Ikonische Differenz: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Der von Gottfried Boehm geprägte ''Begriff''<ref>Wahlweise auch als “Theorem der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 1994a'></bib>S:32, 34), “Kategorie oder Modell der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2004b'></bib>: S. 15), “Konstrukt der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2004b'></bib>: S. 16), “Modell der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2007a'></bib>: S. 16), “Begründungsfigur” oder “Argumentationsfigur der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2011a'></bib>: S. 173f.), tatsächlich auch als “Theorie der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2007b'></bib>: S. 36) und wiederum als “Kategorie” (<bib id='Boehm 2011a'></bib>: S. 170) bezeichnet.</ref> der ikonischen Differenz soll ebenso wie andere prominente Begriffe der Bildtheorie (Aura, ''punctum'' etc.) offenbar 'nicht zu Ende gedacht' werden. Laut einem zusammenfassenden Artikel von 2011 wurde er von Boehm bereits seit 1978 entwickelt (<bib id='Boehm 2011a'></bib>: S. 170), eine andere Selbstauskunft (<bib id='Boehm 2007b'></bib>: S. 35 | + | Der von Gottfried Boehm geprägte ''Begriff''<ref>Wahlweise auch als “Theorem der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 1994a'></bib>S:32, 34), “Kategorie oder Modell der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2004b'></bib>: S. 15), “Konstrukt der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2004b'></bib>: S. 16), “Modell der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2007a'></bib>: S. 16), “Begründungsfigur” oder “Argumentationsfigur der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2011a'></bib>: S. 173f.), tatsächlich auch als “Theorie der ikonischen Differenz” (<bib id='Boehm 2007b'></bib>: S. 36) und wiederum als “Kategorie” (<bib id='Boehm 2011a'></bib>: S. 170) bezeichnet.</ref> der ikonischen Differenz soll ebenso wie andere prominente Begriffe der Bildtheorie (Aura, ''punctum'' etc.) offenbar 'nicht zu Ende gedacht' werden. Laut einem zusammenfassenden Artikel von 2011 wurde er von Boehm bereits seit 1978 entwickelt (<bib id='Boehm 2011a'></bib>: S. 170), eine andere Selbstauskunft (<bib id='Boehm 2007b'></bib>: S. 35) datiert den Ursprung auf einen Text von 1980.<ref>Boehm verweist hier auf folgende Arbeiten: <bib id='Boehm1978a'></bib>, <bib id='Boehm 1980a'></bib>.</ref> |
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Seitdem wurde der Begriff in konzeptuell sehr unterschiedlichen Varianten publiziert, ohne jemals zu einem theoretischen Gesamtsystem ausgearbeitet worden zu sein. Das Vorläufige und Prozesshafte des Begriffs ist durchaus gewollt, so heißt es noch 2004: “Ich bin dabei, dieses Grundmodell weiter auszuarbeiten und mit weiteren theoretischen strata auszustatten” (<bib id='Boehm 2004a: S. 16). Die Variabilität der Konzeption korreliert also mit dem ausdrücklichen Wunsch, die Begründung eines bildtheoretischen Systems zu vermeiden: “Dieses Modell der ikonischen Differenz dient dazu, die in Bildern wirksame Logik zu analysieren, ohne damit ein theoretisches System zu intendieren.” (<bib id='Boehm 2007a'></bib>: S. 16] Vielmehr entwickelt sie sich anhand einer relativ konstanten Grundfrage (s. unten Kap. 2) weiter. Entsprechend muss sich die hier versuchte Darstellung des Begriffs der ikonischen Differenz an einem Textbestand orientieren, bei dem manchmal explizit und ausführlich für ihn argumentiert wird (vgl. z.B. <bib id='Boehm 1994a'></bib>, <bib id='Boehm 2007b'></bib>, <bib id='Boehm 2011a'></bib>) und manchmal