Historische Bildbegriffe: Unterschied zwischen den Versionen

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Im ersten Kapitel seines einflussreichen Buches Iconology unterscheidet W.J.T. Mitchell mehrere
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Zweige in der Familie der »images«, darunter den graphischen, optischen, mentalen und
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verbalen.1 Das ist auf den ersten Blick einleuchtend. Es entspricht weitgehend unserem
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Sprachverständnis, dass wir Gemälde, Spiegelungen, Vorstellungen und auch bestimmte
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rhetorische Figuren – wie etwa die eben verwendete Metapher des Zweigs – »Bilder« nennen.
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Allerdings sollte uns schon Mitchells Text selbst skeptisch machen: Wieso spricht er von
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»images« und nicht von »pictures«? Immerhin lässt sich doch beides mit »Bild« übersetzen! Und
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welche Bedeutungsdifferenz im Englischen entgeht uns, wenn wir genau das tun und beides mit
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ein und demselben deutschen Wort wiedergeben? Außerdem ist Sprache, sind Sprachen
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wandelbar. Dafür ist zufälligerweise das deutsche Wort »Image« ein gutes Beispiel, das, aus dem
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Englischen kommend, sich in den 1950er Jahren zuerst in der Wirtschaftspsychologie und dann
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in der Alltagssprache verbreitete.2 Wir müssen also vermuten, dass sich unser gegenwärtiges
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Sprachverständnis nicht ohne Verzerrungen einfach in die Vergangenheit projizieren lässt. Im
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Folgenden wird es darum gehen, genau diese Skrupel zu berücksichtigen und vor allem danach zu
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fragen, was sich in älteren und fremdsprachigen Texten tatsächlich findet, wenn in der deutschen
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Übersetzung zumeist nur »Bild« zu lesen ist. Es wird sich also um Beiträge zur Begriffsgeschichte
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oder zur historischen Semantik von »Bild« und seinen Übersetzungen handeln.
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Im Hebräischen des Alten Testaments finden sich mehr als zehn verschiedene
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Ausdrücke für Bilder, und es gibt zwei Kontexte, in denen sie nachdrücklich Aufmerksamkeit
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beansprucht haben, nämlich im Zusammenhang mit dem Bilderverbot und mit der Lehre von
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der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.3
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Für die im Kontext des Bilderverbots verwendeten Ausdrücke gilt, dass sie auf
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handwerkliche Tätigkeiten und die dabei verwendeten Materialen zurückverweisen. Sie
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bezeichnen (Kult-)Bilder, die in Stein gehauen, aus Holz geschnitzt, aus Metall gegossen oder mit
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Goldschmiedearbeit verziert sind. Mit am häufigsten wird hier der Begriff päsäl gebraucht; er liegt
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auch dem vierten Gebot zugrunde: »Du sollst Dir kein Bildnis machen!« (Ex 20,4) Gegenüber
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dem heutigen Verständnis von »Bild« sind dabei vor allem zwei Unterschiede festzuhalten.
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Erstens sind die hier gemeinten Bilder dreidimensionale Plastiken und Skulpuren und nicht –
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woran wir bei einem Bild eher denken würden – flächige Gemälde oder Zeichnungen. Und
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zweitens bezeichnen die angesprochenen Ausdrücke darüber hinaus weder mentale noch verbale
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Bildern.
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Etwas komplizierter liegen die Dinge im Umfeld der Lehre von der
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Gottesebenbildlichkeit des Menschen, derzufolge der Mensch ein Bild ist, das Gott gleicht. Die
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entscheidenden Ausdrücke »säläm« und »demut«, werden in der Übersetzung von Gen 1,26f. in der
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Regel mit »Bild« und »Gleichnis« (oder auch »Ähnlichkeit«) wiedergegeben. Was lässt sich über
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die tatsächliche Bedeutung dieser beiden Ausdrücke sagen? »Säläm« bezeichnet ein
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dreidimensionales Abbild, »demut« hingegen Gleichheit oder Form und Äußeres, und in der
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Kombination sind die beiden annähernd bedeutungsgleich.4 Kontrovers diskutiert worden ist
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deshalb hier nicht nur die Frage, was den Menschen bildhaft mache, sondern auch, ob mit der
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Verwendung der beiden Substantive tatsächlich Unterschiedliches benannt werden oder schlicht
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eine stilistische Variation geboten werden solle.5
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Eindeutig hingegen ist jedoch der Befund, der sich aus dem Abgleich der beiden
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Kontexte ergibt: Im Kontext von Gottesebenbildlichkeit einerseits und Bilderverbot andererseits
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werden im Hebräischen je verschiedene Ausdrücke verwendet, und von einem Kontext wird
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nicht direkt auf den anderen verwiesen.6 Der Gedanke an eine Konkurrenz zwischen Gott und
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Menschen drängt sich daher beim ursprünglichen Text und seinem Vokabular nicht (oder
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zumindest nicht stark) auf; mit einer nivellierenden Übersetzung der hebräischen Ausdrücke –
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beispielsweise durch das griechische »eikon« oder das deutsche »Bild« – liegt hingegen die
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Spekulation schon weitaus näher, dass der Mensch, der Bilder produziert, Gott ein Prärogativ
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streitig machen könnte.7
  
