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Version vom 4. Januar 2014, 12:10 Uhr
Unterpunkt zu: Sprach-Bild-Bezüge
Zu Begriff und Geschichte von Emblem und Emblematik
Emblem, Emblembuch. In Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Bd. 5. Email – Eselsritt, 85-228. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 88) in ganz West-Europa zu einer zentralen Kulturtechnik und zum integralen Bestandteil frühneuzeitlicher Wissensordnung. Konstitutiv für Embleme sind ihre allegorische Verweisstruktur und eine regelgeleitete Kombinatorik, die in der ciceronianischen Rhetorik gründet.[1] Emblem, Emblembuch. In Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Bd. 5. Email – Eselsritt, 85-228. Eintrag in Sammlung zeigen), von denen der bekannteste Strukturtyp eine spezifische Dreiteiligkeit aufweist, wie sie in dem 1531 in Augsburg publizierten ersten Emblembuch des Mailänder Juristen Andreas Alciatus vorgegeben ist. Der Verleger Heinrich Steyner verband in diesem «Emblematum liber» die von Alciatus verfassten Epigramme mit Holzschnitten (nach Zeichnungen des Augsburger Malers Jörg Breu dem Älteren) und schuf so einen emblematischen Prototypen. Dieser Prototyp fand rasch breite Aufnahme innerhalb der respublica litteraria – auch deshalb, weil er durch eine der leistungsfähigsten Medientechniken der Zeit, der Verbindung von Buchdruck und Holzschnitt, verbreitet wurde. Die meisten Embleme des «Emblematum liber» bestehen wie das Beispiel in Abbildung 1 aus einer Inscriptio (Lemma, Motto, Obschrift), einer Pictura (Icon, Symbolum) sowie einer Subscriptio (oder Unterschrift). [2] Locus. Lemma, Motto. Entwurf zu einer mnemonischen Emblematiktheorie. In Ars memorativa. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Gedächtniskunst 1400-1750, 351-372. Eintrag in Sammlung zeigen). Die Pictura zeigt einen Gelehrten (codiert durch Hut und Mantel), dessen rechter beflügelter Arm in Richtung Himmel, der linke hingegen, mit einem Stein beschwert, Richtung Erde strebt. Sein Blick folgt dem emporstrebenden, nicht dem beschwerten Arm. Die Subscriptio des Alciatus-Emblems besteht aus zwei Distichen. Das erste gibt eine Ekphrasis, die mit der Pictura korrespondiert:[3]
Das zweite Distichon stellt dann die Verbindung zur Inscriptio her, indem es die Pictura auslegt: Die Armut hindert den intellektuell und künstlerisch Begabten daran, seine Fähigkeit voll zu entfalten. Auch wenn der bilderzeugende, ekphrastische Teil der Subscriptio der Evidentia (also dem Vor-Augen-Stellen eines Sachverhaltes oder eines Arguments) dient, so aktualisiert erst das Zusammenspiel aller Teile das dem Emblem zugrunde liegende Argument. Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock. München: Beck, 3. Aufl. mit Anmerkungen. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 21) zu klassifizieren versuchte, wobei er im Prozess der Sinnerzeugung der Pictura den Vorrang vor den beiden anderen Konstituenten zuschrieb. Die Kritik an Schönes Idealtypus ließ nicht lange auf sich warten.[5] Bernhard F. Scholz zeigt die Nähe des Emblems zu anderen symbolischen Formen wie dem Rebus, der Imprese, der Renaissance-Hieroglyphik auf der Grundlage historischer Begriffsbestimmungen, denen er in erster Linie Traktate zur Imprese, die von Emblematikern vielfach zitiert wurden, zugrunde legt. Allen diesen symbolischen Formen ist ein besonderer Rätselcharakter gemeinsam, der sich aus der Verlässlichkeit eines noch universal-göttlichen Verweissystems, dem mittelalterlichen ordo, speist, in welchem alles mit allem in einem symbolisch-allegorischen Bezug steht und der die Dinge der Welt innerhalb einer topisch organisierten Wissensordnung disponibel hält.