Exkurs:Arten von Propositionen

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Version vom 9. Juli 2013, 19:20 Uhr von Klaus Sachs-Hombach (Diskussion | Beiträge) (Singuläre und generelle Propositionen)
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Exkurs zu: Proposition


Sachbezüge von Äußerungen können auf vielfältige Weise unterschieden und klassifiziert werden. Besonders relevant sind die folgenden drei Aspekte: einfache vs. komplexe Propositionen, singuläre vs. generelle Propositionen und konkrete vs. abstrakte Propositionen mit dem Sonderfall der Begriffsbestimmungen.


Einfache und komplexe Propositionen

Eine komplexe Proposition setzt sich aus mehreren Propositionen zusammen. Operatoren, die mehrere Propositionen zu einer komplexen Proposition zusammenbinden, sind insbesondere die in der Aussagenlogik untersuchten Junktoren ‘und’ und ‘oder’, sowie die aussagenlogische (externe) Negation:[1]

  • ‘dass Paul Amerikaner ist und (dass) der Mond aufgeht.’
  • ‘dass der Schüler Platos der Lehrer Alexanders war oder (dass) dieses Auto nicht verkauft worden ist.’

Eine einfache Proposition lässt sich hingegen nicht – auf offensichtliche Weise – in Teilpropositionen zerlegen.[2]

Komplex ist eine Proposition allerdings auch, wenn ein zusammengesetztes Prädikat verwendet wird:

  • ‘dass Mareike sich lange Zeit als eine sehr engagierte wenn auch nicht sonderlich begabte, so doch mit guter und kräftiger Sopranstimme ausgestattete Walküren-Dilettantin betätigt und mehrere Laienaufführungen unter Beifall bestritten hat.’

Singuläre und generelle Propositionen

Von einer singulären Proposition spricht man, wenn sich alle den Sachbezug charakterisierenden Nominationen auf einzelne Gegenstände beziehen: ‘dass Paul hinkt’ oder ‘dass dieser dicke Mann der ausgesprochen intelligente Cousin dritten Grades von der Schwester Deines Freundes ist’. Dabei muss jeweils der Kontext, auf den sich die Nominationen beziehen – und damit die gemeinten Gegenstände –, den Gesprächspartnern klar sein, da sonst keine bestimmte Proposition, sondern nur ein propositionales Schema gebildet würde.[3]

Von einer generellen Proposition ist die Rede, wenn mindestens eine der die Proposition konstituierenden Nominationen durch eine Quantifikation mit einem All- oder Existenzquantor an eine Menge von Gegenständen gebunden wird: ‘dass an diesem Baum einige der Äpfel einen Monillabefall aufweisen’ oder ‘dass – hier und heute – einige der blonden Besucher alle Gebetsmühlen im Tempel gedreht haben’. Deutlich zu erkennen ist der notwendige Kontextbezug der Quantifikation, durch den die Menge der quantifizierten Gegenstände festgelegt ist und ohne den es sich auch im Falle der generellen Propositionen nur um propositionale Schemata handeln würde.[4]

Konkrete und abstrakte Propositionen

Eine Proposition ist konkret, wenn alle beteiligten Nominationen auf konkrete – raumzeitlich verortete – Gegenstände verweisen und alle vorkommenden Quantifikationen ihre Gegenstandsvariablen an endliche Mengen konkreter Gegenstände binden: alle weiter oben genannten Beispiele gehören dazu.

Eine Proposition ist abstrakt, wenn mindestens eine ihrer Nominationen auf einen abstrakten Gegenstand verweist, oder mindestens einer ihrer Quantoren nicht an einen endlichen Gegenstandsbereich gebunden ist. Im Gegensatz zu den konkreten Gegenständen sind abstrakte Gegenstände nicht raumzeitlich verortet, denn sie können sich in prinzipiell unendlich vielen verschiedenen konkreten Gegenständen realisieren. Der Unterschied spielt vor allem eine Rolle für das verwendete Verfahren zur Überprüfung der Geltung der betrachteten Proposition (⊳ Exkurs:Verifikationsverfahren).

