Kunstgeschichte als Bildgeschichte: Unterschied zwischen den Versionen
(→Die Kunstgeschichte als prädestinierte Bildwissenschaft) |
(→Die Kunstgeschichte als prädestinierte Bildwissenschaft) |
||
Zeile 17: | Zeile 17: | ||
Zum anderen mehren sich Zweifel an der humanistischen Voraus­setzungslastigkeit der traditionellen Kunst­geschichte. War es lange Zeit üblich, den Fortgang kunst­historischer Forschung an einem westlichen, euro­zentrisch geprägten Kunst­verständnis auszu­richten, plädieren diverse namhafte zeit­genössische Kunst­historiker für eine Erweiterung des kunst­historischen Gegenstands­bereichs (vgl. <bib id='Freedberg 1991a'></bib>, <bib id='Elkins 1999a'></bib>, <bib id='Belting 2004a'></bib>, <bib id='Mitchell 1986a'></bib>). Zur Debatte steht dabei meist ein humanistisch geschultes „Diktat der Kunst­geschichte“ (<bib id='Belting 2002a'></bib>: S. 77), demzufolge nur solche Bild­werke von kunst­historischem Wert und Interesse sind, die einem klassischen, durch Antike und Renaissance geprägten Kunst- und Ästhetik­verständnis entgegenkommen. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass die Trag­weite des menschlichen Bild­schaffens durch eine derartige Forschungs­programmatik in keiner Weise eingefangen werden könne. Wie unter anderem James Elkins demonstriert hat, übersteigt das Reich der Bilder das der Kunst in beträchtlichem Maße (vgl. <bib id='Elkins 1999a'></bib>). Nicht alles, was ein Bild ist, ist zugleich auch Kunst. | Zum anderen mehren sich Zweifel an der humanistischen Voraus­setzungslastigkeit der traditionellen Kunst­geschichte. War es lange Zeit üblich, den Fortgang kunst­historischer Forschung an einem westlichen, euro­zentrisch geprägten Kunst­verständnis auszu­richten, plädieren diverse namhafte zeit­genössische Kunst­historiker für eine Erweiterung des kunst­historischen Gegenstands­bereichs (vgl. <bib id='Freedberg 1991a'></bib>, <bib id='Elkins 1999a'></bib>, <bib id='Belting 2004a'></bib>, <bib id='Mitchell 1986a'></bib>). Zur Debatte steht dabei meist ein humanistisch geschultes „Diktat der Kunst­geschichte“ (<bib id='Belting 2002a'></bib>: S. 77), demzufolge nur solche Bild­werke von kunst­historischem Wert und Interesse sind, die einem klassischen, durch Antike und Renaissance geprägten Kunst- und Ästhetik­verständnis entgegenkommen. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass die Trag­weite des menschlichen Bild­schaffens durch eine derartige Forschungs­programmatik in keiner Weise eingefangen werden könne. Wie unter anderem James Elkins demonstriert hat, übersteigt das Reich der Bilder das der Kunst in beträchtlichem Maße (vgl. <bib id='Elkins 1999a'></bib>). Nicht alles, was ein Bild ist, ist zugleich auch Kunst. | ||
: | : | ||
− | Um die Vielfalt menschlichen Bild­schaffens erfassen und beschreiben zu können, wurde daher verschiedentlich der Vorschlag gemacht, die Kunst­geschichte in eine Bild­geschichte zu überführen (vgl. <bib id='Freedberg 1991a'></bib>, <bib id='Belting 2004a'></bib>). Gegen­stand kunst­historischer bzw. nun: bild­geschichtlicher Forschung wären demnach ''sämtliche'' Bild­erzeugnisse, darunter gerade solche Bild­werke, die von der traditionellen Kunst­geschichte ignoriert oder vernachlässigt worden sind. Leitend ist in solchen Forschungen nicht eine spezifische Idee von Kunst, sondern das Phänomen des Bildes in dessen gesamten Facetten­reichtum. Zu erwähnen ist, dass dieses Forschungs­interesse von den Intentionen philosophischer Bild­theorien meist verschieden ist. Während philosophische Bild­theorien in der Regel den ''Begriff'' des Bildes untersuchen, befassen sich kunst­historische wie bild­geschichtliche Studien häufig in erster Linie auf einem empirischen, historischen und/oder kultur­wissenschaftlichen Wege mit speziellen Bild­phänomenen (⊳ [[Bildwissenschaft vs. Bildtheorie|Bild­wissenschaft vs. Bild­theorie]]). Der Möglichkeit, über die Analyse konkreter Bild­werke hinaus ebenfalls zu allgemeinen Einsichten über die Besonderheit bildlicher Darstellungen zu gelangen, steht diese Betrachtungs­weise allerdings keineswegs prinzipiell entgegen. | + | Um