Grundbegriffe der Bildlichkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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=====Der vorparadigmatische Zustand der Bildwissenschaft=====
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Eine sich neu konstituierende Wissenschaftsdisziplin ist in der Regel zunächst damit beschäftigt, ihren Gegenstandsbereich zu bestimmen. Bereits dieser Arbeitsschritt lässt sich für gewöhnlich nicht vollkommen problemlos bewältigen. Über die Frage, wie weit der Gegenstandsbereich einer Disziplin zu reichen habe, werden häufig kontroverse grundlagentheoretische Debatten geführt. Viele dieser Debatten gründen auf dem Umstand, dass der ''Begriff'', der einer Wissenschaftsdisziplin ihren Namen gibt, in der Regel nicht schon von sich aus Aufschluss über die konkreten ''Phänomene'' gibt, auf die er sich bezieht.
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==Der vorparadigmatische Zustand der Bild&shy;wissen&shy;schaft==
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Eine sich neu konstituierende Wissenschafts&shy;diszi&shy;plin ist in der Regel zunächst damit beschäf&shy;tigt, ihren Gegen&shy;standsbe&shy;reich zu bestim&shy;men. Bereits dieser Arbeits&shy;schritt lässt sich für gewöhn&shy;lich nicht voll&shy;kommen problem&shy;los bewäl&shy;tigen. Über die Frage, wie weit der Gegen&shy;stands&shy;bereich einer Dis&shy;ziplin zu reichen habe, werden häufig kontro&shy;verse [[Bildtheorie/Bildwissenschaft/Bildkritik|grund&shy;lagentheore&shy;tische Debat&shy;ten]] geführt. Viele dieser Debat&shy;ten gründen auf dem Umstand, dass der ''Begriff'', der einer Wissen&shy;schafts&shy;disziplin ihren Namen gibt, in der Regel nicht schon von sich aus Auf&shy;schluss über die konkreten ''Phäno&shy;mene'' gibt, auf die er sich bezieht.
 
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Am Beispiel der Bildwissenschaft lässt sich dieser Sachverhalt gut vor Augen führen. Begrifflich ist hier völlig unstrittig, dass die Untersuchung von ''Bild''phänomenen im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit steht. Weitaus weniger unkontrovers ist jedoch, welcher Phänomenbereich genau von einer Bildwissenschaft historisch wie systematisch überblickt werden sollte. Soll sich die Bildwissenschaft nur solchen Phänomenen zuwenden, die einem engeren Bildbegriff entsprechen (Gemälde, Zeichnungen, Fotografien usw.); oder sind auch andere Phänomene gleichberechtigt zu berücksichtigen, die weitere mediale Register umfassen, welche aus konventioneller Sicht eher nur mittelbar mit Facetten des Bildlichen zusammenhängen (z.B. Diagramme, Ornamente, Kalligrafie, Schriftbilder)? Alleine über diese grundlegende Frage lassen sich Diskussionen führen, die in ausformulierter Form ganze Bücherregale füllen.
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Am Beispiel der Bild&shy;wissen&shy;schaft lässt sich dieser Sach&shy;verhalt gut vor Augen führen. Begriff&shy;lich ist hier völlig unstrittig, dass die Unter&shy;suchung von ''Bild''phäno&shy;menen im Zentrum der wissen&shy;schaft&shy;lichen Auf&shy;merk&shy;samkeit steht. Weitaus weniger unkontro&shy;vers ist jedoch, welcher Phäno&shy;menbe&shy;reich genau von einer Bild&shy;wissen&shy;schaft histo&shy;risch wie syste&shy;matisch über&shy;blickt werden sollte. Soll sich die Bild&shy;wissen&shy;schaft nur solchen Phäno&shy;menen zuwenden, die einem engeren Bild&shy;begriff entspre&shy;chen (Gemä&shy;lde, Zeich&shy;nungen, Foto&shy;grafien usw.); oder sind auch andere Phäno&shy;mene gleich&shy;berech&shy;tigt zu berück&shy;sichti&shy;gen, die weite&shy;re mediale Re&shy;gister umfassen, welche aus konven&shy;tionel&shy;ler Sicht eher nur mittel&shy;bar mit Facet&shy;ten des Bild&shy;lichen zusammen&shy;hängen (z.B. Dia&shy;gramme, Orna&shy;mente, Kalli&shy;grafie, Schrift&shy;bilder)? Allei&shy;ne über diese grund&shy;legen&shy;de Frage lassen sich Diskus&shy;sionen führen, die in aus&shy;formu&shy;lierter Form ganze Bücher&shy;regale füllen.
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Ein ähnlicher Sachverhalt lässt sich im Hinblick auf die Frage feststellen, welche Gesichtspunkte als elementare Bestandteile einer allgemeinen Theorie des Bildes zu gelten haben. Genauer gefragt: Welche Aspekte des Ikonischen lassen sich zu Grundbegriffen des Bildlichen verdichten? Welche Faktoren sind unbedingt zu berücksichtigen, wenn theoretisch konzise und adäquat über das Phänomen der Bildlichkeit reflektiert werden soll? Auch über diese grundbegrifflichen Fragen lässt sich ausgiebig und kontrovers diskutieren. Potenziert wird dieser Sachverhalt durch die Tatsache, dass es sich bei der Idee einer allgemeinen Bildwissenschaft um ein relativ junges akademisches Unterfangen handelt. Die „bildwissenschaftliche Forschungssituation“, notiert etwa Klaus Sachs-Hombach, befindet sich „insgesamt“ in einem „vorparadigmatischen Stadium“ (<bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>: S. 12f.). Aus dem Faktum, dass die Klärung dessen, was den Kern des Bildbegriffs ausmacht, nicht ohne Weiteres herbeigeführt werden kann,<ref>Nicht umsonst trägt eine der meistzitierten bildwissenschaftlichen Anthologien den Titel ''Was ist ein Bild?'' (vgl. <bib id='Boehm 1994c'></bib>) – eine Frage, die in den darin versammelten Beiträgen mitnichten einstimmig beantwortet wird und vielleicht gerade deshalb zu weiterführenden Studien zur allgemeinen Bilderfrage animieren sollte.</ref> folgt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Suche nach allgemeinen Grundbegriffen des Bildlichen bei Weitem nicht abgeschlossen ist.
 
