Kunstgeschichte als Bildgeschichte

Aus GIB - Glossar der Bildphilosophie
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Unterpunkt zu: Bildwissenschaftliche Abgrenzungen


Die Kunstgeschichte als prädes­tinier­te Bild­wissen­schaft

Die Kunstgeschichte gilt als eine der ältes­ten und versier­testen bild­wissen­schaftli­chen Diszi­plinen. Eine inten­sive Aus­einander­setzung mit Bild­werken verschie­denster Art gehört für sie seit jeher zum Tages­geschäft. Seit ihrer aka­demi­schen Etab­lierung im 19. Jahrhun­dert hat sie dabei eine Reihe von Metho­den ent­wickelt, die die wissen­schaftli­che Beschäf­tigung mit etwa­igen Bild­werken unter syste­mati­schen Gesichts­punkten anlei­ten. Viele davon haben in der inter­natio­nalen kunst­histo­rischen Forschung weite Verbrei­tung gefunden (⊳ Iko­nogra­fie, Iko­nolo­gie, Iko­nik). Seit dem Ende der 1980er Jahre werden aller­dings zahlrei­che dieser Metho­den hinsicht­lich ihres grundle­genden diszi­plinä­ren Stellen­wertes in Frage gestellt. Obwohl die Arbei­ten von Auto­ren wie Erwin Panof­sky (1892-1968), Ernst Gombrich (1909-2001) oder Heinrich Wölfflin (1864-1945) nach wie vor als Klassi­ker der Kunst­geschich­te zählen, machen sich etli­che einfluss­reiche kunst­histo­rische Stimmen für eine metho­dische Refor­mation ihrer Diszi­plin stark.

Im Großen und Ganzen sind es zwei Gründe, die diesen Reform­wunsch ini­tiieren: Zum einen wird zuneh­mend das Bedürf­nis ge­äußert, sich von Metho­den zu lösen, die in ihrer Bild­ana­lyse vornehm­lich herme­neuti­sche und semi­oti­sche Er­kenntnis­inte­ressen in den Vorder­grund rücken. Das in Panof­skys Iko­nolo­gie promi­nent ins Auge gefass­te Ziel, die „eigent­liche Bedeu­tung“ eines Bildwerks zu ermit­teln (vgl. [Panofs­ky 2002a]: S. 36-67), wird verwor­fen und durch die Über­zeugung ersetzt, dass selbst die genau­este herme­neuti­sche bzw. semi­oti­sche Bild­ana­lyse weder dem Wesen des Bildphä­nomens noch der erleb­ten Erfah­rung von Bild­werken ange­messen Rechnung tragen könne (vgl. exemp­larisch [Didi-Huber­man 2000a]).

Zum anderen mehren sich Zweifel an der huma­nisti­schen Voraus­setzungs­lastig­keit der tradi­tionel­len Kunst­geschich­te. War es lange Zeit üblich, den Fortgang kunst­histo­rischer Forschung an einem westli­chen, euro­zentrisch gepräg­ten Kunst­verständ­nis auszu­richten, plädie­ren diver­se namhaf­te zeit­genös­sische Kunst­histo­riker für eine Erwei­terung des kunst­histo­rischen Gegen­stands­bereichs (vgl. [Freedberg 1991a], [Elkins 1999a], [Belting 2004a], [Mitchell 1986a]). Zur Debat­te steht dabei meist ein huma­nistisch geschul­tes „Diktat der Kunst­geschich­te“ ([Belting 2002a]: S. 77), demzu­folge nur solche Bild­werke von kunst­histo­rischem Wert und Inte­resse sind, die einem klassi­schen, durch Anti­ke und Renais­sance gepräg­ten Kunst- und Äs­thetik­verständ­nis entge­genkom­men. Demge­genüber wird darauf hinge­wiesen, dass die Trag­weite des menschli­chen Bild­schaffens durch eine derar­tige Forschungs­program­matik in keiner Weise einge­fangen werden könne. Wie unter ande­rem James Elkins demons­triert hat, übersteigt das Reich der Bilder das der Kunst in beträcht­lichem Maße (vgl. [Elkins 1999a]). Nicht alles, was ein Bild ist, ist zugleich auch Kunst.

Um die Vielfalt menschlichen Bild­schaffens erfas­sen und beschrei­ben zu können, wurde daher verschie­dentlich der Vorschlag gemacht, die Kunst­geschich­te in eine Bild­geschich­te bzw. histo­rische Bildwis­senschaft zu über­führen (vgl. [Freedberg 1991a], [Belting 2004a], [Brede­kamp 2003b]). Gegen­stand kunst­histo­rischer bzw. nun: bild­geschicht­licher Forschung wären demnach sämtli­che Bild­erzeug­nisse, darun­ter gerade solche Bild­werke, die von der tradi­tionel­len Kunst­geschich­te igno­riert oder vernach­lässigt worden sind. Leitend ist in solchen Forschun­gen nicht eine spezi­fische Idee von Kunst, sondern das Phäno­men des Bildes in dessen gesam­ten Fa­cetten­reichtum. Zu erwäh­nen ist, dass dieses Forschungs­inte­resse von den Inten­tionen philo­sophi­scher Bild­theorien meist verschie­den ist. Während philo­sophi­sche Bild­theorien in der Regel den Begriff des Bildes unter­suchen, befas­sen sich bild­geschicht­liche Studien häufig in erster Linie auf einem empi­rischen, histo­rischen und/oder kultur­wissen­schaftli­chen Wege mit speziel­len Bild­arte­fakten (⊳ Bild­wissen­schaft vs. Bild­theorie). Der Möglich­keit, über die Ana­lyse konkre­ter Bild­werke hinaus eben­falls zu allge­meinen Einsich­ten über die Beson­derheit bildli­cher Darstel­lungen zu gelan­gen, steht diese Be­trachtungs­weise aller­dings keines­wegs prinzi­piell entge­gen.


