht jedoch vieles dafür, dass auch dem Einzelbild des Comics (zumindest typischerweise) eine spezielle Bildlichkeit zu eigen ist, die im Folgenden genauer bestimmt werden soll. | ||
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− | [[Datei:Comic_Abb8.jpg|thumb|Abbildung 8: Basisoperation Linie (<bib id='McCloud 2006a'></bib>: S. 152 | + | [[Datei:Comic_Abb8.jpg|thumb|Abbildung 8: Basisoperation Linie (<bib id='McCloud 2006a'></bib>: S. 152. ]] |
In technologischer Hinsicht spricht nichts dagegen, auch [[Fotografie|fotografisches Material]] im Comic zu integrieren – was auch häufig geschieht. Zumeist wird ein solches Verfahren jedoch aufgrund konventioneller Mediengrenzen als intermediale Referenz bzw. als ''remediation'' gewertet;<ref><bib id='Schmitz-Emans 2012a'></bib> sowie <bib id='Wilde 2014a'></bib>.</ref> auch Fotoroman und Foto-Comic wird zumeist deutlich vom “eigentlichen” Comic unterschieden. Handgezeichnete Bilder werden als besonders typisch für den Comic erachtet, vor allem Linienzeichnungen sind besonders stark mit seiner Bildlichkeit verbunden (Abb. 8):<ref>Siehe hierzu <bib id='Gardner 2011a'></bib> und <bib id='LaMarre 2010a'></bib>. Allerdings gilt das im Westen aus ganz anderen Gründen als im asiatischen Raum, vgl. <bib id='Berndt 2013a'></bib>; <bib id='Berndt 2015a'></bib>.</ref>: | In technologischer Hinsicht spricht nichts dagegen, auch [[Fotografie|fotografisches Material]] im Comic zu integrieren – was auch häufig geschieht. Zumeist wird ein solches Verfahren jedoch aufgrund konventioneller Mediengrenzen als intermediale Referenz bzw. als ''remediation'' gewertet;<ref><bib id='Schmitz-Emans 2012a'></bib> sowie <bib id='Wilde 2014a'></bib>.</ref> auch Fotoroman und Foto-Comic wird zumeist deutlich vom “eigentlichen” Comic unterschieden. Handgezeichnete Bilder werden als besonders typisch für den Comic erachtet, vor allem Linienzeichnungen sind besonders stark mit seiner Bildlichkeit verbunden (Abb. 8):<ref>Siehe hierzu <bib id='Gardner 2011a'></bib> und <bib id='LaMarre 2010a'></bib>. Allerdings gilt das im Westen aus ganz anderen Gründen als im asiatischen Raum, vgl. <bib id='Berndt 2013a'></bib>; <bib id='Berndt 2015a'></bib>.</ref>: | ||
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Die Urheberschaft dieser Bilder verteilt sich im Ganzen zumeist auf viele Akteure, wie initiale Szenaristen (Texter), Bleistift- und Tuschezeichner, Koloristen oder Letterer. Manchmal ist die Feststellung der Urheberschaft schwierig, etwa in frühen amerikanischen Superhelden-Produktion, wo die Rechte alleine beim Verlagshaus lagen (vgl. <bib id='Stein 2014a'></bib>). Davon wiederum distanzieren sich insbesondere ''Autorencomics'', als welche etwa ''Graphic Novels'' auftreten. Hier bilden Zeichner und Texter eine Personalunion und verhandeln häufig auch autobiographische Stoffe – beides ist auch beim ''graphischen Bloggen'' von Webcomic-Serien eher die Regel. | Die Urheberschaft dieser Bilder verteilt sich im Ganzen zumeist auf viele Akteure, wie initiale Szenaristen (Texter), Bleistift- und Tuschezeichner, Koloristen oder Letterer. Manchmal ist die Feststellung der Urheberschaft schwierig, etwa in frühen amerikanischen Superhelden-Produktion, wo die Rechte alleine beim Verlagshaus lagen (vgl. <bib id='Stein 2014a'></bib>). Davon wiederum distanzieren sich insbesondere ''Autorencomics'', als welche etwa ''Graphic Novels'' auftreten. Hier bilden Zeichner und Texter eine Personalunion und verhandeln häufig auch autobiographische Stoffe – beides ist auch beim ''graphischen Bloggen'' von Webcomic-Serien eher die Regel. | ||
