Grundbegriffe der Bildlichkeit: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Eine sich neu konstituierende | + | ==Der vorparadigmatische Zustand der Bild­wissen­schaft== |
+ | Eine sich neu konstituierende Wissenschafts­diszi­plin ist in der Regel zunächst damit beschäf­tigt, ihren Gegen­standsbe­reich zu bestim­men. Bereits dieser Arbeits­schritt lässt sich für gewöhn­lich nicht voll­kommen problem­los bewäl­tigen. Über die Frage, wie weit der Gegen­stands­bereich einer Dis­ziplin zu reichen habe, werden häufig kontro­verse [[Bildtheorie/Bildwissenschaft/Bildkritik|grund­lagentheore­tische Debat­ten]] geführt. Viele dieser Debat­ten gründen auf dem Umstand, dass der ''Begriff'', der einer Wissen­schafts­disziplin ihren Namen gibt, in der Regel nicht schon von sich aus Auf­schluss über die konkreten ''Phäno­mene'' gibt, auf die er sich bezieht. | ||
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− | Am Beispiel der | + | Am Beispiel der Bild­wissen­schaft lässt sich dieser Sach­verhalt gut vor Augen führen. Begriff­lich ist hier völlig unstrittig, dass die Unter­suchung von ''Bild''phäno­menen im Zentrum der wissen­schaft­lichen Auf­merk­samkeit steht. Weitaus weniger unkontro­vers ist jedoch, welcher Phäno­menbe­reich genau von einer Bild­wissen­schaft histo­risch wie syste­matisch über­blickt werden sollte. Soll sich die Bild­wissen­schaft nur solchen Phäno­menen zuwenden, die einem engeren Bild­begriff entspre­chen (Gemä­lde, Zeich­nungen, Foto­grafien usw.); oder sind auch andere Phäno­mene gleich­berech­tigt zu berück­sichti­gen, die weite­re mediale Re­gister umfassen, welche aus konven­tionel­ler Sicht eher nur mittel­bar mit Facet­ten des Bild­lichen zusammen­hängen (z.B. Dia­gramme, Orna­mente, Kalli­grafie, Schrift­bilder)? Allei­ne über diese grund­legen­de Frage lassen sich Diskus­sionen führen, die in aus­formu­lierter Form ganze Bücher­regale füllen. |
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+ | Ein ähnlicher Sach­verhalt lässt sich im Hinblick auf die Frage feststellen, welche Gesichts­punkte als elemen­tare Bestand­teile einer allge­meinen Theorie des Bildes zu gelten haben. Genauer gefragt: Welche Aspekte des Iko­nischen lassen sich zu Grund­begrif­fen des Bild­lichen verdich­ten? Welche Fak­toren sind unbe­dingt zu berück­sichti­gen, wenn theore­tisch konzise und adä­quat über das Phäno­men der Bild­lich­keit reflek­tiert werden soll? Auch über diese grund­begriff­lichen Fragen lässt sich aus­giebig und kontro­vers disku­tieren. Poten­ziert wird dieser Sach­verhalt durch die Tat­sache, dass es sich bei der Idee einer allge­meinen Bild­wissen­schaft um ein rela­tiv junges aka­demi­sches Unter­fangen handelt. Die „bild­wissen­schaft­liche Forschungs­situa­tion“, notiert etwa Klaus Sachs-Hombach, befindet sich „insge­samt“ in einem „vor­para­digma­tischen Stadium“ (<bib id='Sachs-Hombach 2003a'></bib>: S. 12f.). Aus dem Faktum, dass die Klärung dessen, was den Kern des Bild­begriffs ausmacht, nicht ohne Weite­res herbei­geführt werden kann,<ref>Nicht um­sonst trägt ei­ne der meist­zi­tier­ten bild­wis­sen­schaft­li­chen An­tho­lo­gien den Ti­tel «Was ist ein Bild?» (vgl. <bib id='Boehm 1994c'></bib>) – ei­ne Fra­ge, die in den da­rin ver­sam­mel­ten Bei­trä­gen mit­nich­ten ein­stim­mig be­ant­wor­tet wird und viel­leicht ge­ra­de des­halb zu wei­ter­füh­ren­den Stu­dien zur all­ge­mei­nen Bild­er­fra­ge ani­mie­ren soll­te.</ref> folgt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Suche nach allge­meinen Grund­begriffen des Bild­lichen bei Weitem nicht abge­schlossen ist. | ||