Kunstgeschichte als Bild­ge­schich­te

Die vielleicht einfluss­reichsten Anre­gungen, kunst­geschicht­liche Forschung im Sinne einer Bild­geschich­te zu betrei­ben, finden sich in den Schriften Hans Beltings. In seinem Buch «Das Ende der Kunst­geschich­te» – ein Werk, das bei seiner Erst­veröf­fentli­chung noch ein Frage­zeichen im Titel trug (vgl. [Belting 1983a])[1] – regt er die gegen­wärti­ge Kunst­geschich­te zu einer „Denk­pause“ ([Belting 2002a]: S. 22) an und fragt, „ob die Kunst und die Erzäh­lung von Kunst noch so, wie man es gewohnt war, zu­einan­der paß[en]“ ([Belting 2002a]: ebd.). Wie im weite­ren Verlauf des Textes deutlich wird, verneint Belting diese Frage. Aller­dings betont er, dass die Not­wendig­keit einer Kunst­geschich­te damit unter keinen Umstän­den hinfäl­lig gewor­den sei. Vielmehr hätten sich, ange­stoßen etwa durch die avant­gardis­tische Kunst­praxis des 20. Jahrhun­derts, etab­lierte Ana­lyse­metho­den und Denk­weisen mit der Zeit abge­nutzt, sodass nunmehr die Dringlich­keit zu einer erneu­erten Form kunst­histo­rischen Forschens und Erzäh­lens offen­kundig gewor­den sei:

Das Ende der Kunstge­schichte bedeu­tet nicht, daß die Kunst oder die Kunst­wissen­schaft an ihrem Ende ange­langt wären, sondern regis­triert die Tatsa­che, daß sich in der Kunst wie in den Denk­bildern der Kunst­geschich­te das Ende einer Tradi­tion abzeich­net, einer Tradi­tion, die seit der Moder­ne in der uns vertrau­ten Gestalt zum Kanon gewor­den war. ([Belting 2002a]: ebd.)

Angesprochen ist ein Kanon, der auf die Tradi­tion der Renais­sance und Anti­ke zurück­geht und von kunst­histo­rischen Weg­berei­tern wie Leon Battis­ta Alber­ti (1404-1472) und Giorgio Vasa­ri (1511-1574) sowie Pionie­ren der aka­demi­schen Kunst­geschich­te wie Alois Riegl (1858-1905), Heinrich Wölfflin oder Erwin Panofs­ky popu­lari­siert und etab­liert wurde. Im Zentrum dieses Kanons steht neben dem Werk­begriff häufig auch die Idee der kunstvoll-virtu­osen Autor­schaft, derzu­folge ‘großar­tige’ oder ‘wahre’ Kunst nur von solchen Perso­nen kreiert werden könne, die mit einer außer­gewöhn­lichen artis­tischen Bega­bung und künstle­rischen Genia­lität verse­hen sind (⊳ Ori­ginal).[2]

Besonders die drei zuletzt genann­ten Auto­ren haben gemein­sam, dass sie zur Formu­lierung und Etab­lierung einer moder­nen Kunst­geschich­te entschei­dend beitru­gen. Zugleich werden sie jedoch verstärkt als Vertre­ter eines über­borden­den Intel­lektu­alis­mus gese­hen, welcher trotz seiner unstrit­tigen Pionier­kraft und Moder­nität in letzter Konse­quenz einen konser­vati­ven Kern in sich trage, der sich spätes­tens mit den neueren, dezi­diert nicht-klassi­schen Kunst­strömun­gen seit dem ausge­henden 19. Jahrhun­dert unmög­lich verein­baren lasse (vgl. [Belting 2002a]).

Eine der pointiertesten Kritiken eines kunst­histo­rischen Intel­lektu­alis­mus findet sich in Georges Didi-Huber­mans Buch «Devant l’image» (dt.: «Vor einem Bild»), in dem vor allem in kriti­scher Aus­einander­setzung mit Erwin Panofs­kys Iko­nolo­gie der Versuch unter­nommen wird, sich von der „posi­tivis­tische[n] Hoffnung“ ([Didi-Huber­man 2000a]: S. 147) klassi­scher kunst­wissen­schaftli­cher Metho­den zu lösen, um auf diese Weise einen Zugang zu der sinnli­chen Wirkungs­macht von Bildern zu gewin­nen, wie sie nach Ansicht von Didi-Huber­man durch eine rein herme­neuti­sche oder semi­otische Betrach­tungs­weise niemals regis­triert werden könne. Bilder sind dieser Posi­tion zufol­ge nicht als Wissens­objekte von Inte­resse, die hinsicht­lich ihrer semio­logi­schen Bedeu­tungen und Rätsel prinzi­piell entschlüs­selbar sind, sofern nur das “richti­ge” iko­nolo­gische Instru­menta­rium verwen­det wird. Vielmehr treten sie als beson­dere Sicht­barkeits­gebil­de in den Blick, die, von der intel­lektua­listisch-posi­tivis­tischen „Rheto­rik der Gewiß­heit“ ([Didi-Huber­man 2000a]: S. 11) sowie der „Tyran­nei des Lesba­ren“ (ibid. S. 16) befreit, in ihrer unbe­griffli­chen Phäno­mena­lität und der damit einher­gehen­den herme­neutisch wie semi­otisch undurch­dringli­chen Rätsel­haftig­keit aner­kannt und akzep­tiert werden. Hinter diesem Vorstoß steht die in vielen gegen­wärti­gen bild­theore­tischen Studien geteil­te Über­zeugung,