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− | [[Datei:Comic_Abb9.jpg|thumb|Abbildung 9: Asterix und Obelix als Beispiel für eine | + | [[Datei:Comic_Abb9.jpg|thumb|Abbildung 9: Asterix und Obelix als Beispiel für eine „cartoonhafte“ Darstellung (<bib id='McCloud 2006a'></bib>: S. 72. ]] |
In einer ersten Heuristik lässt sich zwischen einem ''cartoonhaften'' und einem ''[[Naturalismus und Realismus|naturalistischen]]'' Bildstil oder Bildmodus unterschieden, die (zumindest im Westen) auf die zwei unterschiedlichen Zeichentechniken Illustration vs. Karikatur zurückgehen (vgl. <bib id='Witek 2011a'></bib>). In der Praxis existiert natürlich ein fließendes Spektrum zwischen beiden Polen, die oft auch innerhalb des gleichen Werks nebeneinander zum Einsatz kommen. Als typisch für den Comic gilt dennoch eine abstrahierte Darstellung, insbesondere was Figurenkörper betrifft (Abb. 9). Die zeichnerische Reduktion konzentriert sich zumeist auf synekdochisch wichtige Elemente, insbesondere auf solche, die unmittelbar handlungs- und kommunikationsrelevant sind (vgl. <bib id='Groensteen 2007a'></bib>: S. 162; <bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 121ff.). McCloud prägte für eine solche piktoriale Reduktion den Begriff des »Cartoons« neu (<bib id='McCloud 1993a'></bib>: S. 31), der insbesondere vom Packard zu einer avancierten Bildtheorie ausgearbeitet worden ist. Als Annäherung an unmittelbar handlungsrelevante Körperschemata (v.a. des menschlichen [[Gesichtsdarstellung|Gesichts]]) bietet der so verstandene Cartoon demnach ein besonderes Imaginations- und Identifikationspotential, das die Blickführung des Lesers und den Seitenaufbau als Ganzes zentral mit organisiert (vgl. <bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 159ff.). | In einer ersten Heuristik lässt sich zwischen einem ''cartoonhaften'' und einem ''[[Naturalismus und Realismus|naturalistischen]]'' Bildstil oder Bildmodus unterschieden, die (zumindest im Westen) auf die zwei unterschiedlichen Zeichentechniken Illustration vs. Karikatur zurückgehen (vgl. <bib id='Witek 2011a'></bib>). In der Praxis existiert natürlich ein fließendes Spektrum zwischen beiden Polen, die oft auch innerhalb des gleichen Werks nebeneinander zum Einsatz kommen. Als typisch für den Comic gilt dennoch eine abstrahierte Darstellung, insbesondere was Figurenkörper betrifft (Abb. 9). Die zeichnerische Reduktion konzentriert sich zumeist auf synekdochisch wichtige Elemente, insbesondere auf solche, die unmittelbar handlungs- und kommunikationsrelevant sind (vgl. <bib id='Groensteen 2007a'></bib>: S. 162; <bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 121ff.). McCloud prägte für eine solche piktoriale Reduktion den Begriff des »Cartoons« neu (<bib id='McCloud 1993a'></bib>: S. 31), der insbesondere vom Packard zu einer avancierten Bildtheorie ausgearbeitet worden ist. Als Annäherung an unmittelbar handlungsrelevante Körperschemata (v.a. des menschlichen [[Gesichtsdarstellung|Gesichts]]) bietet der so verstandene Cartoon demnach ein besonderes Imaginations- und Identifikationspotential, das die Blickführung des Lesers und den Seitenaufbau als Ganzes zentral mit organisiert (vgl. <bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 159ff.). | ||