eher peripher und zitativ auf den Begriff verwiesen wird, wie dies etwa im Zusammenhang mit dem Zeichnen (vgl. <bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 16, 34), der Bild-Evidenz (vgl. <bib id='Boehm 2009a'></bib>: S. 43, 46), dem Zeigen von Bildern (<bib id='Boehm 2010a'></bib>: S. 44f.), aber auch in der wissenschaftlichen Selbstpositionierung (<bib id='Boehm 2007c'></bib>: S. 35) geschieht. | Seitdem wurde der Begriff in konzeptuell sehr unterschiedlichen Varianten publiziert, ohne jemals zu einem theoretischen Gesamtsystem ausgearbeitet worden zu sein. Das Vorläufige und Prozesshafte des Begriffs ist durchaus gewollt, so heißt es noch 2004: “Ich bin dabei, dieses Grundmodell weiter auszuarbeiten und mit weiteren theoretischen strata auszustatten” (<bib id='Boehm 2004a: S. 16). Die Variabilität der Konzeption korreliert also mit dem ausdrücklichen Wunsch, die Begründung eines bildtheoretischen Systems zu vermeiden: “Dieses Modell der ikonischen Differenz dient dazu, die in Bildern wirksame Logik zu analysieren, ohne damit ein theoretisches System zu intendieren.” (<bib id='Boehm 2007a'></bib>: S. 16] Vielmehr entwickelt sie sich anhand einer relativ konstanten Grundfrage (s. unten Kap. 2) weiter. Entsprechend muss sich die hier versuchte Darstellung des Begriffs der ikonischen Differenz an einem Textbestand orientieren, bei dem manchmal explizit und ausführlich für ihn argumentiert wird (vgl. z.B. <bib id='Boehm 1994a'></bib>, <bib id='Boehm 2007b'></bib>, <bib id='Boehm 2011a'></bib>) und manchmal eher peripher und zitativ auf den Begriff verwiesen wird, wie dies etwa im Zusammenhang mit dem Zeichnen (vgl. <bib id='Boehm 2008a'></bib>: S. 16, 34), der Bild-Evidenz (vgl. <bib id='Boehm 2009a'></bib>: S. 43, 46), dem Zeigen von Bildern (<bib id='Boehm 2010a'></bib>: S. 44f.), aber auch in der wissenschaftlichen Selbstpositionierung (<bib id='Boehm 2007c'></bib>: S. 35) geschieht. |
Version vom 15. Januar 2014, 11:02 Uhr
Unterpunkt zu: Grundbegriffe der Bildlichkeit
Einleitung und TextbestandDer von Gottfried Boehm geprägte Begriff[1] der ikonischen Differenz soll ebenso wie andere prominente Begriffe der Bildtheorie (Aura, punctum etc.) offenbar 'nicht zu Ende gedacht' werden. Laut einem zusammenfassenden Artikel von 2011 wurde er von Boehm bereits seit 1978 entwickelt ([Boehm 2011a]Literaturangabe fehlt. Seitdem wurde der Begriff in konzeptuell sehr unterschiedlichen Varianten publiziert, ohne jemals zu einem theoretischen Gesamtsystem ausgearbeitet worden zu sein. Das Vorläufige und Prozesshafte des Begriffs ist durchaus gewollt, so heißt es noch 2004: “Ich bin dabei, dieses Grundmodell weiter auszuarbeiten und mit weiteren theoretischen strata auszustatten” ([Boehm 2007a]Literaturangabe fehlt. Auch unter den expliziten Darstellungen des Konzepts der ikonischen Differenz sind bei Boehm mehrere Varianten unterscheidbar, die jeweils unter dem Einfluss bestimmter zeitgenössischer Diskussionen stehen und dem Begriff dabei veränderte Qualitäten und Begründungsmuster zuschreiben. So entwickelt die frühe Variante (vgl. [Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Wegen der gewollten Variabilität der Konzeption und dem mäandernden Textbestand erscheinen alle kritisch systematischen Darstellungen des Begriffs unvermeidlich als holzschnittartige Reduktionen. Gleichwohl müssen sie versucht werden, weil die Varianten ikonischer Differenz erstens nicht selbsterklärend sind, ihr thematisches Interesse aber zweitens auf den Kern bildtheoretischer Fragen abzielt, wie nicht zuletzt die Konjunktur des Begriffs belegt. ZieleTrotz seiner permanenten Variabilität steht der Begriff der ikonischen Differenz unter dem Einfluss eines bestimmten, gleichbleibenden Interesses am Bild, das die zentralen Fragen des iconic turn betrifft. In den Worten Boehms argumentiert er entlang einer