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− | Dass sich im Rahmen der intensiv | + | Dass sich im Rahmen der intensiv geführ­ten jüngeren bild­wissen­schaft­lichen Debat­te kein Begriffs­reper­toire heraus­bilden konnte, welches zur Unter­suchung grund­lagen­theore­tischer Bildre­flexio­nen heran­gezogen werden könnte, lässt sich unter­dessen nicht behaup­ten. Auch wenn über die metho­dischen und dis­zipli­nären Funda­mente einer allge­meinen Bild­wissen­schaft noch in vielen Punkten keine weit­reichen­de Einig­keit erzielt werden konnte, sind durch­aus Konzep­te und Begriff­lichkei­ten in Umlauf gekom­men, die theorie­übergrei­fend als bild­wissen­schaft­liche ''termini technici'' Aner­kennung gefun­den haben. Auch stimmen Vertre­terin­nen und Vertre­ter unter­schiedlich­ster Fach- und Theorie­richtun­gen häufig darin über­ein, welche Phäno­mene und Begrif­fe zur Eingren­zung der Kate­gorie der Bild­lich­keit einge­hend zu ana­lysieren sind. |
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− | Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass | + | Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bild­lich­keit stets in einem Spannungs­feld von [[Absenz und Präsenz]] steht. Was auf einem Bild zu [[sehen]] ist, wird häufig als eine arti­fiziel­le „Anwe­senheit ohne Gegen­wart“ (<bib id='Mersch 2002a'></bib>: S. 70) charak­teri­siert.<ref>Vgl. hier­zu vor allem <bib id='Wiesing 2005a'></bib>.</ref> Bildern wird auf diese Weise eine gewis­se [[Evidenz, visuelle/ikonische|visu­elle bzw. iko­nische Evi­denz]] zuge­sprochen, die in manchen Bild­theorien nicht nur in einem meta­phori­schen Sinne als phantom­haft oder [[Phantasma|phantas­matisch]] beschrieben wird. |
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− | Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der | + | Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutsch­sprachigen Bild­debatte) das von Gott­fried Boehm einge­führte Konzept der [[Ikonische Differenz|iko­nischen Diffe­renz]] auf (vgl. <bib id='Boehm 1994a'></bib>; <bib id='Boehm 2011a'></bib>). Reflek­tiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bild­liche Sinn­einhei­ten aller­erst in bzw. auf einer als Bild­grund fungie­renden „über­schauba­ren Gesamt­fläche“ (<bib id='Boehm 1994a'></bib>: S. 30) in Erschei­nung treten können. In diesem Zusam­menhang wird auch häufig darauf hinge­wiesen, dass Bild­lich­keit mit einer deik­tischen Doppel­struktur korreliert. Bilder ''zeigen'' demnach nicht einfach nur ''etwas'', worauf in spezi­fisch iko­nischer Weise Bezug genom­men wird; vielmehr ''zeigen'' sie immer auch ''sich'' mitsamt ihrer „materielle[n] Faktizität“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: S. 61; ⊳ [[Zeigen und Sich-Zeigen]]). Oder anders gesagt: „Zwar erzeu­gen Bilder Sicht­barkei­ten – nämlich jene Formen, die Objekte bedeu­ten können –, im selben Moment aber stellen sie sich selbst als etwas Mate­rielles aus, das wiederum nicht mit der Bedeu­tung kongruent ist.“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: ebd.). |
