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Der ''Selbstbezug'' der Bild­verwen­dung hängt weni­ger von der Unter­scheidung in Produ­zent oder Rezi­pient ab, wie man zunächst ver­muten könnte, als viel­mehr vom Bild­typ: | Der ''Selbstbezug'' der Bild­verwen­dung hängt weni­ger von der Unter­scheidung in Produ­zent oder Rezi­pient ab, wie man zunächst ver­muten könnte, als viel­mehr vom Bild­typ: | ||
− | * Bei gegenständlich darstellen­den Bildern lässt sich der Selbst­bezug um­schreiben als: ‘sich einem ande­ren (oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren) gegen­über dar­stellen als jemand, der aktuell etwas sieht, von dem er weiß, dass es nicht tat­säch­lich anwe­send ist’. Offen­sicht­lich sind hierbei der osten­tative Sinn des Zeigens (‘sich einem ande­ren – oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren – gegen­über dar­stellen als jemand’) und der deik­tische Sinn des Zeigens (‘jeman­dem – oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren – etwas wahr­zuneh­men geben’ auf ganz spezi­fische Weise mit­einan­der verkop­pelt | + | * Bei gegenständlich darstellen­den Bildern lässt sich der Selbst­bezug um­schreiben als: ‘sich einem ande­ren (oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren) gegen­über dar­stellen als jemand, der aktuell etwas sieht, von dem er weiß, dass es nicht tat­säch­lich anwe­send ist’. Offen­sicht­lich sind hierbei der osten­tative Sinn des Zeigens (‘sich einem ande­ren – oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren – gegen­über dar­stellen als jemand’) und der deik­tische Sinn des Zeigens (‘jeman­dem – oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren – etwas wahr­zuneh­men geben’) auf ganz spezi­fische Weise mit­einan­der verkop­pelt (⊳ [[Interaktion und Kommunikation|Inter­aktion und Kommu­nika­tion]]). Diese Charak­teri­sierung des Selbst­bezugs bei der Bild­verwen­dung muss gleicher­maßen für den Bild­produ­zenten und den Bild­rezi­pienten gelten, da das Um­gehen mit einem Bild­träger nur dann ein Bild­handeln sein kann, wenn es mit einem solchen Selbst­bezug des Handeln­den verbun­den ist. |
* Für die metaphorisch darstellen­den Bilder (⊳ [[Strukturbild|Struktur­bilder]]) gilt: ‘sich einem ande­ren (oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren) gegen­über dar­stellen als jemand, der aktuell etwas sieht, von dem er weiß, dass es an sich nicht sicht­bar ist’ (⊳ auch [[Semantik logischer Bilder|Seman­tik logi­scher Bilder]]).<ref>Hier deu­tet sich be­reits an, dass die Struk­tur­bil­der als all­ge­mei­ne­re Bild­klas­se be­grif­fen wer­den kön­nen, die die ge­gen­ständ­lich dar­stel­len­den Bil­der als Spe­zi­al­fall ein­schließen. Denn et­was, das nicht an­we­send ist, kann of­fen­sicht­lich auch nicht ge­se­hen wer­den, selbst wenn es an sich vi­su­ell wahr­nehm­bar ist. Als all­ge­mei­ne For­mu­lie­rung er­gibt sich da­her für den Selbst­be­zug bei Bild­ge­brauch: ‘Sich ei­nem an­de­ren (oder sich selbst in der Rol­le ei­nes an­de­ren) ge­gen­ü­ber dar­stel­len als je­mand, der ak­tu­ell et­was sieht, von dem er weiß, dass es – im ak­tu­el­len Kon­text oder ge­ne­rell – nicht sicht­bar ist’.<br/> | * Für die metaphorisch darstellen­den Bilder (⊳ [[Strukturbild|Struktur­bilder]]) gilt: ‘sich einem ande­ren (oder sich selbst in der Rolle eines ande­ren) gegen­über dar­stellen als jemand, der aktuell etwas sieht, von dem er weiß, dass es an sich nicht sicht­bar ist’ (⊳ auch [[Semantik logischer Bilder|Seman­tik logi­scher Bilder]]).