 
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Ein ähnlicher Sach&shy;verhalt lässt sich im Hinblick auf die Frage feststellen, welche Gesichts&shy;punkte als elemen&shy;tare Bestand&shy;teile einer allge&shy;meinen Theorie des Bildes zu gelten haben. Genauer gefragt: Welche Aspekte des Iko&shy;nischen lassen sich zu Grund&shy;begrif&shy;fen des Bild&shy;lichen verdich&shy;ten? Welche Fak&shy;toren sind unbe&shy;dingt zu berück&shy;sichti&shy;gen, wenn theore&shy;tisch konzise und adä&shy;quat über das Phäno&shy;men der Bild&shy;lich&shy;keit reflek&shy;tiert werden soll? Auch über diese grund&shy;begriff&shy;lichen Fragen lässt sich aus&shy;giebig und kontro&shy;vers disku&shy;tieren. Poten&shy;ziert wird dieser Sach&shy;verhalt durch die Tat&shy;sache, dass es sich bei der Idee einer allge&shy;meinen Bild&shy;wissen&shy;schaft um ein rela&shy;tiv junges aka&shy;demi&shy;sches Unter&shy;fangen handelt. Die „bild&shy;wissen&shy;schaft&shy;liche Forschungs&shy;situa&shy;tion“, notiert etwa Klaus Sachs-Hombach, befindet sich „insge&shy;samt“ in einem „vor&shy;para&shy;digma&shy;tischen Stadium“ (<bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>: S. 12f.). Aus dem Faktum, dass die Klärung dessen, was den Kern des Bild&shy;begriffs ausmacht, nicht ohne Weite&shy;res herbei&shy;geführt werden kann,<ref>Nicht um&shy;sonst trägt ei&shy;ne der meist&shy;zi&shy;tier&shy;ten bild&shy;wis&shy;sen&shy;schaft&shy;li&shy;chen An&shy;tho&shy;lo&shy;gien den Ti&shy;tel «Was ist ein Bild?» (vgl. <bib id='Boehm 1994c'></bib>) – ei&shy;ne Fra&shy;ge, die in den da&shy;rin ver&shy;sam&shy;mel&shy;ten Bei&shy;trä&shy;gen mit&shy;nich&shy;ten ein&shy;stim&shy;mig be&shy;ant&shy;wor&shy;tet wird und viel&shy;leicht ge&shy;ra&shy;de des&shy;halb zu wei&shy;ter&shy;füh&shy;ren&shy;den Stu&shy;dien zur all&shy;ge&shy;mei&shy;nen Bild&shy;er&shy;fra&shy;ge ani&shy;mie&shy;ren soll&shy;te.</ref> folgt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Suche nach allge&shy;meinen Grund&shy;begriffen des Bild&shy;lichen bei Weitem nicht abge&shy;schlossen ist.
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=====Auf der Suche nach den Elementen einer allgemeinen Bildtheorie=====
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==Auf der Suche nach den Elementen einer allge&shy;meinen Bild&shy;theorie==
Dass sich im Rahmen der intensiv geführten jüngeren bildwissenschaftlichen Debatte kein Begriffsrepertoire herausbilden konnte, welches zur Untersuchung grundlagentheoretischer Bildreflexionen herangezogen werden könnte, lässt sich unterdessen nicht behaupten. Auch wenn über die methodischen und disziplinären Fundamente einer allgemeinen Bildwissenschaft noch in vielen Punkten keine weitreichende Einigkeit erzielt werden konnte, sind durchaus Konzepte und Begrifflichkeiten in Umlauf gekommen, die theorieübergreifend als bildwissenschaftliche ''termini technici'' Anerkennung gefunden haben. Auch stimmen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Fach- und Theorierichtungen häufig darin überein, welche Phänomene und Begriffe zur Eingrenzung der Kategorie der Bildlichkeit eingehend zu analysieren sind.
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Dass sich im Rahmen der intensiv geführ&shy;ten jüngeren bild&shy;wissen&shy;schaft&shy;lichen Debat&shy;te kein Begriffs&shy;reper&shy;toire heraus&shy;bilden konnte, welches zur Unter&shy;suchung grund&shy;lagen&shy;theore&shy;tischer Bildre&shy;flexio&shy;nen heran&shy;gezogen werden könnte, lässt sich unter&shy;dessen nicht behaup&shy;ten. Auch wenn über die metho&shy;dischen und dis&shy;zipli&shy;nären Funda&shy;mente einer allge&shy;meinen Bild&shy;wissen&shy;schaft noch in vielen Punkten keine weit&shy;reichen&shy;de Einig&shy;keit erzielt werden konnte, sind durch&shy;aus Konzep&shy;te und Begriff&shy;lichkei&shy;ten in Umlauf gekom&shy;men, die theorie&shy;übergrei&shy;fend als bild&shy;wissen&shy;schaft&shy;liche ''termini technici'' Aner&shy;kennung gefun&shy;den haben. Auch stimmen Vertre&shy;terin&shy;nen und Vertre&shy;ter unter&shy;schiedlich&shy;ster Fach- und Theorie&shy;richtun&shy;gen häufig darin über&shy;ein, welche Phäno&shy;mene und Begrif&shy;fe zur Eingren&shy;zung der Kate&shy;gorie der Bild&shy;lich&shy;keit einge&shy;hend zu ana&shy;lysieren sind.
 