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======Arabisch======
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Um sich über die grundlegende Elemente im Bildvokabular des Islam zu informieren,
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ist es sinnvoll, sich neben dem Koran auch den Hadithen zuzuwenden. (In der sunnitischen
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Tradition sind dies die Sammlungen der Worte des Propheten, in der schiitischen werden auch
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die der frühen Imame berücksichtigt). Um mit dem Koran zu beginnen – er polemisiert, dem
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Alten Testament ähnlich, gegen die in kleinen Statuen oder auch in Steinen verkörperten
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Gottheiten der vorislamischen arabischen Kulte. Dabei handelt es sich u.a. um tamâthîl (Bilder,
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Abbilder, bildliche Darstellungen, Standbilder, Statuen), awthân (Götzenbilder) und asnâm
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(Götzenbilder aus Metall.)8 Diese Polemik ist unter monotheistischen Voraussetzungen
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nachvollziehbar. Sie erklärt aber nicht, warum den Hadithen zufolge ein Maler, selbst wenn er
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keine Bilder derartiger Gottheiten gemalt hat, am Tag der Auferstehung die schlimmsten Qualen
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erdulden muß.9 Wie ist dies motiviert?
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Die Antwort auf diese Frage führt wieder zur Begrifflichkeit des Korans zurück. Eine
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grundsätzliche und ausführliche Auseinandersetzung mit Bildern im engeren Sinne sucht man
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hier zwar vergebens.10 »Sûra«, das arabische Substantiv für »Bild« schlechthin, aber auch die
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Bezeichnung für Form und Gestalt, findet sich nur ein einziges Mal; und das dem Substantiv
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zugrunde liegende Verb »sawwara«, das soviel bedeutet wie ›etwas auf diese oder jene Art machen,
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bilden, ihm eine Form geben, schaffen‹, wird auch nur viermal verwendet. Bezeichnenderweise
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aber dienen Substantiv und Verb im Koran nicht zur Beschreibung von menschlichen
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Hervorbringungen oder Tätigkeiten, sondern zur Beschreibung von göttlichen: Sûra ist in Sure
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82,8 die Gestalt des von Gott geschaffenen Menschen, und sawwara meint in den erwähnten
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Partien nichts anderes als das göttliche Schaffen. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei
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dem vom nämlichen Verb abgeleiteten Titel al-mussawir (Gestalter, Schöpfer) auch um einen der
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neunundneunzig Namen Allahs handelt. Anders als im Alten Testament besteht also im Islam
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schon aufgrund der Begrifflichkeit eine Konkurrenz zwischen Gott und Maler. Wie in den
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Hadithen ausgeführt, wird diese Konkurrenz vor allem beim Hervorbringen von Lebewesen
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virulent. Menschen und Tiere zu malen ist Hybris. Die Strafe am Tag der Auferstehung besteht
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für den Maler darin, dass er quasi beim Wort genommen wird und seinen gemalten Lebewesen
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Leben einhauchen muss – und daran wird er qua Mensch wieder und wieder scheitern.11
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Das Altgriechische hält eine Reihe von Bildbegriffen bereit, die nicht nur die damaligen
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Diskussionen befruchtet haben, sondern teils noch als Lehnwörter in den heutigen Sprachen
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präsent sind.
  
