Medialität: Unterschied zwischen den Versionen

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==Ausgangspunkte==
  
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‘Medialität’ ist keineswegs erst mit den Entwick&shy;lungen moder&shy;ner Medien&shy;technik eine für entspre&shy;chende Diskur&shy;se grundle&shy;gende Begriff&shy;lichkeit gewor&shy;den. Bereits seit der Anti&shy;ke wird sie als essen&shy;zielles Ele&shy;ment des menschli&shy;chen Weltver&shy;hältnis&shy;ses eben&shy;so inten&shy;siv reflek&shy;tiert, wie auch disku&shy;tiert. Para&shy;digma&shy;tisch in dieser Hinsicht sind die Auffas&shy;sungen von Platon und Aris&shy;tote&shy;les über Bilder und die Art, wie diese mit der Wirklich&shy;keit verbun&shy;den sind.
=====Ausgangspunkte=====
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Für Aristoteles besteht die Media&shy;lität eines Bildes in einem [[Darstellung|Darstel&shy;len]], einem Vermit&shy;teln einer als solchen gege&shy;ben Wirklich&shy;keit. Dabei erschöpft sich das von ihm mit dem Begriff der [[Mimesis|Mime&shy;sis]] gefass&shy;te onto&shy;logi&shy;sche Verhält&shy;nis von Natur und Kunst nicht in einer möglichst exak&shy;ten Abbil&shy;dung des einen durch das ande&shy;re, sondern lässt auch Abwand&shy;lungen zu. Diese erfol&shy;gen nach Aris&shy;tote&shy;les jedoch stets im Rahmen des bereits in der Natur ange&shy;legten. Die Medi&shy;ali&shy;tät der Bilder besteht nach dem aris&shy;tote&shy;lischen Verständ&shy;nis somit zum einen in der Erin&shy;nerung an eine als solche gege&shy;bene Wirklich&shy;keit, zum ande&shy;ren – wenn auch mit den erwähn&shy;ten Einschrän&shy;kungen – in deren Vari&shy;ation. Für Platon hinge&shy;gen sind Bilder in einem ande&shy;ren Sinn mime&shy;tisch: Sie sind möglichst exakt an der sinnlich erfahr&shy;baren Natur orien&shy;tiert, wobei diese wiede&shy;rum eine Nach&shy;ahmung, ein Bild ide&shy;eller Urfor&shy;men ist. Medi&shy;ali&shy;tät ist nach diesen Über&shy;legun&shy;gen keine Erin&shy;nerung an Wirklich&shy;keit und Wirklich&shy;keitsmög&shy;lichkei&shy;ten wie bei Aris&shy;tote&shy;les, sondern eine Art meta&shy;physi&shy;sche Rückbe&shy;sinnung auf die soge&shy;nannte Ideen&shy;schau, die nach dem plato&shy;nischen Modell prä&shy;exis&shy;tent erfah&shy;ren wird. Dies wird von Platon aber keines&shy;wegs posi&shy;tiv bewer&shy;tet. Künstler als Herstel&shy;ler von Bildern und ande&shy;ren Kunst&shy;formen haben für ihn keinen Zugang zu diesen Ideen. In der von Bildern verkör&shy;perten Nach&shy;ahmung einer Nach&shy;ahmung, ihrer Repro&shy;duktion von Schein&shy;bildern, ist ihre in dieser Hinsicht onto&shy;logi&shy;sche Medi&shy;ali&shy;tät nega&shy;tiv konno&shy;tiert. Aris&shy;tote&shy;les beginnt demge&shy;genüber, Medi&shy;ali&shy;tät von einer onto&shy;logi&shy;schen Verein&shy;nahmung zu lösen und sieht sie statt&shy;dessen als Mani&shy;festa&shy;tion menschli&shy;cher Erkennt&shy;nis- und Handlungs&shy;möglich&shy;keiten. (Vgl. <bib id='Matzker 2008a'>Matzker 2008a</bib>: S. 11ff.).
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Ausgehend von den beiden hier gegen&shy;über&shy;gestell&shy;ten Denk&shy;richtun&shy;gen lässt sich auf dem Weg zur Moder&shy;ne ein grundle&shy;gender Wandel im Verständ&shy;nis von Medi&shy;ali&shy;tät<ref>Mit die&shy;ser For&shy;mu&shy;lie&shy;rung soll je&shy;doch ex&shy;pli&shy;zit kei&shy;ne Li&shy;ne&shy;a&shy;ri&shy;tät im Den&shy;ken über Me&shy;di&shy;a&shy;li&shy;tät sug&shy;ge&shy;riert wer&shy;den. Wie auch in zahl&shy;rei&shy;chen an&shy;de&shy;ren Dis&shy;kur&shy;sen kon&shy;kur&shy;rier&shy;ten meh&shy;re&shy;re Po&shy;si&shy;ti&shy;o&shy;nen mit&shy;ein&shy;an&shy;der.</ref> konsta&shy;tieren: von einer mime&shy;tischen Medi&shy;ali&shy;tät der Wirklich&shy;keitsnach&shy;ahmung hin zu einer inter&shy;preta&shy;tiven Medi&shy;ali&shy;tät der Wirklich&shy;keitser&shy;zeugung und -objek&shy;tivie&shy;rung. Jedoch lassen sich da&shy;neben noch zahlrei&shy;che weite&shy;re Konzep&shy;te von Medi&shy;ali&shy;tät finden, von denen eini&shy;ge hier kurz erwähnt werden sollen. So fasst Ernst Cassi&shy;rer (<bib id='Cassirer 1996a'>Cassi&shy;rer 1996a</bib>: S. 221) das Medi&shy;ale der Kunst als „Inten&shy;sivie&shy;rung von Wirklich&shy;keit“ und sieht sie als „konti&shy;nuier&shy;lichen Konkre&shy;tionspro&shy;zeß“. Medi&shy;ali&shy;tät wird somit zu einem Instru&shy;ment für eine Erschlie&shy;ßung, ein Verste&shy;hen der Welt. Eben&shy;falls mit Blick auf die Kunst veror&shy;tet John Dewey (<bib id='Dewey 2006a'>Dewey 2006a</bib>: S. 97) sie in seiner Ästhe&shy;tik sowohl als [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem|Zeichen]] als auch als konsti&shy;tuti&shy;ves Ele&shy;ment „für ein verein&shy;tes Kollek&shy;tivle&shy;ben“. In seiner technik&shy;philo&shy;sophi&shy;schen Betrach&shy;tung der Medi&shy;ali&shy;tät beschreibt Christoph Hubig (vgl. <bib id='Hubig 2006a'>Hubig 2006</bib>: S. 148f.) sie als oszil&shy;lierend zwischen einer Bestim&shy;mung als Reali&shy;sierungs&shy;option und als (techni&shy;scher) Möglich&shy;keitsraum und sensi&shy;bili&shy;siert so dafür, dass Medi&shy;ali&shy;tät nicht nur bestimm&shy;te Möglich&shy;keiten eröff&shy;nen, sondern sie gleichzei&shy;tig auch einschrän&shy;ken oder verschlie&shy;ßen kann.
  