die Vielfalt menschlichen Bild­schaffens erfassen und beschreiben zu können, wurde daher verschiedentlich der Vorschlag gemacht, die Kunst­geschichte in eine Bild­geschichte bzw. historische Bildwissenschaft zu überführen (vgl. <bib id='Freedberg 1991a'></bib>, <bib id='Belting 2004a'></bib>, <bib id='Bredekamp 2003b'></bib>). Gegen­stand kunst­historischer bzw. nun: bild­geschichtlicher Forschung wären demnach ''sämtliche'' Bild­erzeugnisse, darunter gerade solche Bild­werke, die von der traditionellen Kunst­geschichte ignoriert oder vernachlässigt worden sind. Leitend ist in solchen Forschungen nicht eine spezifische Idee von Kunst, sondern das Phänomen des Bildes in dessen gesamten Facetten­reichtum. Zu erwähnen ist, dass dieses Forschungs­interesse von den Intentionen philosophischer Bild­theorien meist verschieden ist. Während philosophische Bild­theorien in der Regel den ''Begriff'' des Bildes untersuchen, befassen sich kunst­historische wie bild­geschichtliche Studien häufig in erster Linie auf einem empirischen, historischen und/oder kultur­wissenschaftlichen Wege mit speziellen Bild­phänomenen (⊳ [[Bildwissenschaft vs. Bildtheorie|Bild­wissenschaft vs. Bild­theorie]]). Der Möglichkeit, über die Analyse konkreter Bild­werke hinaus ebenfalls zu allgemeinen Einsichten über die Besonderheit bildlicher Darstellungen zu gelangen, steht diese Betrachtungs­weise allerdings keineswegs prinzipiell entgegen. |
: | : | ||
Version vom 8. April 2013, 15:49 Uhr
Unterpunkt zu: Bildphilosophische Abgrenzungen
Die Kunstgeschichte als prädestinierte BildwissenschaftDie Kunstgeschichte gilt als eine der ältesten und versiertesten bildwissenschaftlichen Disziplinen. Eine intensive Auseinandersetzung mit Bildwerken verschiedenster Art gehört für sie seit jeher zum Tagesgeschäft. Seit ihrer akademischen Etablierung im 19. Jahrhundert hat sie dabei eine Reihe von Methoden entwickelt, die die wissenschaftliche Beschäftigung mit etwaigen Bildwerken unter systematischen Gesichtspunkten anleiten. Viele davon haben in der internationalen kunsthistorischen Forschung weite Verbreitung gefunden (⊳ Ikonografie, Ikonologie, Ikonik). Seit dem Ende der 1980er Jahre werden allerdings zahlreiche dieser Methoden hinsichtlich ihres grundlegenden disziplinären Stellenwertes in Frage gestellt. Obwohl die Arbeiten von Autoren wie Erwin Panofsky (1892-1968), Ernst Gombrich (1909-2001) oder Heinrich Wölfflin (1864-1945) nach wie vor als Klassiker der Kunstgeschichte zählen, machen sich etliche einflussreiche kunsthistorische Stimmen für eine methodische Reformation ihrer Disziplin stark. Im Großen und Ganzen sind es zwei Gründe, die diesen Reformwunsch initiieren: Zum einen wird zunehmend das Bedürfnis geäußert, sich von Methoden zu lösen, die in ihrer Bildanalyse vornehmlich hermeneutische und semiotische Erkenntnisinteressen in den Vordergrund rücken. Das in Panofskys Ikonologie prominent ins Auge gefasste Ziel, die „eigentliche Bedeutung“ eines Bildwerks zu ermitteln (vgl. [Panofsky 2002a]Literaturangabe fehlt. Zum anderen mehren sich Zweifel an der humanistischen Voraussetzungslastigkeit der traditionellen Kunstgeschichte. War es lange Zeit üblich, den Fortgang kunsthistorischer Forschung an einem westlichen, eurozentrisch geprägten Kunstverständnis auszurichten, plädieren diverse namhafte zeitgenössische Kunsthistoriker für eine Erweiterung des kunsthistorischen Gegenstandsbereichs (vgl. [Freedberg 1991a]Literaturangabe fehlt. Um die Vielfalt menschlichen Bildschaffens erfassen und beschreiben zu können, wurde daher verschiedentlich der Vorschlag gemacht, die Kunstgeschichte in eine Bildgeschichte bzw. historische Bildwissenschaft zu überführen (vgl. [Freedberg 1991a]Literaturangabe fehlt. Kunstgeschichte als BildgeschichteDie vielleicht einflussreichsten Anregungen, kunstgeschichtliche Forschung im Sinne einer Bildgeschichte zu betreiben, finden sich in den Schriften Hans Beltings. In seinem Buch «Das Ende der Kunstgeschichte» – ein Werk, das bei seiner Erstveröffentlichung noch ein Fragezeichen im Titel trug (vgl. [Belting 1983a]Literaturangabe fehlt.