[6] Diese poetologisch verwandten Formen wenden sich in erster Linie an eine Gelehrtenschicht, die diese Rätselstruktur zu dechiffrieren in der Lage ist. Emblem. In Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, 435-438. Eintrag in Sammlung zeigen). Embleme stellen abstrakte, unanschauliche Begriffe, Ideen, Argumente in der Regel mit dem Ziel vor Augen, ein bestimmtes abstraktes Wissen zu speichern und disponibel zu halten. Das verbindet die Emblematik mit anderen Formen von frühneuzeitlichen Text-Bild-Genera, insbesondere jedoch mit der Mnemonik. Kulturhistorisch äußert sich dies in einer Vielzahl emblematischer Enzyklopädien, wie die gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstandene «Symbola et emblemata» des Nürnberger Juristen Joachim Camerarius. Gegen Ende der Emblematik sind es gerade diese Enzyklopädien, die davon zeugen, wie die Emblematik als topisch organisierte Wissensspeicher insofern an ihre strukturellen Grenzen stößt, als sie die Menge des Wissens nicht sinnvoll aufzunehmen im Stande ist. Mit den ersten Emblemenzyklopädien erfährt die Emblematik eine Funktionserweiterung, die vor kaum einem frühneuzeitlichen Wissensgebiet halt macht. Die Funktionserweiterung der Emblematik drückt sich nicht nur dadurch aus, dass im deutschsprachigen Raum zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Ausdruck ‘Emblem’ allmählich durch das – vom niederländischen ‘zinnebeeld’ abgeleitete – ‘Sinnbild’ ersetzt wird. Sie zeigt sich auch in der zunehmenden Bedeutung, die die Emblematik überhaupt für die frühneuzeitliche Wissensdistribution und Wissensproduktion spielt. Sie wird mit didaktischen, meditativen und repräsentativen Absichten funktionalisiert, wobei es alle nur denkbaren Zwischenformen zwischen diesen Makrobereichen gibt und die Übergänge fließend sind. Es wurde daher aus erschließungspragmatischen Gründen vorgeschlagen, die Vielfalt an Emblembücher wie folgt zu systematisieren: in Impresenliteratur, in ethisch-moralische Emblematik, in weltliche Liebesemblematik, in politische Emblematik und schließlich in religiöse Emblematik sowie in Emblemenzyklopädien, die sich wiederum in zahlreiche Unterkategorien differenzieren lassen.[7]
Ausgewählte Emblemtheorien des 16. und 17. JahrhundertsIn Anbetracht der bedeutenden Stellung, die die Emblematik innerhalb der frühneuzeitlichen Sinnbildsysteme einnimmt,[8] ist es erstaunlich, dass kaum theoretisch verbindliche zeitgenössische Reflexionen über eine Poetik des Emblems überliefert sind. Die meisten Vorreden und Traktate, die sich zur Ursprungsfrage der Emblematik äußern, wiederholen sich meist und werden der emblematischen Formenvielfalt ihrer Zeit kaum gerecht. Produktionsästhetische und/oder rezeptionsästhetische Poetologien des Emblems sind eine Seltenheit. Im Folgenden wird eine exemplarische Auswahl emblemtheoretischer Positionen skizziert, die von Andreas Alciatus über Johann Fischart und Johann Wilhelm Zincgref bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zu Georg Philipp Harsdörffer und Justus Georg Schottelius reicht. Bei Harsdörffer finden sich erstmals umfangreiche Bestimmungen, die der Emblempraxis und der seit der Jahrhundertwende erheblich wachsenden Funktionsvielfalt der Emblematik gerecht zu werden versuchen. Alciatus: «Emblematum liber»Die Begriffsgeschichte der Emblematik beginnt, wie gesagt, mit dem 1531 von Heinrich Steyner in Augsburg verlegten «Emblematum liber», in dem er unautorisiert ein 104 Epigramme umfassendes Manuskript des Juristen Andreas Alciatus mit Holzschnitten von Jörg Breu verband und auf diese Weise eher zufällig die Dreiteiligkeit schuf, die dann auf die neue Text-Bild-Gattung übertragen wurde.[9] Was Alciatus selbst unter ‘Emblem’ verstand wird andeutungsweise in seinem dem Augsburger Humanisten Konrad Peutinger zugedachten Widmungsepigramm fassbar:
Abgesehen davon also, dass die von Alciatus erfundenen Embleme einem sinnvollen Zeitvertreib dienen sollen, sieht er in ihnen Vorlagen für die Verzierung von Kleidung und anderen Artefakten, wobei es ihm weniger auf die grafische Umsetzung der bilderzeugenden Teile der Epigramme anzukommen scheint, sondern auf das dem Epigramm zugrundeliegende Kernargument. Welchen Themenbereichen die Argumente entnommen werden können, erläutert Alciatus seinem Freund Francesco Calvo in einem Brief vom 9. Dezember 1522:
Für die Epigramme des «Emblematum liber» hat sich Alciatus vor allem bei der «Anthologia Graeca», dem «Physiologus» und der «Hieroglyphica» des Horapollo bedient.[12] Fischart: «Kurtzer vnd Woldienlicher Vorbericht»Alciatus’ kunsthandwerkliche Implikation des Emblems im Sinne einer Intarsie oder Einlegearbeit prägt einerseits noch das erste deutschsprachige Emblemtraktat, das Johann Fischart (1546/47–1590) als Vorwort dem 1581 in Straßburg erschienenen «Emblematum tyrocinia» Matthias Holtzwarts voranstellte. Andererseits leitet Fischart in diesem «Kurtze[n] vnd Woldienliche[n] Vorbericht / von Vrsprung / Namen vnd Gebrauch der Emblematen / oder Eingeblömeten Zierwercken» den Emblembegriff noch aus der Heraldik und dem militärischen Standartenwesen ab und schlägt damit eine Verbindung zur Impresentradition. Bereits Paolo Giovio wies in seinem berühmten und einflussreichen «Dialogo dell’Imprese Militari et Amoroso» (Rom 1555) auf die memorative Kraft dieser Bild- und Gedächtniszeichen hin.[13] Fischart sieht die Aufgabe der „Gedenckzeychen“ darin, dem Rezipienten dazu zu verhelfen, sich der „Vorfahren Glück vnd Fall […] zu erinnern“ ([Fischart 1581a]Fischart, Johann (1581).Kurtzer vnd Woldienlicher Vorbericht / von Vrsprung / Namen vnd Gebrauch der Emblematen / oder Eingeblömeten Zierwercken. In Emblematum Tyrocinia. Sive Picta Poesis Latinogermanica, fol. a6v-a7r. Eintrag in Sammlung zeigen: fol. a8r). Wenn Fischart die enge Verwandtschaft des Emblems mit der Imprese betont, weist er zugleich auf sozialdisziplinarische und gesellschaftsordnende Dimensionen dieser Text-Bild-Verbindungen hin. An den Wappen sind die Mitglieder des Hofes identifizierbar, ihr soziales Gewicht und Prestige allen einsichtig. Die Emblematik wird in dieser Hinsicht als der kulturhistorische Versuch gewertet, auch dem gesellschaftlich-stratifikatorischen Bedeutungsverlust der Heraldik zu begegnen.[14] Um diesen aufzufangen, hätte man, so Fischart, damit begonnen, die
Kurtzer vnd Woldienlicher Vorbericht / von Vrsprung / Namen vnd Gebrauch der Emblematen / oder Eingeblömeten Zierwercken. In Emblematum Tyrocinia. Sive Picta Poesis Latinogermanica, fol. a6v-a7r. Eintrag in Sammlung zeigen: fol. a3v). Eine Erklärung jedoch, wie die produktionsästhetischen Regeln emblematischer Inventio aussehen und wie die potentiellen semantischen Aufladungen solcher „Gemärcke“ zustande kommen, bleibt Fischart seinen Lesern schuldig. Eine Anleitung zum Erfinden eigener Embleme ist sein Traktat nicht. Zincgref: «Emblematum ethico-politicorum»Fischarts Argumente finden sich einige Zeit später auch bei Johann Wilhelm Zincgref (1591-1636) wieder, dem Heidelberger Humanisten und Doktor beider Rechte. In der «Praefatio de origine et usu emblematum» seines «Emblematum ethico-politicorum», erstmals 1619 in Frankfurt am Main bei Theodor de Bry erschienen, wiederholt er einerseits die bereits bekannten kunsthandwerklichen Argumente[15] und knüpft andererseits an die bereits von Alciatus der Emblematik zugrunde gelegten Renaissance-Hieroglyphik an. Embleme sind den Hieroglyphen analoge Schriftzeichen.