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Die typische Bildlichkeit des Comic ist zudem häufig in verschiedenen Ebenen oder Domänen organisiert, die oft auch im Produktionsprozess deutlich unterschieden werden: Landschaften und Hintergründe sind häufig detailreicher und “naturalistischer” als schematische Protagonisten (vgl. <bib id='McCloud 1993a'></bib>: S: 42); In vielen Genres ist es kulturübergreifend nicht unüblich, Hintergründe durch einfarbige “Folien” zu ersetzen (vgl. <bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 209ff.) – der Verzicht auf sämtliche Raumdarstellungen zugunsten externalisierter Emotionen ist etwa eines der stilistischen Merkmale des Shôjo-Manga (vgl. <bib id='Berndt 2013a'></bib>). Hier besteht wiederum eine enge Verwandtschaft zum Animationsfilm ([[Exkurs:Anime|Anime]]), wo die Differenzierbarkeit des Bildes in distinkte Sphären eine technisch-ontologische Basis im ''multiplane compositing'' besitzt (vgl. <bib id='LaMarre 2009a'></bib>). | Die typische Bildlichkeit des Comic ist zudem häufig in verschiedenen Ebenen oder Domänen organisiert, die oft auch im Produktionsprozess deutlich unterschieden werden: Landschaften und Hintergründe sind häufig detailreicher und “naturalistischer” als schematische Protagonisten (vgl. <bib id='McCloud 1993a'></bib>: S: 42); In vielen Genres ist es kulturübergreifend nicht unüblich, Hintergründe durch einfarbige “Folien” zu ersetzen (vgl. <bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 209ff.) – der Verzicht auf sämtliche Raumdarstellungen zugunsten externalisierter Emotionen ist etwa eines der stilistischen Merkmale des Shôjo-Manga (vgl. <bib id='Berndt 2013a'></bib>). Hier besteht wiederum eine enge Verwandtschaft zum Animationsfilm ([[Exkurs:Anime|Anime]]), wo die Differenzierbarkeit des Bildes in distinkte Sphären eine technisch-ontologische Basis im ''multiplane compositing'' besitzt (vgl. <bib id='LaMarre 2009a'></bib>). | ||
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− | [[Datei:Comic_Ab10.jpg|thumb|Abbildung 10: Unterschiedliche Wahrnehmungsnähen (<bib id='McCloud 1993a'></bib>: S. 43 | + | [[Datei:Comic_Ab10.jpg|thumb|Abbildung 10: Unterschiedliche Wahrnehmungsnähen (<bib id='McCloud 1993a'></bib>: S. 43. ]] |
Sowohl die Organisation des [[Theorien des Bildraums|Bildraums]] in unterschiedene Sphären, als auch die Kodierung der Figurendarstellungen durch distinkte Anzeichen laufen auf eine systematische Besonderheit des Comic-Bildes hinaus: einen extrem flexiblen Umgang mit den Möglichkeiten der piktorialen [[Prädikation]] und [[Ähnlichkeit und wahrnehmungsnahe Zeichen|Wahrnehmungsnähe]]. Die Frage nach Phänomenalität und Wahrnehmbarkeit der Comic-Figur gehört sicher zu den meistdiskutierten Fragen der jüngeren Comic-Theorie: „[W]eder die Behauptung, dass Asterix im Rahmen der erzählten Welt große Füße hätte, noch die, dass er nur so gezeichnet sei, in Wirklichkeit aber ganz anders aussehe, würde der Rolle des Zeichenstils im Comic gerecht werden“, stellt etwa Schüwer fest (<bib id='Schüwer 2008a'></bib>: S. 510.<ref>Vgl. <bib id='Surdiacourt 2012a'></bib>, <bib id='Wilde 2014a'></bib> und <bib id='Wilde 2016b'></bib>.