„Medialität“ ist keineswegs erst mit den Entwicklungen moderner Medientechnik eine für entsprechende Diskurse grundlegende Begrifflichkeit geworden. Bereits seit der Antike wird sie als essenzielles Element des menschlichen Weltverhältnisses ebenso intensiv reflektiert, wie auch diskutiert. Paradigmatisch in dieser Hinsicht sind die Auffassungen von Platon und Aristoteles über Bilder und die Art, wie diese mit der Wirklichkeit verbunden sind. Für Aristoteles besteht die Medialität eines Bildes in einem Darstellen, einem Vermitteln einer als solchen gegeben Wirklichkeit. Bilder erinnern also im eigentlichen Sinn an sie, funktionieren anamnetisch. Für Platon hingegen sind Bilder mimetisch. Sie ahmen eine Wirklichkeit nach, die jedoch nicht für sich selbst steht, sondern selbst ein Bild, eine Nachahmung ideeller Urformen ist. Medialität ist nach diesen Überlegungen keine direkte Erinnerung an Wirklichkeit wie bei Aristoteles, sondern eine Art metaphysische Rückbesinnung auf die sogenannte Ideenschau, die nach dem platonischen Modell präexistent erfahren wird. Dies wird von Platon aber keineswegs positiv bewertet. Künstler als Hersteller von Bildern und anderen Kunstformen haben für ihn keinen Zugang zu den Ideen. In der von Bildern verkörperten Nachahmung einer Nachahmung, ihrer Reproduktion von Scheinbildern, ist ihre in dieser Hinsicht ontologische Medialität negativ konnotiert. Aristoteles beginnt demgegenüber, Medialität von einer ontologischen Vereinnahmung zu lösen und sieht sie stattdessen als Manifestation menschlicher Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten. (Vgl. <bib id='Matzker 2008a'>Matzker 2008a</bib>: 11ff.)
 
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Ausgehend von den beiden hier gegenübergestellten Denkrichtungen lässt sich auf dem Weg zur Moderne ein grundlegender Wandel im Verständnis von Medialität <ref>Mit dieser Formulierung soll jedoch explizit keine Linearität im Denken über Medialität suggeriert werden. Wie auch in zahlreichen anderen Diskursen konkurrierten mehrere Positionen miteinander.</ref> konstatieren: von einer mimetischen Medialität der Wirklichkeitsnachahmung hin zu einer interpretativen Medialität der Wirklichkeitserzeugung und -objektivierung. Ernst Cassirer (<bib id='Cassirer 1996a'>Cassirer 1996a</bib>: 221) fasst das Mediale der Kunst in ähnlicher Weise als „Intensivierung von Wirklichkeit“ und sieht sie als „kontinuierlichen Konkretionsprozeß“. John Dewey (<bib id='Dewey 2006a'>Dewey 2006a</bib>: 97) verortet sie in seiner Ästhetik sowohl als Zeichen als auch als konstitutives Element „für ein vereintes Kollektivleben“. Medialität oszilliert gemäß dieser Vorstellungen zwischen einer Bestimmung als Realisierungsoption und als (technischer) Möglichkeitsraum (vgl. <bib id='Hubig 2006a'>Hubig 2006</bib>:148f.).
 
  
=====Gegenwart=====
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==Gegenwart==
  