[16] Auch die Embleme sollen wie diese auf Hermes Trismegistos zurückgeführten ideographischen Zeichen Mentales in Bildern vor- und darstellen: „Primi per figuras animalius […] Ægyptii sensus mentis effingebant […]“ ([Zincgref 1664a]Zincgref, Julius Wilhelm (1664).Hundert ethisch-politische Embleme mit den Kupferstichen des Matthaeus Merian. Heidelberg: Winter, Bd. 1: Emblematum Ethico-Politicarum Centuria. Faksimile der Editio ultima Heidelberg 1664. Bd. 2: Übersetzungen und Kommentare. Heidelberg 1986. Hg. v. Henkel, A. & Wiemann, W.. Eintrag in Sammlung zeigen: Bd. 1, fol. ):( ):( 1r)).[17] Zugleich aber haben, wie Alciatus bereits betonte, diese hieroglyphischen Zeichen die Kraft, Dinge direkt zu bezeichnen. Zincgref beruft sich auf Diodorus Siculus und beschreibt das emblematum scribere als das Verbinden einzelner Bildelemente (res pictae) wie die Darstellung vom Tieren, von menschlichen Gliedmaßen oder von Gegenständen auf der einen Seite mit bestimmten mentalen Konzepten auf der anderen Seite, damit die mit ihnen verbundenen Argumente leichter im Gedächtnis behalten werden können. Er verbindet das humanistische Konzept der Hieroglyphik mit einer mnemotechnischen Funktion und weiß dies durch Autoritäten wie Tacitus oder Diodorus Siculus zu belegen.
Zugleich erweitert Zincgref damit den Emblembegriff zu einem umbrella term:
Hundert ethisch-politische Embleme mit den Kupferstichen des Matthaeus Merian. Heidelberg: Winter, Bd. 1: Emblematum Ethico-Politicarum Centuria. Faksimile der Editio ultima Heidelberg 1664. Bd. 2: Übersetzungen und Kommentare. Heidelberg 1986. Hg. v. Henkel, A. & Wiemann, W.. Eintrag in Sammlung zeigen: Bd. 1, fol. ):( ):( 3v). Für Zincgref besteht die uneingeschränkte Leistung der Embleme darin, unseren Geist durch Gleichnishaftigkeit und Analogiebildung zu Wahrnehmungen zu führen, zu denen die äußeren Sinne nicht im Stande sind (vgl. [Zincgref 1664a]Zincgref, Julius Wilhelm (1664). Hundert ethisch-politische Embleme mit den Kupferstichen des Matthaeus Merian. Heidelberg: Winter, Bd. 1: Emblematum Ethico-Politicarum Centuria. Faksimile der Editio ultima Heidelberg 1664. Bd. 2: Übersetzungen und Kommentare. Heidelberg 1986. Hg. v. Henkel, A. & Wiemann, W.. Eintrag in Sammlung zeigen: Bd. 1, fol. ):( ):( 4r). Embleme sind Erkenntnis- und Ordnungsmittel in Einem. Sie halten Wissen verfügbar und sind in der Lage, neues Wissen und neue Erkenntnisse auf Basis der Rekombination und Analogiebildung zu generieren.[20] Harsdörffer: «Frauenzimmer Gesprächspiele» und «Mordgeschichte»Wiederum einige Jahrzehnte nach Zincgref begibt sich der Nürnberger Patrizier, Jurist und Polyhistor Georg Philipp Harsdörffer auf die Suche nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten dieser analogiebildenden Leistungsfähigkeit des emblematischen Gleichnisses. In seinen «Frauenzimmer Gesprächspielen» entfaltet Harsdörffer im gelehrten Dialog die umfassendste Synthese der seit gut hundert Jahren verhandelten Emblemtheorien, was ihn, wie Gerhard F. Strasser resümiert, „zum Gewährsmann für die Emblemtheorie im deutschen Raum“ macht ([Strasser 2000a]Strasser, Gerhard F. (2000).Emblematik und Mnemonik der Frühen Neuzeit im Zusammenspiel. Johannes Buno und Johann Justus Winckelmann. Wiesbaden: Harrassowitz. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 41).[21] Zur Mitte des 17. Jahrhunderts hat die Emblematik eine Ausdifferenzierung hin zu einer unübersichtlich gewordenen Formenvielfalt erfahren, so dass kaum noch von dem Emblem und der Emblematik gesprochen werden kann. Zincgrefs umbrella term wies bereits die Richtung. Auch bei Harsdörffer dokumentiert sich nun der Strukturwandel der Emblematik in der Ersetzung von ‘Emblematum’ durch ‘Sinnbild’:
Text und Bild sind im Sinnbild so eng aufeinander bezogen, dass das eine Zeichensystem nicht ohne das andere auskommt. Harsdörffer betont dies in seiner emblemtheoretischen Zugabe zur dritten Auflage des «Großen Schau-Platzes jämmerlicher Mordgeschichte», die 50 Lehrsätze für die Inventio und Produktion von Sinnbildern präsentiert.[23] Gleich zu Beginn der Schrift verweist er auf die maßgebliche Rolle, die die Analogie bei dieser Semiose von Text und Bild spielt. Denn das Bild könne, wie das Wort auch, eine eigentliche (sensus litteralis) und uneigentliche (sensus allegoricus) Bedeutung besitzen und müsse bezüglich seiner uneigentlichen Bedeutung nochmals unterschieden werden, je nachdem ob es sich um eine Allegorie, die er als „Iconologia“ oder „Bilderkunst“[24] bezeichnet, oder um ein Sinnbild handelt. Während erstere sich durch stark konventionalisierte Codierungen auszeichnen, so dass sie als Zierde für „Gebäuden / Tapeten / Büchertituln und in viel andre wege“ (§3) dienen, schöpfen Sinnbilder ihr Potential aus ihrem Gleichnischarakter, der aus der Spannung zwischen Text und Bild erzeugt wird und durch die „die in Sinnbildern enthaltene Lehre leichter bemercket / die Bitterkeit der Vermahnung versüst / und die Lieblichkeit der Mahlerey und Poeterey kunstartig mit gesamter wolständigkeit an das Liecht gesetzt“ (§7) wird, so dass idealerweise ein Sinnbild nicht ohne Berücksichtigung des Zusammenspiels von Text- und Bildcode dechiffriert werden könne (§23). Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behuf der Lateinischen Sprache in VI Stunden einzugiessen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Reprografischer Nachdruck der Ausgaben Nürnberg 1650 (= Erster Teil), Nürnberg 1648 (= Zweiter Teil) und Nürnberg 1653 (= Dritter Teil). Eintrag in Sammlung zeigen: X, § 5, S. 54). Schottelius: «Ausführliche Arbeit von der teutschen HaubtSprache»Eine noch ausführlichere Definition von »Sinnbild« liefert der Wolfenbütteler Geheimrat und Fruchtbringer Justus Georg Schottelius, mit dem Harsdörffer zeitlebens in freundschaftlichem Austausch stand. In seiner 1663 erschienenen «Ausführlichen Arbeit von der teutschen HaubtSprache» verwirft er den alten Begriff »Emblematum«, weil er ihm zu einseitig auf die kunsthandwerkliche Funktion reduziert ist (vgl. [Schottelius 1663a]Schottel, Justus Georg (1663).Ausführliche Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache. Braunschweig: Zilliger. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 1105). Der Sinnbild-Begriff zeige hingegen ein solches Bild an,
Im Sinnbild codiert das Bild das zugrundeliegende Argument, das durch das Lemma und eventuell durch die Subscriptio konkretisiert, niemals aber vereindeutigt werden darf. Wie die Imprese, so ist auch das Emblem ganz nach Maßgabe der Ars memorativa durch jene obscuritas geprägt, die das verschlüsselte Argument nicht unmittelbar einsichtig macht und daher merk-würdig auf den Rezipienten wirkt. In diesem Zusammenspiel zwischen propositionalem Gehalt und Bildrhetorik konstituiert sich diejenige Qualität des Emblems, die im zeitgenössischen Kontext so oft mit der Leib-Seele-Metapher angesprochen wird:
Fehlt das Wort, so ist nicht mehr von einem Sinnbild, sondern von „einem gemahlten Rätzel oder blossen Gemählte“ (ibid.: S. 1106) die Rede.