daß Bilder ihre Wirksam­keit nicht ausschließ­lich der Vermitt­lung eines – sichtba­ren, lesba­ren oder unsicht­baren – Wissens verdan­ken, sondern daß im Gegen­teil ihre Wirksam­keit im Geflecht, wenn nicht im Wirrwarr von über­mittel­tem und zerleg­tem Wissen, von erzeug­tem und umge­wandeltem Nicht-Wissen zum Zuge kommt ([Didi-Huber­man 2000a]: S. 23).[3]

Ausgesprochen ist damit die Forde­rung einer Abkehr von klassi­schen kunst- und bild­wissen­schaftli­chen Forschungs­program­men. Ein etab­liertes Primat der Inter­preta­tion soll hier durch eine Sensi­bili­sierung für die phäno­mena­len, nicht immer schon in Inter­preta­tion und Wissen aufge­henden, gleichsam irra­tiona­len Facet­ten der Bild­erfah­rung in Frage gestellt werden. Einge­fordert wird dabei eine Sensi­bili­tät, wie sie sich nach Didi-Huber­mans Dafür­halten im Anschluss an kunst­histo­rische Klassi­ker wie Panofs­ky oder Gombrich offen­bar niemals ent­wickelt lässt.

Was den konstatierten Konser­vatis­mus des zur Dispo­sition stehen­den kunst­wissen­schaftli­chen Kanons betrifft, so setzt Belting diesen mit einer für seine Begrif­fe allzu einsei­tigen wissen­schaftli­chen Aufmerk­samkeits­spanne in Verbin­dung. Belting stellt die wissen­schaftli­chen Leistun­gen kunst­histo­rischer Pionie­re nicht in Frage. Jedoch merkt er kritisch an, dass selbst dann, wenn in kano­nischen kunst­histo­rischen Studien ausdrück­lich von ›neue­rer‹ Kunst die Rede gewe­sen sei, ledig­lich „die Kunst von Renais­sance und Barock“ ([Belting 2002a]: S. 38) sowie ande­ren vergan­genen Kunst­epo­chen im Zentrum gestan­den hätten. Dazu notiert Belting:

Damit wird ein Widerspruch in der Grundle­gung der Kunst­wissen­schaft offen­bar, der weitrei­chende Folgen gehabt hat. Sie entstand zwar in der Moder­ne, suchte aber ihren Gegen­stand in der alten Kunst und fand dort ihre wissen­schaftli­chen Regeln, mit Kunst schlechthin umzu­gehen.“ ([Belting 2002a]: ebd.)[4]

Der kritische Hinweis auf diesen Wider­spruch ist inso­fern nachvoll­ziehbar, als die konser­vative Orien­tierung an Regeln und Metho­den, die an Kunst­werken aus der entfern­ten Vergan­genheit gewon­nen wurden, spätes­tens mit dem Auf­kommen jünge­rer Kunst­prakti­ken an ihre Grenzen stößt. Eine klassi­sche Werk­ästhe­tik, wie sie inner­halb des tradi­tionel­len kunst­wissen­schaftli­chen Kanons in der Regel voraus­gesetzt wurde, wird seit dem ausge­henden 19. Jahrhun­dert nicht zuletzt von der Kunst­praxis selbst zuneh­mend in Frage stellt. Speziell in der Avant­garde­kunst tritt eine künstle­rische Praxis in den Blick, die es sich ausdrück­lich nicht zum Ziel macht, symbo­lisch verschlüs­selte Sinn­welten zu konstru­ieren, die von ausrei­chend vorge­bilde­ten Betrach­tern im Hinblick auf ihre eigent­lichen Be­deutungs­gehal­te zu entschlüs­seln sind. Tradi­tionel­le Mime­sis-Idea­le werden konse­quent hinter sich gelas­sen, eben­so gängi­ge Angel­punkte, durch die ein Kunst­werk an einen spezi­fischen narra­tiven Rahmen gekop­pelt wird, um ein lektü­rear­tiges Verste­hen des Werkes zu ermög­lichen. Auch haben sich im Laufe des 20. Jahrhun­derts die Erfah­rungs­bedin­gungen von Kunst gewan­delt. Kunst wird nicht mehr nur ausge­stellt und für einen distan­zierten Kunst­genuss zugäng­lich gemacht, sondern sie wird verstärkt als ästhe­tisches Ereig­nis aufge­führt, in dem Betrach­tende inso­fern zu Teil­nehmen­den gemacht werden, als sie durch geschick­te Insze­nierun­gen buchstäb­lich mit ihrem ganzen Leib in Kunst­perfor­mances hinein­gezo­gen werden (vgl. [Fischer-Lichte 2004a]). Nicht das Verste­hen von Kunst ist hier von Rele­vanz, sondern die Erfah­rung des Erei­gnis­charak­ters von Kunst (vgl. [Mersch 2002b]). Phäno­mene wie diese lassen sich mit tradi­tionel­len Ana­lyse­instru­menten in der Tat nicht ange­messen beschrei­ben und erklä­ren. Ein revi­diertes Ana­lyse­instru­menta­rium erscheint daher als eben­so uner­lässlich wie ein erwei­tertes Kunst- und Ästhe­tik­verständ­nis.

