Materialität und Bildsyntax
Unterpunkt zu: Bildsyntax
Materialität im Spiegel des ›material turn‹Spätestens seit den 1980er Jahren ziehen Fragen der Materialität in der geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschung eine besondere Aufmerksamkeit auf sich (vgl. [Gumbrecht/Pfeiffer 1988a]Literaturangabe fehlt.Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ). Nachdem es lange Zeit üblich war, kulturelle Artefakte primär als hermeneutische bzw. semiotische Deutungsobjekte zu begreifen, die im Hinblick auf ihre immateriellen Sinnbezüge zu analysieren sind, entwickelt sich nun – oft unter dem Schlagwort des ›material turn‹ (vgl. [Hicks/Beaudry 2010a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. ) – ein wachsendes Interesse für die materiellen Beschaffenheiten bedeutungstragender Phänomene. Im Zentrum dieses Interesses steht insbesondere die Frage, in welchem Maße die Sinndimension kultureller Artefakte von der Präsenzdimension materieller Faktoren bestimmt wird. Zur Diskussion gestellt wird in diesem Zusammenhang häufig die These, dass „die Immaterialität eines Sinns […] nur in der Materialität eines Sinnlichen“ ([Krämer 2004b]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 20) gegenwärtig werden könne. Die Dimension der Semiosis wäre demnach fundamental an jene der Aisthesis gebunden. Sinn wäre demnach also nur dort fassbar, wo ein solcher im Zuge materieller Praktiken und Setzungen sinnlich verkörpert wird (vgl. [Mersch 2002a]Mersch, Dieter (2002). Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: ???. Eintrag in Sammlung zeigen). Die wachsende Beschäftigung mit Fragen der Materialität hat sowohl in klassischen als auch in jüngeren geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen (wenn auch nicht uneingeschränkt) zu einem Perspektivenwechsel geführt. So gibt es in der Kunstgeschichte – jener Disziplin, die traditionell ein Selbstverständnis pflegt, das an hermeneutischen und semiotischen Methoden geschult ist (Ikonologie) – Bestrebungen, die materiellen Bedingungen künstlerischer Praktiken zu einem Forschungsgegenstand eigenen Rechts zu erklären (vgl. [Wagner 2002a]Literaturangabe fehlt. Speziell in der ästhetischen und bildtheoretischen Forschungsdebatte wird die Hinwendung zu Materialitätsaspekten oft mit einer strengen Abgrenzung von etablierten hermeneutischen und semiotischen Theorieansätzen verknüpft. So wird die Möglichkeit einer komplementären Verflechtung von Theorien der Aisthesis und Semiosis bisweilen strikt negiert (vgl. [Gumbrecht 2004a]Literaturangabe fehlt. Materialität aus semiotischer PerspektiveFragen der Materialität spielen in der Semiotik, der ein bildsyntaktischer Analysefokus zuzuordnen ist, bereits auf einer basalen Ebene eine bedeutende Rolle. Insofern die Interpretation eines Zeichens an die Wahrnehmung eines physischen Zeichenträgers gekoppelt ist, sind materielle Faktoren eine notwendige Bedingung des Zeichengebrauchs. Dies gilt zumindest unter der Annahme, dass die menschlichen Wahrnehmungsorgane keine übersinnlichen Reize, sondern immer nur physisch gebundene Reize aufnehmen können. Zwar wird in der semiotischen Forschung unter Verweis auf die peircesche Zeichentheorie ebenso häufig wie zutreffend darauf hingewiesen, dass Zeichenverhältnisse nur dort bestehen können, wo etwas von einem interpretierenden Bewusstsein (Interpretanten) als Zeichen für etwas anderes aufgefasst wird (vgl. [Peirce 1983a]Literaturangabe fehlt. Als eigenständiges Forschungsproblem tritt Materialität in der semiotischen Tradition hingegen für gewöhnlich nicht in Erscheinung. Wenn in semiotischen Theoriebildungen über Materialität reflektiert wird, geschieht dies zumeist unter eingeschränkten Voraussetzungen: Materialität ist nicht per se von Belang, sondern