Identität bildhafter Zeichen

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Unterpunkt zu: Bildpragmatik


Darstellung des gr. Zusammenhangs

Stellt man die Frage nach der Identität der Bilder, scheinen die Antworten sich gegenüber anderen gewöhnlich visuell wahrnehmbaren Gegenständen nicht zu unterscheiden. Das heißt, jedes Bild ist einzigartig, es mag sich zwar in der Zeit verändern, aber hierin unterscheiden sich Bilder nicht von Flößen, Flüssen und anderen physikalischen Gegenständen. Auch bei Gegenständen dieser Art lässt sich fragen, wie viele Eigenschaften unverändert bleiben müssen, damit wir noch von demselben Floß oder Fluss sprechen können. Interessant wird die Frage erst dann, wenn man davon ausgeht, dass die Eigenschaften, die ein Bild zu einem bestimmten Bild machen, sich von denjenigen Eigenschaften unterscheiden, die bei anderen gewöhnlichen Gegenständen für ihre Identität ausschlaggebend sind. Zu solch einer Auffassung kann man dann gelangen, wenn man die These vertritt, dass Bilder Zeichen sind und daher die Identitätsbedingungen von Zeichen für Bilder gelten. Was aber sind die Identitätsbedingen von Zeichen?

Ein erster Vorschlag könnte lauten, zwei Zeichen bzw. Bilder sind dann identisch, wenn sie dieselbe Bedeutung haben. Unschön an dieser Antwort ist der notorisch unklare Ausdruck „Bedeutung“. Gleiches trifft für andere Ausdrücke zu, mit deren Hilfe man glaubt, den „semantischen Gehalt“ von Bildern bestimmen zu können. Ein weiteres Problem ist, dass es fraglich ist, ob syntaktische oder semantische Kategorien, die in der Sprachwissenschaft gebräuchlich sind, überhaupt auf Bilder sinnvoll übertragen werden können. Geht man davon aus, dass auf Bilder im Prinzip die gleichen Kategorien wie auf sprachliche Ausdrücke anwendbar sind, und ist man zudem der Auffassung, dass die Typ-Vorkommnis-Unterscheidung eins zu eins auf Bilder übertragbar ist, stellt sich die nächste Frage, welche Eigenschaften eines Bildvorkommnisses dafür ausschlaggebend sind, dass es von einem bestimmten Typ ist bzw. zwei Bildvorkommnisse vom selben Typ (typidentisch) sind. Die Frage ist nicht zuletzt deshalb schwer zu klären, weil auch bei sprachlichen Vorkommnissen hierüber keine Übereinstimmung herrscht (vgl. [Steinbrenner 2004a]Steinbrenner, Jakob (2004).
Zeichen über Zeichen. Grundlagen einer Theorie der Metabezugnahme. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren.

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). Geht man beispielsweise von einem syntaktischen Typbegriff aus, würde dies für Bilder heißen, dass zwei Bilder identisch sind, wenn sie aus denselben atomaren Zeichen (z.B. Pixeln) und derselben Ordnung („Verknüpfung“) bestehen.

Vertritt man eine solche syntaktische Typauffassung für Bilder, kann aber gleiches gelten wie in der Sprache: Erstens, zwei Bilder (Ausdrücke) sind syntaktisch identisch, aber unsere Wahrnehmung von ihnen ist grundlegend verschieden, da sich beispielsweise zwei typidentische atomare Vorkommnisse unterschiedliche wahrnehmbare Eigenschaften haben (z.B. „A“, „A“, “A” und “A”). Zweitens, zwei typidentische Bildvorkommnisse können zu unterschiedlichen Sprachen gehören, ambig oder kontextsensitiv sein, d.h. trotz ihrer syntaktischen Identität gehören sie zu semantisch oder pragmatisch unterschiedlichen Typen.

Gegen die Auffassung, dass Bilder typidentisch sind, wird von Seite der Dualisten (z.B. Nelson Goodman „Revisionen“, Frankfurt 1992, S. 91, Richard Wollheim „Objekte der Kunst“, Frankfurt 1982, Essay 3) dafür plädiert, dass Bilder als singuläre Zeichen aufzufassen sind, d.h. sie gerade nicht typidentisch zu andren Bildern sein können. Grund hierfür ist nach Goodman, dass Bilder im Gegensatz zu sprachlichen Ausdrücken analoge Zeichen sind, für die gilt, dass wir weder im syntaktischen noch semantischen Sinne feststellen können, ob zwei von ihnen typgleich im Sinne sprachlicher Ausdrücke sind (⊳ Syntaktische Dichte).

Wendet man sich Bildern allgemein zu, also auch Sprachbildern, geistigen oder mentalen Bildern, Leit- und Menschbildern etc., dann verschiebt sich offensichtlich die Frage nach der Identität der Bilder, da sich deren ontologischer Status je nach Standpunkt von gewöhnlichen materiellen Bildern mehr oder minder stark unterscheidet. Für Dualisten beispielsweise sind Sprachbilder (Metaphern etc.) sprachliche Zeichen und als solche beliebig duplizierbar. Gleiches gilt für mentale Bilder unter der Voraussetzung, dass sie digital sind bzw. sich digital modellieren lassen. Ob für Leit- und Menschbilder akzeptable Identitätsbedingungen vorliegen, ist eine offene Frage.

Auswirkungen auf andere Begriffe
Anmerkungen
Literatur                             [Sammlung]

[Steinbrenner 2004a]: Steinbrenner, Jakob (2004). Zeichen über Zeichen. Grundlagen einer Theorie der Metabezugnahme. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Jakob Steinbrenner

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [19], Mark A. Halawa [5] und Jakob Steinbrenner [1] — (Hinweis)