Belting geht noch einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach sollte die Eman­zipa­tion von den Wider­sprüchen eines klassi­schen kunst­histo­rischen Kanons nicht nur in eine kriti­sche Über­prüfung von tradi­tionel­len Kunst- und Äs­thetik­vorstel­lungen münden, sondern zugleich eine Revi­sion und Erwei­terung des kunst­histo­rischen Forschungs­feldes insge­samt nach sich ziehen. Gefor­dert wird damit eine Revi­sion und Erwei­terung, die inso­fern bild­wissen­schaftli­che Konse­quenzen mit sich bringt, als sie den Ausgangs­punkt für eine Trans­forma­tion der Kunst­geschich­te in eine Bild­geschich­te bildet. Wesent­lich für eine solche Trans­forma­tion ist die Formu­lierung neuar­tiger Forschungs­direk­tiven und Er­kenntnis­inte­ressen. Nicht die Ana­lyse von Kunst­werken soll im Vorder­grund stehen, sondern die Beschäf­tigung mit Bild­werken – und dies unter Gesichts­punkten, die weni­ger von abend­ländisch tradier­ten ästhe­tischen Leitmo­tiven als von geistes­geschicht­lichen, kultur­wissen­schaftli­chen und kultur­anthro­polo­gischen Er­kenntnis­inte­ressen bestimmt sind. Das menschli­che Bild­schaffen soll auf diese Weise nicht mehr unter euro­zentris­tischen, sondern unter inter­kultu­rellen Gesichts­punkten zum Gegen­stand der Forschung gemacht werden (vgl. dazu [Belting & Haustein 1998a], [Belting 2001a]).

Einen prägnanten Eindruck von diesem refor­mato­rischen Ansin­nen vermit­telt Beltings Studie «Bild und Kult» – ein Buch, das seit seiner Erst­veröf­fentli­chung im Jahr 1990 mehrfach neu aufge­legt wurde und heute zu den einfluss­reichsten Werken der jünge­ren Kunst­geschich­te zählt (vgl. [Belting 2004a]). Schon der Unter­titel dieser Arbeit – «Eine Geschich­te des Bildes vor dem Zeital­ter der Kunst» – signa­lisiert eine am Bild, nicht an der Kunst, orien­tierte Unter­suchungs­perspek­tive, aus der sich eine tief­greifen­de Verschie­bung der wissen­schaftli­chen Frage­stellung ergibt. Entschei­dend ist für Belting nicht, was ein konkre­tes Bild bedeu­tet, wie es zwecks einer gelun­genen Inter­preta­tion “gele­sen” werden muss oder inwie­weit es mit einem kano­nisier­ten Kunst- oder Werk­begriff korres­pondiert. Stattdes­sen ist von Inte­resse, in welcher Form Menschen zu Zeiten, in denen ein ela­borier­ter Kunst­begriff noch nicht exis­tiert hat,[5] in gewis­sen poli­tischen, reli­giösen und vor allem kulti­schen Kontex­ten von Bild­werken Gebrauch machten. Ob es sich in den betref­fenden Bild­verwen­dungs­kontex­ten im tradi­tionel­len Sinne um Kunst­werke handelte, ist aus dieser dezi­diert bild­geschicht­lichen Perspek­tive irre­levant.

Ein bildgeschicht­liches Er­kenntnis­inte­resse äußert sich etwa in den folgen­den Forschungs­fragen: Warum haben Menschen das Bedürf­nis, bei der Durch­führung etwa­iger poli­tischer, reli­giöser oder kulti­scher Handlun­gen und Ritu­ale nicht nur Bilder zu verwen­den, sondern diese auch ins Zentrum entspre­chender Handlun­gen und Ritu­ale zu stellen? Was moti­viert Menschen dazu, Bilder zu schaffen? Warum knüpfen Menschen insbe­sonde­re in reli­giösen und kulti­schen Zu­sammen­hängen exis­tenziel­le sowie spiri­tuelle Hoffnun­gen und Erwar­tungen an die Schöpfung, Verwen­dung und quasi-perso­nale Inter­aktion mit Bild­werken? Wie lässt sich verste­hen, warum Bildern seit Jahr­tausen­den beson­dere Kräfte und Mächte zuge­sprochen werden, die auch heute noch die Vorstel­lungen von einer eigen­tümli­chen Bildma­gie bzw. Bild­macht prägen?[6] Was führt Menschen dazu, sich vor Bildern zu ängsti­gen oder sogar ikono­klasti­sche Handlun­gen durchzu­führen, durch die – wie etwa in den spät­anti­ken oder refor­mato­rischen Bilder­stürmen oft gesche­hen – mitunter auch Menschen­leben ein Ende finden?[7]

