Lateinisch: 'effigies', 'species', 'simulacrum', 'imago': Unterschied zwischen den Versionen

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<!--Hier die entsprechende Textpassage einfügen-->Vom Verb ''simulare'', das in erster Linie ›ähnlich machen‹ bedeutet, leitet sich ''simulacrum'' ab. Wenngleich damit ganz allgemein das Ebenbild, Abbild oder Bildnis bezeichnet werden kann, wird in der Antike darunter zumeist das kultisch verehrte Götterbild verstanden (#Georges II, 2678; vgl. Pearcy 1974, 122). Da es sich dabei  sich um eine plastische und ganzfigurige Darstellung handelt (#Daut 34), bietet es sich an, ''simulacrum'' in diesem Sinne als materiales Bild zu begreifen. In Anbetracht des kultischen Zusammenhangs und des für ihn ausschlaggebenden magischen Bildverständnisses ist diese Kategorisierung allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu verwenden. Neben dieser Bedeutung findet sich ''simulacrum'' auch, um Schatten-, Spiegel-, Traum- und Phantasiebilder zu bezeichnen oder Schattenbilder der Verstorbenen und auch Gespenster (#Georges II, 2678); in diesen Hinsichten eignet sich ''simulacrum'' als Übersetzung des griechischen ''eidolon''#. Auch und gerade im Zusammenhang mit den letztgenannten Bedeutungen etabliert sich eine negative Konnotation, nämlich die des Trugs und der Täuschung. Dieser eher bedenkliche Aspekt von ''simulacrum'' verstärkt sich im christlichen Latein nicht zuletzt deswegen, weil die paganen ''Götter''bilder nun als ''Götzen''bilder dem Verdikt der Unwahrheit ausgesetzt werden. Wirkmächtig ist hier die große Enzyklopädie mittelalterlichen Wissens, Isidor von Sevillas ''Etymologiae'', die in Buch VIII, 11 auch eine neue Komponente bei der etymologischen Ableitung des Wortes ins Spiel bringt: »Daher (werden) sie ''simulacra'' (genannt), entweder weil sie ähnlich (''similia'') sind oder weil sie unecht (''simulata'') sind und erfunden (''conficta''), weshalb sie auch falsch sind.« (Möller 2008, 309). Einen bemerkenswerten Aufschwung erfährt ''simulacrum'' in der wissenschaftlichen Terminologie des 20. Jahrhunderts. Hier erweist sich gerade der bedenkliche Aspekt  von ''simulacrum'', nämlich gerade ''kein'' verlässliches oder treues Abbild von etwas anderem zu sehen, als relevant und anschlussfähig. Um zwei Beispiele aus dieser Entwicklung zu nennen: In der postrukturalistischen Medientheorie gelten Bilder verstärkt als nicht mehr auf Realität verweisende, als referenzlose Simulakren (Baudrillard 1978, #). Und der jüngeren Wissenschaftstheorie zufolge lassen sich Wahrheit und Falschheit physikalischer Gesetze nicht direkt an der Realität erproben, vielmehr bedarf es dazu der Bildung von Modellen, in denen von der Realität abweichende Simulakren die realen Objekte vertreten (Cartwright 1983, #).
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<!--Hier die entsprechende Textpassage einfügen-->Vom Verb ''simulare'', das in erster Linie ›ähnlich machen‹ bedeutet, leitet sich ''simulacrum'' ab. Wenngleich damit ganz allgemein das Ebenbild, Abbild oder Bildnis bezeichnet werden kann, wird in der Antike darunter zumeist das kultisch verehrte Götterbild verstanden (#Georges II, 2678; vgl. Pearcy 1974, 122). Da es sich dabei  sich um eine plastische und ganzfigurige Darstellung handelt (#Daut 34), bietet es sich an, ''simulacrum'' in diesem Sinne als materiales Bild zu begreifen. In Anbetracht des kultischen Zusammenhangs und des für ihn ausschlaggebenden magischen Bildverständnisses ist diese Kategorisierung allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu verwenden. Neben dieser Bedeutung findet sich ''simulacrum'' auch, um Schatten-, Spiegel-, Traum- und Phantasiebilder zu bezeichnen oder Schattenbilder der Verstorbenen und auch Gespenster (#Georges II, 2678); in diesen Hinsichten eignet sich ''simulacrum'' als Übersetzung des griechischen ''eidolon''#. Auch und gerade im Zusammenhang mit den letztgenannten Bedeutungen etabliert sich eine negative Konnotation, nämlich die des Trugs und der Täuschung. Dieser eher bedenkliche Aspekt von ''simulacrum'' verstärkt sich im christlichen Latein nicht zuletzt deswegen, weil die paganen ''Götter''bilder nun als ''Götzen''bilder dem Verdikt der Unwahrheit ausgesetzt werden. Wirkmächtig ist hier die große Enzyklopädie mittelalterlichen Wissens, Isidor von Sevillas ''Etymologiae'', die in Buch VIII, 11 auch eine neue Komponente bei der etymologischen Ableitung des Wortes ins Spiel bringt: »Daher (werden) sie ''simulacra'' (genannt), entweder weil sie ähnlich (''similia'') sind oder weil sie unecht (''simulata'') sind und erfunden (''conficta''), weshalb sie auch falsch sind.« (Möller 2008, 309). Einen bemerkenswerten Aufschwung erfährt ''simulacrum'' in der wissenschaftlichen Terminologie des 20. Jahrhunderts. Hier erweist sich gerade der bedenkliche Aspekt  von ''simulacrum'', nämlich gerade ''kein'' verlässliches oder treues Abbild von etwas anderem zu sehen, als relevant und anschlussfähig. Um zwei Beispiele aus dieser Entwicklung zu nennen: In der postrukturalistischen Medientheorie gelten Bilder verstärkt als nicht mehr auf Realität verweisende, als referenzlose Simulakren (Baudrillard 1978, #). Und der jüngeren Wissenschaftstheorie zufolge lassen sich Wahrheit und Falschheit physikalischer Gesetze nicht direkt an der Realität erproben, vielmehr bedarf es dazu der Bildung von Modellen, in denen von der Realität abweichende # Simulakren die realen Objekte vertreten (Cartwright 1983, #).
  
