Grundbegriffe der Bildlichkeit: Unterschied zwischen den Versionen
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Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bildlichkeit stets in einem Spannungsfeld von [[Absenz und Präsenz]] steht. Was auf einem Bild zu sehen ist, wird häufig als eine artifizielle „Anwesenheit ohne Gegenwart“ (<bib id='Mersch 2002a'></bib>: S. 70) charakterisiert.<ref>Vgl. hierzu vor allem <bib id='Wiesing 2005a'></bib>.</ref> Bildern wird auf diese Weise eine gewisse [[Evidenz, visuelle/ikonische|visuelle bzw. ikonische Evidenz]] zugesprochen, die in manchen Bildtheorien nicht nur in einem metaphorischen Sinne als phantomhaft oder [[Phantasma|phantasmatisch]] beschrieben wird. | Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bildlichkeit stets in einem Spannungsfeld von [[Absenz und Präsenz]] steht. Was auf einem Bild zu sehen ist, wird häufig als eine artifizielle „Anwesenheit ohne Gegenwart“ (<bib id='Mersch 2002a'></bib>: S. 70) charakterisiert.<ref>Vgl. hierzu vor allem <bib id='Wiesing 2005a'></bib>.</ref> Bildern wird auf diese Weise eine gewisse [[Evidenz, visuelle/ikonische|visuelle bzw. ikonische Evidenz]] zugesprochen, die in manchen Bildtheorien nicht nur in einem metaphorischen Sinne als phantomhaft oder [[Phantasma|phantasmatisch]] beschrieben wird. | ||
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− | Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutschsprachigen Bilddebatte) das von Gottfried Boehm eingeführte Konzept der [[Differenz, ikonische/pikturale|ikonischen Differenz]] auf (vgl. <bib id='Boehm 1994a'></bib>; <bib id='Boehm 2011a'></bib>). Reflektiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bildliche Sinneinheiten allererst in bzw. auf einer als Bildgrund fungierenden „überschaubaren Gesamtfläche“ (<bib id='Boehm 1994a'></bib>: S. 30) in Erscheinung treten können. In diesem Zusammenhang wird auch häufig darauf hingewiesen, dass Bildlichkeit mit einer deiktischen Doppelstruktur korreliert. Bilder ''zeigen'' demnach nicht einfach nur ''etwas'', worauf in spezifisch ikonischer Weise Bezug genommen wird; vielmehr ''zeigen'' sie immer | + | Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutschsprachigen Bilddebatte) das von Gottfried Boehm eingeführte Konzept der [[Differenz, ikonische/pikturale|ikonischen Differenz]] auf (vgl. <bib id='Boehm 1994a'></bib>; <bib id='Boehm 2011a'></bib>). Reflektiert wird durch dieses Konzept der Umstand, wonach bildliche Sinneinheiten allererst in bzw. auf einer als Bildgrund fungierenden „überschaubaren Gesamtfläche“ (<bib id='Boehm 1994a'></bib>: S. 30) in Erscheinung treten können. In diesem Zusammenhang wird auch häufig darauf hingewiesen, dass Bildlichkeit mit einer deiktischen Doppelstruktur korreliert. Bilder ''zeigen'' demnach nicht einfach nur ''etwas'', worauf in spezifisch ikonischer Weise Bezug genommen wird; vielmehr ''zeigen'' sie immer auch ''sich'' mitsamt ihrer „materielle[n] Faktizität“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: S. 61) ''mit'' ([[Zeigen und Sich-Zeigen]]). Oder anders gesagt: „Zwar erzeugen Bilder Sichtbarkeiten – nämlich jene Formen, die Objekte bedeuten können –, im selben Moment aber stellen sie sich selbst als etwas Materielles aus, das wiederum nicht mit der Bedeutung kongruent ist.“ (<bib id='Finke 2007a'></bib>: ebd.) |