Angesprochen ist ein Kanon, der auf die Tradition der Renaissance und Antike zurückgeht und von kunsthistorischen Wegbereitern wie Leon Battista Alberti (1404-1472) und Giorgio Vasari (1511-1574) sowie Pionieren der akademischen Kunstgeschichte wie Alois Riegl (1858-1905), Heinrich Wölfflin oder Erwin Panofsky popularisiert und etabliert wurde. Im Zentrum dieses Kanons steht neben dem Werkbegriff häufig auch die Idee der kunstvoll-virtuosen Autorschaft, derzufolge 'großartige' oder 'wahre' Kunst nur von solchen Personen kreiert werden könne, die mit einer außergewöhnlichen artistischen Begabung und künstlerischen Genialität versehen sind (⊳ Original).[2] Besonders die drei zuletzt genannten Autoren haben gemeinsam, dass sie zur Formulierung und Etablierung einer modernen Kunstgeschichte entscheidend beitrugen. Zugleich werden sie jedoch verstärkt als Vertreter eines überbordenden Intellektualismus gesehen, welcher trotz seiner unstrittigen Pionierkraft und Modernität in letzter Konsequenz einen konservativen Kern in sich trage, der sich spätestens mit den neueren, dezidiert nicht-klassischen Kunstströmungen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert unmöglich vereinbaren lasse (vgl. [Belting 2002a]Literaturangabe fehlt. Eine der pointiertesten Kritiken eines kunsthistorischen Intellektualismus findet sich in Georges Didi-Hubermans Buch «Devant l’image» (dt.: «Vor einem Bild»), in dem vor allem in kritischer Auseinandersetzung mit Erwin Panofskys Ikonologie der Versuch unternommen wird, sich von der „positivistische[n] Hoffnung“ ([Didi-Huberman 2000a]Literaturangabe fehlt.
Ausgesprochen ist damit die Forderung einer Abkehr von klassischen kunst- und bildwissenschaftlichen Forschungsprogrammen. Ein etabliertes Primat der Interpretation soll hier durch eine Sensibilisierung für die phänomenalen, nicht immer schon in Interpretation und Wissen aufgehenden, gleichsam irrationalen Facetten der Bilderfahrung in Frage gestellt werden. Eingefordert wird dabei eine Sensibilität, wie sie sich nach Didi-Hubermans Dafürhalten im Anschluss an kunsthistorische Klassiker wie Panofsky oder Gombrich offenbar niemals entwickelt lässt. Was den konstatierten Konservatismus des zur Disposition stehenden kunstwissenschaftlichen Kanons betrifft, so setzt Belting diesen mit einer für seine Begriffe allzu einseitigen wissenschaftlichen Aufmerksamkeitsspanne in Verbindung. Belting stellt die wissenschaftlichen Leistungen kunsthistorischer Pioniere nicht in Frage. Jedoch merkt er kritisch an, dass selbst dann, wenn in kanonischen kunsthistorischen Studien ausdrücklich von ›neuerer‹ Kunst die Rede gewesen sei, lediglich „die Kunst von Renaissance und Barock“ ([Belting 2002a]Literaturangabe fehlt.