Abstrakte Gegenstände werden in der Regel mithilfe spezieller sprachlicher Operatoren, den Abstraktoren, aus konkreten Gegenständen abgeleitet. Dabei lassen sich drei Unterfälle unterscheiden, die zu entsprechenden Arten von Propositionen führen:

In extensionalen Propositionen werden Abstraktoren verwendet, durch die endliche Gruppen oder Klassen konkreter Gegenstände angesprochen werden: ‘alle Bäume in diesem Park’, ‘die Gruppe der Sechs- bis Achtjährigen in unserer Studie’, usw. Ihre Geltung kann überprüft werden, indem jedes einzelne konkrete Element der Abstraktionsklasse betrachtet wird: ‘Dieser Baum, und dieser Baum, und dieser Baum’ bzw. ‘diese Sechsjährige, und dieser Achtjährige, und diese Siebenjährige, ...’ . Offensichtlich sind generelle Propositionen (in der Regel) extensionale abstrakte Propositionen.[5]

Bei intensionalen Propositionen ist der Abstraktor eine prinzipiell auf unendlich viele konkrete Gegenstände anwendbare Regel: ‘alle Bäume überhaupt’ im Sinne von ‘Wenn etwas ein Baum ist, dann ...’; ‘sechs- bis achtjährige Kinder an sich’ im Sinne von ‘wenn etwas ein Kind und sechs- bis acht Jahre alt ist, dann ...’. Diese Regeln sollen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird, in jedem beliebigen Kontext gelten (siehe auch Modalität). Entsprechend kann die Überprüfung der Geltung solcher Äußerungen auch nicht durch Verifikation der Einzelfälle erfolgen. Vielmehr wäre zu zeigen, dass die Regel auf korrekte Weise gebildet, konstruiert wurde.

Begriffliche Propositionen sind ein Sonderfall der intensionalen Propositionen: Die Abstraktion bezieht sich hierbei nicht direkt auf Aspekte der Gegenstände, sondern auf die Kriterien der Zeichenhandelnden selbst, Gegenstände dieser bestimmten Art zu unterscheiden: ‘der Begriff des Baums’, ‘der Begriff des sechs- bis achtjährigen Kindes’.[6] Sie beziehen sich also nicht auf die Gegenstandsebene sondern die Beobachterebene. Zugleich wird dabei mit den Prädikationen ein tentativ normativer Anspruch erhoben.[7]

Anmerkungen
  1. siehe auch Wikipedia: Aussagenlogik.
  2. Das Problem echter einfacher Propositionen, so genannter Elementarpropositionen, soll hier ausgeklammert bleiben. Vgl. etwa die Diskussion um Wittgensteins Begriff der Elementarsätze ([Wittgenstein 1922a]); siehe Wikipedia: Elementarsatz
  3. In einem propositionalen Schema ist mindestens eine Komponente der Proposition durch eine Variable ersetzt. Das Schema ist daher mit einer Vielzahl verschiedener Propositionen kompatibel. Ein propositionales Schema kann entsprechend auch keinen Wahrheitswert besitzen.
  4. Jeder Quantor bindet eine Variable eines propositionalen Schemas an einen Wertebereich, der entweder durch einen Kontext mit endlich vielen Gegenständen gegeben ist oder sich auf alle Kontexte und damit potentiell unendlich viele Gegenstände bezieht.
  5. Extensionale Abstraktoren werden auf endliche Mengen beschränkt, da unendlichen Mengen eine andere Art von Verifikationsverfahren verlangen – nämlich genau diejenige der intensionalen Propositionen.
  6. Die Regeln haben hier also die Form: ‘Wenn etwas ein Kriterium zum Unterscheiden zwischen Baum und Nicht-Baum ist, dann ...’. Insofern diese Kriterien sich in unseren Erläuterungen zum Gebrauch entsprechender Prädikatoren (siehe Prädikation) artikulieren, sind die konkreten Gegenstände, von denen hierbei abstrahiert wird, die Erläuterungssituationen jener Prädikatoren. Auf sie müssen sich, mit anderen Worten, die Verifikationsbedingungen richten; vgl. [Wittgenstein 1971a].
    Siehe auch Exkurs:Beispiele begrifflicher Aussagen.
  7. Es geht in begrifflichen Propositionen nicht nur um die Begriffe, wie sie faktisch in einer bestimmten Gesellschaft verwendet werden, sondern um Vorschläge, wie die jeweils Zeichenhandelnden selbst im Weiteren ihre entsprechenden Unterscheidungspraxen sinnvollerweise aufeinander abstimmen möchten.
Literatur                             [Sammlung]

[Wittgenstein 1922a]: Wittgenstein, Ludwig (1922). Tractatus Logico-Philosophicus. London: Kegan Paul.

[Wittgenstein 1971a]: Wittgenstein, Ludwig (1971). Philosophische Untersuchungen. Frankfurt/M.: Suhrkamp.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

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