AusblickEntsprechend vielgestaltig sind die thematischen und inhaltlichen Ausrichtungen der Emblembücher. Sie reichen von der Impresenliteratur über eine ethisch-moralische und politische Emblematik, zu der Fürstenspiegel wie Zincgrefs erwähntes Emblembuch ebenso zu zählen sind wie die panegyrische und Funeral-Emblematik, und die vor allem seit Beginn des 17. Jahrhunderts inflationär einsetzende religiöse Emblematik (unabhängig von konfessionellen Beschränkungen) bis hin zu mehrbändigen Emblemenzyklopädien, die etwa das naturkundliche und moralische, aber auch theologische Wissen der Frühen Neuzeit miteinander verbinden; nicht zu vergessen sind ebenfalls die Kunstbücher mit ihren Sammlungen an emblematischen Topoi, für die etwa Cesare Ripas «Iconologia» prototypisch wurde, und der unüberschaubare Bereich angewandter Emblematik.[25] Die letzten Emblemenzyklopädien erschienen wie Laurentius W. Woyts «Emblematischer Parnassus» noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Danach reißt die Emblemproduktion fast schlagartig ab. Als epistemische Ordnungsinstrumente sind Emblembücher im Laufe des 18. Jahrhunderts offensichtlich an die Grenzen der Verwaltbarkeit und Darstellbarkeit des Wissens geraten. Wenn die Analogie nicht mehr als Grundlage einer Wissensordnung funktioniert, scheitert auch die Emblematik als Ordnungsverfahren moralisch-ethischer Diskurse. Doch das allein erklärt den rapiden Bedeutungsverlust dieser Kulturtechnik nicht überzeugend. Denn auch andere Formen der frühneuzeitlichen Bild-Text-Relation verlieren an Bedeutung, wie etwa die Mnemonik, deren Verhältnis zur Emblematik noch nicht einmal ansatzweise untersucht wurde, was eines der dringlichsten Desiderate für die aktuelle Emblemforschung darstellt. Dabei ist schon des Längeren bekannt, dass zwischen der Emblematik und der Mnemonik eine enge Verknüpfung besteht.[26] Die Erforschung dieser Zusammenhänge könnte den Schlüssel zur Erklärung des Bedeutungsverlustes der auf Analogiebildung basierenden Text-Bild-Genera gegen Ende der Frühen Neuzeit liefern. Siehe auch:
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Anmerkungen
[Alciatus 1531a]: Alciatus, Andreas (1531). Emblematum liber. Augsburg: Heinrich Steyner, (= VD 16 A 1641).