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Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bildlichkeit stets in einem Spannungsfeld von [[Absenz und Präsenz]] steht. Was auf einem Bild zu sehen ist, wird häufig als eine artifizielle „Anwesenheit ohne Gegenwart“ (<bib id='Mersch 2002a'></bib>: S. 70) charakterisiert.<ref>Vgl. hierzu vor allem <bib id='Wiesing 2005a'></bib>.</ref> Bildern wird auf diese Weise eine gewisse [[Evidenz, visuelle/ikonische|visuelle bzw. ikonische Evidenz]] zugesprochen, die in manchen Bildtheorien nicht nur in einem metaphorischen Sinne als phantomhaft oder [[Phantasma|phantasmatisch]] beschrieben wird.
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Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bild&shy;lich&shy;keit stets in einem Spannungs&shy;feld von [[Absenz und Präsenz]] steht. Was auf einem Bild zu [[sehen]] ist, wird häufig als eine arti&shy;fiziel&shy;le „Anwe&shy;senheit ohne Gegen&shy;wart“ (<bib id='Mersch 2002a'></bib>: S. 70) charak&shy;teri&shy;siert.<ref>Vgl. hier&shy;zu vor allem <bib id='Wiesing 2005a'></bib>.</ref> Bildern wird auf diese Weise eine gewis&shy;se [[Evidenz, visuelle/ikonische|visu&shy;elle bzw. iko&shy;nische Evi&shy;denz]] zuge&shy;sprochen, die in manchen Bild&shy;theorien nicht nur in einem meta&shy;phori&shy;schen Sinne als phantom&shy;haft oder [[Phantasma|phantas&shy;matisch]] beschrieben wird.
 
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Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutschsprachigen Bilddebatte) das von Gottfried Boehm eingeführte Konzept der [[Differenz, ikonische/pikturale|ikonischen Differenz]] auf (vgl. <bib id='Boehm 1994a'></bib>; <bib id='Boehm 2011a'></bib>). Reflektiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bildliche Sinneinheiten allererst in bzw. auf einer als Bildgrund fungierenden „überschaubaren Gesamtfläche“ (<bib id='Boehm 1994a'></bib>: S. 30) in Erscheinung treten können. In diesem Zusammenhang wird auch häufig darauf hingewiesen, dass Bildlichkeit mit einer deiktischen Doppelstruktur korreliert. Bilder ''zeigen'' demnach nicht einfach nur ''etwas'', worauf in spezifisch ikonischer Weise Bezug genommen wird; vielmehr ''zeigen'' sie immer auch ''sich'' mitsamt ihrer „materielle[n] Faktizität“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: S. 61) ([[Zeigen und Sich-Zeigen]]). Oder anders gesagt: „Zwar erzeugen Bilder Sichtbarkeiten – nämlich jene Formen, die Objekte bedeuten können –, im selben Moment aber stellen sie sich selbst als etwas Materielles aus, das wiederum nicht mit der Bedeutung kongruent ist.“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: ebd.)
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Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutsch&shy;sprachigen Bild&shy;debatte) das von Gott&shy;fried Boehm einge&shy;führte Konzept der [[Ikonische Differenz|iko&shy;nischen Diffe&shy;renz]] auf (vgl. <bib id='Boehm 1994a'></bib>; <bib id='Boehm 2011a'></bib>). Reflek&shy;tiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bild&shy;liche Sinn&shy;einhei&shy;ten aller&shy;erst in bzw. auf einer als Bild&shy;grund fungie&shy;renden „über&shy;schauba&shy;ren Gesamt&shy;fläche“ (<bib id='Boehm 1994a'></bib>: S. 30) in Erschei&shy;nung treten können. In diesem Zusam&shy;menhang wird auch häufig darauf hinge&shy;wiesen, dass Bild&shy;lich&shy;keit mit einer deik&shy;tischen Doppel&shy;struktur korreliert. Bilder ''zeigen'' demnach nicht einfach nur ''etwas'', worauf in spezi&shy;fisch iko&shy;nischer Weise Bezug genom&shy;men wird; vielmehr ''zeigen'' sie immer auch ''sich'' mitsamt ihrer „materielle[n] Faktizität“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: S. 61; ⊳ [[Zeigen und Sich-Zeigen]]). Oder anders gesagt: „Zwar erzeu&shy;gen Bilder Sicht&shy;barkei&shy;ten – nämlich jene Formen, die Objekte bedeu&shy;ten können –, im selben Moment aber stellen sie sich selbst als etwas Mate&shy;rielles aus, das wiederum nicht mit der Bedeu&shy;tung kongruent ist.“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: ebd.).
 