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»Typos« leitet sich von den Verben für »schlagen« und »prägen« ab, und die dort
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implizierte Dialektik von Erstem und Zweitem, Bewirkendem und Bewirkten findet sich in der
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Spannweite der Bedeutung auf vielfache Weise wieder.12 Auf der konkreten Ebene, im
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handwerklich-künstlerischen Bereich, bedeutet »typos« sowohl die ›prägende Form‹ (Hohlform,
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Skizze) als auch das ›Geprägte‹ (Relief, Statue, Gravur) und den ›Abdruck‹ (etwa eines Siegelrings
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oder Münzstempels). Teilweise gelockert oder sogar gelöst wird der Bezug zur Dreidimensionalität bei den tendenziell abstrakteren Bedeutungen wie ›Umriß‹, ›Gestalt‹, ›Form‹
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und ›Art‹. Die angesprochene Dialektik ist auch insofern deutlich erkennbar, als typos (in
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nachklassischer Zeit dabei oft zu arche- oder prototypos vereindeutigt) sowohl ein Wort für das
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Muster oder Vorbild als auch (wie ektypos) ein Wort für das Abbild ist. Im Lauf der Zeit kann sich
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typos sehr weit von der handgreiflichen und -werklichen Wurzel entfernen und wird beispielsweise
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in ethischen, erkenntnistheoretischen, metaphysischen und theologischen Zusammenhänge
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verwendet. Typos ist ein moralisches Vorbild; Platon und Aristoteles vergleichen die erinnerten
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Wahrnehmungen mit Abdrücken im Wachs; der Neuplatonismus Philons von Alexandrien
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begreift die sinnliche Welt als Abbild eines Urbildes (nämlich der intelligiblen Welt); und auch
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Adam gilt in einer an Paulus anschließenden Bibelhermeneutik als typos, und zwar weil er das
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Kommen Christi ankündigen soll.13 Dass aber der Bezug auf das Prägen keineswegs
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verschwinden muss, lässt sich noch anhand einer jüngeren Bedeutungsnuance belegen; für das
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16. Jh. handelt es sich bei dem – mittlerweile latinisierten – typus u.a. um eine Figur oder ein Bild
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in einer Gipswand.14
  
Worum geht es hier?
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Verweist typos ursprünglich auf das Manuelle, so ist »eidolon« der Diminutiv zu »eidos«
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(Gestalt, Aussehen, Idee) und leitet sich wie dieses auch vom Verb »sehen« ab. Zumeist wird
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»eidolon« als ›kleines Bild‹, ›Bildchen‹ verstanden, oft mit dem Vorbehalt, dass es nicht
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notwendigerweise zuverlässig abbildet, sondern auch trügen kann.15 Wie »typos« wird auch »eidolon«
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in den unterschiedlichsten Kontexten verwendet. In der archaischen Vorstellung vom Hades,
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derzufolge die Toten eine Art Schattendasein fristen, bezeichnet es die Seele als ungreifbares
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Abbild des Toten.16 In der Erkenntnistheorie der Atomisten Leukipp, Demokrit und Epikur
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fungiert es wie ein Häutchen, das sich von den Dingen ablöst und in mehrfacher Hinsicht
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wirksam wird: Es ist auf glatten Flächen für das Spiegelbild verantwortlich, es erzeugt im Auge
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des Betrachters die Wahrnehmung des Dinges, von dem es sich gelöst hat, und es verursacht
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beim Schlafenden Träume. Dieser etwas gespenstische Charakter ist allerdings keineswegs die
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Regel, wie die Nobilitierung bei Platon zeigt: In dessen Dialog Sophistes (235b-236c) ist eidolon der
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neutrale Oberbegriff für alle Ab- oder Nachbilder. Wollte man dennoch so etwas wie sein
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Spezifikum beschreiben, so könnte man sich an Plotins Usus halten, der alles Abgeleitete als
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eidolon bezeichnet.17 Ob Seele der Toten, Häutchen von Dingen oder Abbild – ein eidolon ist
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Version vom 26. November 2009, 19:54 Uhr