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Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tatsache, dass das ''Was'' einer bildlichen Darstellung insofern immerzu [[Stil|stilistisch]] präfiguriert ist, als jede Darstellung durchweg mit einer bestimmten Darstellungs''weise'' – einem eigentümlichen ''Wie'' des Sichtbaren – einhergeht. Dass der fundamentale Stilcharakter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phänomenen der [[Rahmung, Rahmen|Rahmung]] zusammensteht, in deren Grenzen Sichtbarkeit sich ''als bildliche'' überhaupt zu konstituieren vermag, umschreibt dabei keinesfalls eine belanglose Trivialität, sondern einen Sachstand, der für die grundbegriffliche Konturierung einer allgemeinen Bildwissenschaft von größter Bedeutung ist. | Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tatsache, dass das ''Was'' einer bildlichen Darstellung insofern immerzu [[Stil|stilistisch]] präfiguriert ist, als jede Darstellung durchweg mit einer bestimmten Darstellungs''weise'' – einem eigentümlichen ''Wie'' des Sichtbaren – einhergeht. Dass der fundamentale Stilcharakter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phänomenen der [[Rahmung, Rahmen|Rahmung]] zusammensteht, in deren Grenzen Sichtbarkeit sich ''als bildliche'' überhaupt zu konstituieren vermag, umschreibt dabei keinesfalls eine belanglose Trivialität, sondern einen Sachstand, der für die grundbegriffliche Konturierung einer allgemeinen Bildwissenschaft von größter Bedeutung ist. |
Version vom 10. September 2012, 14:21 Uhr
Hauptpunkt zu: Bildlichkeit: Bedingungen und Folgen
Der vorparadigmatische Zustand der BildwissenschaftEine sich neu konstituierende Wissenschaftsdisziplin ist in der Regel zunächst damit beschäftigt, ihren Gegenstandsbereich zu bestimmen. Bereits dieser Arbeitsschritt lässt sich für gewöhnlich nicht vollkommen problemlos bewältigen. Über die Frage, wie weit der Gegenstandsbereich einer Disziplin zu reichen habe, werden häufig kontroverse grundlagentheoretische Debatten geführt. Viele dieser Debatten gründen auf dem Umstand, dass der Begriff, der einer Wissenschaftsdisziplin ihren Namen gibt, in der Regel nicht schon von sich aus Aufschluss über die konkreten Phänomene gibt, auf die er sich bezieht. Am Beispiel der Bildwissenschaft lässt sich dieser Sachverhalt gut vor Augen führen. Begrifflich ist hier völlig unstrittig, dass die Untersuchung von Bildphänomenen im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit steht. Weitaus weniger unkontrovers ist jedoch, welcher Phänomenbereich genau von einer Bildwissenschaft historisch wie systematisch überblickt werden sollte. Soll sich die Bildwissenschaft nur solchen Phänomenen zuwenden, die einem engeren Bildbegriff entsprechen (Gemälde, Zeichnungen, Fotografien usw.); oder sind auch andere Phänomene gleichberechtigt zu berücksichtigen, die weitere mediale Register umfassen, welche aus konventioneller Sicht eher nur mittelbar mit Facetten des Bildlichen zusammenhängen (z.B. Diagramme, Ornamente, Kalligrafie, Schriftbilder)? Alleine über diese grundlegende Frage lassen sich Diskussionen führen, die in ausformulierter Form ganze Bücherregale füllen. Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 12f.). Aus dem Faktum, dass die Klärung dessen, was den Kern des Bildbegriffs ausmacht, nicht ohne Weiteres herbeigeführt werden kann,[1] folgt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Suche nach allgemeinen Grundbegriffen des Bildlichen bei Weitem nicht abgeschlossen ist. Auf der Suche nach den Elementen einer allgemeinen BildtheorieDass sich im Rahmen der intensiv geführten jüngeren bildwissenschaftlichen Debatte kein Begriffsrepertoire herausbilden konnte, welches zur Untersuchung grundlagentheoretischer Bildreflexionen herangezogen werden könnte, lässt sich unterdessen nicht behaupten. Auch wenn über die methodischen und disziplinären Fundamente einer allgemeinen Bildwissenschaft noch in vielen