Diese Gratwanderung verläuft zwischen den singulären Qualitäten je einzelner Bilder und dem Anspruch, ihre Wirkungsweise in durchaus bildtheoretisch universalen Regeln wiederzugeben. Da solche Untersuchungen aber nicht bei der Singularität der Bilder enden, sondern in ihr wiederum eine “innere Struktur” zu konturieren versuchen, die sogar als “alternative Logik” angesprochen wird, zielen sie letztlich doch auf eine theoretische Allgemeingültigkeit ab. Allerdings ist es nicht die medienphilosophische Frage nach einer verlässlichen Begründung der Wirkungsweise von Bildern, sondern vielmehr ein spezialisierteres Sachinteresse, das sich mit der Konzeption der ikonischen Differenz verbindet. Diese “Leitfrage” lautet: “Wie generieren Bilder auf ihre Weise einen visuellen, einen ikonischen Sinn?” ([Boehm 2004b]Literaturangabe fehlt. Die Rede von der Genese bildlichen Sinns ist dabei durchaus kausalistisch zu verstehen, insofern mit der Angabe eines “Grundkontrastes” tatsächlich eine Ursache bildlicher Wirkungen identifiziert wird: “Was Bilder in aller historischen Vielfalt als Bilder 'sind', was sie 'zeigen', was sie 'sagen', verdankt sich mithin einem visuellen Grundkontrast, der zugleich der Geburtsort jedes bildlichen Sinnes genannt werden kann.” ([Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Mit dieser Zielangabe unterscheidet sich die ikonische Differenz auch von anderen differenztheoretischen Positionen in der Bildtheorie. Anders als der Begriff der picturalen Differenz bei Waldenfels (vgl. [Waldenfels 2004a]Literaturangabe fehlt. Synonyme der Differenz: Kontrast, Wechselspiel, OszillationMan kann nicht von Differenzen reden, ohne anzugeben, zwischen was und in welcher Weise diese Relation behauptet wird. In welcher Weise die ikonische Differenz das von ihr Unterschiedene vermittelt, lässt sich auf der Grundlage des Textbestands vergleichsweise leicht angeben, auch wenn es eine Reihe von Synonymen hierfür gibt: “Wir verstehen die ikonische Differenz als Ereignis im Sinne einer Oszillation, bzw. einer Logik des Kontrastes. Bildwerke eröffnen ihren Bedeutungsraum, indem sie dem Auge ein komplexes Hin- und Her ermöglichen, es ihm gestatten, zwischen simultanem Ausgriff und sukzedierender Bewegung einzuschwingen.” ([Boehm 2011a]Literaturangabe fehlt. Es geht um eine für die bildliche Genese von Sinn konstitutive Differenz, also um eine zweistellige Relation, deren häufigste Synonyme sie allerdings als Kontrast, seltener als ein Wechselspiel oder eine Oszillation ausgeben. Damit wird eine dynamische Relation angesprochen, die zwischen gegensätzlichen Polen vorherrscht und deren Differenz, anders als bei einem dialektischen Antagonismus, nicht aufhebbar ist: “Vor allem das 'Wechselspiel' in der Differenz gilt es ins Auge zu fassen. Wir vermeiden ausdrücklich, von einer Dialektik oder Synthese zu sprechen [...]” ([Boehm 2011a]Literaturangabe fehlt. Grundsätzlich handelt es sich also um eine Wirkung, die dynamisch verstanden wird und deshalb kein festes Ziel, keinen typischen Verlauf und kein verbindliches zeitliches Ende aufweist (hierin vergleichbar mit Kants freiem Spiel der Erkenntniskräfte). Diese Wirkung speist sich, wie auch bei Kant, aus der Wechselwirkung zweier miteinander kontrastierender Komponenten; sie wird allerdings nicht mehr vermögenspsychologisch, sondern vielmehr bildtheoretisch gefasst.