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Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tatsache, dass das ''Was'' einer bildlichen Darstellung insofern immerzu [[Stil|stilistisch]] präfiguriert ist, als jede Darstellung durchweg mit einer bestimmten Darstellungs''weise'' – einem eigentümlichen ''Wie'' des bildlich Sichtbaren einhergeht. Dass der fundamentale Stilcharakter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phänomenen der [[Rahmung, Rahmen|Rahmung]] zusammensteht, in deren Grenzen Sichtbarkeit sich ''als bildliche'' überhaupt zu konstituieren vermag, umschreibt dabei keinesfalls eine belanglose Trivialität, sondern einen Sachstand, der für die grundbegriffliche Konturierung einer allgemeinen Bildwissenschaft von größter Bedeutung ist.
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Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tat&shy;sache, dass das ''Was'' einer bild&shy;lichen Darstel&shy;lung inso&shy;fern immerzu [[Stil|stilis&shy;tisch]] präfi&shy;guriert ist, als jede Darstel&shy;lung durchweg mit einer bestimm&shy;ten Dar&shy;stellungs&shy;''weise'' – einem eigen&shy;tümli&shy;chen ''Wie'' des bildlich Sicht&shy;baren einher&shy;geht (vgl. <bib id='Schürmann 2012b'></bib>). Dass der funda&shy;mentale Stil&shy;charak&shy;ter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phäno&shy;menen der [[Rahmung, Rahmen|Rahmung]] zusam&shy;mensteht, in deren Grenzen Sicht&shy;barkeit sich ''als bildliche'' über&shy;haupt zu konsti&shy;tuie&shy;ren vermag, umschreibt dabei keines&shy;falls eine belang&shy;lose Trivia&shy;lität, sondern einen Sach&shy;stand, der für die grundbe&shy;griff&shy;liche Kontu&shy;rierung einer allge&shy;meinen Bild&shy;wissen&shy;schaft von größter Bedeu&shy;tung ist (vgl. <bib id='Schürmann 2012a'></bib>).
 
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Auch dem Begriff des [[Theorien des Bildraums|Raums]] kommt in der bildwissenschaftlichen Forschungsdebatte zunehmend ein besonderer Stellenwert zu. Dass die Medialität des Bildes wesentlich raumbestimmt ist, ist spätestens seit Lessings ''Laokoon'' ein prägnanter bildtheoretischer Topos (vgl. <bib id='Lessing 1974a'></bib>), doch wird dieser erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit vor dem Hintergrund neuerer Bildtheorien weiterführend und kritisch aufgegriffen (vgl. <bib id='Günzel 2012a'></bib>). Reflektiert wird in diesem Kontext etwa die Frage, auf welche Weise es Bildern gelingt, Raum darzustellen bzw. zu konstruieren. Dieses Problem wird nicht nur auf technischem Wege untersucht (beispielsweise über die Rekonstruktion der dem zentralperspektivischen Darstellungsverfahren zugrunde liegenden Gesetze, die bereits seit Jahrhunderten bekannt sind), sondern gerade auch wahrnehmungsphilosophisch. Verbreitet ist hier vor allem der Versuch, auf phänomenologischer Basis die Differenzen zwischen der Wahrnehmung bildlicher Raumkonstellationen und solchen nicht-bildlicher Natur in Erfahrung zu bringen. Diese Vorgehensweise gründet auf folgender Hoffnung: Wird verstanden, inwieweit sich die Wahrnehmung eines Bildes von der eines gewöhnlichen Raumdings unterscheidet, lassen sich so generalisierbare Rückschlüsse über die Natur sowohl der Bild- als auch der Normalwahrnehmung gewinnen, die für die Formulierung einer allgemeinen Theorie des Bildes als unerlässlich gewertet werden können (vgl. <bib id='Wiesing 2009a'></bib>).
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Auch dem Begriff des [[Theorien des Bildraums|Raums]] kommt in der bild&shy;wissen&shy;schaft&shy;lichen Forschungs&shy;debatte zuneh&shy;mend ein beson&shy;derer Stellen&shy;wert zu. Dass die Media&shy;lität des Bildes wesent&shy;lich raum&shy;bestimmt ist, ist spätestens seit Lessings «Laokoon» ein prägnan&shy;ter bildt&shy;heoreti&shy;scher Topos (vgl. <bib id='Lessing 1974a'></bib>), doch wird dieser erst seit verhält&shy;nismäßig kurzer Zeit vor dem Hinter&shy;grund neue&shy;rer Bild&shy;theorien weiter&shy;führend und kritisch aufge&shy;griffen (vgl. <bib id='Günzel 2012a'></bib>). Reflek&shy;tiert wird in diesem Kontext etwa die Frage, auf welche Weise es Bildern gelingt, Raum darzu&shy;stellen bzw. zu konstru&shy;ieren. Dieses Problem wird nicht nur auf techni&shy;schem Wege unter&shy;sucht (beispiels&shy;weise über die Re&shy;konstruk&shy;tion der dem zentral&shy;perspek&shy;tivi&shy;schen Dar&shy;stellungs&shy;verfah&shy;ren zugrunde liegen&shy;den Gesetze, die bereits seit Jahr&shy;hunder&shy;ten bekannt sind), sondern gerade auch wahr&shy;nehmungs&shy;philoso&shy;phisch. Verbrei&shy;tet ist hier vor allem der Versuch, auf phäno&shy;meno&shy;logischer Basis die Diffe&shy;renzen zwischen der Wahr&shy;nehmung bild&shy;licher Raum&shy;konstel&shy;latio&shy;nen und solchen nicht-bild&shy;licher Natur in Erfah&shy;rung zu bringen (⊳ [[Bildwahrnehmung vs. Objektwahrnehmung]]). Diese Vor&shy;gehens&shy;weise gründet auf folgen&shy;der Hoff&shy;nung: Wird verstan&shy;den, inwie&shy;weit sich die Wahr&shy;nehmung eines Bildes von der eines gewöhn&shy;lichen Raum&shy;dings unter&shy;scheidet, lassen sich so gene&shy;rali&shy;sierba&shy;re Rück&shy;schlüsse über die Natur sowohl der Bild- als auch der Normal&shy;wahrneh&shy;mung gewin&shy;nen, die für die Formu&shy;lierung einer allge&shy;meinen Theorie des Bildes als uner&shy;lässlich gewertet werden können (vgl. <bib id='Wiesing 2009a'></bib>).
 