 
Möller, Lenelotte (Hrsg.): Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, Wiesbaden 2008, 309
 
Möller, Lenelotte (Hrsg.): Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, Wiesbaden 2008, 309
 
Jean Baudrillard: Die Agonie des Realen, Berlin 1978
 
Jean Baudrillard: Die Agonie des Realen, Berlin 1978
Nancy Cartwright: How...1983
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Nancy Cartwright: How the laws of physics lie, Oxford 1983
  
 
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Version vom 1. September 2011, 23:07 Uhr


Unterpunkt zu: Bildtermini anderer Sprachen


Darstellung des gr. Zusammenhangs

Das Lateinische verfügt über ein breites, variantenreiches und sich oft änderndes Vokabular, um Bilder zu bezeichnen. In der Regel gilt, dass sich die verwendeten Ausdrücke ursprünglich auf plastische Gebilde wie Skulpturen, Plastiken, Büsten, Masken und (dann auch) Reliefs beziehen und dass sie erst später anfangen, Bilder im uns heute geläufigen Sinne – also plane, flächige Objekte – zu meinen. #Übersetzungen aus dem Griechischen - Etymon für die jüngeren europäischen Sprachen#


Der »Eigennamen-Typus«

Wie schon im Griechischen besteht auch im Lateinischen die Möglichkeit, Bilder, genauer: Götterbilder, auch indirekt zu bezeichnen. Zunächst ist das insbesondere im Kontext der magischen Bildauffassung der Fall: »Die Sprache kann mit dem bloßen Eigennamen einer Gottheit das Bild des betreffenden Gottes oder der Göttin benennen, ohne eines der üblichen bildbezeichnenden Worte wie effigies, imago, signum, simulacrum oder statua zu verwenden. Mit diesem Eigennamen-Typus drückte der frühere Mensch seinen Glauben an die Identität von Bild und Gottheit aus, der noch durch keine Reflexion über den künstlerisch-technischen Vorgang bei der Schöpfung des Götterbildes gebrochen war.« (#Daut 1975, 14) Vermutlich ist der Eigennamen-Typus – also beispielsweise »Venus« sagen und (zugleich auch) ihre Skulptur meinen – im vorliterarischen Latein der eigentliche Modus, in dem über Götterbilder gesprochen wird. Gerade in Bezug auf die Laren und Penaten, die privaten Götter des Haushalts, der Orte und Familien, hält er sich bis in die römische Spätzeit. Darüber hinaus findet sich der Eigennamen-Typus in zwei weiteren Funktionen. (#Vgl. im Folgenden Daut 1975, 21, 29) In der Terminologie der Kunstschriftsteller ist es eine beliebte Abkürzung, den Namen des dargestellten Gottes in Verbindung mit dem Genitiv des Künstlernamens anzugeben; der »Iuppiter Lysippi« etwa ist hier die von Lysipp gefertigte Jupiter-Statue. Die satirische Bilderkritik schließlich verwendet den Eigennamen-Typus, um den magischen Bilderglauben zu verspotten. Dabei konterkariert sie handelnde und redende Götterbilder mit Hinweisen auf ihren Status als Artefakt und auf ihre Materialbeschaffenheit – wie Horaz, der dem Priapus die Rede in den Mund legt, einst ein Feigenbaumstrunk gewesen zu sein (#).