[4] Kontrastverhältnisse sind spezifischer als Differenzen (alle Kontraste sind Differenzrelationen, aber Differenzen müssen nicht notwendig Kontraste sein). Da die ikonische Differenz wesentlich auf einer Kontrastfigur basiert, könnte sie zutreffender als ikonischer Kontrast tituliert werden. Wechselspiel und Oszillation sind insofern schwächere Synonyme, weil sie zwar den dynamischen Prozess, nicht jedoch die als verursachend angenommene Struktur benennen. Ikonischer Kontrast wäre also zutreffend, zumal das Prädikat ikonisch in Boehms Lesart auch bereits die erwünschte Dynamik inkludiert. Denn in Abgrenzung zu Max ImdahlsIkonografie, Ikonologie, Ikonik (vgl. [Imdahl 1994a]Literaturangabe fehlt. Was kontrastiert?Schwieriger wird es, wenn man fragt, was im Sinne der ikonischen Differenz jeweils oszilliert, wozwischen also der Kontrast angenommen werden kann. Hier kommen in der frühen Konzeption mehrere Kontrastpaare in Frage, deren Verhältnis untereinander aber ungeklärt bleibt. So heißt es, die ikonische Differenz “markiert eine zugleich visuelle und logische Mächtigkeit, welche die Eigenart des Bildes kennzeichnet, das der materiellen Kultur unaufhebbar zugehört, auf unverzichtbare Weise in Materie eingeschrieben ist, darin aber einen Sinn aufscheinen lässt, der zugleich alles Faktische überbietet.” ([Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Solch einem “basalen Phänomen” näher zu kommen, wird noch 2004 als “Hauptabsicht” des Begriffs ausgewiesen.[5] Er zielt also auf die Beschreibung einer “basalen” Differenz, die zwischen den materiellen Bedingungen und Gegebenheiten eines Bildes und der Möglichkeit, es gleichwohl als ein sinnhaftes Bestimmungsverhältnis zu sehen, zu erkennen und zu verstehen, besteht. Eben dieses Verhältnis gilt als konstitutiv für einen nicht-sprachlichen, bildlichen Sinn. Es wird zugleich als zentrale medienspezifische Bestimmung von Bildlichkeit angenommen.[6] Diesem großen Anspruch kann der Begriff der ikonischen Differenz aber nicht gerecht werden, weil der generelle Kontrast wiederholt durch Einzelphänomene ersetzt wird, wobei zusätzlich ihr Verhältnis zueinander ungeklärt bleibt. So werden zahlreiche Kontrast-Relationen genannt, aber schon der nächste “Grundkontrast” verschiebt und verfehlt die Relation von bildlicher Materialität und Idealität, weil er eher visuelle Ganzheiten und Details korreliert: “Was uns als Bild begegnet, beruht auf einem einzigen Grundkontrast, dem zwischen einer überschaubaren Gesamtfläche und allem, was sie an Binnenereignissen einschließt” ([Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Ikonische Differenz nach dem Modell der Metapher (1994)Ikonische Differenz wird bei Gottfried Boehm 1994 durch die Übernahme des Begriffs der Metapher und seine Übertragung auf das Bild konzipiert.[8] Diese frühe Variante ist zugleich an künstlerischen Bildern orientiert und im Sinne eines Wertmaßstabs zur Beurteilung von “starken Bildern” ([Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Dabei wird die Metapher als Kontrastfigur interpretiert.[9] Diese Gleichsetzung von Metapher und bildlichem Kontrast ist nicht ganz überzeugend, denn die Figur des Kontrastes basiert ja auf gleichberechtigten Elementen, während die Metapher eher mit einer Steigerung operiert: das Buchstäbliche ist verständlich und systematisch vollständig, es kommt ohne übertragene Bedeutung aus, während umgekehrt die Metaphorik auf das Buchstäbliche angewiesen ist und es überschreitet. So muss man fragen, wie im Bild Buchstäbliches mit Übertragenem interagiert. Erst in den späteren Versionen, die sich nicht mehr auf die