Die Medialität eines Mediums wird nach Knut Hickethier (vgl. <bib id='Hickethier 2010a'>Hickethier 2010a</bib>: 25) vor allem durch drei miteinander zusammenhängende Aspekte bestimmt:
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Die Medialität eines Mediums wird nach Knut Hicke&shy;thier (vgl. <bib id='Hickethier 2010a'>Hicke&shy;thier 2010a</bib>: S. 25) vor allem durch drei mitein&shy;ander zusam&shy;menhän&shy;gende Aspek&shy;te bestimmt:
# Die spezifischen Eigenschaften des betreffenden Mediums, die oft in eine charakteristische Ästhetik münden. Man könnte hier von einer Medialität im engeren Sinn sprechen, die sowohl durch die
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# Die spezifischen Eigen&shy;schaften des betref&shy;fenden Mediums, die oft in eine charak&shy;teris&shy;tische Ästhe&shy;tik münden. Man könnte hier von einer Medi&shy;ali&shy;tät im enge&shy;ren Sinn sprechen, die sowohl durch die
# zur Realisierung des Mediums verwendeten Techniken als auch
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# zur Realisierung des Mediums verwen&shy;deten Techni&shy;ken als auch
# seine gesellschaftliche Institutionalisierung und Verwendungsweise bestimmt wird.
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# seine gesell&shy;schaftli&shy;che Insti&shy;tutio&shy;nali&shy;sierung und Verwen&shy;dungswei&shy;se bestimmt wird.
„Medialität“ kann somit sowohl zur Abgrenzung der Medien untereinander dienen, als auch Eigenschaften bezeichnen, die allen Medien gemeinsam sind. Man kann sich damit also einerseits auf das „Bildspezifische“ des Bildes, andererseits auf medienübergreifende Phänomene beziehen. Die für ein bestimmtes Medium als charakteristisch erkannte Medialität ist dabei, wie bereits angedeutet, oft auch von technischen Entwicklungen sowie bestimmten historisch-kulturellen Verhältnissen abhängig. So definierte Marshall McLuhan (<bib id='McLuhan 1998a'>McLuhan 1998a</bib>: 22) in den sechziger Jahren das Fernsehen als „kaltes Medium“, also als eines, das eine hohe ergänzend-interpretative Beteiligung des Nutzers erfordert, um es überhaupt verstehen zu können. Diese Einschätzung beruht im Wesentlichen auf dem damaligen Entwicklungsstand des Fernsehens, dessen auf der Kathodenstrahlröhre präsentiertes Bild relativ detailarm und oft noch schwarz-weiß war. Angesichts der anhaltenden Tendenz zu immer besseren Aufnahme- und Wiedergabetechniken wäre Fernsehen, wenn man McLuhans Unterscheidung folgt, mittlerweile vielmehr als sehr detailreiches, „heißes Medium“ zu betrachten.
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‘Medialität’ kann somit sowohl zur Abgren&shy;zung der Medien unter&shy;einan&shy;der dienen als auch Eigen&shy;schaften bezeich&shy;nen, die allen Medien gemein&shy;sam sind. Man kann sich damit also einer&shy;seits auf das ''Bildspe&shy;zifi&shy;sche'' des Bildes, ande&shy;rerseits auf medien&shy;über&shy;greifen&shy;de Phäno&shy;mene bezie&shy;hen. Die für ein bestimm&shy;tes Medium als charak&shy;teris&shy;tisch erkann&shy;te Medi&shy;ali&shy;tät ist dabei, wie bereits ange&shy;deutet, oft auch von techni&shy;schen Entwick&shy;lungen sowie bestimm&shy;ten histo&shy;risch-&#8203;kultu&shy;rellen Verhält&shy;nissen abhän&shy;gig. So defi&shy;nierte Marshall McLuhan (<bib id='McLuhan 1998a'>McLuhan 1998a</bib>: S. 22) in den sechzi&shy;ger Jahren das Fernse&shy;hen als „kaltes Medium“, also als eines, das eine hohe ergän&shy;zend-&#8203;inter&shy;preta&shy;tive Betei&shy;ligung des Nutzers erfor&shy;dert, um es über&shy;haupt verste&shy;hen zu können. Diese Einschät&shy;zung beruht im Wesent&shy;lichen auf dem dama&shy;ligen Entwick&shy;lungsstand des Fernse&shy;hens, dessen auf der Katho&shy;denstrahl&shy;röhre präsen&shy;tiertes Bild rela&shy;tiv detail&shy;arm und oft noch schwarz-&#8203;weiß war. Ange&shy;sichts der anhal&shy;tenden Tendenz zu immer besse&shy;ren Aufnah&shy;me- und Wieder&shy;gabe&shy;techni&shy;ken wäre Fernse&shy;hen, wenn man McLuhans Unter&shy;scheidung folgt, mittler&shy;weile vielmehr als sehr detail&shy;reiches, „heißes Medium“ zu betrach&shy;ten.
 
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Demgegenüber sind traditionelle Formen der Medialität nicht an bestimmte Medien gekoppelt, sondern verweisen auf die Kultur als Ganzes: so wird in der Regel die ältere, vorrangig über Gespräche vermittelte Kultur der Oralität gegenüber der jüngeren, durch Schrift geprägten Kultur der Literalität abgegrenzt. Beide Formen schließen sich jedoch keineswegs aus, sondern koexistieren in der heutigen Welt. Dabei ist zu beachten, dass die etwa im Radio vorkommende Oralität eine nur scheinbare ist. Dies ist zum einen auf den Aspekt der technischen Transformation, zum anderen aber auch auf die schriftlichen Vorformulierungen, auf denen Sprache im Radio häufig basiert, zurückzuführen. (Vgl. <bib id='Hickethier 2010a'>Hickethier 2010a</bib>: 27)
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Demgegenüber sind tradi&shy;tionel&shy;le Formen der Medi&shy;ali&shy;tät nicht an bestimm&shy;te Medien gekop&shy;pelt, sondern verwei&shy;sen auf die Kultur als Ganzes: So wird in der Regel die älte&shy;re, vorran&shy;gig über Gesprä&shy;che vermit&shy;telte Kultur der Ora&shy;lität gegen&shy;über der jünge&shy;ren, durch Schrift gepräg&shy;ten Kultur der Lite&shy;rali&shy;tät abge&shy;grenzt. Beide Formen schließen sich jedoch keines&shy;wegs aus, sondern koexis&shy;tieren in der heuti&shy;gen Welt. Dabei ist zu beach&shy;ten, dass die etwa im Radio vorkom&shy;mende Ora&shy;lität eine nur schein&shy;bare ist. Dies ist zum einen auf den Aspekt der techni&shy;schen Transfor&shy;mation, zum ande&shy;ren aber auch auf die schriftli&shy;chen Vorfor&shy;mulie&shy;rungen, auf denen Sprache im Radio häufig basiert, zurück&shy;zufüh&shy;ren (vgl. <bib id='Hickethier 2010a'>Hicke&shy;thier 2010a</bib>: S. 27).
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Als eine der gegenwärtig wichtig&shy;sten Formen der Medi&shy;ali&shy;tät ist die Audio&shy;visu&shy;ali&shy;tät zu betrach&shy;ten. Nicht nur mit [[Film]] und [[Fernsehen|Fernse&shy;hen]], sondern seit Mitte der 2000er Jahre zuneh&shy;mend auch mit dem Inter&shy;net in Form des Web 2.0 kann die damit bezeich&shy;nete Verbin&shy;dung von Sprache, Geräusch und Musik mit stehen&shy;den sowie beweg&shy;ten Bildern als bedeu&shy;tendes Para&shy;digma gegen&shy;wärti&shy;ger Medien&shy;technik und Medien&shy;erfah&shy;rung gelten. Wichti&shy;ge techni&shy;sche Standards für die Audio&shy;visu&shy;ali&shy;tät sind zum einen die Elek&shy;trifi&shy;zierung des in seinen Anfän&shy;gen opto&shy;mecha&shy;nischen Films (und damit auch die Ermög&shy;lichung von Radio und Fernse&shy;hen) sowie zum ande&shy;ren die mit dem Compu&shy;ter einge&shy;führte Digi&shy;tali&shy;sierung, die mehr und mehr auch in ande&shy;ren Medien wie Film, Fernse&shy;hen und Radio, aber auch in Buch (E-Book) und Zeitung (E-Paper) Anwen&shy;dung findet (vgl. <bib id='Hickethier 2010a'>Hicke&shy;thier 2010a</bib>: S. 28ff; ⊳ [[Cyberspace|Cyber&shy;space]]).
 