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− | Diskutiert wird in diesem Kontext oft die | + | Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tat­sache, dass das ''Was'' einer bild­lichen Darstel­lung inso­fern immerzu [[Stil|stilis­tisch]] präfi­guriert ist, als jede Darstel­lung durchweg mit einer bestimm­ten Dar­stellungs­''weise'' – einem eigen­tümli­chen ''Wie'' des bildlich Sicht­baren – einher­geht (vgl. <bib id='Schürmann 2012b'></bib>). Dass der funda­mentale Stil­charak­ter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phäno­menen der [[Rahmung, Rahmen|Rahmung]] zusam­mensteht, in deren Grenzen Sicht­barkeit sich ''als bildliche'' über­haupt zu konsti­tuie­ren vermag, umschreibt dabei keines­falls eine belang­lose Trivia­lität, sondern einen Sach­stand, der für die grundbe­griff­liche Kontu­rierung einer allge­meinen Bild­wissen­schaft von größter Bedeu­tung ist (vgl. <bib id='Schürmann 2012a'></bib>). |
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− | Auch dem Begriff des [[Theorien des Bildraums|Raums]] kommt in der | + | Auch dem Begriff des [[Theorien des Bildraums|Raums]] kommt in der bild­wissen­schaft­lichen Forschungs­debatte zuneh­mend ein beson­derer Stellen­wert zu. Dass die Media­lität des Bildes wesent­lich raum­bestimmt ist, ist spätestens seit Lessings «Laokoon» ein prägnan­ter bildt­heoreti­scher Topos (vgl. <bib id='Lessing 1974a'></bib>), doch wird dieser erst seit verhält­nismäßig kurzer Zeit vor dem Hinter­grund neue­rer Bild­theorien weiter­führend und kritisch aufge­griffen (vgl. <bib id='Günzel 2012a'></bib>). Reflek­tiert wird in diesem Kontext etwa die Frage, auf welche Weise es Bildern gelingt, Raum darzu­stellen bzw. zu konstru­ieren. Dieses Problem wird nicht nur auf techni­schem Wege unter­sucht (beispiels­weise über die Re­konstruk­tion der dem zentral­perspek­tivi­schen Dar­stellungs­verfah­ren zugrunde liegen­den Gesetze, die bereits seit Jahr­hunder­ten bekannt sind), sondern gerade auch wahr­nehmungs­philoso­phisch. Verbrei­tet ist hier vor allem der Versuch, auf phäno­meno­logischer Basis die Diffe­renzen zwischen der Wahr­nehmung bild­licher Raum­konstel­latio­nen und solchen nicht-bild­licher Natur in Erfah­rung zu bringen (⊳ [[Bildwahrnehmung vs. Objektwahrnehmung]]). Diese Vor­gehens­weise gründet auf folgen­der Hoff­nung: Wird verstan­den, inwie­weit sich die Wahr­nehmung eines Bildes von der eines gewöhn­lichen Raum­dings unter­scheidet, lassen sich so gene­rali­sierba­re Rück­schlüsse über die Natur sowohl der Bild- als auch der Normal­wahrneh­mung gewin­nen, die für die Formu­lierung einer allge­meinen Theorie des Bildes als uner­lässlich gewertet werden können (vgl. <bib id='Wiesing 2009a'></bib>). |
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− | Grundbegriffliche | + | Grundbegriffliche Forschungs­fragen stellen sich schließlich auch in Bezug auf Themen­bereiche ein, die zumindest auf den ersten Blick eher in einem erwei­terten Sinne mit der Kate­gorie der Bild­lich­keit in Zusam­menhang stehen. Dies betrifft zum Bei­spiel die philo­sophische Erör­terung des ''[[Weltbild, Lebensform|Welt­bild]]''-Begriffs. Im alltäg­lichen Sprach­gebrauch asso­ziiert man mit diesem Ausdruck für gewöhnlich eine in sich geschlos­sene Geistes­haltung, die auf persön­licher oder kollek­tiver Ebene mit einer bestimm­ten Menta­lität oder Ideo­logie verwo­ben ist. In der Philo­sophie kommt ihm insbe­sondere in perspek­tivisti­schen Erkennt­nistheo­rien