Fragen wie diese sind noch immer von histo­rischem Wert. Aller­dings unter­stehen sie nicht mehr klassi­schen kunst­histo­rischen Forschungs­impe­rati­ven. Der Gebrauch und die Wirkung von spezi­fischen Bild­werken und Bild­prakti­ken stehen im Vorder­grund der wissen­schaftli­chen Aufmerk­samkeit, nicht der ästhe­tische Genuss oder die metho­disch ange­leite­te “Lektü­re” bzw. Dechif­frierung eines bestimm­ten Kunst­werkes. Kurz: Eine kunst­geschicht­liche weicht einer bild­geschicht­lichen Forschungs­perspek­tive, die inso­fern von großer bild­wissen­schaftli­cher Rele­vanz ist, als sie über den Kontext des ästhe­tischen und künstle­rischen Bild­gebrauchs hinaus neben Ein­blicken in die vielfäl­tigen Bild­verwen­dungs­weisen des Menschen auch Auskünf­te über die Moti­ve für die Schöpfung von Bild­werken gibt. Entspre­chend program­matisch heißt es gleich zu Beginn von «Bild und Kult»: „Eine Geschich­te des Bildes ist etwas ande­res als eine Geschich­te der Kunst.“ ([Belting 2004a]: S. 9)

Dieser Leitsatz einer bildgeschicht­lichen Forschungs­perspek­tive wird bereits wenige Jahre vor der Erst­veröffent­lichung von «Bild und Kult» in David Freedbergs Buch «The Power of Images. Studies in the Histo­ry and Theory of Respon­se» ernst genommen, in dessen Einlei­tung es ausdrück­lich heißt: „This book is not about the history of art. It is about the rela­tions between images and people in histo­ry. It conscious­ly takes within its purview all images, not just those regar­ded as artis­tic ones.“ ([Freedberg 1991a]: S. XIX). Auch bei Freedberg findet sich der Impuls, eine als verkrus­tet empfun­dene Kunst­geschich­te durch die Einfüh­rung ande­rer Forschungs­perspek­tiven und -direk­tiven zu erneu­ern, die vorwie­gend auf das Bild als Gegen­stand des Er­kenntnis­inte­resses bezo­gen sind und die Frage nach dem künstle­rischen Wert eines Bild­werkes bewusst unbe­rücksich­tigt lassen.

Expliziter als Belting verbindet Freedberg seinen bild­geschicht­lichen Vorstoß mit dem Appell, gängi­ge Dicho­tomien aus der kunsthis­tori­schen Forschung zu verban­nen. Freedberg hält es für unan­gemes­sen, im Anschluss an tradier­te Denk- und Ana­lyse­formen nur solchen Bild­arte­fakten größe­re Aufmerk­samkeit zu schenken, die gemein­hin als höhe­re bzw. geho­bene Künste ange­sehen werden. Freedberg versucht diese Haltung durch den Nachweis zu begrün­den, dass die Hinter­gründe, die den produk­tiven und rezep­tiven Umgang mit Bildwer­ken moti­vieren und leiten, durch eine allei­nige Fokus­sierung auf die so genann­ten höhe­ren Künste histo­risch nur lücken­haft rekon­struiert werden können. Um diesem Problem zu entge­hen, schlägt er vor, tradi­tionel­le kunst­histo­rische Be­trachtungs­weisen durch eine im weites­ten Sinne kultur­anthro­polo­gisch-ethno­grafi­sche Forschungs­haltung zu erset­zen (vgl. [Freedberg 1991a]: S. 23). Eine derar­tige Haltung führt seines Erach­tens zu der Einsicht, dass die histo­rischen Voraus­setzun­gen für den Umgang mit Werken der höhe­ren Künste erst dann ange­messen nach­vollzo­gen werden können, wenn dieser mit Bild­prakti­ken in Bezie­hung gesetzt wird, die im Zuge euro­zentris­tischer Vor­urtei­le unbe­rechtigter­weise gemein­hin als ‘einfach’ oder ‘primi­tiv’ dekla­riert worden sind. Aus dieser Erwei­terung des kunst­wissen­schaftli­chen Hori­zonts leitet Freedberg die Hoffnung ab, die Kunst­geschich­te in eine Bild­geschich­te transfor­mieren zu können. Der Bild­geschich­te spricht er dabei einen vollkom­men eigen­ständi­gen wissen­schaftli­chen Status zu, der im Vergleich zur klassi­schen Kunst­geschich­te vor allem in anthro­polo­gischer Hinsicht von weitaus ele­menta­rerer Natur ist:

In order to understand our respon­ses to ‘high’ art we need the gene­ral and speci­fic evi­dence supplied by respon­ses to ‘low’ ima­ges. The histo­ry of art is thus sub­sumed by the histo­ry of images. […] The histo­ry of images takes its own place as a central disci­pline in the study of men and women; the histo­ry of art stands, now a little for­lornly, as a subdi­vision of the histo­ry of cul­tures. ([Freedberg 1991a]: ebd.)