[Alciatus 1967a]: Alciatus, Andreas (1967). Emblematum Libellus. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. [Balavoine 1981a]: Balavoine, Claudio (1981). Archéologie de l’emblème littéraire. La dédicace à Conrad Peutinger des Emblemata d’André Alciat. In: Jones-Davies, M. T. (Hg.): Emblèmes et devises au temps de la Renaissance. Paris: Touzot, S. 9-21. [Becker-Cantarino 2005a]: Becker-Cantarino, Barbara (2005). Ut pictura poesis? Zu Harsdörffers Theorie der ‘Bildkunst’. In: Gerstl, D. (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg: Carl, S. 9-21. [Fischart 1581a]: Fischart, Johann (1581). Kurtzer vnd Woldienlicher Vorbericht / von Vrsprung / Namen vnd Gebrauch der Emblematen / oder Eingeblömeten Zierwercken. In: Holtzwart, M. (Hg.): Emblematum Tyrocinia. Sive Picta Poesis Latinogermanica. Straßburg: Jobin, S. fol. a6v-a7r. [Greene 1982a]: Greene, Thomas M. Greene (1982). The Light in Troy. Imitation and Discovery in Renaissance Poetry. New Haven, London: Yale University Press. [Harsdörffer 1656a]: Harsdörffer, Georg Philipp (1975). Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Beigebunden ist: Neue Zugabe: Bestehend aus C. Sinnbildern. Hildesheim, New York: Olms, Nachdruck der Ausgabe Hamburg 1656. [Harsdörffer 1968a]: Harsdörffer, Georg Philipp (Frauenzimmer Gesprächspiele. 8 Bd.e). 1968. Tübingen: Niemeyer, Faksimile der Nürnberger Ausgabe 1644-1649, hg. v. Böttcher, I.. [Harsdörffer 1969a]: Harsdörffer, Georg Philipp (1969). Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behuf der Lateinischen Sprache in VI Stunden einzugiessen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Reprografischer Nachdruck der Ausgaben Nürnberg 1650 (= Erster Teil), Nürnberg 1648 (= Zweiter Teil) und Nürnberg 1653 (= Dritter Teil). [Heckscher & Wirth 1967a]: Heckscher, William S. & Wirth, Karl-August (1967). Emblem, Emblembuch. In: Heydenreich, L. H. et al. (Hg.): Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Bd. 5. Email – Eselsritt. Stuttgart: Metzler, S. 85-228. [Kocher 2007a]: Kocher, Ursula (2007). ‘Imagines’ und ‘picturae’. Wissensorganisation durch Emblematik und Mnemonik. In: Frank, T. & Kocher, U. & Tarnow, U. (Hg.): Topik und Tradition. Prozesse der Neuordnung von Wissensüberlieferungen des 13. bis 17. Jahrhunderts. Mit 21 Abbildungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 31-45. [Kocher 2010a]: Kocher, Ursula (2010). Bild und Gedanke. Georg Philipp Harsdörffers Emblematiktheorie. In: Thimann, M. & Zittel, C. (Hg.): Georg Philipp Harsdörffers «Kunstverständige Discurse». Beiträge zu Kunst, Literatur und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit. Heidelberg: Manutius, S. 151-165. [Kocher 2011a]: Kocher, Ursula (2011). „Die maechtige Bildung unserer Gedanken“. Zur Emblematiktheorie Georg Philipp Harsdörffers. In: Keppler-Tasaki, S. & Kocher, U. (Hg.): Georg Philipp Harsdörffers Universalität. Beiträge zu einem uomo universale des Barock. Berlin, New York: de Gruyter, S. 181-196. 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Röhrig. [Volkmann 1923a]: Volkmann, Ludwig (1923). Bilderschriften der Renaissance. Hieroglyphik und Emblematik in ihren Beziehungen und Fortwirkungen. Leipzig: Hiersemann. [Warncke 2005a]: Warncke, Carsten-Peter (2005). Symbol, Emblem, Allegorie. Die zweite Sprache der Bilder. Köln: Deubner. [Zincgref 1664a]: Zincgref, Julius Wilhelm (1664). Hundert ethisch-politische Embleme mit den Kupferstichen des Matthaeus Merian. Heidelberg: Winter, Bd. 1: Emblematum Ethico-Politicarum Centuria. Faksimile der Editio ultima Heidelberg 1664. Bd. 2: Übersetzungen und Kommentare. Heidelberg 1986. Hg. v. Henkel, A. & Wiemann, W.. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [145], Joerg R.J. Schirra [63] und Stefan Manns [2] — (Hinweis) |