Hauptpunkt zu: Bildtheorie/Bildwissenschaft/Bildkritik


Fragestellung

Im ersten Kapitel seines einflussreichen Buches Iconology unterscheidet W.J.T. Mitchell mehrere Zweige in der Familie der »images«, darunter den graphischen, optischen, mentalen und verbalen.1 Das ist auf den ersten Blick einleuchtend. Es entspricht weitgehend unserem Sprachverständnis, dass wir Gemälde, Spiegelungen, Vorstellungen und auch bestimmte rhetorische Figuren – wie etwa die eben verwendete Metapher des Zweigs – »Bilder« nennen. Allerdings sollte uns schon Mitchells Text selbst skeptisch machen: Wieso spricht er von »images« und nicht von »pictures«? Immerhin lässt sich doch beides mit »Bild« übersetzen! Und welche Bedeutungsdifferenz im Englischen entgeht uns, wenn wir genau das tun und beides mit ein und demselben deutschen Wort wiedergeben? Außerdem ist Sprache, sind Sprachen wandelbar. Dafür ist zufälligerweise das deutsche Wort »Image« ein gutes Beispiel, das, aus dem Englischen kommend, sich in den 1950er Jahren zuerst in der Wirtschaftspsychologie und dann in der Alltagssprache verbreitete.2 Wir müssen also vermuten, dass sich unser gegenwärtiges Sprachverständnis nicht ohne Verzerrungen einfach in die Vergangenheit projizieren lässt. Im Folgenden wird es darum gehen, genau diese Skrupel zu berücksichtigen und vor allem danach zu fragen, was sich in älteren und fremdsprachigen Texten tatsächlich findet, wenn in der deutschen Übersetzung zumeist nur »Bild« zu lesen ist. Es wird sich also um Beiträge zur Begriffsgeschichte oder zur historischen Semantik von »Bild« und seinen Übersetzungen handeln.

Hebräisch

Im Hebräischen des Alten Testaments finden sich mehr als zehn verschiedene Ausdrücke für Bilder, und es gibt zwei Kontexte, in denen sie nachdrücklich Aufmerksamkeit beansprucht haben, nämlich im Zusammenhang mit dem Bilderverbot und mit der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.3

Für die im Kontext des Bilderverbots verwendeten Ausdrücke gilt, dass sie auf handwerkliche Tätigkeiten und die dabei verwendeten Materialen zurückverweisen. Sie bezeichnen (Kult-)Bilder, die in Stein gehauen, aus Holz geschnitzt, aus Metall gegossen oder mit Goldschmiedearbeit verziert sind. Mit am häufigsten wird hier der Begriff päsäl gebraucht; er liegt auch dem vierten Gebot zugrunde: »Du sollst Dir kein Bildnis machen!« (Ex 20,4) Gegenüber dem heutigen Verständnis von »Bild« sind dabei vor allem zwei Unterschiede festzuhalten. Erstens sind die hier gemeinten Bilder dreidimensionale Plastiken und Skulpuren und nicht – woran wir bei einem Bild eher denken würden – flächige Gemälde oder Zeichnungen. Und zweitens bezeichnen die angesprochenen Ausdrücke darüber hinaus weder mentale noch verbale Bildern.

Etwas komplizierter liegen die Dinge im Umfeld der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, derzufolge der Mensch ein Bild ist, das Gott gleicht. Die entscheidenden Ausdrücke »säläm« und »demut«, werden in der Übersetzung von Gen 1,26f. in der Regel mit »Bild« und »Gleichnis« (oder auch »Ähnlichkeit«) wiedergegeben. Was lässt sich über die tatsächliche Bedeutung dieser beiden Ausdrücke sagen? »Säläm« bezeichnet ein dreidimensionales Abbild, »demut« hingegen Gleichheit oder Form und Äußeres, und in der Kombination sind die beiden annähernd bedeutungsgleich.4 Kontrovers diskutiert worden ist deshalb hier nicht nur die Frage, was den Menschen bildhaft mache, sondern auch, ob mit der Verwendung der beiden Substantive tatsächlich Unterschiedliches benannt werden oder schlicht eine stilistische Variation geboten werden solle.5