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Als eine der gegenwärtig wichtigsten Formen der Medialität ist die Audiovisualität zu betrachten. Nicht nur mit Film und Fernsehen, sondern seit Mitte der 2000er Jahre zunehmend auch mit dem Internet in Form des „Web 2.0“ kann die damit bezeichnete Verbindung von Sprache, Geräusch und Musik mit stehenden sowie bewegten Bildern als bedeutendes Paradigma gegenwärtiger Medientechnik und Medienerfahrung gelten. Wichtige technische Standards für die Audiovisualität sind zum einen die Elektrifizierung des in seinen Anfängen optomechanischen Films (und damit auch die Ermöglichung von Radio und Fernsehen) sowie zum anderen die mit dem Computer eingeführte Digitalisierung, die mehr und mehr auch in anderen Medien wie Film, Fernsehen und Radio, aber auch in Buch (E-Book) und Zeitung (E-Paper) Anwendung findet. (Vgl. <bib id='Hickethier 2010a'>Hickethier 2010a</bib>: 28ff.)
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Ein vor allem für das „Web 2.0“, aber zuneh&shy;mend auch für den Bereich der Unter&shy;haltungs&shy;medien (Video-&#8203;on-&#8203;Demand etc.) als charak&shy;teris&shy;tisch erkann&shy;tes Merkmal ist das der [[Interaktives Bild#Zum Begriff des interaktiven Systems|Inter&shy;akti&shy;vität]]. Die Nutzer derar&shy;tiger Medien&shy;ange&shy;bote eman&shy;zipie&shy;ren sich durch Prozes&shy;se der Selek&shy;tion und Kombi&shy;nation der darge&shy;bote&shy;nen Inhal&shy;te sowie auch der genutz&shy;ten Technik von der Rolle bloßer Empfän&shy;ger. Die insbe&shy;sonde&shy;re für das „Web 2.0“ konsti&shy;tuti&shy;ve, all&shy;gegen&shy;wärti&shy;ge Gene&shy;rierung, kreati&shy;ve Neu&shy;ordnung und Weiter&shy;verbrei&shy;tung von Inhal&shy;ten lässt die Unter&shy;scheidung von Sender und Empfän&shy;ger in diesem Bereich mehr und mehr obso&shy;let werden (vgl. <bib id='Schanze 2007a'>Schanze 2007a</bib>: S. 103).
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=====Perspektiven=====
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==Perspektiven==
  
Medialität wird neben ihrer technischen und gesellschaftlichen Bedingtheit auch unter anderen Gesichtspunkten betrachtet. Verschiedene Beiträge befassen sich etwa mit ihren Relationen zu Realität (vgl. <bib id='Fromme et al. 2011a'>Fromme et al. 2011a</bib>) und Performativität (vgl. <bib id='Kleiner & Wilke 2013a'>Kleiner & Wilke 2013a</bib>, <bib id='Krämer 2004c'>Krämer 2004c</bib>), nehmen eine dezidiert ästhetische Perspektive ein (vgl. <bib id='Matzker 2008a'>Matzker 2008a</bib>) oder untersuchen die Art, wie menschliches Sein im Allgemeinen durch sie ausgestaltet wird (vgl. <bib id='Pietraß & Funiok 2010a'>Pietraß & Funiok 2010a</bib>). Überschneidungen sind dabei unvermeidlich, dennoch kann jeder der genannten Ansätze dem unscharfen Bild der Medialität weitere Details hinzufügen. Definitionen haben demgemäß immer nur temporäre Gültigkeit und sind als Annäherungsversuche anzusehen. Einer dieser Versuche fasst Medialität als
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Medialität wird neben ihrer techni&shy;schen und gesell&shy;schaftli&shy;chen Bedingt&shy;heit auch unter ande&shy;ren Gesichts&shy;punkten betrach&shy;tet. Verschie&shy;dene Beiträ&shy;ge befas&shy;sen sich etwa mit ihren Rela&shy;tionen zu Reali&shy;tät (vgl. <bib id='Fromme et al. 2011a'>Fromme et al. 2011a</bib>) und Perfor&shy;mati&shy;vität (vgl. <bib id='Kleiner & Wilke 2013a'>Kleiner & Wilke 2013a</bib>, <bib id='Krämer 2004c'>Krämer 2004c</bib>), nehmen eine dezi&shy;diert ästhe&shy;tische Perspek&shy;tive ein (vgl. <bib id='Matzker 2008a'>Matzker 2008a</bib>) oder unter&shy;suchen die Art, wie menschli&shy;ches Sein im Allge&shy;meinen durch sie ausge&shy;staltet wird (vgl. <bib id='Pietraß & Funiok 2010a'>Pietraß & Funiok 2010a</bib>). Über&shy;schneidun&shy;gen sind dabei unver&shy;meidlich, dennoch kann jeder der genann&shy;ten Ansät&shy;ze dem unschar&shy;fen Bild der Medi&shy;ali&shy;tät weite&shy;re Details hinzu&shy;fügen. Defi&shy;niti&shy;onen haben demge&shy;mäß immer nur tempo&shy;räre Gültig&shy;keit und sind als Annä&shy;herungs&shy;versu&shy;che anzu&shy;sehen. Einer dieser Versuche fasst Medi&shy;ali&shy;tät als
 