Von der Bildgeschichte zur Bild­anthro­po­lo­gie

Die anthropologischen Konse­quenzen, die sich aus einer bild­geschicht­lichen Forschungs­perspek­tive ergeben, sind von Belting ausführ­licher als von Freedberg heraus­gearbei­tet worden. In seinem Buch «Bild­anthro­polo­gie. Entwür­fe für eine Bild­wissen­schaft» unter­nimmt er den Versuch, über eine anthro­polo­gische Zuspit­zung des bild­geschicht­lichen Ansat­zes einen syste­mati­schen Beitrag zur allge­meinen Bild­theorie beizu­steuern. Dieser Beitrag äußert sich zunächst in der im voran­gegan­genen Text bereits geschil­derten Über­zeugung, „daß sich das Bild nur auf Wegen er­schließen läßt, die inter­diszi­plinär gegangen werden und auch vor einem inter­kultu­rellen Hori­zont nicht zurück­schrecken“ ([Belting 2001a]: S. 8). Bild­wissen­schaft im Sinne von Bild­theorie ließe sich dieser Posi­tion zufol­ge nur dann erfolg­reich betrei­ben, wenn sich von einem Bild­begriff gelöst wird, der im Wesent­lichen auf die abend­ländi­sche Kultur­sphäre zuge­schnitten ist. Eine von aller Empi­rie getrenn­te Ana­lyse des Bild­begriffs, wie Lambert Wiesing sie beispiels­weise für eine philo­sophi­sche Bild­theorie fordert, wäre demnach von vornhe­rein zum Scheitern verur­teilt und damit zwecklos.

So kommt es, dass in Beltings Studien – ähnlich wie bei Freedberg in «The Power of Images» – neben archä­olo­gischen Fund­stücken auch fern­östli­che Bildwer­ke oder indi­gene Körper­bema­lungen Berück­sichti­gung finden. Das in «Bild und Kult» skizzier­te Projekt einer Bild­geschich­te mündet dabei inso­fern in eine Bild­anthro­polo­gie, als sich die Geschich­te des Bildes aus Sicht von Belting immer auch zugleich als eine Geschich­te des Menschen erweist. Eine histo­risch offe­ne (d.h. nicht auf die Geschich­te der Kunst beschränk­te) und inter­kultu­relle Perspek­tive macht nach seinem Dafür­halten ein anthro­po­logi­sches Faktum kenntlich, demzu­folge der Mensch als „natür­licher Ort der Bilder“ (vgl. [Belting 2001a]: S. 57) anzu­sehen sei. Diese These besitzt zwei Kompo­nenten: Auf der einen Seite deutet sie auf die (freilich trivi­ale) Tatsa­che hin, dass „[t]rotz aller Appa­rate, mit denen wir heute Bilder aussen­den und speichern, […] allein der Mensch der Ort [ist], an dem Bilder in einem leben­digen Sinne […] empfan­gen und gedeu­tet werden“ ([Belting 2001a]: ebd.); auf der ande­ren Seite resul­tiert sie aus der Beobach­tung, dass der Mensch selbst mitsamt seines Körpers „gleichsam ein leben­des Organ für Bilder“ ([Belting 2001a]: ebd.) darstellt. Der Mensch gestal­tet und reflek­tiert das Verhält­nis zu sich und der Welt nicht nur mithil­fe des Bildes; auch nutzt er seinen eige­nen Körper als den wohl ersten und damit ursprüng­lichsten Bild­träger.[8]


Zum bildwissenschaftlichen Nutzen einer bild­ge­schicht­li­chen For­schungs­per­spek­ti­ve

Worin liegt nun der bildwissen­schaftli­che Wert einer anthro­polo­gisch zuge­spitzten Bild­geschich­te? Die Antwort auf diese Frage ist nur vermein­tlich einfach und lapi­dar: Konse­quent umge­setzt, ergibt sich aus einer bild­geschicht­lichen Forschungs­perspek­tive ein dyna­misches Bild­verständ­nis. Was ein Bild ist, lässt sich aus bild­geschicht­licher Sicht nicht auf einen fixen Begriff bringen, weil – semi­otisch gespro­chen – sowohl die Inten­sion als auch die Exten­sion des Bildbe­griffs je nach Epoche und Kontext höchst unter­schiedli­che Richtun­gen anneh­men kann. Bei dieser Erkennt­nis handelt es sich einer­seits sicher­lich um eine Binsen­weisheit. Ande­rerseits ist indes nicht minder richtig, dass sich die Frage, woran genau sich die Plasti­zität des Bild­begriffs festmacht, mitun­ter nur sehr mühsam beant­worten lässt. Durch seine kultur­wissen­schaftli­che, ethno­grafi­sche und anthro­polo­gische Erwei­terung der Forschungs­perspek­tive unter­nimmt das Konzept der Bild­geschich­te den Versuch, diese Schwierig­keit aufzu­lösen.