Punkten keine weitreichende Einigkeit erzielt werden konnte, sind durchaus Konzepte und Begrifflichkeiten in Umlauf gekommen, die theorieübergreifend als bildwissenschaftliche termini technici Anerkennung gefunden haben. Auch stimmen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Fach- und Theorierichtungen häufig darin überein, welche Phänomene und Begriffe zur Eingrenzung der Kategorie der Bildlichkeit eingehend zu analysieren sind. Weitgehender Konsens besteht etwa darüber, dass Bildlichkeit stets in einem Spannungsfeld von Absenz und Präsenz steht. Was auf einem Bild zu sehen ist, wird häufig als eine artifizielle „Anwesenheit ohne Gegenwart“ ([Mersch 2002a]Literaturangabe fehlt. Die wohl größte Verbreitung weist (zumindest in der deutschsprachigen Bilddebatte) das von Gottfried Boehm eingeführte Konzept der ikonischen Differenz auf (vgl. [Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Diskutiert wird in diesem Kontext oft die Tatsache, dass das Was einer bildlichen Darstellung insofern immerzu stilistisch präfiguriert ist, als jede Darstellung durchweg mit einer bestimmten Darstellungsweise – einem eigentümlichen Wie des Sichtbaren – einhergeht. Dass der fundamentale Stilcharakter eines jeden Bildes zudem aufs Engste mit Phänomenen der Rahmung zusammensteht, in deren Grenzen Sichtbarkeit sich als bildliche überhaupt zu konstituieren vermag, umschreibt dabei keinesfalls eine belanglose Trivialität, sondern einen Sachstand, der für die grundbegriffliche Konturierung einer allgemeinen Bildwissenschaft von größter Bedeutung ist. Auch dem Begriff des Raums kommt in der bildwissenschaftlichen Forschungsdebatte zunehmend ein besonderer Stellenwert zu. Dass die Medialität des Bildes wesentlich raumbestimmt ist, ist spätestens seit Lessings Laokoon ein prägnanter bildtheoretischer Topos (vgl. [Lessing 1974a]Literaturangabe fehlt. Grundbegriffliche Forschungsfragen stellen sich ebenfalls in Bezug auf Themenbereiche ein, die zumindest auf den ersten Blick eher in einem erweiterten Sinne mit der Kategorie der Bildlichkeit in Zusammenhang stehen. Dies betrifft zum Beispiel die philosophische Erörterung des Weltbild-Begriffs. Im alltäglichen Sprachgebrauch assoziiert man mit diesem Begriff für gewöhnlich eine in sich geschlossene Geisteshaltung, die auf persönlicher oder kollektiver Ebene mit einer bestimmten Mentalität oder Ideologie verwoben ist. In der Philosophie kommt ihm insbesondere in perspektivistischen Erkenntnistheorien ein zentraler Stellenwert zu. Spätestens seit Kant wird der Prozess der Erkenntnis als eine geistige Aktivität verstanden, in der weltliche Gegenstände und Sachverhalte keineswegs passiv abgebildet, sondern vielmehr tätig gestiftet werden. Vor allem der Kulturphilosoph Ernst Cassirer hat in diesem Zusammenhang häufig von einer „ursprünglichen Bildkraft“ ([Cassirer 1923a]Literaturangabe fehlt.
Unterpunkte
Anmerkungen
[Boehm 1994a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 1994c]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cassirer 1923a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cassirer 1925a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Finke 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Günzel 2012a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Lessing 1974a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Mersch 2002a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Sachs-Hombach 2003a]: Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. [Wiesing 2005a]: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [35], Mark A. Halawa [20], Eva Schürmann [8] und Sebastian Spanknebel [3] — (Hinweis) |