Exkurs:Beispiel für motivierte Zeichenkonventionen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
Version vom 15. Dezember 2019, 00:52 Uhr von Joerg R.J. Schirra (Diskussion | Beiträge)
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Exkurs zu: Symbol, Index, Ikon


Unter dem Namen ‘phýsei/thései-Debatte’ ist seit der Antike darüber nachgedacht worden, inwiefern Zeichen sich “natürlich” aus der Natur (phýsis) des Bezeichneten ableiten oder erst durch menschliche Setzung (thései) mit ihrer Bedeutung assoziiert werden müssen. In Peirce's Dreiteilung von ikonischen, indexikalischen und symbolischen Zeichen(aspekten) sind die ikonischen Zeichen durch Ähnlichkeit und die indexikalischen durch raumzeitliche Koinzidenz oder kausale Beziehungen “natürlich” mit dem jeweils Bezeichneten verbunden (wenn auch nur mehr oder minder stark und in Abhängigkeit von der Semiose selbst); den Symbolen allein, die lediglich durch Konvention mit dem Bezeichneten assoziiert sind, scheint jene Willkürlichkeit eigen, die eine vollkommen beliebige Bedeutung – und damit das Bezeichnen kontrafaktischer, hypothetischer und fiktiver Sachverhalte – ermöglicht. Der Begriff der Konvention ist dabei recht weit gefasst; er reicht von ausdrücklichen Vereinbarungen, etwa bei den in einem Regelwerk festgelegten Ausdrücken einer Fachsprache (auch Programmiersprache), bis zu tradierten Gewohnheiten mit nur implizit geteilten Regeln (natürliche Sprachen). Während bei explizit etablierten Konventionen häufig direkt erkennbar ist, wenn es nicht gar ausdrücklich erläutert wird, inwieweit motivierende Aspekte die Konvention beeinflusst haben, scheinen alte Bezeichnungsgewohnheiten zumindest auf den ersten Blick häufig völlig arbiträr. Was könnte etwa motiviert haben, dass dieselbe Sache im Deutschen mit der Lautfolge 'B', 'a', 'u', 'm', im geographisch eng benachbarten Französischen hingegen mit 'a', 'r', 'b', 'r', 'e' bezeichnet wird?


Klassifikationsausdrücke in Dyirbal

Auch tradierte Konventionen sind in der Regel auf die eine oder andere Weise motiviert und nicht rein willkürlich. Ein indirektes, wenngleich sehr aufschlußreiches Beispiel bietet die den Titel von [Lakoff 1987a]Literaturangabe fehlt.
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motivierende Untersuchung über das grammatische System der sogenannten Nomen-Klassifikationsausdrücke in Dyirbal, einer Sprache der australischen Aborigines ([Dixon 1982a]Literaturangabe fehlt.
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; hier in der Darstellung von Lakoff): Es handelt sich um eine Art Artikel, wobei es allerdings, im Gegensatz zu den drei Ausprägungen im Deutsche (‘der’, ‘die’, ‘das’), vier verschiedene Ausprägungen gibt.[1] Der Buchtitel «Women, Fire, and Dangerous Things» bezieht sich dabei auf diejenigen Eigenschaften der durch ein Nomen bezeichneten Gegenstandsklasse, die zur Verwendung einer der vier Klassifikationsausdrücke führt:

I. Bayi: (human) males; animals
II. Balan: (human) female; water; fire; fighting
III. Balam: nonflesh food
IV. Bala: everything not in the other classes ([Lakoff 1987a]Literaturangabe fehlt.
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, S. 93).