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„die jedem Medium zugrunde liegenden Dispositive, Performanzen, Materialitäten, symbolischen Ordnungen, Imaginationen, Diskurse, Archive, Techniken, Disziplinen usw., die mediale Prozesse begleiten, rahmen und in sie eingehen, ohne sich direkt mitzuteilen“ (<bib id='Zahn 2011a'>Zahn 2011a</bib>: 60)
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:''die jedem Medium zugrunde liegen&shy;den Dispo&shy;siti&shy;ve, Perfor&shy;manzen, Mate&shy;riali&shy;täten, symbo&shy;lischen Ordnun&shy;gen, Ima&shy;gina&shy;tionen, Diskur&shy;se, Archi&shy;ve, Techni&shy;ken, Diszi&shy;plinen usw., die medi&shy;ale Prozes&shy;se beglei&shy;ten, rahmen und in sie einge&shy;hen, ohne sich direkt mitzu&shy;teilen'' (<bib id='Zahn 2011a'>Zahn 2011a</bib>: S. 60)
 
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und lässt erahnen, was Christoph Hubig (vgl. <bib id='Hubig 2010a'>Hubig 2010a</bib>: 1517) meint, wenn er jegliches Denken als medial vollzogen beschreibt. Um zu einer klaren Vorstellung von Medialität zu gelangen, müsste eben diese Vorstellung demnach bereits Teil ihrer selbst sein. Die Realität des Medialen lässt sich danach als die einer „abwesenden Anwesenheit“ (<bib id='Zahn 2011a'>Zahn 2011a</bib>: 60) beschrieben: Anwesend, insofern sie menschliche Sinneseindrücke, Gedanken, Gefühle und Handlungen prägt; abwesend, insofern sie sich dabei einer direkten Bestimmung entzieht. Dieter Mersch (<bib id='Mersch 2009a'>Mersch 2009a</bib>: 225ff.) schlägt daher vor, von einer medientheoretischen Erschließung zunächst abzusehen und stattdessen auf die Herangehensweise der Kunst zu setzen. Deren ästhetische Mittel können Medialität, sofern sie durch entsprechende Erfahrung auf ihre Bruchstellen abzielen, sicht- und begreifbar machen.
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und lässt erahnen, was Hubig (vgl. <bib id='Hubig 2010a'>Hubig 2010a</bib>: S. 1517) meint, wenn er jegli&shy;ches Denken als medial voll&shy;zogen beschreibt. Um zu einer klaren Vorstel&shy;lung von Medi&shy;ali&shy;tät zu gelan&shy;gen, müsste eben diese Vorstel&shy;lung demnach bereits Teil ihrer selbst sein. Die Real&shy;ität des Medi&shy;alen lässt sich danach als die einer „abwe&shy;senden Anwe&shy;senheit“ (<bib id='Zahn 2011a'>Zahn 2011a</bib>: S. 60) beschrei&shy;ben: Anwe&shy;send, inso&shy;fern sie menschli&shy;che Sinnes&shy;eindrü&shy;cke, Gedan&shy;ken, Gefüh&shy;le und Handlun&shy;gen prägt; abwe&shy;send, inso&shy;fern sie sich dabei einer direk&shy;ten Bestim&shy;mung entzieht. Dieter Mersch (<bib id='Mersch 2009a'>Mersch 2009a</bib>: S. 225ff.) schlägt daher vor, von einer medien&shy;theore&shy;tischen Erschlie&shy;ßung zunächst abzu&shy;sehen und stattdes&shy;sen auf die Heran&shy;gehens&shy;weise der Kunst zu setzen. Deren ästhe&shy;tische Mittel können Medi&shy;ali&shy;tät, sofern sie durch entspre&shy;chende Erfah&shy;rung auf ihre Bruch&shy;stellen abzie&shy;len, sicht- und begreif&shy;bar machen.
 
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Die „Vermittlung zwischen künstlerischen Welten und ästhetischen Theorien“ ist für Reiner Matzker (vgl. <bib id='Matzker 2008a'>Matzker 2008a</bib>: 228) eine notwendige Bedingung des Versuchs einer ästhetischen Betrachtung der Medialität. Diese erkennt er als von den verwendeten Techniken, den symbolischen Modi und vom semantischen Inhalt geprägt. Eine als solche ernst zu nehmende Ästhetik der Medialität darf sich demnach nicht nur mit einem dieser Bereiche auseinandersetzen, sondern muss neben der Frage nach dem „womit“ auch die nach dem „wodurch“ und dem „worüber“ stellen.
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Die „Vermittlung zwischen künstle&shy;rischen Welten und ästhe&shy;tischen Theorien“ ist für Reiner Matzker (vgl. <bib id='Matzker 2008a'>Matzker 2008a</bib>: S. 228) eine notwen&shy;dige Bedin&shy;gung des Versuchs einer ästhe&shy;tischen Betrach&shy;tung der Medi&shy;ali&shy;tät. Diese erkennt er als von den verwen&shy;deten Techni&shy;ken, den symbo&shy;lischen Modi und vom seman&shy;tischen Inhalt geprägt. Eine als solche ernst zu nehmen&shy;de Ästhe&shy;tik der Medi&shy;ali&shy;tät darf sich demnach nicht nur mit einem dieser Berei&shy;che ausein&shy;ander&shy;setzen, sondern muss neben der Frage nach dem „womit“ auch die nach dem „wodurch“ und dem „worüber“ stellen.
 