</ref> Packard hat vielfach herausgearbeitet, dass die Bilder des Comic oft gerade nicht zeigen, wie die dargestellten Welten und Figuren eigentlich aussehen (<bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 246ff.; <bib id='Packard 2016b'></bib>). | Sowohl die Organisation des [[Theorien des Bildraums|Bildraums]] in unterschiedene Sphären, als auch die Kodierung der Figurendarstellungen durch distinkte Anzeichen laufen auf eine systematische Besonderheit des Comic-Bildes hinaus: einen extrem flexiblen Umgang mit den Möglichkeiten der piktorialen [[Prädikation]] und [[Ähnlichkeit und wahrnehmungsnahe Zeichen|Wahrnehmungsnähe]]. Die Frage nach Phänomenalität und Wahrnehmbarkeit der Comic-Figur gehört sicher zu den meistdiskutierten Fragen der jüngeren Comic-Theorie: „[W]eder die Behauptung, dass Asterix im Rahmen der erzählten Welt große Füße hätte, noch die, dass er nur so gezeichnet sei, in Wirklichkeit aber ganz anders aussehe, würde der Rolle des Zeichenstils im Comic gerecht werden“, stellt etwa Schüwer fest (<bib id='Schüwer 2008a'></bib>: S. 510.<ref>Vgl. <bib id='Surdiacourt 2012a'></bib>, <bib id='Wilde 2014a'></bib> und <bib id='Wilde 2016b'></bib>.</ref> Packard hat vielfach herausgearbeitet, dass die Bilder des Comic oft gerade nicht zeigen, wie die dargestellten Welten und Figuren eigentlich aussehen (<bib id='Packard 2006a'></bib>: S. 246ff.; <bib id='Packard 2016b'></bib>). | ||
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Version vom 23. März 2016, 19:54 Uhr
Unterpunkt zu: Bildmedien
Der Ausdruck ‘Comic’ ist zunächst eine Kurzform von ‘comic print’ oder ‘comic strip’, womit kurze komische Bildfolgen bezeichnet wurden, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in amerikanischen Zeitungen auftauchten und rasch weite Verbreitung fanden. Sie konnten sich dabei auf zahlreiche amerikanische und europäische Traditionen der Bildererzählung, der narrativen Bilderserie, aber auch der satirischen Karikatur stützen, die je nach der zugrunde gelegten Comic-Definition als Ahnenväter oder Proto-Comics angesehen werden. In den 1930er und 1940er Jahren ging gleichzeitig mit der Verkürzung auf ‘Comic’ nicht nur die Beschränkung auf humoristisches Material, sondern auch die Bindung an das Trägermedium Zeitung verloren. Heute wird das Wort, trotz seiner für manche pejorativ konnotierten Wurzeln, gerne als mediale Überbezeichnung verschiedenster Subgattungen von Comic Strips, Web Comics oder auch Graphic Novels verstanden und manchmal auch kulturübergreifend eingesetzt; wer die Unterschiede amerikanischer Werke zu anderen Traditionen herausstreichen will, besteht auf einer Differenzierung gegenüber französischen BDs (bande dessinée, ‹gezeichnete Streifen›), japanischen Mangas (漫画 oder マンガ – ‹spontane Bilder›) oder auch italienischer fumettis (nach den Sprechblasen-“Wölkchen”). Traditions- und kulturübergreifend wird der Comic zumeist als narratives Medium verstanden, das die gesamte Bandbreite journalistischer, literarischer und filmischer Genres abdeckt und auch eigene Genres ausbildete. Spätestens seit den 1950er Jahren steht diese Entwicklung auch in enger Verbindung mit Erzähltraditionen im Real- und Animationsfilm. Dennoch ist eine konsensfähige Definition des Comic ausgesprochen problematisch, da dieser auf keinerlei bestimmenden oder bestimmbaren Technologie beruht und damit die Frage, ob es sich um eine Kunstform, ein Genre (der Literatur?) oder ein Medium handelt, auf keinerlei einhellige Antwort stößt.