ein zentra­ler Stellen­wert zu. Spä­testens seit Kant wird der Prozess der Erkenn­tnis als eine geisti­ge Akti­vität verstan­den, in der welt­liche Gegen­stände und Sach­verhalte keines­wegs passiv ''abge­bildet'', sondern vielmehr tätig ''gestif­tet'' werden. Unter ande­rem der Kultur­philo­soph Ernst Cassi­rer hat in diesem Zusam­menhang häufig von einer „ursprüng­lichen Bild­kraft“ (<bib id='Cassirer 1923a'></bib>: S. 21) des Geistes gere­det, die mit der Konstruk­tion von spezi­fischen „Welt­bildern“ kulmi­niere (vgl. <bib id='Cassirer 1925a'></bib>: S. 39). Das Ereig­nis der Erkennt­nisge­winnung wird hier als ein grund­sätzlich plasti­scher (d.h. stets ver­änder­licher) Prozess der ''[[Bildung]]'' von Welten ange­sehen, die in ähn­licher Form auf einer schöpfe­rischen Tätig­keit des Geistes beru­hen, wie dies bei der Erstel­lung eines mate­riellen Bild­werkes der Fall ist. Die aus­drückli­che Rede von ''Welt­bildern'' ist in diesem Kontext in vielen Punkten frei­lich meta­phorisch zu verste­hen. Nichts­desto­trotz spiegelt sich in ihr die keines­falls nur in einem über­trage­nen Sinne zu begrei­fende Auffas­sung wider, wonach unser Wissen von und über Welt ähn­lich Perspektivik|perspek­tivisch zuge­schnitten ist wie die Sicht­barkeits­gebilde bild­licher Arte­fakte. |
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Aktuelle Version vom 29. November 2019, 00:28 Uhr
Hauptpunkt zu: Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen
Der vorparadigmatische Zustand der BildwissenschaftEine sich neu konstituierende Wissenschaftsdisziplin ist in der Regel zunächst damit beschäftigt, ihren Gegenstandsbereich zu bestimmen. Bereits dieser Arbeitsschritt lässt sich für gewöhnlich nicht vollkommen problemlos bewältigen. Über die Frage, wie weit der Gegenstandsbereich einer Disziplin zu reichen habe, werden häufig kontroverse grundlagentheoretische Debatten geführt. Viele dieser Debatten gründen auf dem Umstand, dass der Begriff, der einer Wissenschaftsdisziplin ihren Namen gibt, in der Regel nicht schon von sich aus Aufschluss über die konkreten Phänomene gibt, auf die er sich bezieht. Am Beispiel der Bildwissenschaft lässt sich dieser Sachverhalt gut vor Augen führen. Begrifflich ist hier völlig unstrittig, dass die Untersuchung von Bildphänomenen im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit steht. Weitaus weniger unkontrovers ist jedoch, welcher Phänomenbereich genau von einer Bildwissenschaft historisch wie systematisch überblickt werden sollte. Soll sich die Bildwissenschaft nur solchen Phänomenen zuwenden, die einem engeren Bildbegriff entsprechen (Gemälde, Zeichnungen, Fotografien usw.); oder sind auch andere Phänomene gleichberechtigt zu berücksichtigen, die weitere mediale Register umfassen, welche aus konventioneller Sicht eher nur mittelbar mit Facetten des Bildlichen zusammenhängen (z.B. Diagramme, Ornamente, Kalligrafie, Schriftbilder)? Alleine über diese grundlegende Frage lassen sich Diskussionen führen, die in ausformulierter Form ganze Bücherregale füllen. Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 12f.). Aus dem Faktum, dass die Klärung dessen, was den Kern des Bildbegriffs ausmacht, nicht ohne Weiteres herbeigeführt werden kann,[1] folgt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Suche nach allgemeinen Grundbegriffen des Bildlichen bei Weitem nicht abgeschlossen ist.