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Grundbegriffliche Forschungsfragen stellen sich schließlich auch in Bezug auf Themenbereiche ein, die zumindest auf den ersten Blick eher in einem erweiterten Sinne mit der Kategorie der Bildlichkeit in Zusammenhang stehen. Dies betrifft zum Beispiel die philosophische Erörterung des ''[[Weltbild, Lebensform|Weltbild]]''-Begriffs. Im alltäglichen Sprachgebrauch assoziiert man mit diesem Begriff für gewöhnlich eine in sich geschlossene Geisteshaltung, die auf persönlicher oder kollektiver Ebene mit einer bestimmten Mentalität oder Ideologie verwoben ist. In der Philosophie kommt ihm insbesondere in perspektivistischen Erkenntnistheorien ein zentraler Stellenwert zu. Spätestens seit Kant wird der Prozess der Erkenntnis als eine geistige Aktivität verstanden, in der weltliche Gegenstände und Sachverhalte keineswegs passiv ''abgebildet'', sondern vielmehr tätig ''gestiftet'' werden. Unter anderem der Kulturphilosoph Ernst Cassirer hat in diesem Zusammenhang häufig von einer „ursprünglichen Bildkraft“ (<bib id='Cassirer 1923a'></bib>: S. 21) des Geistes geredet, die mit der Konstruktion von spezifischen „Weltbildern“ kulminiere (vgl. <bib id='Cassirer 1925a'></bib>: S. 39). Das Ereignis der Erkenntnisgewinnung wird hier als ein grundsätzlich plastischer (d.h. stets veränderlicher) Prozess der ''Bildung'' von Welten angesehen, die in ähnlicher Form auf einer schöpferischen Tätigkeit des Geistes beruhen, wie dies bei der Erstellung eines materiellen Bildwerkes der Fall ist. Die ausdrückliche Rede von ''Weltbildern'' ist in diesem Kontext in vielen Punkten freilich metaphorisch zu verstehen. Nichtsdestotrotz spiegelt sich in ihr die keinesfalls nur in einem übertragenen Sinne zu begreifende Auffassung wider, wonach unser Wissen von und über Welt ähnlich perspektivisch zugeschnitten ist wie die Sichtbarkeitsgebilde bildlicher Artefakte.
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Grundbegriffliche Forschungs&shy;fragen stellen sich schließlich auch in Bezug auf Themen&shy;bereiche ein, die zumindest auf den ersten Blick eher in einem erwei&shy;terten Sinne mit der Kate&shy;gorie der Bild&shy;lich&shy;keit in Zusam&shy;menhang stehen. Dies betrifft zum Bei&shy;spiel die philo&shy;sophische Erör&shy;terung des ''[[Weltbild, Lebensform|Welt&shy;bild]]''-Begriffs. Im alltäg&shy;lichen Sprach&shy;gebrauch asso&shy;ziiert man mit diesem Ausdruck für gewöhnlich eine in sich geschlos&shy;sene Geistes&shy;haltung, die auf persön&shy;licher oder kollek&shy;tiver Ebene mit einer bestimm&shy;ten Menta&shy;lität oder Ideo&shy;logie verwo&shy;ben ist. In der Philo&shy;sophie kommt ihm insbe&shy;sondere in perspek&shy;tivisti&shy;schen Erkennt&shy;nistheo&shy;rien ein zentra&shy;ler Stellen&shy;wert zu. Spä&shy;testens seit Kant wird der Prozess der Erkenn&shy;tnis als eine geisti&shy;ge Akti&shy;vität verstan&shy;den, in der welt&shy;liche Gegen&shy;stände und Sach&shy;verhalte keines&shy;wegs passiv ''abge&shy;bildet'', sondern vielmehr tätig ''gestif&shy;tet'' werden. Unter ande&shy;rem der Kultur&shy;philo&shy;soph Ernst Cassi&shy;rer hat in diesem Zusam&shy;menhang häufig von einer „ursprüng&shy;lichen Bild&shy;kraft“ (<bib id='Cassirer 1923a'></bib>: S. 21) des Geistes gere&shy;det, die mit der Konstruk&shy;tion von spezi&shy;fischen „Welt&shy;bildern“ kulmi&shy;niere (vgl. <bib id='Cassirer 1925a'></bib>: S. 39). Das Ereig&shy;nis der Erkennt&shy;nisge&shy;winnung wird hier als ein grund&shy;sätzlich plasti&shy;scher (d.h. stets ver&shy;änder&shy;licher) Prozess der ''[[Bildung]]'' von Welten ange&shy;sehen, die in ähn&shy;licher Form auf einer schöpfe&shy;rischen Tätig&shy;keit des Geistes beru&shy;hen, wie dies bei der Erstel&shy;lung eines mate&shy;riellen Bild&shy;werkes der Fall ist. Die aus&shy;drückli&shy;che Rede von ''Welt&shy;bildern'' ist in diesem Kontext in vielen Punkten frei&shy;lich meta&shy;phorisch zu verste&shy;hen. Nichts&shy;desto&shy;trotz spiegelt sich in ihr die keines&shy;falls nur in einem über&shy;trage&shy;nen Sinne zu begrei&shy;fende Auffas&shy;sung wider, wonach unser Wissen von und über Welt ähn&shy;lich Perspektivik|perspek&shy;tivisch zuge&shy;schnitten ist wie die Sicht&shy;barkeits&shy;gebilde bild&shy;licher Arte&shy;fakte.
 