Probleme der Definition des ‘Comic’Das lange verfolgte „definitional project“ ([Meskin 2007a]Literaturangabe fehlt. Innerhalb der Vertreter formalästhetischer Comic-Definitionen stehen sich im Wesentlichen zwei Ansätze gegenüber: Auf der einen Seite wird die Sequenzialität der Bildfolge, auf der anderen Seite das besondere Zusammenspiel von Textlichkeit und Bildlichkeit zum wichtigsten Definitionskriterium erhoben. Die Nähe zur Komik, die inhaltlich schon lange nur eine erzählerische Option unter vielen darstellt, spielt zumindest in einigen Definitionen noch eine bildtheoretische Rolle, insofern Comic-Bilder typischerweise eine bestimmte Darstellungsästhetik aufweisen: Comics sind zumeist nicht fotografisch realisiert und häufig nicht einmal “naturalistisch” gestaltet, sondern weisen eine Tendenz zum überformten, stilisierten oder abstrahierten Körper auf, der sie in die Nähe zur Karikatur rückt. Obgleich unzählige Beispiele für wortlose Comics existieren, wurde die Verbindung von Textlichkeit und Bildlichkeit insbesondere in Robert C. Harveys einflussreichem Entwurf ([Harvey 2001a]Literaturangabe fehlt. Durch die Sequenzialität verändert sich auch der Status des Einzelbildes insofern, als dass es als Element in einem größeren narrativen Syntagma angesehen werden kann und dem Comic darin eine „primäre Hybridisierung“ von Linearität und Spatialität (vgl. [Packard 2006a]Literaturangabe fehlt. Alle formalästhetischen und semiotischen Definitionen des Comics stoßen aber auch aus prinzipiellen Gründen auf zahlreiche Schwierigkeiten. Nicht nur existieren stets Gegenbeispiele, die dennoch eindeutig als Comic verstanden werden (ein Sub-Genre an stummen sans parole-Comics kommt beispielsweise ganz ohne Texte aus; mit der Sequenzialität wird in zahlreichen Webcomic-Serien gebrochen). Noch problematischer erscheint, dass so auch historische Artefakte in die Comic-Geschichtsschreibung integriert werden, die üblicherweise keinesfalls so aufgefasst werden: Ahistorische Inklusionsversuche reichen dann vom Wandteppich von Bayeux, über die Trajanssäule bis hin zu griechischen Vasenbildern. Essenzialisierende Definitionen stehen so sicherlich nicht zu Unrecht unter dem Verdacht politischer Nobilitierungsstrategien (vgl. [Sabin 1993a]Literaturangabe fehlt. Aus all diesen Gründen spricht vieles dafür, dass Comic als ein kulturell konstituiertes Medium nicht abschließend oder außerhalb wandelbarer Einigungsprozesse zu definieren ist. Formale Bestimmungsgrößen wie Sequenzialität oder Multimodalität sind zwar dann typische, keinesfalls aber bestimmende Merkmale: Die “Comic-Haftigkeit” eines Gegenstands kann dann als skalierte Qualität verstanden werden, die anhand eines Clusters heterogener Merkmale identifizierbar wird, welche keinesfalls bei allen als Comics produzierten und rezipierten Artefakten zugleich vorhanden sein müssen.[3] Die einzelnen Ausgestaltungen von beispielsweise Comic-Strips, Webcomics, Gekiga-Mangas, ligne claire-Alben, amerikanischen underground comix usw. können daraufhin in Hinblick auf Produktions-, Distributions-, und Rezeptionsprozesse, auf ihre Einbettung in serielle und transmediale Erzählpraktiken, aber auch mit Hinsicht auf spezifische Materialitäten, Ästhetiken und Bildlichkeiten genauer spezifiziert werden. Das „Prinzip Bildergeschichte“ ([Grünewald 2010a]Literaturangabe fehlt.