Metapher berufen, kommt ein entsprechendes Ungleichgewicht zwischen den kontrastierenden Positionen als Gefälle oder Asymmetrie zur Sprache. Das Problem der Optimierbarkeit ikonischer DifferenzAls wesentliches systematisches Merkmal der frühen Konzeption kann man die These einer bildproduktiven Optimierbarkeit der ikonischen Differenz annehmen (die teilweise, wenn auch nicht mehr so deutlich, noch in den späteren Texten wiederholt wird). Sie stellt in systematischer Hinsicht die Crux dieser Position dar. Grundsätzlich stimmt sie mit der Konzentration des Begriffs auf künstlerische Bilder und hier insbesondere auf die künstlerische Bildproduktion überein. Zugleich stellt sie damit aber die medienphilosophische Basis der Konzeption in Frage. Zunächst erscheinen die Kontrastverhältnisse des Bildes als bevorzugtes Betätigungsfeld von Bildkünstlern und werden damit bereits als beherrsch- und optimierbar ausgegeben:
So erscheint die ikonische Differenz nun als artifiziell bewirkte und regulierbare Bildqualität, die sich unter der Perspektive ihrer Optimierbarkeit zugleich als 'nachvollziehbare' Darstellungsintention und 'wirkungsstarke' Kommunikation gibt und damit eher dem Bereich der Bildpragmatik anzugehören scheint als dem einer bildlichen Sinngenese.[10] Auch Photographie, Film und Video können unter Umständen “starke Bilder” im Sinne der ikonischen Differenz hervorbringen. “Von diesen neuen Techniken einen bildstärkenden Gebrauch zu machen, setzte freilich voraus, die ikonische Spannung kontrolliert aufzubauen und dem Betrachter sichtbar werden zu lassen.” ([Boehm 1994a]Literaturangabe fehlt. Versucht man das Prinzip der Optimierung mit dem Konzept der ikonischen Differenz widerspruchsfrei zu verbinden, so ist folgende Konsequenz zu ziehen: Ikonische Differenz ist ein graduelles Phänomen. D.h.: Die mit dem Begriff ausgedrückten sinnhaften Wechselwirkungen in Bildern können in unterschiedlicher Intensität vorliegen, wobei ein grundsätzliches, allen Bildern in medienspezifischer Weise zustehendes Prinzip angenommen wird, das sich wissentlich und absichtsvoll in (künstlerischen) Bildproduktionen manipulieren lässt und dann offenbar auch im Sinne einer Wirkungssteigerung rezipiert werden kann. In dieser Lesart verliert der Begriff jedoch seine medienphilosophische Radikalität und wird zum Wertmaßstab künstlerischer Bilder im Sinne eines Evaluationskriteriums. In kritischer Perspektive muss daher gefragt werden, ob sich solche Wirkungssteigerungen im Sinne der ikonischen Differenz auch unbeabsichtigt einstellen können, ob es also denkbar ist, dass sich eine für grundsätzlich bildlich gehaltene Sinngenese (“die Bedingungen des Mediums selbst”) innerhalb von Bildproduktionen auch zufällig, unbeabsichtigt oder jenseits ihrer souveränen artistischen Beherrschung und damit im eigentlichen Sinne auf der Basis der medialen Bestimmungen des Bildes selbst entwickeln kann, denn erst dann wäre die ikonische Differenz auch in einem radikalen Sinne ikonisch zu verstehen. Handelt es sich bei dem Begriff also um eine medientheoretische oder um eine produktionsästhetische Bestimmung? Nur die erste Variante ikonischer Differenz, die sich auf Bildlichkeit gründet und nicht auf Darstellungsabsichten und Produktionsweisen, wäre als Darstellung einer genuin bildlichen Sinngenese zu verstehen. Sie würde sich aber grundsätzlich keiner souveränen Verfügung durch Bildproduzenten verdanken, auch wenn sie theoretisch noch mit dem Prinzip der Optimierung als eines nachgeordneten Interesses verbunden sein könnte. Ikonische Differenz nach dem Modell des gestischen Zeigens (2007)Die spätere