Eindeutig hingegen ist jedoch der Befund, der sich aus dem Abgleich der beiden Kontexte ergibt: Im Kontext von Gottesebenbildlichkeit einerseits und Bilderverbot andererseits werden im Hebräischen je verschiedene Ausdrücke verwendet, und von einem Kontext wird nicht direkt auf den anderen verwiesen.6 Der Gedanke an eine Konkurrenz zwischen Gott und Menschen drängt sich daher beim ursprünglichen Text und seinem Vokabular nicht (oder zumindest nicht stark) auf; mit einer nivellierenden Übersetzung der hebräischen Ausdrücke – beispielsweise durch das griechische »eikon« oder das deutsche »Bild« – liegt hingegen die Spekulation schon weitaus näher, dass der Mensch, der Bilder produziert, Gott ein Prärogativ streitig machen könnte.7

Arabisch

Um sich über die grundlegende Elemente im Bildvokabular des Islam zu informieren, ist es sinnvoll, sich neben dem Koran auch den Hadithen zuzuwenden. (In der sunnitischen Tradition sind dies die Sammlungen der Worte des Propheten, in der schiitischen werden auch die der frühen Imame berücksichtigt). Um mit dem Koran zu beginnen – er polemisiert, dem Alten Testament ähnlich, gegen die in kleinen Statuen oder auch in Steinen verkörperten Gottheiten der vorislamischen arabischen Kulte. Dabei handelt es sich u.a. um tamâthîl (Bilder, Abbilder, bildliche Darstellungen, Standbilder, Statuen), awthân (Götzenbilder) und asnâm (Götzenbilder aus Metall.)8 Diese Polemik ist unter monotheistischen Voraussetzungen nachvollziehbar. Sie erklärt aber nicht, warum den Hadithen zufolge ein Maler, selbst wenn er keine Bilder derartiger Gottheiten gemalt hat, am Tag der Auferstehung die schlimmsten Qualen erdulden muß.9 Wie ist dies motiviert?

Die Antwort auf diese Frage führt wieder zur Begrifflichkeit des Korans zurück. Eine grundsätzliche und ausführliche Auseinandersetzung mit Bildern im engeren Sinne sucht man hier zwar vergebens.10 »Sûra«, das arabische Substantiv für »Bild« schlechthin, aber auch die Bezeichnung für Form und Gestalt, findet sich nur ein einziges Mal; und das dem Substantiv zugrunde liegende Verb »sawwara«, das soviel bedeutet wie ›etwas auf diese oder jene Art machen, bilden, ihm eine Form geben, schaffen‹, wird auch nur viermal verwendet. Bezeichnenderweise aber dienen Substantiv und Verb im Koran nicht zur Beschreibung von menschlichen Hervorbringungen oder Tätigkeiten, sondern zur Beschreibung von göttlichen: Sûra ist in Sure 82,8 die Gestalt des von Gott geschaffenen Menschen, und sawwara meint in den erwähnten Partien nichts anderes als das göttliche Schaffen. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei dem vom nämlichen Verb abgeleiteten Titel al-mussawir (Gestalter, Schöpfer) auch um einen der neunundneunzig Namen Allahs handelt. Anders als im Alten Testament besteht also im Islam schon aufgrund der Begrifflichkeit eine Konkurrenz zwischen Gott und Maler. Wie in den Hadithen ausgeführt, wird diese Konkurrenz vor allem beim Hervorbringen von Lebewesen virulent. Menschen und Tiere zu malen ist Hybris. Die Strafe am Tag der Auferstehung besteht für den Maler darin, dass er quasi beim Wort genommen wird und seinen gemalten Lebewesen Leben einhauchen muss – und daran wird er qua Mensch wieder und wieder scheitern.11

Griechisch

Das Altgriechische hält eine Reihe von Bildbegriffen bereit, die nicht nur die damaligen Diskussionen befruchtet haben, sondern teils noch als Lehnwörter in den heutigen Sprachen präsent sind.