Medialität des ComicIn mindestens dreierlei Hinsichten lässt sich im Zusammenhang mit dem Comic von einem ‘Medium’ sprechen:
Zunächst treten Comics in Trägermedien wie Zeitungen, gedruckten Alben oder (immer häufiger) in digitalen Lesetechnologien wie der «ComiXology»-App auf; in gedruckter Form handelt es sich daher also um Sekundärmedien, in digitaler um Tertiärmedien (vgl. [Hammel 2014a]Literaturangabe fehlt. Der aus der Tradition der Intertextualitätsforschung und der Interart-Studies stammende Begriff der Intermedialität hat sich dennoch in der Comicforschung als sehr tragfähig erwiesen. Nach den Begrifflichkeiten von Irina O. Rajewsky und Werner Wolf muss es sich beim Comic daher um ein (konventionell als distinkt wahrgenommenes) Einzelmedium handeln (vgl. [Rajewsky 2010a]Literaturangabe fehlt. Demgegenüber lässt sich der Comic auch mit einem eher medientheoretischen Zugang, wie er etwa von Jay D. Bolter und Richard Grusin vertreten wird, unter die Lupe nehmen ([Bolter & Grusin 2000a]Literaturangabe fehlt. In jedem Fall erscheint es sinnvoll, die Medialität der so verstandenen Gegenstandsklasse insofern als multidimensional zu konzipieren, als dass sie semiotische, technologische und institutionelle Ebenen gleichermaßen umfasst, und eben auch anhand prototypischer Werke und Produkte identifiziert werden kann (vgl. [Thon 2014a]Literaturangabe fehlt. Die semiotische bzw. multimodale Verschränkung der Basismedien »Text« und »Bild« kann prinzipiell ebenfalls als Medienkombination angesehen werden, die Bestimmungen des Comics als prinzipiell intermedial zugrunde liegt; da dieses Zusammenspiel jedoch zumeist nicht mehr als Hybridisierung – oder gar als fremdmediale Markierung – wahrgenommen wird,[5] haben sich für Textlichkeit und Bildlichkeit als „two different sign systems or modes of mediation“ ([Kuhn & Veits 2015a]Literaturangabe fehlt.
Dadurch lässt sich der Ausdruck ‘Intermedialität’ entweder für konkrete intermediale Bezüge innerhalb bestimmter Werke oder aber für generelle Ausdifferenzierungsprozesse zwischen dem Comic als medialem Dispositiv und seinen Nachbarmedien freihalten. Das jeweilige Zusammenspiel von Text und Bild wird so erst als Symptom dieser Verhältnisse interpretier- und deutbar. »Form« und »Medium« müssen so wechselseitig zueinander bestimmt werden, ohne dass sich ein Phänomen ahistorisch einer der beiden Seiten zuschlagen ließe (vgl. [Wilde 2014a]Literaturangabe fehlt.
Intersemiotizität und Multimodalität des ComicObgleich sich Text und Bild also selbstredend auch als Basismedien verstehen lassen, deren Ermöglichungshorizonte der Welterschließung insbesondere im medienphilosophischen Diskurs eine zentrale Rolle zukommt, werden diese semiotischen Ressourcen immer häufiger als Modes im sozialsemiotischen Sinn verstanden. Eine Interaktion dieser semiotischen Modes – wie im Comic – wäre dann als „Multimodalität“ zu betrachten (vgl. [Kress 2010a]Literaturangabe fehlt.
Sind autonome Erzählertexte in Caption-Boxen (Erzähl-Blöcke) am deutlichsten am schriftlich-literarischen Ende des Spektrums positioniert, so verschränkt bereits die Sprechblase verschiedenste semiotische Dimensionen: Die visuelle Gestaltung von Blasenform und Typographie verrät oft viel über prosodische Informationen und suprasegmentalen Klang (Abb. 4), während sie durch ihre Platzierung im Bildraum und ihre Zuordnung zu einem sprechenden Aktanten einen zeitlichen und räumlichen Index verliehen bekommt (vgl. [Schüwer 2008a]Literaturangabe fehlt. Häufig wird zwischen beiden durch die „vielgestaltige Materialität der gezogenen Linie“ vermittelt ([Meinrenken 2010a]Literaturangabe fehlt.
Narrativität des ComicObgleich die meisten Comic-Definitionen implizit oder explizit den Faktor der »Narrativität« mit sich führen und der Konsens vorherrscht, dass Comics in erster Linie ein narratives Medium darstellen (vgl. [Chute 2008a]Literaturangabe fehlt. Eine Annäherung an die Narratologie fand hingegen erst recht spät, nach der als ‘postklassisch’ verstandenen Integration transmedialer und kognitiver Forschungsansätze, statt.[7] Mit Bezug auf Werner Wolfs wegweisenden Text «Das Problem der Narrativität in Literatur, bildender Kunst und Musik» ([Wolf 2002a]Literaturangabe fehlt. Klassische narratologische Minimalkriterien fordern meist die Darstellung mindestens einer Zustandsveränderung (vgl. [Schmid 2010a]Literaturangabe fehlt.