Deutlich wird dies etwa in der bild­geschicht­lichen Ana­lyse von spät­anti­ken reli­giösen und kulti­schen Bild­prakti­ken. Hier tritt ein Bild­gebrauch in den Blick, der durch ein Bild­verständ­nis getra­gen wird, das sich in Anleh­nung an Ernst Cassi­rer als mythisch bezeich­nen lässt (vgl. [Cassi­rer 1925a]). Während es heutzu­tage in den meisten (gewiss nicht in allen) Fällen üblich ist, Bilder als Reprä­senta­tionen von Gegen­ständen und Sach­verhal­ten wahrzu­nehmen, war es bis ins Mittel­alter hinein beson­ders in kulti­schen und reli­giösen Kontex­ten gebräuch­lich, in Bildern die leibhaf­tige Präsenz einer Sache auszu­machen. Im einen Fall wird eine Sache ledig­lich zeichen­haft aufge­fasst: was im Bild sichtbar ist, weist auf Gegen­stände und Sach­verhalte hin, die als Einhei­ten aufge­fasst werden, die nicht aktuell anwe­send sind. Im ande­ren Fall sehen sich die Betrach­ter eines Bildes mit der unmit­telba­ren Leib­haftig­keit einer Sache konfron­tiert: was im Bild sichtbar ist, wird als die Sache selbst wahrge­nommen. Zwischen Darstellung und Dargestelltem besteht ein Verhältnis der Iden­tität; beide Kompo­nenten verschmel­zen mitei­nander und bilden eine untrenn­bare Einheit.

Genau hier findet sich der erwähn­te Berüh­rungs­punkt zwischen den bild­wissen­schaftli­chen Impli­katio­nen einer bild­geschicht­lichen Forschungs­perspek­tive und Ernst Cassi­rers kultur­philo­sophisch herge­leite­ter Theorie des Mythos. Was das mythi­sche Denken nach Cassi­rer charak­teri­siert, ist das Fehlen eines abstrak­ten Zeichen­bewusst­seins. Dinge werden hier nicht im Modus der Reprä­senta­tion, sondern ausschließ­lich im Modus der Präsenz erfasst:

Wo wir [d.h.: die Vertre­ter eines wissen­schaftlich gepräg­ten, nicht-mythi­schen Denkens] ein Verhält­nis der »Re­präsen­tation« sehen, da besteht für den Mythos […] ein Verhält­nis realer Iden­tität. Das “Bild” stellt die “Sache” nicht dar – es ist die Sache; es vertritt sie nicht nur, sondern es wirkt gleich ihr, so daß es sie in ihrer unmit­telba­ren Gegen­wart ersetzt. Man kann es demge­mäß gera­dezu als ein Kennzei­chen des mythi­schen Denkens bezeich­nen, daß ihm die Kate­gorie des »Ideel­len« fehlt, und daß es daher, wo immer ihm ein rein Be­deutungs­mäßi­ges entge­gentritt, dieses Be­deutungs­mäßi­ge selbst, um es über­haupt zu fassen, in ein Dingli­ches, in ein Seins­arti­ges umset­zen muß. ([Cassirer 1925a]: S. 51)

Bezogen auf einen reli­giösen Kontext bedeu­tet dies: Das Bild eines Heili­gen ist vor einem mythi­schen Hinter­grund der Heili­ge höchst­selbst. Das Hei­ligen­bild wird nicht als abstrak­te Reprä­senta­tion einer mögli­cherwei­se realen, dafür aber nicht aktu­ell anwe­senden Person aufge­fasst. Stattdes­sen ist eine Person, die dem Hei­ligen­bild unter magisch-mythi­schen Voraus­setzun­gen gegen­über­steht, davon über­zeugt, mit dem im Bild präsen­ten Objekt der reli­giösen Vereh­rung unmit­telbar in Kontakt treten zu können. Der Faktor des Schein- oder Phantom­haften, wie er eini­gen phäno­meno­logi­schen Bild­konzep­tionen zufolge für Bildlich­keit allge­mein charak­teris­tisch ist (vgl. [Wiesing 2005a]: S. 30ff., [Wiesing 2009a]: S. 201ff.), lässt sich in einem solchen Szena­rio folglich nicht feststel­len. Was in der Bild­theorie zuwei­len als ein uni­versa­les Element für genuine Bildlich­keit über­haupt postu­liert wird, lässt sich durch die Befun­de einer bild­geschicht­lichen Forschungs­perspek­tive nicht veri­fizie­ren.[9]

Die historische Plasti­zität des Bildbe­griffs macht verständ­lich, weshalb es in der reli­giösen und kulti­schen Bild­praxis immer wieder möglich gewe­sen ist, Bilder „wie eine echte Person“ ([Belting 2004a]: S. 9) zu behan­deln. Wer in einem Bild eine Iden­tität zwischen Darstel­lung und Darge­stelltem ausmacht, kann im Bild eines Menschen ohne Weite­res die leibhaf­tige Präsenz dessel­ben ausma­chen. Nach Ansicht von W.J.T. Mitchell und David Freedberg erklärt die Viru­lenz eines solchen magisch-mythi­schen Bild­begriffs, warum Menschen in priva­ten, poli­tischen, reli­giösen oder kulti­schen Kontex­ten bis heute biswei­len ein quasi-perso­nales Verhält­nis zu Bildern pflegen können, in dem Bild­werke als auto­nome Akteu­re in Erscheinung treten, die wie “echte” Perso­nen gelobt, geliebt, gehasst und getadelt werden können (vgl. [Freedberg 1991a]: Kap. 14, [Mitchell 2008b]: S. 106-128). Obwohl die Idee des Bilder­ani­mismus durchaus kritisch bewer­tet werden kann (vgl. [Walden­fels 2010a]: Kap. 2.7), verdeut­licht sie einmal mehr den Kern­gedan­ken einer bild­geschicht­lichen Forschungs­perspek­tive: Die Geschich­te des Bildes geht nicht nur nicht mit der Geschich­te der Kunst einher; auch verweist sie auf ein Forschungs­feld, das von der tradi­tionel­len Kunst­geschich­te offen­bar uner­kannt bleiben musste, weil diese aufgrund ihres ästhe­tischen Konser­vatis­mus und Euro­zentris­mus keine ausrei­chende Sensi­bili­tät für die Vielfalt des menschli­chen Bild­schaffens entwi­ckeln konnte.