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Eine Frage, die sich ebenfalls durch eine große Relevanz in Hinblick auf Medialität auszeichnet, ist die nach ihrer Performativität: Zum einen sind weite Teile menschlicher (Inter-)Aktionen medial geprägt und rücken sie damit in die Nähe des Performativitätskonzepts, zum anderen ermöglicht dieses Konzept auch den Blick auf das ebenso vielschichtige wie interdependente Spannungsfeld der „Performance in den Medien und der Performativität der Medien“ (<bib id='Kleiner 2013a'>Kleiner 2013a</bib>: 21) selbst. Ein nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt in den letzten Jahren immer stärker in die Aufmerksamkeit gerücktes Phänomen ist das der Computerspiele, deren Handlungsraum nicht nur eine performative, sondern auch eine ästhetische Dimension aufspannt (vgl. <bib id='Wiesing 2004a'>Wiesing 2004a</bib>: 127). Es kommt also weniger auf den Vollzug einer Handlung an, als darauf, diesen Vollzug auch wahrzunehmen. Lambert Wiesing (<bib id='Wiesing 2004a'>Wiesing 2004a</bib>: 127) hält diesbezüglich fest:
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Eine Frage, die sich ebenfalls durch eine große Rele&shy;vanz in Hinblick auf Medi&shy;ali&shy;tät auszei&shy;chnet, ist die nach ihrer [[Performanz|Perfor&shy;mati&shy;vität]]<ref>Das Kon&shy;zept der Per&shy;for&shy;ma&shy;ti&shy;vi&shy;tät ent&shy;stammt ur&shy;sprüng&shy;lich der Sprech&shy;akt&shy;the&shy;o&shy;rie John Lang&shy;shaw Austins und bringt dort zum Aus&shy;druck, dass Spra&shy;che nicht nur ein Werk&shy;zeug zur Äu&shy;ße&shy;rung von Be&shy;haup&shy;tun&shy;gen oder Be&shy;schrei&shy;bun&shy;gen ist, sondern dass sie da&shy;rü&shy;ber hin&shy;aus auch den Voll&shy;zug von Hand&shy;lun&shy;gen er&shy;mög&shy;licht. So wird mit Sät&shy;zen wie ‘Hier&shy;mit er&shy;klä&shy;re ich Sie zu Mann und Frau.’ im Mo&shy;ment der Ar&shy;ti&shy;ku&shy;la&shy;ti&shy;on er&shy;folg&shy;reich ei&shy;ne Hand&shy;lung aus&shy;ge&shy;führt – hier die des Trau&shy;ens – so&shy;fern die not&shy;wen&shy;di&shy;gen so&shy;zi&shy;a&shy;len und in&shy;sti&shy;tu&shy;ti&shy;o&shy;nel&shy;len Rah&shy;men&shy;be&shy;din&shy;gun&shy;gen er&shy;füllt sind (der Spre&shy;cher soll&shy;te Stan&shy;des&shy;be&shy;am&shy;ter oder Pfar&shy;rer sein usw.); vgl. <bib id='Austin 1972a'>Austin 1972a</bib>: S. 25ff..
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Seit&shy;dem wur&shy;de&#8203; »Per&shy;for&shy;ma&shy;ti&shy;vi&shy;tät«&#8203; mehr und mehr zu ei&shy;nem nicht nur trans&shy;me&shy;di&shy;a&shy;len, son&shy;dern auch trans&shy;dis&shy;zi&shy;pli&shy;nä&shy;ren Kon&shy;zept er&shy;wei&shy;tert (z. B. bei <bib id='Butler 1995a'>But&shy;ler 1995a</bib> und <bib id='Butler 1997a'>But&shy;ler 1997a</bib>, <bib id='Fischer-Lichte 2004a'>Fi&shy;scher-&#8203;Lich&shy;te 2004a</bib> und <bib id='Fischer-Lichte 2012a'>Fi&shy;scher-&#8203;Lich&shy;te 2012a</bib>, <bib id='Kleiner & Wilke 2013a'>Klei&shy;ner & Wil&shy;ke 2013a</bib> oder <bib id='Mersch 2002b'>Mersch 2002b</bib>), das zur Be&shy;trach&shy;tung al&shy;ler kul&shy;tu&shy;rel&shy;len Hand&shy;lungs&shy;ar&shy;ten ein&shy;ge&shy;setzt wer&shy;den kann.</ref>: Zum einen sind weite Teile menschli&shy;cher [[Interaktion und Kommunikation|(Inter-)&#8203;Akti&shy;onen]] medial geprägt und rücken sie damit in die Nähe des Perfor&shy;mati&shy;vitäts&shy;konzepts, zum ande&shy;ren ermög&shy;licht dieses Konzept auch den Blick auf das eben&shy;so vielschich&shy;tige wie inter&shy;depen&shy;dente Spannungs&shy;feld der „Perfor&shy;mance in den Medien und der Perfor&shy;mati&shy;vität der Medien“ (<bib id='Kleiner 2013a'>Kleiner 2013a</bib>: S. 21) selbst. Ein nicht zuletzt unter diesem Gesichts&shy;punkt in den letzten Jahren immer stärker in die Aufmerk&shy;samkeit gerück&shy;tes Phäno&shy;men ist das der [[interaktives Bild|Compu&shy;terspie&shy;le]], deren Handlungs&shy;raum nicht nur eine perfor&shy;mati&shy;ve, sondern auch eine ästhe&shy;tische Dimen&shy;sion aufspannt (vgl. <bib id='Wiesing 2004a'>Wiesing 2004a</bib>: S. 127). Es kommt also weni&shy;ger auf den [[Exkurs:Handlungen#Schema und Aktu­ali­sierung|Vollzug einer Handlung]] an, als darauf, diesen Vollzug auch wahrzu&shy;nehmen. Lambert Wiesing hält diesbe&shy;züglich fest:
 
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„Wenn die medialen Möglichkeiten eines interaktiven Bildes um der Möglichkeiten willen verwirklicht werden, wird das Geschehen und Tun im virtuellen Raum zur Performance.
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:''Wenn die medialen Möglich&shy;keiten eines inter&shy;akti&shy;ven Bildes um der Möglich&shy;keiten willen verwirk&shy;licht werden, wird das Gesche&shy;hen und Tun im [[Virtualität|virtu&shy;ellen Raum]] zur Perfor&shy;mance'' (<bib id='Wiesing 2004a'>Wiesing 2004a</bib>: S. 127).
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==Zusammen&shy;fassung==
  
