Interaktions-, Selbst- und Sachbezug

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht

English Version: Interactional, Expressive, and Propositional Angles


Besondere Teilhand­lungen beim Zei­chen­ge­brauch

Da der Gebrauch eines Zeichens eine spezielle Form der kommu­nika­tiven Inter­aktion ist, lassen sich beson­ders rele­vante Aspek­te (im Sinne von notwen­digen Teil­handlun­gen) ableiten. Jede kommu­nika­tive Inter­aktion muss einer­seits Aspekte aufwei­sen, die ihr als eine Art von Inter­aktion zukommen. Im Wesent­lichen handelt es sich dabei also um die An­teile der jewei­ligen Hand­lungssche­mata, die allen Inter­aktio­nen zukommen, wie die beiden Rollen ‘Sender’ und ‘Empfän­ger’ und ganz gene­rell die Gerich­tetheit des Zeichens vom Sender an den Empfän­ger sowie der Typ der Inter­aktion. Dieser Inter­aktions­bezug der kommu­nika­tiven Inter­aktion äußert sich insbe­sondere darin, dass, wer ein Zeichen benutzt, sich damit immer an jemanden richtet, um etwas zu errei­chen. Die Hand­lungs­­­kompo­nenten, in denen der Inter­aktions­bezug vermittelt wird, sind die Illo­kutio­nen.

Andererseits kommen einer Zeichen­hand­lung notwen­diger­weise Aspek­te als einer kommu­nika­tiven Inter­aktion zu, wozu insbe­sondere die Selbst­präsen­tation gehört. Wer ein Zeichen benutzt, adres­siert nicht nur einen Empfän­ger; er muss sich dabei auch in beson­derer Weise auf sich selbst, auf seinen Körper und dessen Umge­bung, in der die Zeichen­handlung statt­findet, bezie­hen. Die Hand­lungskom­ponen­ten, in denen dieser Selbst­bezug der kommu­nika­tiven Inter­aktion vermit­telt wird, bestim­men unter anderem ihre Moda­lität.

Die im Selbstbezug vorgeführte Befind­lich­keit des Senders kann sich schließ­lich mit dem Gebrauch von Zeichen zur Wendung des Senders hin auf einen (auch fik­tiven) Sach­verhalt oder Gegen­stand aus­diffe­renzie­ren: Dieser Sach­verhalt, jener Gegen­stand werden dann durch das Zeichen darge­stellt. Mit der Benut­zung des Zeichens kann also Bezug genom­men werden auf einen bestimm­ten Sach­verhalt, auf den der Sender die Auf­merk­sam­keit des Empfän­gers richten möchte. Propo­sitio­nen bilden die Hand­lungs­kompo­nenten, die den Sach­bezug einer Zeichen­handlung vermit­teln. [1]


Interaktions-, Selbst- und Sach­be­zug bei der Bild­ver­wen­dung

Das Problem der möglichen Inter­aktions­bezüge von Bildver­wendun­gen wird im Einzel­nen in der Bild­pragma­tik verhan­delt (⊳ insbe­sonde­re Refe­renz, Deno­tation, Exemp­lifi­kation). Auf einer gene­rellen Ebene betrifft das auch die Frage, ob es mög­lich ist, eine grund­legende illo­kutio­näre Funktion des Bild­gebrauchs zu be­stimmen, auf der alle ande­ren Nutzun­gen beru­hen. In welchem Ver­hältnis steht diese dann insbe­sondere zum Be­haupten (⊳ auch Kontext­bildung)?

Wie bei allen Zeichenhand­lungen kann der Inter­aktions­bezug auch beim Bild­gebrauch durch Inter­nali­sierung der jewei­ligen Inter­aktions­partner modi­fiziert werden: Der Bild­nutzer kann beide Rollen gleich­zeitig über­nehmen und sich selbst einen Bild­träger als Bild präsen­tieren. Tatsäch­lich über­trifft die Anzahl solcher mono­logischen Ver­wendungs­weisen die der echt dia­logischen Bild­kommu­nika­tionen bei weitem (⊳ auch Bild­rezep­tion als Kommu­nika­tions­prozess).

Der Selbstbezug der Bild­verwen­dung hängt weni­ger von der Unter­scheidung in Produ­zent oder Rezi­pient ab, wie man zunächst ver­muten könnte, als viel­mehr vom Bild­typ:

  • Bei gegenständlich darstellen­den Bildern lässt sich der Selbst­bezug um­schreiben als: ‘sich einem ande­ren (oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren) gegen­über dar­stellen als jemand, der aktuell etwas sieht, von dem er weiß, dass es nicht tat­säch­lich anwe­send ist’. Offen­sicht­lich sind hierbei der osten­tative Sinn des Zeigens (‘sich einem ande­ren – oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren – gegen­über dar­stellen als jemand’) und der deik­tische Sinn des Zeigens (‘jeman­dem – oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren – etwas wahr­zuneh­men geben’) auf ganz spezi­fische Weise mit­einan­der verkop­pelt (⊳ Inter­aktion und Kommu­nika­tion). Diese Charak­teri­sierung des Selbst­bezugs bei der Bild­verwen­dung muss gleicher­maßen für den Bild­produ­zenten und den Bild­rezi­pienten gelten, da das Um­gehen mit einem Bild­träger nur dann ein Bild­handeln sein kann, wenn es mit einem solchen Selbst­bezug des Handeln­den verbun­den ist.
  • Für die metaphorisch darstellen­den Bilder (⊳ Struktur­bilder) gilt: ‘sich einem ande­ren (oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren) gegen­über dar­stellen als jemand, der aktuell etwas sieht, von dem er weiß, dass es an sich nicht sicht­bar ist’ (⊳ auch Seman­tik logi­scher Bilder).[2]

Zum Sachbezug von Bild­verwen­dungen muss man zu­nächst fragen: Haben Bilder über­haupt Sachbe­zug? Wenn ja: Wie er­reichen sie ihn? Aus­führun­gen zu diesen vor­wiegend bild­seman­tischen Fragen sind in den Arti­kel zu den Schlag­worten Propo­sition, Prädi­kation und Nomi­nation zu finden.