Effigies

Die Regel, dass sich Bildausdrücke ursprünglich nicht auf plane, flächige Objekte beziehen, zeigt sich im Fall von „effigies“ besonders deutlich; dieser Bildausdruck leitet sich etymologisch vom Verb „effingere“ ab, womit anfangs das plastische Bilden – und wahrscheinlich vor allem das Arbeiten in Ton – bezeichnet wurde. Bis in die europäische Neuzeit ist er zur Bezeichnung von Bildern und Abbildern gebräuchlich, weist aber außerdem noch zwei Besonderheiten auf, nämlich im Begräbniskult und im Recht (# vgl. dazu Olbrich Bd. 2, 265). In den Begräbniskulten von der Antike bis in die Neuzeit begegnet mit der effigies ein meist aus vergänglichen Materialien wie Wachs, Leder, Weidengeflecht, Ton oder Ähnlichem geformtes, plastisches Abbild eines Verstorbenen, für dessen Gesichtsdarstellung auch die Totenmaske herangezogen werden konnte. Als Scheinleib dient die effigies bei herrschaftlichen Begräbniszeremonien vor allem dann, wenn die Anforderungen der politischen Repräsentation mit dem echten Leichnam – vor allem bei längerer Dauer der Feierlichkeit – nicht mehr zu bewältigen sind. Noch länger, mindestens bis ins 19. Jahrhunderts, hält sich im Recht die Praxis, ein Urteil in effigie, also im oder am Bild zu vollstrecken. Bei einer Exekution in effigie konnte anstelle des abwesenden, flüchtigen Verurteilten beispielsweise ein Gemälde von ihm verbrannt oder eine plastische Darstellung gehängt werden.

Species

Keine Beschränkung auf einzelne Bildarten ist mit dem Ausdruck »species« gegeben. Seine Grundbedeutung lautet ›Erscheinung‹, was ihn auch zur Übersetzung des griechischen phantasma qualifiziert. Er wird schon früh auch auf Gemälde angewendet (#Vgl. Daut 1975, 40f.). Neben die vielseitige Verwendung im Bereich der materialen, sichtbaren Bilder, tritt im Mittelalter auch der Bezug auf Bilder im übertragenen, mentalen Sinne, denn die mittelalterliche Erkenntnistheorie diskutiert ausführlich den Status von species sensibilis und species intelligibilis. Deren Aufgabe ist es, im Erkenntnisprozeß zwischen Körper und Geist, zwischen Sinneswahrnehmung und diskursiven Denken zu vermitteln: Die species sensibilis repräsentieren dabei – wie die Aristotelischen phantasmata – die von den Sinnen wahrgenommenen Objekte, während es sich bei den species intelligibilis um Abstraktionen handelt, die der Verstand auf dieser Grundlage vornimmt (#vgl. Spruit 1994, 22ff.). Die neuzeitliche Erkenntnistheorie wird sich von ihnen distanzieren und wiederholt kritisieren, dass der Erkenntnisprozeß nicht in Analogie zur Verfertigung materialer Bilder erklärt werden könne. René Descartes verspottet die species daher als kleine, von den Objekten durch die Luft hin zum Geist fliegende Bilder, als »petits images voltigeantes« (#Descartes, René: La Dioptrique. In: Adam, Charles / Tannery, Paul (Hrsg.):Œvres. Bd. 6. Paris, Libraire philosophique J. Vrien 1965, 79-228, hier 85).