 
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<!--Anmerkung zwischen <ref> und </ref> im laufenden Text-->
 
<!--Literaturverweise im laufenden Text <bib id='Jonas 61a'>Jonas 1961</bib> -->
 
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<!--  ... (siehe Links in Bibliographie-Box -->
 
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* [[Absenz und Präsenz]]
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* [[Hilfe:Entschuldigung1|Absenz und Präsenz -]]
* [[Differenz, ikonische/pikturale]]
 
 
* [[Evidenz, visuelle/ikonische]]
 
* [[Evidenz, visuelle/ikonische]]
* [[Phantasma]]
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* [[Ikonische Differenz]]
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* [[Hilfe:Entschuldigung1|Narrativität -]]
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* [[Hilfe:Entschuldigung1|Phantasma -]]
 
* [[Rahmung, Rahmen]]
 
* [[Rahmung, Rahmen]]
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* [[Sehen]]
 
* [[Stil]]
 
* [[Stil]]
 
* [[Theorien des Bildraums]]
 
* [[Theorien des Bildraums]]
 
* [[Weltbild, Lebensform]]
 
* [[Weltbild, Lebensform]]
* [[Zeigen und Sich-Zeigen]]
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* [[Hilfe:Entschuldigung1|Zeigen und Sich-Zeigen -]]
  
 
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[[Benutzer:Eva Schürmann ‎|Eva Schürmann ‎]]
 
 
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Aktuelle Version vom 28. November 2019, 23:28 Uhr

Hauptpunkt zu: Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen


Der vorparadigmatische Zustand der Bild­wissen­schaft

Eine sich neu konstituierende Wissenschafts­diszi­plin ist in der Regel zunächst damit beschäf­tigt, ihren Gegen­standsbe­reich zu bestim­men. Bereits dieser Arbeits­schritt lässt sich für gewöhn­lich nicht voll­kommen problem­los bewäl­tigen. Über die Frage, wie weit der Gegen­stands­bereich einer Dis­ziplin zu reichen habe, werden häufig kontro­verse grund­lagentheore­tische Debat­ten geführt. Viele dieser Debat­ten gründen auf dem Umstand, dass der Begriff, der einer Wissen­schafts­disziplin ihren Namen gibt, in der Regel nicht schon von sich aus Auf­schluss über die konkreten Phäno­mene gibt, auf die er sich bezieht.

Am Beispiel der Bild­wissen­schaft lässt sich dieser Sach­verhalt gut vor Augen führen. Begriff­lich ist hier völlig unstrittig, dass die Unter­suchung von Bildphäno­menen im Zentrum der wissen­schaft­lichen Auf­merk­samkeit steht. Weitaus weniger unkontro­vers ist jedoch, welcher Phäno­menbe­reich genau von einer Bild­wissen­schaft histo­risch wie syste­matisch über­blickt werden sollte. Soll sich die Bild­wissen­schaft nur solchen Phäno­menen zuwenden, die einem engeren Bild­begriff entspre­chen (Gemä­lde, Zeich­nungen, Foto­grafien usw.); oder sind auch andere Phäno­mene gleich­berech­tigt zu berück­sichti­gen, die weite­re mediale Re­gister umfassen, welche aus konven­tionel­ler Sicht eher nur mittel­bar mit Facet­ten des Bild­lichen zusammen­hängen (z.B. Dia­gramme, Orna­mente, Kalli­grafie, Schrift­bilder)? Allei­ne über diese grund­legen­de Frage lassen sich Diskus­sionen führen, die in aus­formu­lierter Form ganze Bücher­regale füllen.

Ein ähnlicher Sach­verhalt lässt sich im Hinblick auf die Frage feststellen, welche Gesichts­punkte als elemen­tare Bestand­teile einer allge­meinen Theorie des Bildes zu gelten haben. Genauer gefragt: Welche Aspekte des Iko­nischen lassen sich zu Grund­begrif­fen des Bild­lichen verdich­ten? Welche Fak­toren sind unbe­dingt zu berück­sichti­gen, wenn theore­tisch konzise und adä­quat über das Phäno­men der Bild­lich­keit reflek­tiert werden soll? Auch über diese grund­begriff­lichen Fragen lässt sich aus­giebig und kontro­vers disku­tieren. Poten­ziert wird dieser Sach­verhalt durch die Tat­sache, dass es sich bei der Idee einer allge­meinen Bild­wissen­schaft um ein rela­tiv junges aka­demi­sches Unter­fangen handelt. Die „bild­wissen­schaft­liche Forschungs­situa­tion“, notiert etwa Klaus Sachs-Hombach, befindet sich „insge­samt“ in einem „vor­para­digma­tischen Stadium“ ([Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003).
Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem.

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: S. 12f.). Aus dem Faktum, dass die Klärung dessen, was den Kern des Bild­begriffs ausmacht, nicht ohne Weite­res herbei­geführt werden kann,[1] folgt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Suche nach allge­meinen Grund­begriffen des Bild­lichen bei Weitem nicht abge­schlossen ist.