Konzipiert man hingegen ‘Narrativität’ – unterschieden von ‘Narrativen’ – als ein skaliertes und allenfalls prototypisch vorhandenes Merkmalsbündel, einem „Fuzzy Set“,[11] so steht in dessen Zentrum lediglich die (selektive) Darstellung einer raumzeitlich lokalisierten Situation. Dazu können verschiedene, eher fakultativ angesehene narrativitätssteigernde Elemente hinzukommen. So müssen auch Einbild-Cartoons insofern als narrativ erachtet werden, als sie ein „referential meaning“ ([Bordwell 1989a]Literaturangabe fehlt. Diese besondere Konsequenz der vorausgesetzten ‘Basis-Narrativität’ zeigt sich vor allem in Hinblick auf Grenzfälle wie abstrakte Comics: Jan Baetens etwa zeigt, dass darunter nicht nur solche Werke fallen, die über keinerlei gegenständliche und figurative Bilder mehr verfügen, sondern auch solche, deren gegenständliche Bilder sich keinem raumzeitlichen Kontinuum mehr zuordnen lassen (‘non sequitur’), in denen die dargestellten Objekte eine individuierte Existenz hätten (Abb. 7):
Wo eine Referenz auf eine Storyworld voll individuierter Einzeldinge nicht mehr möglich ist, verändert sich darum auch das Kommunikationsgefüge des Comic grundlegend (vgl. [Packard 2013a]Literaturangabe fehlt. Bildlichkeiten des ComicWenn es möglich ist, Comics unter anderem auch als Medien zu betrachten, so lässt sich mit William J.T. Mitchell danach fragen, ob sich ein spezieller „comic view of the world“ bestimmen lässt ([Mitchell 2014a]Literaturangabe fehlt. In technologischer Hinsicht spricht nichts dagegen, auch fotografisches Material im Comic zu integrieren – was auch häufig geschieht. Zumeist wird ein solches Verfahren jedoch aufgrund konventioneller Mediengrenzen als intermediale Referenz bzw. als remediation gewertet;[13] auch Fotoroman und Foto-Comic wird zumeist deutlich vom “eigentlichen” Comic unterschieden. Handgezeichnete Bilder werden als besonders typisch für den Comic erachtet, vor allem Linienzeichnungen sind besonders stark mit seiner Bildlichkeit verbunden (Abb. 8):[14]:
Die Urheberschaft dieser Bilder verteilt sich im Ganzen zumeist auf viele Akteure, wie initiale Szenaristen (Texter), Bleistift- und Tuschezeichner, Koloristen oder Letterer. Manchmal ist die Feststellung der Urheberschaft schwierig, etwa in frühen amerikanischen Superhelden-Produktion, wo die Rechte alleine beim Verlagshaus lagen (vgl. [Stein 2014a]Literaturangabe fehlt. In einer ersten Heuristik lässt sich zwischen einem cartoonhaften und einem naturalistischen Bildstil oder Bildmodus unterschieden, die (zumindest im Westen) auf die zwei unterschiedlichen Zeichentechniken Illustration vs. Karikatur zurückgehen (vgl. [Witek 2011a]Literaturangabe fehlt. Die Nähe zu einem fast schon symbolischen Code ergibt sich oft alleine aus produktionsökonomischen Gründen: Während der literarische Text die Identität seiner Protagonisten durch ein schlichtes Pronomen sicherstellen kann, muss der Comic-Körper von Panel zu Panel wiederholt gezeichnet werden. Er steht damit nicht nur in ständiger räumlicher Konkurrenz zu allen anderen Zeichenkonfigurationen auf der Seite; seine Identität unterliegt auch selbst dem Prinzip der Serialität, was ihn etwa auch vom Protagonisten des Animationsfilms unterscheidet: Die Konventionen des Mediums weisen die verschiedenen co-präsenten Darstellungen als denselben Köper in verschiedenen Zeitmomenten aus (vgl. [Klar 2011a]Literaturangabe fehlt. Durch diese visuelle Kodierung sind Protagonisten – nun wieder kulturübergreifend – häufig auf einen Blick von Antagonisten zu unterscheiden; auch die sozialen oder moralischen Zugehörigkeiten sind häufig durch ein System ähnlicher Cartoongruppen geregelt (vgl. [Packard 2006a]Literaturangabe fehlt. Die typische Bildlichkeit des Comic ist zudem häufig in verschiedenen Ebenen oder Domänen organisiert, die oft auch im Produktionsprozess deutlich unterschieden werden: Landschaften und Hintergründe sind häufig detailreicher und “naturalistischer” als schematische Protagonisten (vgl. [McCloud 