Der kritische Hinweis auf diesen Widerspruch ist insofern nachvollziehbar, als die konservative Orientierung an Regeln und Methoden, die an Kunstwerken aus der entfernten Vergangenheit gewonnen wurden, spätestens mit dem Aufkommen jüngerer Kunstpraktiken an ihre Grenzen stößt. Eine klassische Werkästhetik, wie sie innerhalb des traditionellen kunstwissenschaftlichen Kanons in der Regel vorausgesetzt wurde, wird seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nicht zuletzt von der Kunstpraxis selbst zunehmend in Frage stellt. Speziell in der Avantgardekunst tritt eine künstlerische Praxis in den Blick, die es sich ausdrücklich nicht zum Ziel macht, symbolisch verschlüsselte Sinnwelten zu konstruieren, die von ausreichend vorgebildeten Betrachtern im Hinblick auf ihre eigentlichen Bedeutungsgehalte zu entschlüsseln sind. Traditionelle Mimesis-Ideale werden konsequent hinter sich gelassen, ebenso gängige Angelpunkte, durch die ein Kunstwerk an einen spezifischen narrativen Rahmen gekoppelt wird, um ein lektüreartiges Verstehen des Werkes zu ermöglichen. Auch haben sich im Laufe des 20. Jahrhunderts die Erfahrungsbedingungen von Kunst gewandelt. Kunst wird nicht mehr nur ausgestellt und für einen distanzierten Kunstgenuss zugänglich gemacht, sondern sie wird verstärkt als ästhetisches Ereignis aufgeführt, in dem Betrachtende insofern zu Teilnehmenden gemacht werden, als sie durch geschickte Inszenierungen buchstäblich mit ihrem ganzen Leib in Kunstperformances hineingezogen werden (vgl. [Fischer-Lichte 2004a]Literaturangabe fehlt. Belting geht noch einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach sollte die Emanzipation von den Widersprüchen eines klassischen kunsthistorischen Kanons nicht nur in eine kritische Überprüfung von traditionellen Kunst- und Ästhetikvorstellungen münden, sondern zugleich eine Revision und Erweiterung des kunsthistorischen Forschungsfeldes insgesamt nach sich ziehen. Gefordert wird damit eine Revision und Erweiterung, die insofern bildwissenschaftliche Konsequenzen mit sich bringt, als sie den Ausgangspunkt für eine Transformation der Kunstgeschichte in eine Bildgeschichte bildet. Wesentlich für eine solche Transformation ist die Formulierung neuartiger Forschungsdirektiven und Erkenntnisinteressen. Nicht die Analyse von Kunstwerken soll im Vordergrund stehen, sondern die Beschäftigung mit Bildwerken – und dies unter Gesichtspunkten, die weniger von abendländisch tradierten ästhetischen Leitmotiven als von geistesgeschichtlichen, kulturwissenschaftlichen und kulturanthropologischen Erkenntnisinteressen bestimmt sind. Das menschliche Bildschaffen soll auf diese Weise nicht mehr unter eurozentristischen, sondern unter interkulturellen Gesichtspunkten zum Gegenstand der Forschung gemacht werden (vgl. dazu [Belting & Haustein 1998a]Literaturangabe fehlt. Einen prägnanten Eindruck von diesem reformatorischen Ansinnen vermittelt Beltings Studie «Bild und Kult» – ein Buch, das seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1990 mehrfach neu aufgelegt wurde und heute zu den einflussreichsten Werken der jüngeren Kunstgeschichte zählt (vgl. [Belting 2004a]Literaturangabe fehlt. Ein bildgeschichtliches Erkenntnisinteresse äußert sich etwa in den folgenden Forschungsfragen: Warum haben Menschen das Bedürfnis, bei der Durchführung etwaiger