Simulacrum

Vom Verb simulare, das in erster Linie ›ähnlich machen‹ bedeutet, leitet sich simulacrum ab. Wenngleich damit ganz allgemein das Ebenbild, Abbild oder Bildnis bezeichnet werden kann, wird in der Antike darunter zumeist das kultisch verehrte Götterbild verstanden (#Georges II, 2678; vgl. Pearcy 1974, 122). Da es sich dabei sich um eine plastische und ganzfigurige Darstellung handelt (#Daut 34), bietet es sich an, simulacrum in diesem Sinne als materiales Bild zu begreifen. In Anbetracht des kultischen Zusammenhangs und des für ihn ausschlaggebenden magischen Bildverständnisses ist diese Kategorisierung allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu verwenden. Neben dieser Bedeutung findet sich simulacrum auch, um Schatten-, Spiegel-, Traum- und Phantasiebilder zu bezeichnen oder Schattenbilder der Verstorbenen und auch Gespenster (#Georges II, 2678); in diesen Hinsichten eignet sich simulacrum als Übersetzung des griechischen eidolon#. Auch und gerade im Zusammenhang mit den letztgenannten Bedeutungen etabliert sich eine negative Konnotation, nämlich die des Trugs und der Täuschung. Dieser eher bedenkliche Aspekt von simulacrum verstärkt sich im christlichen Latein nicht zuletzt deswegen, weil die paganen Götterbilder nun als Götzenbilder dem Verdikt der Unwahrheit ausgesetzt werden. Wirkmächtig ist hier die große Enzyklopädie mittelalterlichen Wissens, Isidor von Sevillas Etymologiae, die in Buch VIII, 11 auch eine neue Komponente bei der etymologischen Ableitung des Wortes ins Spiel bringt: »Daher (werden) sie simulacra (genannt), entweder weil sie ähnlich (similia) sind oder weil sie unecht (simulata) sind und erfunden (conficta), weshalb sie auch falsch sind.« (Möller 2008, 309). Einen bemerkenswerten Aufschwung erfährt simulacrum in der wissenschaftlichen Terminologie des 20. Jahrhunderts. Hier erweist sich gerade der bedenkliche Aspekt von simulacrum, nämlich gerade kein verlässliches oder treues Abbild von etwas anderem zu sehen, als relevant und anschlussfähig. Um zwei Beispiele aus dieser Entwicklung zu nennen: In der postrukturalistischen Medientheorie gelten Bilder verstärkt als nicht mehr auf Realität verweisende, als referenzlose Simulakren (Baudrillard 1978, #). Und der jüngeren Wissenschaftstheorie zufolge lassen sich Wahrheit und Falschheit physikalischer Gesetze nicht direkt an der Realität erproben, vielmehr bedarf es dazu der Bildung von Modellen, in denen von der Realität abweichende # Simulakren die realen Objekte vertreten (Cartwright 1983, #).

Möller, Lenelotte (Hrsg.): Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, Wiesbaden 2008, 309 Jean Baudrillard: Die Agonie des Realen, Berlin 1978 Nancy Cartwright: How the laws of physics lie, Oxford 1983

Imago

Bei imago handelt es sich nicht allein um den am weitesten verbreiteten Ausdruck aus dem lateinischen Bildvokabular, sondern auch um den facettenreichsten. Etymologisch leitet sich er sich - schon antiken Zeugnissen zufolge - von #imor ab und bezeichnet vermutlich zuerst die dem Gesicht des Toten ähnelnde Totenmaske aus Wachs oder #. Um allgemeiner das Kunstprodukt meinen zu können#

Anmerkungen
Literatur                            [Sammlung]

Keine Literaturangaben


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Dimitri Liebsch

Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [108] und Joerg R.J. Schirra [31] — (Hinweis)