<ref>Hier deu­tet sich be­reits an, dass die Struk­tur­bil­der als all­ge­mei­ne­re Bild­klas­se be­grif­fen wer­den kön­nen, die die ge­gen­ständ­lich dar­stel­len­den Bil­der als Spe­zi­al­fall ein­schließen. Denn et­was, das nicht an­we­send ist, kann of­fen­sicht­lich auch nicht ge­se­hen wer­den, selbst wenn es an sich vi­su­ell wahr­nehm­bar ist. Als all­ge­mei­ne For­mu­lie­rung er­gibt sich da­her für den Selbst­be­zug bei Bild­ge­brauch: ‘Sich ei­nem an­de­ren (oder sich selbst in der Rol­le ei­nes an­de­ren) ge­gen­ü­ber dar­stel­len als je­mand, der ak­tu­ell et­was sieht, von dem er weiß, dass es – im ak­tu­el­len Kon­text oder ge­ne­rell – nicht sicht­bar ist’.<br/> | ||
Die nicht in die bei­den er­wähn­ten Klas­sen fal­len­den Bil­der müs­sen [[Bild in reflexiver Verwendung|re­fle­xiv ge­brauch­te Bil­der]] mit de­fi­zien­ter Dar­stel­lungs­funk­tion sein (⊳ auch [[Semantik ungegenständlicher Bilder|Se­man­tik un­ge­gen­ständ­li­cher Bil­der]]).</ref> | Die nicht in die bei­den er­wähn­ten Klas­sen fal­len­den Bil­der müs­sen [[Bild in reflexiver Verwendung|re­fle­xiv ge­brauch­te Bil­der]] mit de­fi­zien­ter Dar­stel­lungs­funk­tion sein (⊳ auch [[Semantik ungegenständlicher Bilder|Se­man­tik un­ge­gen­ständ­li­cher Bil­der]]).</ref> | ||
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Aktuelle Version vom 9. August 2023, 15:18 Uhr
Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht
English Version: Interactional, Expressive, and Propositional Angles
Besondere Teilhandlungen beim ZeichengebrauchDa der Gebrauch eines Zeichens eine spezielle Form der kommunikativen Interaktion ist, lassen sich besonders relevante Aspekte (im Sinne von notwendigen Teilhandlungen) ableiten. Jede kommunikative Interaktion muss einerseits Aspekte aufweisen, die ihr als eine Art von Interaktion zukommen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei also um die Anteile der jeweiligen Handlungsschemata, die allen Interaktionen zukommen, wie die beiden Rollen ‘Sender’ und ‘Empfänger’ und ganz generell die Gerichtetheit des Zeichens vom Sender an den Empfänger sowie der Typ der Interaktion. Dieser Interaktionsbezug der kommunikativen Interaktion äußert sich insbesondere darin, dass, wer ein Zeichen benutzt, sich damit immer an jemanden richtet, um etwas zu erreichen. Die Handlungskomponenten, in denen der Interaktionsbezug vermittelt wird, sind die Illokutionen. Andererseits kommen einer Zeichenhandlung notwendigerweise Aspekte als einer kommunikativen Interaktion zu, wozu insbesondere die Selbstpräsentation gehört. Wer ein Zeichen benutzt, adressiert nicht nur einen Empfänger; er muss sich dabei auch in besonderer Weise auf sich selbst, auf seinen Körper und dessen Umgebung, in der die Zeichenhandlung stattfindet, beziehen. Die Handlungskomponenten, in denen dieser Selbstbezug der kommunikativen Interaktion vermittelt wird, bestimmen unter anderem ihre Modalität. Die im Selbstbezug vorgeführte Befindlichkeit des Senders kann sich schließlich mit dem Gebrauch von Zeichen zur Wendung des Senders hin auf einen (auch fiktiven) Sachverhalt oder Gegenstand ausdifferenzieren: Dieser Sachverhalt, jener Gegenstand werden dann durch das Zeichen dargestellt. Mit der Benutzung des Zeichens kann also Bezug genommen werden auf einen bestimmten Sachverhalt, auf den der Sender die Aufmerksamkeit des Empfängers richten möchte. Propositionen bilden die Handlungskomponenten, die den Sachbezug einer Zeichenhandlung vermitteln. [1]