Wahrhaftigkeit und Wahr­heit

Mit der Aufteilung in Inter­aktions-, Selbst- und Sach­bezug einer Zeichen­handlung werden zwei wich­tige Eigen­schaften defi­nierbar: Während Wahr­haftig­keit mit Inter­aktions- und Selb­stbezug verbun­den ist und das Verhält­nis zwischen der tatsäch­lichen Absicht, die der Sender mit der Zeichen­verwen­dung verfolgt und der osten­tativ gezeig­ten Inten­tion beur­teilt, ist Wahr­heit eine Bewer­tung des Sach­bezugs: Der Sach­bezug einer Zeichen­handlung kann mit den ent­sprechen­den Tat­sachen überein­stimmen oder nicht. Da Wahr­haftig­keit nicht vom Sach­bezug abhängt, ist sie für alle kommu­nika­tiven Inter­aktionen und damit auch für den Bild­gebrauch defi­niert.

Solange hingegen nicht klar ist, ob mit jeder Bild­verwen­dung auch ein Sach­bezug voll­zogen wird, bleibt die Rede von der Wahr­heit eines Bildes besten­falls meta­phorisch. Nur für propo­sitio­nale Bild­theorien kann der Wahrheits­begriff unmit­telbar ange­wendet werden. Für rein prädi­kative oder nomina­torische Theorien des Sach­bezugs bei Bildern führt die prinzi­pielle Unvoll­ständig­keit von Prädi­kation bzw. Nomi­nation dazu, dass Bilder nicht unmit­telbar wahr oder falsch sein können, sondern erst im Ver­wendungs­­­­zusam­menhang um die fehlen­den Kompo­nenten zu einer Propo­sition ergänzt werden müssen. In moda­len Bild­theorien liefert der Bildge­brauch hin­gegen gerade den Kontext, auf den bezogen Propo­siti­onen wahr oder falsch sein können; auf Bilder selbst ist der Wahr­heits­begriff dann nicht anwend­bar. Asemio­tische Bild­theorien müssen schließ­lich einen vom zeichen­theore­tischen Wahr­heits­begriff gänz­lich unab­hängi­gen Wahr­heits­begriff an­bieten, sofern dieser Aspekt über­haupt betrach­tet wird.[3]

Anmerkungen
  1. Eine stark ver­ein­fach­te Fas­sung der drei As­pek­te fin­det sich im so­ge­nann­ten „Or­ga­non-Mo­dell“ (vgl. [Bühler 1933a]Bühler, Karl (1933).
    Axiomatik der Sprachwissenschaften. Frankfurt/M.: Klostermann.

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    : S. 28f.). Der In­ter­ak­tions­be­zug wird da­bei ver­kürzt auf den As­pekt des Appells: das, was der Sen­der beim Emp­fän­ger be­wir­ken will. Der Selbst­be­zug geht über in den As­pekt des Aus­drucks: die Art und Wei­se, wie der Sen­der sich prä­sen­tiert. Der Sach­be­zug schließ­lich er­scheint in Form des As­pekts der Dar­stel­lung: das, wo­rauf mit dem Zei­chen (ver­mit­tels des Selbst­be­zugs) hin­ge­wie­sen wird. Zu den drei As­pek­ten, die auch bei George H. Mead aus­führ­lich dis­ku­tiert wer­den, vgl. [Ros 1984a]Literaturangabe fehlt.
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    .
  2. Hier deu­tet sich be­reits an, dass die Struk­tur­bil­der als all­ge­mei­ne­re Bild­klas­se be­grif­fen wer­den kön­nen, die die ge­gen­ständ­lich dar­stel­len­den Bil­der als Spe­zi­al­fall ein­schließen. Denn et­was, das nicht an­we­send ist, kann of­fen­sicht­lich auch nicht ge­se­hen wer­den, selbst wenn es an sich vi­su­ell wahr­nehm­bar ist. Als all­ge­mei­ne For­mu­lie­rung er­gibt sich da­her für den Selbst­be­zug bei Bild­ge­brauch: ‘Sich ei­nem an­de­ren (oder sich selbst in der Rol­le ei­nes an­de­ren) ge­gen­ü­ber dar­stel­len als je­mand, der ak­tu­ell et­was sieht, von dem er weiß, dass es – im ak­tu­el­len Kon­text oder ge­ne­rell – nicht sicht­bar ist’.
    Die nicht in die bei­den er­wähn­ten Klas­sen fal­len­den Bil­der müs­sen re­fle­xiv ge­brauch­te Bil­der mit de­fi­zien­ter Dar­stel­lungs­funk­tion sein (⊳ auch Se­man­tik un­ge­gen­ständ­li­cher Bil­der).
  3. Auch das Schlag­wort Au­then­ti­zi­tät ge­hört in die­sen Zu­sam­men­hang.
Literatur                             [Sammlung]

[Bühler 1933a]: Bühler, Karl (1933). Axiomatik der Sprachwissenschaften. Frankfurt/M.: Klostermann.

[Ros 1984a]:
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Ausgabe 1: 2013

Verantwortlich:

Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [21] und Emilia Didier [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Schirra 2013g-m]Literaturangabe fehlt.
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[Ros 1984a]:
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[Schirra 2013g-m]:
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