politischer, religiöser oder kultischer Handlungen und Rituale nicht nur Bilder zu verwenden, sondern diese auch ins Zentrum entsprechender Handlungen und Rituale zu stellen? Was motiviert Menschen dazu, Bilder zu schaffen? Warum knüpfen Menschen insbesondere in religiösen und kultischen Zusammenhängen existenzielle sowie spirituelle Hoffnungen und Erwartungen an die Schöpfung, Verwendung und quasi-personale Interaktion mit Bildwerken? Wie lässt sich verstehen, warum Bildern seit Jahrtausenden besondere Kräfte und Mächte zugesprochen werden, die auch heute noch die Vorstellungen von einer eigentümlichen Bildmagie bzw. Bildmacht prägen?[6] Was führt Menschen dazu, sich vor Bildern zu ängstigen oder sogar ikonoklastische Handlungen durchzuführen, durch die – wie etwa in den spätantiken oder reformatorischen Bilderstürmen oft geschehen – mitunter auch Menschenleben ein Ende finden?[7] Fragen wie diese sind noch immer von historischem Wert. Allerdings unterstehen sie nicht mehr klassischen kunsthistorischen Forschungsimperativen. Der Gebrauch und die Wirkung von spezifischen Bildwerken und Bildpraktiken stehen im Vordergrund der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, nicht der ästhetische Genuss oder die methodisch angeleitete “Lektüre” bzw. Dechiffrierung eines bestimmten Kunstwerkes. Kurz: Eine kunstgeschichtliche weicht einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive, die insofern von großer bildwissenschaftlicher Relevanz ist, als sie über den Kontext des ästhetischen und künstlerischen Bildgebrauchs hinaus neben Einblicken in die vielfältigen Bildverwendungsweisen des Menschen auch Auskünfte über die Motive für die Schöpfung von Bildwerken gibt. Entsprechend programmatisch heißt es gleich zu Beginn von «Bild und Kult»: „Eine Geschichte des Bildes ist etwas anderes als eine Geschichte der Kunst.“ ([Belting 2004a]Literaturangabe fehlt. Dieser Leitsatz einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive wird bereits wenige Jahre vor der Erstveröffentlichung von «Bild und Kult» in David Freedbergs Buch «The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response» ernst genommen, in dessen Einleitung es ausdrücklich heißt: „This book is not about the history of art. It is about the relations between images and people in history. It consciously takes within its purview all images, not just those regarded as artistic ones.“ ([Freedberg 1991a]Literaturangabe fehlt. Expliziter als Belting verbindet Freedberg seinen bildgeschichtlichen Vorstoß mit dem Appell, gängige Dichotomien aus der kunsthistorischen Forschung zu verbannen. Freedberg hält es für unangemessen, im Anschluss an tradierte Denk- und Analyseformen nur solchen Bildartefakten größere Aufmerksamkeit zu schenken, die gemeinhin als höhere bzw. gehobene Künste angesehen werden. Freedberg versucht diese Haltung durch den Nachweis zu begründen, dass die Hintergründe, die den produktiven und rezeptiven Umgang mit Bildwerken motivieren und leiten, durch eine alleinige Fokussierung auf die so genannten höheren Künste historisch nur lückenhaft rekonstruiert werden können. Um diesem Problem zu entgehen, schlägt er vor, traditionelle kunsthistorische Betrachtungsweisen durch eine im weitesten Sinne kulturanthropologisch-ethnografische Forschungshaltung zu ersetzen (vgl. [Freedberg 1991a]Literaturangabe fehlt.