Interaktions-, Selbst- und Sachbezug bei der BildverwendungDas Problem der möglichen Interaktionsbezüge von Bildverwendungen wird im Einzelnen in der Bildpragmatik verhandelt (⊳ insbesondere Referenz, Denotation, Exemplifikation). Auf einer generellen Ebene betrifft das auch die Frage, ob es möglich ist, eine grundlegende illokutionäre Funktion des Bildgebrauchs zu bestimmen, auf der alle anderen Nutzungen beruhen. In welchem Verhältnis steht diese dann insbesondere zum Behaupten (⊳ auch Kontextbildung)? Wie bei allen Zeichenhandlungen kann der Interaktionsbezug auch beim Bildgebrauch durch Internalisierung der jeweiligen Interaktionspartner modifiziert werden: Der Bildnutzer kann beide Rollen gleichzeitig übernehmen und sich selbst einen Bildträger als Bild präsentieren. Tatsächlich übertrifft die Anzahl solcher monologischen Verwendungsweisen die der echt dialogischen Bildkommunikationen bei weitem (⊳ auch Bildrezeption als Kommunikationsprozess). Der Selbstbezug der Bildverwendung hängt weniger von der Unterscheidung in Produzent oder Rezipient ab, wie man zunächst vermuten könnte, als vielmehr vom Bildtyp:
Zum Sachbezug von Bildverwendungen muss man zunächst fragen: Haben Bilder überhaupt Sachbezug? Wenn ja: Wie erreichen sie ihn? Ausführungen zu diesen vorwiegend bildsemantischen Fragen sind in den Artikel zu den Schlagworten Proposition, Prädikation und Nomination zu finden.
Wahrhaftigkeit und WahrheitMit der Aufteilung in Interaktions-, Selbst- und Sachbezug einer Zeichenhandlung werden zwei wichtige Eigenschaften definierbar: Während Wahrhaftigkeit mit Interaktions- und Selbstbezug verbunden ist und das Verhältnis zwischen der tatsächlichen Absicht, die der Sender mit der Zeichenverwendung verfolgt und der ostentativ gezeigten Intention beurteilt, ist Wahrheit eine Bewertung des Sachbezugs: Der Sachbezug einer Zeichenhandlung kann mit den entsprechenden Tatsachen übereinstimmen oder nicht. Da Wahrhaftigkeit nicht vom Sachbezug abhängt, ist sie für alle kommunikativen Interaktionen und damit auch für den Bildgebrauch definiert. Solange hingegen nicht klar ist, ob mit jeder Bildverwendung auch ein Sachbezug vollzogen wird, bleibt die Rede von der Wahrheit eines Bildes bestenfalls metaphorisch. Nur für propositionale Bildtheorien kann der Wahrheitsbegriff unmittelbar angewendet werden. Für rein prädikative oder nominatorische Theorien des Sachbezugs bei Bildern führt die prinzipielle Unvollständigkeit von Prädikation bzw. Nomination dazu, dass Bilder nicht unmittelbar wahr oder falsch sein können, sondern erst im Verwendungszusammenhang um die fehlenden Komponenten zu einer Proposition ergänzt werden müssen. In modalen Bildtheorien liefert der Bildgebrauch hingegen gerade den Kontext, auf den bezogen Propositionen wahr oder falsch sein können; auf Bilder selbst ist der Wahrheitsbegriff dann nicht anwendbar. Asemiotische Bildtheorien müssen schließlich einen vom zeichentheoretischen Wahrheitsbegriff gänzlich unabhängigen Wahrheitsbegriff anbieten, sofern dieser Aspekt überhaupt betrachtet wird.[3] Siehe auch:
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Anmerkungen
[Bühler 1933a]: Bühler, Karl (1933). Axiomatik der Sprachwissenschaften. Frankfurt/M.: Klostermann.
[Ros 1984a]: Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [21] und Emilia Didier [1] — (Hinweis) Zitierhinweis: [Schirra 2013g-m]Literaturangabe fehlt. |