»Typos« leitet sich von den Verben für »schlagen« und »prägen« ab, und die dort implizierte Dialektik von Erstem und Zweitem, Bewirkendem und Bewirkten findet sich in der Spannweite der Bedeutung auf vielfache Weise wieder.12 Auf der konkreten Ebene, im handwerklich-künstlerischen Bereich, bedeutet »typos« sowohl die ›prägende Form‹ (Hohlform, Skizze) als auch das ›Geprägte‹ (Relief, Statue, Gravur) und den ›Abdruck‹ (etwa eines Siegelrings oder Münzstempels). Teilweise gelockert oder sogar gelöst wird der Bezug zur Dreidimensionalität bei den tendenziell abstrakteren Bedeutungen wie ›Umriß‹, ›Gestalt‹, ›Form‹ und ›Art‹. Die angesprochene Dialektik ist auch insofern deutlich erkennbar, als typos (in nachklassischer Zeit dabei oft zu arche- oder prototypos vereindeutigt) sowohl ein Wort für das Muster oder Vorbild als auch (wie ektypos) ein Wort für das Abbild ist. Im Lauf der Zeit kann sich typos sehr weit von der handgreiflichen und -werklichen Wurzel entfernen und wird beispielsweise in ethischen, erkenntnistheoretischen, metaphysischen und theologischen Zusammenhänge verwendet. Typos ist ein moralisches Vorbild; Platon und Aristoteles vergleichen die erinnerten Wahrnehmungen mit Abdrücken im Wachs; der Neuplatonismus Philons von Alexandrien begreift die sinnliche Welt als Abbild eines Urbildes (nämlich der intelligiblen Welt); und auch Adam gilt in einer an Paulus anschließenden Bibelhermeneutik als typos, und zwar weil er das Kommen Christi ankündigen soll.13 Dass aber der Bezug auf das Prägen keineswegs verschwinden muss, lässt sich noch anhand einer jüngeren Bedeutungsnuance belegen; für das 16. Jh. handelt es sich bei dem – mittlerweile latinisierten – typus u.a. um eine Figur oder ein Bild in einer Gipswand.14

Verweist typos ursprünglich auf das Manuelle, so ist »eidolon« der Diminutiv zu »eidos« (Gestalt, Aussehen, Idee) und leitet sich wie dieses auch vom Verb »sehen« ab. Zumeist wird »eidolon« als ›kleines Bild‹, ›Bildchen‹ verstanden, oft mit dem Vorbehalt, dass es nicht notwendigerweise zuverlässig abbildet, sondern auch trügen kann.15 Wie »typos« wird auch »eidolon« in den unterschiedlichsten Kontexten verwendet. In der archaischen Vorstellung vom Hades, derzufolge die Toten eine Art Schattendasein fristen, bezeichnet es die Seele als ungreifbares Abbild des Toten.16 In der Erkenntnistheorie der Atomisten Leukipp, Demokrit und Epikur fungiert es wie ein Häutchen, das sich von den Dingen ablöst und in mehrfacher Hinsicht wirksam wird: Es ist auf glatten Flächen für das Spiegelbild verantwortlich, es erzeugt im Auge des Betrachters die Wahrnehmung des Dinges, von dem es sich gelöst hat, und es verursacht beim Schlafenden Träume. Dieser etwas gespenstische Charakter ist allerdings keineswegs die Regel, wie die Nobilitierung bei Platon zeigt: In dessen Dialog Sophistes (235b-236c) ist eidolon der neutrale Oberbegriff für alle Ab- oder Nachbilder. Wollte man dennoch so etwas wie sein Spezifikum beschreiben, so könnte man sich an Plotins Usus halten, der alles Abgeleitete als eidolon bezeichnet.17 Ob Seele der Toten, Häutchen von Dingen oder Abbild – ein eidolon ist immer ein Zweites.

[…]

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Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [16] und Dimitri Liebsch [12] — (Hinweis)