Konzeption ikonischer Differenz verzichtet argumentativ auf das Postulat einer medialen Differenz zwischen Sprache und Schrift, wie sie mit der Ausrufung des iconic turn noch verbunden war. Sie orientiert sich vielmehr an der “Verwandtschaft zwischen dem Zeigen und den Bildern” ([Boehm 2007b]Literaturangabe fehlt. An die Stelle der sprachlichen Metapher rückt nun die körperliche Geste als eines argumentativ, aber auch illustrativ gebrauchten Differenzmediums, geht es doch darum: “[...] an Körper und Geste Aufschlüsse über die Funktionsweise von Bildern zu gewinnen, über ihr im strikten Sinne ikonisches Zeigen.” ([Boehm 2007b]Literaturangabe fehlt. Mit dieser Grundmetapher gestischen Artikulierens wird nun die ikonische Differenz in zweierlei Weise neu konturiert: Erstens gilt sie nicht mehr für verschiedene Kontrastverhältnisse, sondern für all jene, die sich diesem Modell integrieren lassen. Zweitens ist das Differenzverhältnis zwischen sich und etwas zeigen nun nicht mehr mit einer Optimierungsthese verknüpft, sondern stärker als medienphilosophische Bestimmung des Bildes konzipiert: “Seine körperliche Präsenz, das, was sich zeigt, verdankt sich dagegen keinem Autor und keiner Intention” ([Boehm 2007b]Literaturangabe fehlt. In dieser späteren Variante ikonischer Differenz werden solche bildspezifischen Bestimmungen direkt mit Einsichten in die Funktionsweise des körperlichen Zeigens analogisiert, wobei besonders ein gleichermaßen geltendes Differenzschema angenommen und von der Zeigegeste auf das Bild übertragen wird.[13] Die Auffassung des bildlichen Zeigens geht dabei also von einer gestischen Logik des menschlichen Körpers aus.[14] Allerdings ist die ikonische Differenz, wie es 2010 heißt, nicht vollständig mit der körperlichen Gebärdung kompatibel, denn sie hat “ganz andere Eigenschaften” ([Boehm 2010a]Literaturangabe fehlt. Ikonische Differenz fungiert nun als Ordnungsbegriff für ein “System von Kontrasten”, wobei allerdings gerade für diese Subordination, also das Verhältnis einzelner, empirisch und historisch vorkommender bildlicher Kontrastbeziehungen zu einer übergeordneten und vereinheitlichenden, genuin ikonischen Kontraststruktur keine Systematik erkennbar ist. Einerseits kann die ikonische Differenz dabei als ein bloß zusammenfassender Ausdruck erkennbarer bildlicher Kontrastrelationen gelten und hat damit eine retrospektiv deskriptive Funktion. Andererseits steht sie aber auch für einen geradezu “transzendentalen Schematismus” ([Boehm 2011a]Literaturangabe fehlt. Kritik und Fragena) Es gibt zahlreiche externe Abgrenzungen des Begriffs der ikonischen Differenz, aber kaum interne Begründungen. So wird zwar durchgehend die externe Differenz des Bildes zur Sprache hervorgehoben und sowohl mit dem Prinzip der Metapher als auch mit dem Prinzip des bildlichen Zeigens begründet; die Konzeption der ikonischen Differenz weist aber hinsichtlich ihres eigentlichen Ziels, der Frage nach der Genese bildlichen Sinnes, Begründungslücken auf. So fehlt etwa eine interne Unterscheidung des Begriffs von anderen differenztheoretischen Perspektiven in den Bildtheorien. Solche internen Begründungen, die den Kern des Projekts der ikonischen Differenz selbst betreffen, würden hier eine deutlichere bildtheoretische Konturierung leisten. Warum ist es etwa ausgeschlossen, dass die Genese bildlichen Sinns auch einstellig dargestellt oder konzipiert werden kann? Inwiefern ist bildliche Evidenz und Sinngenese immer ein Effekt einer Differenzoperation? Muss das Etwas-zeigen des Bildes immer mit seinem Sich-zeigen oszillieren? Ist das bloß Etwas zeigende (Ab-)Bild