Die Zusammenstellungen vor allem der 1. und 2. Klasse erscheint zunächst eher arbiträr (willkürlich), wird aber durch entsprechende Mythen der Dyirbal sprechenden Volksgruppe motiviert und stabilisiert. Das gilt insbesondere auch für auf den ersten Blick ungewöhnliche Zuordnungen bestimmter Gegenstände zu einer der Gruppen. So werden Vögel zur grammatischen Klasse II gerechnet, da diese Tiere (daher eigentlich zu Klasse I) als die Seelen toter Frauen gelten.[2] Da Fische, als Tiere, als zu Klasse I gehörend betrachtet werden, werden auch die zum Fischen benutzten Werkzeuge zu Klasse I gerechnet, obwohl sie aus unserer europäischen Sicht vielleicht eher mit Wasser (also Klasse II) assoziiert sind oder der vierten Klasse zugeschlagen würden. Einige Fische übrigens, die gefährlich sind, werden (wie die „dangerous things“ im Allgemeinen) zu Klasse II gezählt.

Es konnte nachgewiesen werden, dass einige der spezifischen Zuordnungen bei jüngeren Dyirbal-Sprechern, die mit ihrer Kultur nicht mehr hinreichend vertraut sind, in dem Maße verschwinden, wie die Kenntnis der motivierenden Mythen oder praktischen Zusammenhänge (etwa Gefährlichkeit bestimmter Fische) fehlen (vgl. [Schmidt 1985a]Literaturangabe fehlt.
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).

Fishing is lost as a domain relevant to categorization. Though fish are in class I with other animates, fishing spears and fishing lines have gone into class IV with other inanimate objects. ([Lakoff 1987a]Literaturangabe fehlt.
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, S. 98).

Auf lange Sicht, sofern Dyirbal “überlebt”, könnte sich aus dem System der vier Klassifikationsausdrücke ein allein auf tradierten Konventionen beruhendes dreiteiliges System entwickeln, das dem deutschen Artikelsystem ähnelt, bei dem die ursprünglichen Motivationen dem Normalsprecher nicht mehr bekannt sind – ‘die Sonne’ (fem.), ‘der Mond’ (masc.).[3]

In the simple stage of the youngest speakers, the system has broken down almost completely and only the central cases of classes I and II survive, while class III is lost completely. Here is the simple system:
I. Bayi: human males and nonhuman animates
II. Balan: human females
III.Bala: everything else ([Lakoff 1987a]Literaturangabe fehlt.
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, S. 98).

Inhaltsverzeichnis        

Anmerkungen
  1. „Whenever a Dyirbal speaker uses a noun in a sentence, the noun must be preceded by a variant of one of four words: ‘bayi’, ‘balan’, ‘balam’, ‘bala’. These words classify all objects in the Dyirbal universe, and to speak Dyirbal correctly one must use the right classifier before each noun. Here is a brief version of Dyirbal classification of objects in the universe, as described by R.M.W. Dixon (1982a):
    I. Bayi: men, kangaroos, possums, bats, most snakes, most fishes, some birds, most insects; the moon, storms, rainbows, boomerangs, some spears, etc.
    II. Balan: women, bandicots, dogs, platypus, echidna, some snakes, some fishes, most birds, fireflies, scorpions, crickets, the hairy mary grub, anything connected with water or fire, sun and stars, shields, some spears, some trees, etc.
    III. Balam: all edible fruit and the plants that bear them, tubers, ferns, honey, cigarettes, wine, cake
    IV. Bala: parts of the body, meat, bee, wind, yamsticks, some spears, most trees, grass, mud, stones, noises and language, etc.“ ([Lakoff 1987a]Literaturangabe fehlt.
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    , S. 92f.).
  2. Allerdings wiederum mit Ausnahme einiger Vogelarten, die mythologisch als Männer auftreten und daher grammatisch zu Klasse I gezählt werden.
  3. Vgl. etwa auch mit dem Französischen: ‘le solei’ (masc.) und ‘la lune’ (fem.).
Literatur                             [Sammlung]

[Dixon 1982a]:
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[Lakoff 1987a]:
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[Schmidt 1985a]:
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Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [3] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schirra 2013g-c]Literaturangabe fehlt.
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