nur insoweit, wie sie zur Genese, Übermittlung und Deutung von abstrakten Sinngehalten dienstbar gemacht werden kann. Karl Bühler (1879-1963) hat diese Forschungsperspektive mit dem sogenannten Prinzip der abstraktiven Relevanz prägnant auf den Punkt gebracht. Wie er in seiner Sprachtheorie von 1934 deutlich macht, gilt nach seinem Dafürhalten für jedes Zeichen: „Mit den Zeichen, die eine Bedeutung tragen, ist es also so bestellt, daß das Sinnending, dies wahrnehmbare Etwas hic et nunc nicht mit der ganzen Fülle seiner konkreten Eigenschaften in die semantische Funktion eingehen muß. Vielmehr kann es sein, daß nur dies oder jenes abstrakte Moment für seinen Beruf, als Zeichen zu fungieren, relevant wird. Das ist in einfache Worte gefaßt das Prinzip der abstraktiven Relevanz.“ ([Bühler 1999a]Literaturangabe fehlt. Mit diesen Bemerkungen bezieht sich Bühler hauptsächlich auf die menschliche Sprache. Gleichwohl ist in der Geschichte der Semiotik häufig der Versuch unternommen werden, ein Prinzip der abstraktiven Relevanz ebenfalls auf andere Zeichensysteme zu übertragen, darunter nicht zuletzt das Bild. Setzt man voraus, dass Zeichen im Allgemeinen und damit auch Bilder im Besonderen „solche wahrnehmbaren Dinge [sind], die genutzt werden, um daraus Schlüsse auf nicht unmittelbar Wahrnehmbares zu ziehen“ ([Blanke/Giannone/Vaillant 2005a]Literaturangabe fehlt. Materialität aus bildsyntaktischer PerspektiveGrundsätzlich lassen sich bildliche Zeichen auf einer syntaktischen, semantischen und pragmatischen Ebene analysieren (vgl. [Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003).Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: Kap. II). Auf der bildpragmatischen Analyseebene steht die Wirkung und Verwendung bildhafter Zeichen im Vordergrund. Bildsemantische Analysen rekonstruieren die Arten und Weisen, wie mittels bildlicher Zeichen auf Gegenstände und Sachverhalte Bezug genommen wird. Ermittelt wird hier die Bedeutung bildhafter Zeichenrelationen. In bildsyntaktischen Analysen wird sodann der Frage nachgegangen, inwieweit sich in bildlichen Zeichensystemen Eigenschaften ausfindig machen lassen, „die Bilder unabhängig von ihrer Bedeutung und Verwendung besitzen“ ([Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 105). In einigen bildsyntaktischen Analysen wird darüber hinaus untersucht, ob sich in bildlichen Zeichensystemen elementare Einheiten identifizieren lassen, die zu allgemeinen Regelsystemen verdichtet werden können, aus denen sich schließlich eine komplexe Bildgrammatik bzw. ein elaboriertes Bildalphabet generieren lässt (vgl. [Sachs-Hombach 2003a]Sachs-Hombach, Klaus (2003). Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: ebd.). Materielle Faktoren spielen auf allen Analyseebenen eine gewisse Rolle. So ist die Verwendung und Bedeutung bildlicher Zeichen selbstredend immer auch durch materielle Eigenschaften bedingt. Gleichwohl machen Aspekte des Materiellen auf der Ebene der Syntax wohl den größten Einfluss geltend, und dies vor allem an der Schnittstelle zur semantischen Dimension. So herrscht im Anschluss an Nelson Goodmans Symboltheorie weitgehend Einigkeit darüber, dass bildliche Zeichen solchen Symbolsystemen zuzuordnen sind, die sich auf syntaktischer Ebene im Hinblick auf die Zeicheninventare als nicht-disjunkt sowie nicht-differenziert identifizieren lassen (vgl. [Goodman 1997a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : Kap. IV; [Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt a. M.: Klostermann, 2., vollständig überarbeitete Aufl.. Eintrag in Sammlung zeigen: Kap. 4; syntaktische Dichte). Das soll heißen: Anders als zum Beispiel in alphabetischen Zeichensystemen, die auf syntaktischer Ebene digital strukturiert sind, geben sich Bilder vor allem als