Anmerkungen
  1. Im Vor­wort zur voll­ständ­ig über­ar­bei­te­ten Fas­sung des Bu­ches heißt es: „Die Ver­än­de­rung, die in der neu­en Fas­sung zu­erst ins Auge springt, ist der Weg­fall des Fra­ge­zei­chens, das frü­her hin­ter dem Ti­tel stand. Was da­mals noch ei­ne Fra­ge war, ist in den letz­ten Jah­ren für mich zu ei­ner Ge­wiß­heit ge­wor­den.“ ([Bel­ting 2002a]: S. 9)
  2. Vgl. klas­sisch da­zu die Aus­füh­run­gen von [Kris & Kurz 1995a].
  3. Vgl. ähn­lich [Boehm 2007a] und be­son­ders [Mersch 2002a].
  4. Man be­ach­te, dass Pa­nofs­kys klas­si­scher Auf­satz zur Iko­no­gra­fie und Iko­no­lo­gie als „Ein­füh­rung in die Kunst der Re­nais­san­ce“ ge­dacht war ([Pa­nofs­ky 2002a]: S. 36-67). Ei­ne der ein­fluss­reichs­ten kunst­wis­sen­schaft­li­chen Me­tho­den, die auch heu­te noch auf di­ver­se Bild­for­men an­ge­wen­det wird, wur­de mit­hin – mit Bel­ting ge­spro­chen – aus­ge­hend von “al­ter” Kunst ent­wi­ckelt.
  5. «Bild und Kult» kon­zen­triert sich auf Bild­prak­ti­ken, die von der Spät­an­ti­ke bis in die Re­for­ma­ti­on und den Be­ginn der Neu­zeit rei­chen und in­so­fern vor der Re­nais­san­ce, die den Aus­gangs­punkt für den tra­di­ti­o­nel­len Ka­non der Kunst­ge­schich­te bil­det, statt­fan­den.
  6. Vgl. hier­zu für ei­nen fa­cet­ten­rei­chen Über­blick ne­ben den be­reits er­wähn­ten Stu­dien von Bel­ting und Freed­berg die Aus­füh­run­gen in [Lip­pold 1993a].
  7. Vgl. da­zu ne­ben [Freed­berg 1991a]: Kap. 14 und [Mit­chell 2008b]: S. 106-128 die Bei­trä­ge in [Warn­ke 1993a].
  8. Bel­ting ver­weist in die­sem Zu­sam­men­hang un­ter an­de­rem auf die bild­haf­te Ma­ni­pu­la­ti­on von To­ten­schä­deln, die um 7.000 v.Chr. im Na­hen Os­ten of­fen­bar ge­tä­tigt wur­den, um Ver­stor­be­ne im Me­di­um des Bil­des sym­bo­lisch prä­sent zu ma­chen bzw. sym­bo­lisch am Le­ben zu er­hal­ten (vgl. [Bel­ting 2001a]: 146ff.).
  9. Das ma­gisch-my­thi­sche Prin­zip der Iden­ti­tät zwi­schen Bild und Sa­che bil­det seit der Spät­an­ti­ke den Aus­gangs­punkt für zahl­rei­che re­li­gi­ö­se Kon­flik­te. So hin­gen die by­zan­ti­ni­schen und re­for­ma­to­ri­schen Bil­der­stür­me vor al­lem da­mit zu­sam­men, dass die Bil­der­skep­ti­ker bzw. Bil­der­fein­de der An­sicht wa­ren, dass Bil­der stets als Zei­chen zu ge­brau­chen sei­en und ei­ne Ver­eh­rung des Bil­des selbst an­stel­le der durch ein Bild dar­ge­stell­ten Sa­che ei­ner Ver­ken­nung des We­sens des Bil­des dar­stel­le, die ei­ner göt­zen­die­ne­ri­schen Sün­de gleich­kom­me. Im Bil­der­streit tref­fen so­dann Bild­prak­ti­ken auf­ein­an­der, die durch Bild­ver­ständ­nis­se ge­lei­tet wer­den, die sich wech­sel­sei­tig aus­schlie­ßen. Was der Göt­zen­die­ner in ei­nem Bild sieht (die Sa­che selbst), wi­der­spricht aus Sicht des Iko­no­klas­ten al­lem, was ein Bild sein kann und sein darf. Vgl. [Freed­berg 1991a], [Bel­ting 2004a].
Literatur                             [Sammlung]

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Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2013

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Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [75], Joerg R.J. Schirra [31] und Franziska Kurz [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Halawa 2013g-b] Halawa, Mark A. (2013). Kunstgeschichte als Bildgeschichte. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024).
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