Von der Bildgeschichte zur BildanthropologieDie anthropologischen Konsequenzen, die sich aus einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive ergeben, sind von Belting ausführlicher als von Freedberg herausgearbeitet worden. In seinem Buch «Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft» unternimmt er den Versuch, über eine anthropologische Zuspitzung des bildgeschichtlichen Ansatzes einen systematischen Beitrag zur allgemeinen Bildtheorie beizusteuern. Dieser Beitrag äußert sich zunächst in der im vorangegangenen Text bereits geschilderten Überzeugung, „daß sich das Bild nur auf Wegen erschließen läßt, die interdisziplinär gegangen werden und auch vor einem interkulturellen Horizont nicht zurückschrecken“ ([Belting 2001a]Literaturangabe fehlt. So kommt es, dass in Beltings Studien – ähnlich wie bei Freedberg in «The Power of Images» – neben archäologischen Fundstücken auch fernöstliche Bildwerke oder indigene Körperbemalungen Berücksichtigung finden. Das in «Bild und Kult» skizzierte Projekt einer Bildgeschichte mündet dabei insofern in eine Bildanthropologie, als sich die Geschichte des Bildes aus Sicht von Belting immer auch zugleich als eine Geschichte des Menschen erweist. Eine historisch offene (d.h. nicht auf die Geschichte der Kunst beschränkte) und interkulturelle Perspektive macht nach seinem Dafürhalten ein anthropologisches Faktum kenntlich, demzufolge der Mensch als „natürlicher Ort der Bilder“ (vgl. [Belting 2001a]Literaturangabe fehlt. Zum bildwissenschaftlichen Nutzen einer bildgeschichtlichen ForschungsperspektiveWorin liegt nun der bildwissenschaftliche Wert einer anthropologisch zugespitzten Bildgeschichte? Die Antwort auf diese Frage ist nur vermeintlich einfach und lapidar: Konsequent umgesetzt, ergibt sich aus einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive ein dynamisches Bildverständnis. Was ein Bild ist, lässt sich aus bildgeschichtlicher Sicht nicht auf einen fixen Begriff bringen, weil – semiotisch gesprochen – sowohl die Intension als auch die Extension des Bildbegriffs je nach Epoche und Kontext höchst unterschiedliche Richtungen annehmen kann. Bei dieser Erkenntnis handelt es sich einerseits sicherlich um eine Binsenweisheit. Andererseits ist indes nicht minder richtig, dass sich die Frage, woran genau sich die Plastizität des Bildbegriffs festmacht, mitunter nur sehr mühsam beantworten lässt. Durch seine kulturwissenschaftliche, ethnografische und anthropologische Erweiterung der Forschungsperspektive unternimmt das Konzept der Bildgeschichte den Versuch, diese Schwierigkeit aufzulösen. Deutlich wird dies etwa in der bildgeschichtlichen Analyse von spätantiken religiösen und kultischen Bildpraktiken. Hier tritt ein Bildgebrauch in den Blick, der durch ein Bildverständnis getragen wird, das sich in Anlehnung an Ernst Cassirer als mythisch bezeichnen lässt (vgl. [Cassirer 1925a]Literaturangabe fehlt. Genau hier findet sich der erwähnte Berührungspunkt zwischen den bildwissenschaftlichen Implikationen einer bildgeschichtlichen Forschungsperspektive und Ernst Cassirers kulturphilosophisch hergeleiteter Theorie des Mythos. Was das mythische Denken nach Cassirer charakterisiert, ist das Fehlen eines abstrakten Zeichenbewusstseins. Dinge werden hier nicht im Modus der Repräsentation, sondern ausschließlich im Modus der Präsenz erfasst:
Bezogen auf einen religiösen Kontext bedeutet dies: Das Bild eines Heiligen ist vor einem mythischen Hintergrund der Heilige höchstselbst. Das Heiligenbild wird nicht als abstrakte Repräsentation einer möglicherweise realen, dafür aber nicht aktuell anwesenden Person aufgefasst. Stattdessen ist eine Person, die dem Heiligenbild unter magisch-mythischen Voraussetzungen gegenübersteht, davon überzeugt, mit dem im Bild präsenten Objekt der religiösen Verehrung unmittelbar in Kontakt treten zu können. Der Faktor des Schein- oder Phantomhaften, wie er einigen phänomenologischen Bildkonzeptionen zufolge für Bildlichkeit allgemein charakteristisch ist (vgl. [Wiesing 2005a]Literaturangabe fehlt. Die historische Plastizität des Bildbegriffs macht verständlich, weshalb es in der religiösen und kultischen Bildpraxis immer wieder möglich gewesen ist, Bilder „wie eine echte Person“ ([Belting 2004a]Literaturangabe fehlt. |
Anmerkungen
[Belting & Haustein 1998a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belting 1983a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belting 2001a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belting 2002a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Belting 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Boehm 2007a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bredekamp 2003b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cassirer 1925a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Didi-Huberman 2000a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Elkins 1999a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Fischer-Lichte 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Freedberg 1991a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Kris & Kurz 1995a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Lippold 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Mersch 2002a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Mersch 2002b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Mitchell 1986a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Mitchell 2008b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Panofsky 2002a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Waldenfels 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Warnke 1993a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Wiesing 2005a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Wiesing 2009a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Mark A. Halawa [75], Joerg R.J. Schirra [31] und Franziska Kurz [1] — (Hinweis) |