analoge (d.h. durchgängig nicht-differenzierte) Symbolsysteme zu erkennen. Analog sind sie insofern, als sich in ihnen nicht ohne Weiteres einzelne Zeichenelemente identifizieren lassen, die einem eindeutig differenzierten syntaktischen Ordnungssystem zugehören. Darüber hinaus zeichnen sich Bilder durch das aus, was Goodman Fülle nennt: Tendenziell kann jede Eigenschaft eines bildlichen Zeichens einen semantischen Effekt nach sich ziehen. Besonders für Kunstbilder gilt, dass noch die feinsten materiellen Nuancen (der Auftrag der Farbe, die Dicke der Linie, die Struktur der Leinwand usw.) Einfluss auf die Bedeutung und Verwendung des betreffenden Bildzeichens nehmen können. Hier werden semantische Unterschiede oft nicht durch denotationale Bezugnahmen erzielt (denn in den seltensten Fällen wird etwa die Art des Farbauftrags selbst auf einen Gegenstand in der Welt referieren); vielmehr sind es die Eigenschaften der Darstellung selbst, auf die referiert wird. Goodman spricht hier von Exemplifikation: der Farbauftrag stellt etwa im wörtlichen Sinne für den Betrachter die Eigenschaften heraus, besonders dick oder unregelmäßig zu sein, und dann im metaphorischen Sinne vielleicht „kraftvoll“ oder „unruhig“. Ein volles Symbolsystem mit zahlreichen potentiell bedeutsamen Darstellungsdimensionen eröffnet auf diese Weise vielfältige Möglichkeiten des Ausdrucks (vgl. [Goodman 1997a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : Kap. II.3). Die spezielle Bedeutung der Materialität für das Phänomen der Bildlichkeit ergibt sich insofern aus den syntaktischen Besonderheiten bildlicher Zeichensysteme (vgl. [Sachs-Hombach/Winter 2012a]Literaturangabe fehlt. Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln: Herbert von Halem. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 102ff.). Von derlei Voraussetzungen kann alleine in Bezug auf sprachliche oder in Bezug auf bestimmte notationale Zeichensysteme die Rede sein, in denen der Aufbau wohlgeformter Zeichenbezüge durch mehr oder weniger eindeutig festgelegte Kombinationsregeln bestimmt wird, wie sie für Grammatiken mit Bezug auf Alphabete typisch sind. Demgegenüber lässt sich eine Bildsyntax lediglich im Sinne einer grundlegenden Reflexion auf die syntaktischen Eigenschaften bildlicher Zeichensysteme begreifen, in denen die Materialität der bildlichen Zeichenträger selbst allerdings für die Charakteristik bildlicher Bezugnahmen eine tragende Rolle spielt.
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Anmerkungen
[Blanke/Giannone/Vaillant 2005a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bühler 1999a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Cancik-Kirschbaum 2012a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Finke/Halawa 2012a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Giuriato/Kammer 2006a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Goodman 1997a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Gumbrecht/Pfeiffer 1988a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Gumbrecht 2004a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Halawa 2009a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Hicks/Beaudry 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Hilgert 2010a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Kittler 2003a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Krois 1995a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Krämer 2004b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Majetschak 2005b]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Mersch 2002a]: Mersch, Dieter (2002). Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis. München: ???. [Mersch 2002b]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [22] und Mark A. Halawa [16] — (Hinweis) |