Auf der Suche nach den Elementen einer allge­meinen Bild­theorie

Dass sich im Rahmen der intensiv geführ­ten jüngeren bild­wissen­schaft­lichen Debat­te kein Begriffs­reper­toire heraus­bilden konnte, welches zur Unter­suchung grund­lagen­theore­tischer Bildre­flexio­nen heran­gezogen werden könnte, lässt sich unter­dessen nicht behaup­ten. Auch wenn über die metho­dischen und dis­zipli­nären Funda­mente einer allge­meinen Bild­wissen­schaft noch in vielen Punkten keine weit­reichen­de Einig­keit erzielt werden konnte, sind durch­aus Konzep­te und Begriff­lichkei­ten in Umlauf gekom­men, die theorie­übergrei­fend als bild­wissen­schaft­liche termini technici Aner­kennung gefun­den haben. Auch stimmen Vertre­terin­nen und Vertre­ter unter­schiedlich­ster Fach- und Theorie­richtun­gen häufig darin über­ein, welche Phäno­mene und Begrif­fe zur Eingren­zung der Kate­gorie der Bild­lich­keit einge­hend zu ana­lysieren sind.

Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bild­lich­keit stets in einem Spannungs­feld von Absenz und Präsenz steht. Was auf einem Bild zu sehen ist, wird häufig als eine arti­fiziel­le „Anwe­senheit ohne Gegen­wart“ ([Mersch 2002a]Mersch, Dieter (2002).
Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: Wilhelm Fink Verlag.

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: S. 70) charak­teri­siert.[2] Bildern wird auf diese Weise eine gewis­se visu­elle bzw. iko­nische Evi­denz zuge­sprochen, die in manchen Bild­theorien nicht nur in einem meta­phori­schen Sinne als phantom­haft oder phantas­matisch beschrieben wird.
Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutsch­sprachigen Bild­debatte) das von Gott­fried Boehm einge­führte Konzept der iko­nischen Diffe­renz auf (vgl. [Boehm 1994a]Boehm, Gottfried (1994).
Die Wiederkehr der Bilder. München: Fink.

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; [Boehm 2011a]Literaturangabe fehlt.
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). Reflek­tiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bild­liche Sinn­einhei­ten aller­erst in bzw. auf einer als Bild­grund fungie­renden „über­schauba­ren Gesamt­fläche“ ([Boehm 1994a]Boehm, Gottfried (1994).
Die Wiederkehr der Bilder. München: Fink.

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: S. 30) in Erschei­nung treten können. In diesem Zusam­menhang wird auch häufig darauf hinge­wiesen, dass Bild­lich­keit mit einer deik­tischen Doppel­struktur korreliert. Bilder zeigen demnach nicht einfach nur etwas, worauf in spezi­fisch iko­nischer Weise Bezug genom­men wird; vielmehr zeigen sie immer auch sich mitsamt ihrer „materielle[n] Faktizität“ ([Finke 2007a]Literaturangabe fehlt.
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: S. 61; ⊳ Zeigen und Sich-Zeigen). Oder anders gesagt: „Zwar erzeu­gen Bilder Sicht­barkei­ten – nämlich jene Formen, die Objekte bedeu­ten können –, im selben Moment aber stellen sie sich selbst als etwas Mate­rielles aus, das wiederum nicht mit der Bedeu­tung kongruent ist.“ ([Finke 2007a]Literaturangabe fehlt.
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: ebd.).

Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tat­sache, dass das Was einer bild­lichen Darstel­lung inso­fern immerzu stilis­tisch präfi­guriert ist, als jede Darstel­lung durchweg mit einer bestimm­ten Dar­stellungs­weise – einem eigen­tümli­chen Wie des bildlich Sicht­baren – einher­geht (vgl. [Schürmann 2012b]Literaturangabe fehlt.
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). Dass der funda­mentale Stil­charak­ter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phäno­menen der Rahmung zusam­mensteht, in deren Grenzen Sicht­barkeit sich als bildliche über­haupt zu konsti­tuie­ren vermag, umschreibt dabei keines­falls eine belang­lose Trivia­lität, sondern einen Sach­stand, der für die grundbe­griff­liche Kontu­rierung einer allge­meinen Bild­wissen­schaft von größter Bedeu­tung ist (vgl. [Schürmann 2012a]Literaturangabe fehlt.
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).

Auch dem Begriff des Raums kommt in der bild­wissen­schaft­lichen Forschungs­debatte zuneh­mend ein beson­derer Stellen­wert zu. Dass die Media­lität des Bildes wesent­lich raum­bestimmt ist, ist spätestens seit Lessings «Laokoon» ein prägnan­ter bildt­heoreti­scher Topos (vgl. [Lessing 1974a]Lessing, Gotthold Ephraim (1974).
Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie.
In Werke, Bd. 6, 7-187, Erstveröffentlichung 1766.

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), doch wird dieser erst seit verhält­nismäßig kurzer Zeit vor dem Hinter­grund neue­rer Bild­theorien weiter­führend und kritisch aufge­griffen (vgl. [Günzel 2012a]Literaturangabe fehlt.
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). Reflek­tiert wird in diesem Kontext etwa die Frage, auf welche Weise es Bildern gelingt, Raum darzu­stellen bzw. zu konstru­ieren. Dieses Problem wird nicht nur auf techni­schem Wege unter­sucht (beispiels­weise über die Re­konstruk­tion der dem zentral­perspek­tivi­schen Dar­stellungs­verfah­ren zugrunde liegen­den Gesetze, die bereits seit Jahr­hunder­ten bekannt sind), sondern gerade auch wahr­nehmungs­philoso­phisch. Verbrei­tet ist hier vor allem der Versuch, auf phäno­meno­logischer Basis die Diffe­renzen zwischen der Wahr­nehmung bild­licher Raum­konstel­latio­nen und solchen nicht-bild­licher Natur in Erfah­rung zu bringen (⊳ Bildwahrnehmung vs. Objektwahrnehmung). Diese Vor­gehens­weise gründet auf folgen­der Hoff­nung: Wird verstan­den, inwie­weit sich die Wahr­nehmung eines Bildes von der eines gewöhn­lichen Raum­dings unter­scheidet, lassen sich so gene­rali­sierba­re Rück­schlüsse über die Natur sowohl der Bild- als auch der Normal­wahrneh­mung gewin­nen, die für die Formu­lierung einer allge­meinen Theorie des Bildes als uner­lässlich gewertet werden können (vgl. [Wiesing 2009a]Wiesing, Lambert (2009).
Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag.