Auf der Suche nach den Elementen einer allgemeinen BildtheorieDass sich im Rahmen der intensiv geführten jüngeren bildwissenschaftlichen Debatte kein Begriffsrepertoire herausbilden konnte, welches zur Untersuchung grundlagentheoretischer Bildreflexionen herangezogen werden könnte, lässt sich unterdessen nicht behaupten. Auch wenn über die methodischen und disziplinären Fundamente einer allgemeinen Bildwissenschaft noch in vielen Punkten keine weitreichende Einigkeit erzielt werden konnte, sind durchaus Konzepte und Begrifflichkeiten in Umlauf gekommen, die theorieübergreifend als bildwissenschaftliche termini technici Anerkennung gefunden haben. Auch stimmen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Fach- und Theorierichtungen häufig darin überein, welche Phänomene und Begriffe zur Eingrenzung der Kategorie der Bildlichkeit eingehend zu analysieren sind. Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: Fink. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 70) charakterisiert.[2] Bildern wird auf diese Weise eine gewisse visuelle bzw. ikonische Evidenz zugesprochen, die in manchen Bildtheorien nicht nur in einem metaphorischen Sinne als phantomhaft oder phantasmatisch beschrieben wird. Die Wiederkehr der Bilder. In Was ist ein Bild?, 11-38. Eintrag in Sammlung zeigen; [Boehm 2011a]Boehm, Gottfried (2011). Ikonische Differenz. In Rheinsprung 11 – Zeitschrift für Bildkritik, 1, 170-178. Eintrag in Sammlung zeigen). Reflektiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bildliche Sinneinheiten allererst in bzw. auf einer als Bildgrund fungierenden „überschaubaren Gesamtfläche“ ([Boehm 1994a]Boehm, Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. In Was ist ein Bild?, 11-38. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 30) in Erscheinung treten können. In diesem Zusammenhang wird auch häufig darauf hingewiesen, dass Bildlichkeit mit einer deiktischen Doppelstruktur korreliert. Bilder zeigen demnach nicht einfach nur etwas, worauf in spezifisch ikonischer Weise Bezug genommen wird; vielmehr zeigen sie immer auch sich mitsamt ihrer „materielle[n] Faktizität“ ([Finke 2007a]Finke, Marcel (2007). Materialität und Performativität. Ein bildwissenschaftlicher Versuch über Bild/Körper. In Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, 57–78. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 61; ⊳ Zeigen und Sich-Zeigen). Oder anders gesagt: „Zwar erzeugen Bilder Sichtbarkeiten – nämlich jene Formen, die Objekte bedeuten können –, im selben Moment aber stellen sie sich selbst als etwas Materielles aus, das wiederum nicht mit der Bedeutung kongruent ist.“ ([Finke 2007a]Finke, Marcel (2007). Materialität und Performativität. Ein bildwissenschaftlicher Versuch über Bild/Körper. In Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft, 57–78. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.). Stil als Artikulation einer Haltung. In Kunst und Erfahrung. Beiträge zu einer philosophischen Kontroverse, 296-315. Eintrag in Sammlung zeigen). Dass der fundamentale Stilcharakter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phänomenen der Rahmung zusammensteht, in deren Grenzen Sichtbarkeit sich als bildliche überhaupt zu konstituieren vermag, umschreibt dabei keinesfalls eine belanglose Trivialität, sondern einen Sachstand, der für die grundbegriffliche Konturierung einer allgemeinen Bildwissenschaft von größter Bedeutung ist (vgl. [Schürmann 2012a]Schürmann, Eva (2012). Das Wie der Rahmung. Über die parergonale Verfassung künstlerischen Darstellens. In Die Sinnlichkeit der Künste. Beiträge zur ästhetischen Reflexivität, 75-86. Eintrag in Sammlung zeigen). Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. In Werke, Bd. 6, 7-187. Eintrag in Sammlung zeigen), doch wird dieser erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit vor dem Hintergrund neuerer Bildtheorien weiterführend und kritisch aufgegriffen (vgl. [Günzel 2012a]Günzel, Stephan (2012). Raum|Bild. Zur Logik des Medialen. Berlin: Kadmos. Eintrag in Sammlung zeigen). Reflektiert wird in diesem Kontext etwa die Frage, auf welche Weise es Bildern gelingt, Raum darzustellen bzw. zu konstruieren. Dieses Problem wird nicht nur auf technischem Wege untersucht (beispielsweise über die Rekonstruktion der dem zentralperspektivischen Darstellungsverfahren zugrunde liegenden Gesetze, die bereits seit Jahrhunderten bekannt sind), sondern gerade auch wahrnehmungsphilosophisch. Verbreitet ist hier vor allem der Versuch, auf phänomenologischer Basis die Differenzen zwischen der Wahrnehmung bildlicher Raumkonstellationen und solchen nicht-bildlicher Natur in Erfahrung zu bringen (⊳ Bildwahrnehmung vs. Objektwahrnehmung). Diese Vorgehensweise gründet auf folgender Hoffnung: Wird verstanden, inwieweit sich die Wahrnehmung eines Bildes von der eines gewöhnlichen Raumdings unterscheidet, lassen sich so generalisierbare Rückschlüsse über die Natur sowohl der Bild- als auch der Normalwahrnehmung gewinnen, die für die Formulierung einer allgemeinen Theorie des Bildes als unerlässlich gewertet werden können (vgl. [Wiesing 2009a]Wiesing, Lambert (2009). Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Eintrag in Sammlung zeigen). Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache. Berlin: Bruno Cassirer. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 21) des Geistes geredet, die mit der Konstruktion von spezifischen „Weltbildern“ kulminiere (vgl. [Cassirer 1925a]Cassirer, Ernst (1925). Philosophie der symbolischen Formen. Zweiter Teil: Das mythische Denken. Berlin: Bruno Cassirer. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 39). Das Ereignis der Erkenntnisgewinnung wird hier als ein grundsätzlich plastischer (d.h. stets veränderlicher) Prozess der Bildung von Welten angesehen, die in ähnlicher Form auf einer schöpferischen Tätigkeit des Geistes beruhen, wie dies bei der Erstellung eines materiellen Bildwerkes der Fall ist. Die ausdrückliche Rede von Weltbildern ist in diesem Kontext in vielen Punkten freilich metaphorisch zu verstehen. Nichtsdestotrotz spiegelt sich in ihr die keinesfalls nur in einem übertragenen Sinne zu begreifende Auffassung wider, wonach unser Wissen von und über Welt ähnlich Perspektivik|perspektivisch zugeschnitten ist wie die Sichtbarkeitsgebilde bildlicher Artefakte. |
Unterpunkte
Anmerkungen
[Boehm 1994a]: Boehm, Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. In: Boehm, G. (Hg.): Was ist ein Bild?. München: Fink, S. 11-38.
[Boehm 1994c]: Boehm, Gottfried (Hg.) (1994). Was ist ein Bild?. München: Fink. [Boehm 2011a]: Boehm, Gottfried (2011). Ikonische Differenz. Rheinsprung 11 – Zeitschrift für Bildkritik, Band: 1, S. 170-178. [Cassirer 1923a]: Cassirer, Ernst (1923). Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache. Berlin: Bruno Cassirer. [Cassirer 1925a]: Cassirer, Ernst (1925). Philosophie der symbolischen Formen. Zweiter Teil: Das mythische Denken. Berlin: Bruno Cassirer. [Finke 2007a]: Finke, Marcel (2007). Materialität und Performativität. Ein bildwissenschaftlicher Versuch über Bild/Körper. In: Reichle, I. & Siegel, S. & Spelten, A. (Hg.): Verwandte Bilder. Die Fragen der Bildwissenschaft. Berlin: Kadmos, S. 57–78. [Günzel 2012a]: Günzel, Stephan (2012). Raum|Bild. Zur Logik des Medialen. Berlin: Kadmos. [Lessing 1974a]: Lessing, Gotthold Ephraim (1974). Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. In: Göpfert, H. G. (Hg.): Werke, Bd. 6. München: Hanser, S. 7-187. [Mersch 2002a]: Mersch, Dieter (2002). Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: Fink. [Sachs-Hombach 2003a]: Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Halem. [Schürmann 2012a]: Schürmann, Eva (2012). Das Wie der Rahmung. Über die parergonale Verfassung künstlerischen Darstellens. In: Bertram, G. & Feige, D. (Hg.): Die Sinnlichkeit der Künste. Beiträge zur ästhetischen Reflexivität. Berlin/Zürich: Diaphanes, S. 75-86. [Schürmann 2012b]: Schürmann, Eva (2012). Stil als Artikulation einer Haltung. In: Deines, St. & Seel, M. (Hg.): Kunst und Erfahrung. Beiträge zu einer philosophischen Kontroverse. Berlin: Suhrkamp, S. 296-315. [Wiesing 2005a]: Wiesing, Lambert (2005). Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Wiesing 2009a]: Wiesing, Lambert (2009). Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [35], Mark A. Halawa [20], Eva Schürmann [8] und Sebastian Spanknebel [3] — (Hinweis) |