Zusammenfassung
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Der Begriff der Mediali&shy;tät ist, wie dieser grobe Über&shy;blick gezeigt hat, kaum in allge&shy;mein verbind&shy;licher Weise zu fassen. Zu weit und zu vielsei&shy;tig ist das mit ihm bezeich&shy;nete Feld, zu groß die quali&shy;tati&shy;ven Unter&shy;schiede inner&shy;halb dessel&shy;ben. Nicht zuletzt ist diese begriff&shy;liche Unschär&shy;fe auch auf die vielen verschie&shy;denen [[Medientheorien: Übersicht|Verwen&shy;dungswei&shy;sen und Nuancen des Medien&shy;begriffs]]<ref>Zur Ge&shy;schich&shy;te und den ver&shy;schie&shy;de&shy;nen Aus&shy;prä&shy;gun&shy;gen des Me&shy;di&shy;en&shy;be&shy;griffs sie&shy;he u.a. <bib id='Faulstich 2004a'>Faul&shy;stich 2004a</bib>, <bib id='Hickethier 2010a'>Hi&shy;cke&shy;thier 2010a</bib>, <bib id='Rusch 2007a'>Rusch 2007a</bib> so&shy;wie <bib id='Schanze 2007a'>Schan&shy;ze 2007a</bib>.</ref> selbst zurück&shy;zufüh&shy;ren. Dennoch soll an dieser Stelle zumin&shy;dest eine grundsätz&shy;liche Unter&shy;scheidung expli&shy;ziert und hervor&shy;geho&shy;ben werden: Medi&shy;ali&shy;tät steht zum einen für die spezi&shy;fischen Eigen&shy;schaften der techni&shy;schen Zeichen&shy;vermitt&shy;lung und kann damit zum Gegen&shy;stand der (verglei&shy;chenden) Unter&shy;suchung einzel&shy;ner Medien werden. Zum ande&shy;ren steht sie aber für das per se mittel&shy;bare (medi&shy;ale) Weltver&shy;hältnis des Menschen und entzieht sich damit, da jegli&shy;cher Wahrneh&shy;mung voraus&shy;gehend, einem direk&shy;ten Zugang (vgl. <bib id='Pietraß & Funiok 2010b'>Pietraß & Funiok 2010b</bib>: S. 7).
Der Begriff der Medialität ist, wie dieser grobe Überblick gezeigt hat, kaum in allgemein verbindlicher Weise zu fassen. Zu weit und zu vielseitig ist das mit ihm bezeichnete Feld, zu groß die qualitativen Unterschiede innerhalb desselben. Dennoch soll an dieser Stelle zumindest eine grundsätzliche Unterscheidung expliziert und hervorgehoben werden: Medialität steht zum einen für die spezifischen Eigenschaften der technischen Zeichenvermittlung und kann damit zum Gegenstand der (vergleichenden) Untersuchung einzelner Medien werden. Zum anderen steht sie aber für das per se mittelbare (mediale) Weltverhältnis des Menschen und entzieht sich damit, da jeglicher Wahrnehmung vorausgehend, einem direkten Zugang. (vgl. <bib id='Pietraß & Funiok 2010b'>Pietraß & Funiok 2010b</bib>: 7)
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Die anthropologische Rele&shy;vanz der Medi&shy;ali&shy;tät lässt sich demnach in mehrfa&shy;cher Hinsicht konsta&shy;tieren. Ihre techni&shy;sche Ausprä&shy;gung lässt sie in der Gegen&shy;wart nicht nur zu einer „Grund&shy;dimen&shy;sion menschli&shy;chen Wesens&shy;vollzugs“ (<bib id='Pietraß & Funiok 2010b'>Pietraß & Funiok 2010b</bib>: S. 13) werden, sondern sie gestal&shy;tet „die Möglich&shy;keiten des Mensch&shy;seins“ (<bib id='Pietraß & Funiok 2010b'>Pietraß & Funiok 2010b</bib>: S. 14) auch in bestimm&shy;ter Weise aus. Auch Hubig (vgl. <bib id='Hubig 2010a'>Hubig 2010a</bib>: S. 1517) konsta&shy;tiert den prägen&shy;den Einfluss der nicht nur onto&shy;logi&shy;schen, sondern auch epis&shy;temi&shy;schen Mittel&shy;barkeit des menschli&shy;chen Weltzu&shy;gangs für die Ana&shy;lyse techni&shy;scher Medi&shy;ali&shy;tät, wobei diese Mittel&shy;barkeit selbst „einer abso&shy;luten (nicht medial beding&shy;ten) Erkennt&shy;nis oder Refle&shy;xion“ (<bib id='Hubig 2010a'>Hubig 2010a</bib>: S. 1517) entzo&shy;gen bleibt (⊳ [[Linguistic turn, pictorial turn, medial turn|Lin&shy;guistic turn, pic&shy;torial turn, medial turn]]). Der Begriff der Medi&shy;ali&shy;tät ist demnach nicht nur deshalb so schwer zu fassen, weil er sich einem direk&shy;ten Zugang entzieht, sondern weil er nachge&shy;rade einen blinden Fleck menschli&shy;cher Erkennt&shy;nisfä&shy;higkeit bezeich&shy;net. Wie Heinz von Foerster anmerkt, besteht die Schwierig&shy;keit solcher blinder Flecke nicht darin, dass sie einen blind gegen&shy;über etwas machen, sondern dass sie einen blind gegen&shy;über dieser Blind&shy;heit selbst werden lassen:
 
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Die anthropologische Relevanz der Medialität lässt sich demnach in mehrfacher Hinsicht konstatieren. Ihre technische Ausprägung lässt sie in der Gegenwart nicht nur zu einer „Grunddimension menschlichen Wesensvollzugs“ (<bib id='Pietraß & Funiok 2010b'>Pietraß & Funiok 2010b</bib>: 13) werden, sondern gestaltet „die Möglichkeiten des Menschseins“ (<bib id='Pietraß & Funiok 2010b'>Pietraß & Funiok 2010b</bib>: 14) auch in bestimmter Weise aus. Auch Christoph Hubig (vgl. <bib id='Hubig 2010a'>Hubig 2010a</bib>: 1517) konstatiert den prägenden Einfluss der nicht nur ontologischen, sondern auch epistemischen Mittelbarkeit des menschlichen Weltzugangs für die Analyse technischer Medialität, die sich selbst „einer absoluten (nicht medial bedingten) Erkenntnis oder Reflexion“ (<bib id='Hubig 2010a'>Hubig 2010a</bib>: 1517) entzieht.
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:''Es ist zu betonen, daß diese loka&shy;lisier&shy;te Blindheit nicht als dunkle Wolke in unse&shy;rem visu&shy;ellen Feld wahrge&shy;nommen wird (eine dunkle Wolke sehen würde bedeu&shy;ten, daß man “sieht”), sondern, daß diese Blindheit ''über&shy;haupt'' nicht wahrge&shy;nommen wird, d.h. weder als etwas, das gege&shy;ben ist, noch als etwas, das fehlt: Wir sehen nicht, daß wir nicht sehen'' (<bib id='von Foerster 1993a'>Von Foerster 1993a</bib>: S. 27).  
  