ein sinnloses Bild, bzw. eines, das ausschließlich sprachlichen Prädikationen untersteht? b) Der Begriff der ikonischen Differenz weist einen unscharfen Gegenstandsbereich auf, weil er einen medientheoretischen Anspruch mit kunst- und bildkritischen Interessen verbindet: “Mit der ikonischen Differenz formulieren wir eine Hypothese, deren Geltung für jedes besondere Bildwerk behauptet wird.” ([Boehm 2011a]Literaturangabe fehlt. Das Konzept der ikonischen Differenz untersucht die Genese eines genuin bildlichen Sinns, der im Unterschied zu sprachlichen Prädikationen der Bilder konturiert werden soll und damit immer schon auf die Medienspezifik des Bildes vorausgreift. Sein ideales Untersuchungsfeld sind jedoch besonders gelungene künstlerische Bilder, wobei vor allem die frühe Konzeption bildkritisch und produktionsästhetisch (Prinzip der Optimierung) argumentiert. Die Genese bildlichen Sinnes erscheint hier als Effekt einer ästhetischen Intervention und der medientheoretische Anspruch des Begriffs der ikonischen Differenz damit als eine theoretische Setzung, die bestimmte Eigenschaften gelungener künstlerischer Bilder für die Gesamtheit der Bilder projiziert. So gründet etwa die Evidenz des Bildes auf einem “kunstvoll angelegten Selbstvergleich”, der von produktiven Bildermachern allererst als interne Differenz des Bildes entwickelt wird (vgl. [Boehm 2008a]Literaturangabe fehlt. c) Wie oben bereits mehrfach dargelegt, besteht eine unklare Systematik und fehlende Begründungsarbeit hinsichtlich der Beziehung eines medienspezifischen Gesamtkontrastes zu den einzelnen bildlichen Kontrastrelationen. Dadurch changiert der Begriff der ikonischen Differenz zwischen Deskription und Setzung. Als deskriptiver Begriff würde er andere Weisen bildlicher Sinngenese zulassen und nur bestehende differenz- oder kontrastbasierte Weisen zusammenfassen. Als normativer Begriff beansprucht er eine verbindliche Darstellung der Grundstruktur bildlicher Sinngenese, die andere Optionen ausschließt. Beides zusammen geht nicht. Die hier angeführten Anmerkungen, Kommentare und Ordnungversuche können und wollen aber keineswegs bestreiten, dass es sich bei dem Projekt der ikonischen Differenz um eine der wichtigsten Baustellen der Bildtheorie handelt: die Erkundung der Bedingungen einer bildlichen Sinngenese. Es ist eben diese unbestreitbare Relevanz des Themas die für eine starke Rezeption des Begriffs gesorgt hat. Aber gerade die Breite der Zustimmung wird damit zum Anlaß, das Begriffsverständnis im jeweiligen Einzelfall genauer nachzufragen. Siehe auch:
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Inhaltsverzeichnis
Anmerkungen
[Boehm1978a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 1980a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 1994a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2004b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2007b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2007c]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2008a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2009a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2011]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Brandt 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Gombrich 1978a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Imdahl 1994a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Imdahl1996c]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Waldenfels 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Wollheim1982a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [105] und Mark A. Halawa [15] — (Hinweis) |