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).
Grundbegriffliche Forschungs­fragen stellen sich schließlich auch in Bezug auf Themen­bereiche ein, die zumindest auf den ersten Blick eher in einem erwei­terten Sinne mit der Kate­gorie der Bild­lich­keit in Zusam­menhang stehen. Dies betrifft zum Bei­spiel die philo­sophische Erör­terung des Welt­bild-Begriffs. Im alltäg­lichen Sprach­gebrauch asso­ziiert man mit diesem Ausdruck für gewöhnlich eine in sich geschlos­sene Geistes­haltung, die auf persön­licher oder kollek­tiver Ebene mit einer bestimm­ten Menta­lität oder Ideo­logie verwo­ben ist. In der Philo­sophie kommt ihm insbe­sondere in perspek­tivisti­schen Erkennt­nistheo­rien ein zentra­ler Stellen­wert zu. Spä­testens seit Kant wird der Prozess der Erkenn­tnis als eine geisti­ge Akti­vität verstan­den, in der welt­liche Gegen­stände und Sach­verhalte keines­wegs passiv abge­bildet, sondern vielmehr tätig gestif­tet werden. Unter ande­rem der Kultur­philo­soph Ernst Cassi­rer hat in diesem Zusam­menhang häufig von einer „ursprüng­lichen Bild­kraft“ ([Cassirer 1923a]Cassirer, Ernst (1923).
Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache. Berlin: Bruno Cassirer.

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: S. 21) des Geistes gere­det, die mit der Konstruk­tion von spezi­fischen „Welt­bildern“ kulmi­niere (vgl. [Cassirer 1925a]Cassirer, Ernst (1925).
Philosophie der symbolischen Formen. Zweiter Teil: Das mythische Denken. Berlin: Bruno Cassirer Verlag.

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: S. 39). Das Ereig­nis der Erkennt­nisge­winnung wird hier als ein grund­sätzlich plasti­scher (d.h. stets ver­änder­licher) Prozess der Bildung von Welten ange­sehen, die in ähn­licher Form auf einer schöpfe­rischen Tätig­keit des Geistes beru­hen, wie dies bei der Erstel­lung eines mate­riellen Bild­werkes der Fall ist. Die aus­drückli­che Rede von Welt­bildern ist in diesem Kontext in vielen Punkten frei­lich meta­phorisch zu verste­hen. Nichts­desto­trotz spiegelt sich in ihr die keines­falls nur in einem über­trage­nen Sinne zu begrei­fende Auffas­sung wider, wonach unser Wissen von und über Welt ähn­lich Perspektivik|perspek­tivisch zuge­schnitten ist wie die Sicht­barkeits­gebilde bild­licher Arte­fakte.
Anmerkungen
  1. Nicht um­sonst trägt ei­ne der meist­zi­tier­ten bild­wis­sen­schaft­li­chen An­tho­lo­gien den Ti­tel «Was ist ein Bild?» (vgl. [Boehm 1994c]Boehm, Gottfried (1994).
    Was ist ein Bild?. München: Wilhelm Fink Verlag.

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    ) – ei­ne Fra­ge, die in den da­rin ver­sam­mel­ten Bei­trä­gen mit­nich­ten ein­stim­mig be­ant­wor­tet wird und viel­leicht ge­ra­de des­halb zu wei­ter­füh­ren­den Stu­dien zur all­ge­mei­nen Bild­er­fra­ge ani­mie­ren soll­te.
  2. Vgl. hier­zu vor allem [Wiesing 2005a]Wiesing, Lambert (2005).
    Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag.

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    .
Literatur                             [Sammlung]

[Boehm 1994a]: Boehm, Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. München: Fink.

[Boehm 1994c]: Boehm, Gottfried (1994). Was ist ein Bild?. München: Wilhelm Fink Verlag. [Boehm 2011a]:
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[Cassirer 1923a]: Cassirer, Ernst (1923). Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache. Berlin: Bruno Cassirer. [Cassirer 1925a]: Cassirer, Ernst (1925). Philosophie der symbolischen Formen. Zweiter Teil: Das mythische Denken. Berlin: Bruno Cassirer Verlag. [Finke 2007a]:
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[Günzel 2012a]:
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[Lessing 1974a]: Lessing, Gotthold Ephraim (1974). Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. In: Göpfert, H. G. (Hg.): Werke, Bd. 6. München: Hanser, S. 7-187, Erstveröffentlichung 1766. [Mersch 2002a]: Mersch, Dieter (2002). Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: Wilhelm Fink Verlag. [Sachs-Hombach 2003a]: Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. [Schürmann 2012a]:
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[Schürmann 2012b]:
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[Wiesing 2005a]: Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag. [Wiesing 2009a]: Wiesing, Lambert (2009). Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [35], Mark A. Halawa [20], Eva Schürmann [8] und Sebastian Spanknebel [3] — (Hinweis)