1993a]Literaturangabe fehlt. Sowohl die Organisation des Bildraums in unterschiedene Sphären, als auch die Kodierung der Figurendarstellungen durch distinkte Anzeichen laufen auf eine systematische Besonderheit des Comic-Bildes hinaus: einen extrem flexiblen Umgang mit den Möglichkeiten der piktorialen Prädikation und Wahrnehmungsnähe. Die Frage nach Phänomenalität und Wahrnehmbarkeit der Comic-Figur gehört sicher zu den meistdiskutierten Fragen der jüngeren Comic-Theorie: „[W]eder die Behauptung, dass Asterix im Rahmen der erzählten Welt große Füße hätte, noch die, dass er nur so gezeichnet sei, in Wirklichkeit aber ganz anders aussehe, würde der Rolle des Zeichenstils im Comic gerecht werden“, stellt etwa Schüwer fest ([Schüwer 2008a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). In dieser Art der Bildlichkeit ist die visuelle Prädikation des Bildes extrem eingeschränkt, da wir ihm nur noch sehr bedingt entnehmen können, wie die dargestellten Figuren innerhalb der Diegese eigentlich aussehen. Auch Gegenstände können sich von einem Bild zum anderen in „objects of iconic focalization“ verwandeln ([Groensteen 2007a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 118).[17] Wie bei einem Piktogramm, dessen bildliche Eigenschaften lediglich nur noch dahingehend relevant sind, einen korrespondierenden Begriff zu exemplifizieren (vgl. [Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 196), ist unser Zugriff auf die Storyworld in solchen Fällen eher propositionaler statt phänomenaler Art: Wir wissen, dass ein bestimmter Gegenstand in der dargestellten Situation existiert, nicht aber zwangsläufig, wie er aussieht. Häufig bleibt es dem Betrachter überlassen, zu entscheiden, welche der Prädikationsmöglichkeiten, die das Bild zur Verfügung stellt, darstellungsrelevant sind und somit auf die Diegese übertragen werden können. Hierin wäre womöglich eine bildwissenschaftliche Begründung für Groensteens Diktum zu finden, dass die narrativen Bilder des Comics eher erzählen statt zu zeigen ([Groensteen 2007a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S: 121ff.) – dies stellt freilich nur eine Option dar, denn auch äußerst naturalistische Zeichnungen (oder die Integration von Fotomaterial) ist im Comic keine Seltenheit. So scheint der Bildlichkeit des Comic zusammenfassend vor allem ein besonders flexibler Umgang mit Wahrnehmungsnähe und Prädikation eingeschrieben. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Abbot 2011a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bachmann 2013a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Baetens 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Barbieri 2002a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bartosch 2016a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Becker 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Berndt 2013a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Berndt 2015a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bolter & Grusin 2000a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bordwell 1989a]: Literaturangabe fehlt. 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Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Packard 2016a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Packard 2016b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Rajewsky 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Rippl & Etter 2013a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Ryan 2005a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Ryan 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Ryan 2014a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Sabin 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Sachs-Hombach & Schirra 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Sachs-Hombach 2003a]: Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. [Schmid 2010a]: Ausgabe 1: 2016 Verantwortlich:
Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [107] und Lukas R.A. Wilde [43] — (Hinweis) |