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* [[Bildanthropologie]]
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* [[Darstellung]]
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* [[Cyberspace]]
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* [[Fernsehen]]
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* [[Film]]
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* [[Interaktion und Kommunikation]]
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* [[Interaktives Bild]]
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* [[Kompetenz, Performanz, Illokution]]
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* [[Linguistic turn, pictorial turn, medial turn]]
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* [[Medientheorien: Übersicht]]
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* [[Mimesis]]
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* [[Virtualität]]
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* [[Zeichen, Zeichenträger, Zeichensystem]]
  
 
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2019, 16:57 Uhr

Unterpunkt zu: Medientheorien: Übersicht


Ausgangspunkte

‘Medialität’ ist keineswegs erst mit den Entwick­lungen moder­ner Medien­technik eine für entspre­chende Diskur­se grundle­gende Begriff­lichkeit gewor­den. Bereits seit der Anti­ke wird sie als essen­zielles Ele­ment des menschli­chen Weltver­hältnis­ses eben­so inten­siv reflek­tiert, wie auch disku­tiert. Para­digma­tisch in dieser Hinsicht sind die Auffas­sungen von Platon und Aris­tote­les über Bilder und die Art, wie diese mit der Wirklich­keit verbun­den sind.

Für Aristoteles besteht die Media­lität eines Bildes in einem Darstel­len, einem Vermit­teln einer als solchen gege­ben Wirklich­keit. Dabei erschöpft sich das von ihm mit dem Begriff der Mime­sis gefass­te onto­logi­sche Verhält­nis von Natur und Kunst nicht in einer möglichst exak­ten Abbil­dung des einen durch das ande­re, sondern lässt auch Abwand­lungen zu. Diese erfol­gen nach Aris­tote­les jedoch stets im Rahmen des bereits in der Natur ange­legten. Die Medi­ali­tät der Bilder besteht nach dem aris­tote­lischen Verständ­nis somit zum einen in der Erin­nerung an eine als solche gege­bene Wirklich­keit, zum ande­ren – wenn auch mit den erwähn­ten Einschrän­kungen – in deren Vari­ation. Für Platon hinge­gen sind Bilder in einem ande­ren Sinn mime­tisch: Sie sind möglichst exakt an der sinnlich erfahr­baren Natur orien­tiert, wobei diese wiede­rum eine Nach­ahmung, ein Bild ide­eller Urfor­men ist. Medi­ali­tät ist nach diesen Über­legun­gen keine Erin­nerung an Wirklich­keit und Wirklich­keitsmög­lichkei­ten wie bei Aris­tote­les, sondern eine Art meta­physi­sche Rückbe­sinnung auf die soge­nannte Ideen­schau, die nach dem plato­nischen Modell prä­exis­tent erfah­ren wird. Dies wird von Platon aber keines­wegs posi­tiv bewer­tet. Künstler als Herstel­ler von Bildern und ande­ren Kunst­formen haben für ihn keinen Zugang zu diesen Ideen. In der von Bildern verkör­perten Nach­ahmung einer Nach­ahmung, ihrer Repro­duktion von Schein­bildern, ist ihre in dieser Hinsicht onto­logi­sche Medi­ali­tät nega­tiv konno­tiert. Aris­tote­les beginnt demge­genüber, Medi­ali­tät von einer onto­logi­schen Verein­nahmung zu lösen und sieht sie statt­dessen als Mani­festa­tion menschli­cher Erkennt­nis- und Handlungs­möglich­keiten. (Vgl. [Matzker 2008a]: S. 11ff.).

Ausgehend von den beiden hier gegen­über­gestell­ten Denk­richtun­gen lässt sich auf dem Weg zur Moder­ne ein grundle­gender Wandel im Verständ­nis von Medi­ali­tät[1] konsta­tieren: von einer mime­tischen Medi­ali­tät der Wirklich­keitsnach­ahmung hin zu einer inter­preta­tiven Medi­ali­tät der Wirklich­keitser­zeugung und -objek­tivie­rung. Jedoch lassen sich da­neben noch zahlrei­che weite­re Konzep­te von Medi­ali­tät finden, von denen eini­ge hier kurz erwähnt werden sollen. So fasst Ernst Cassi­rer ([Cassi­rer 1996a]: S. 221) das Medi­ale der Kunst als „Inten­sivie­rung von Wirklich­keit“ und sieht sie als „konti­nuier­lichen Konkre­tionspro­zeß“. Medi­ali­tät wird somit zu einem Instru­ment für eine Erschlie­ßung, ein Verste­hen der Welt. Eben­falls mit Blick auf die Kunst veror­tet John Dewey ([Dewey 2006a]: S. 97) sie in seiner Ästhe­tik sowohl als Zeichen als auch als konsti­tuti­ves Ele­ment „für ein verein­tes Kollek­tivle­ben“. In seiner technik­philo­sophi­schen Betrach­tung der Medi­ali­tät beschreibt Christoph Hubig (vgl. [Hubig 2006]: S. 148f.) sie als oszil­lierend zwischen einer Bestim­mung als Reali­sierungs­option und als (techni­scher) Möglich­keitsraum und sensi­bili­siert so dafür, dass Medi­ali­tät nicht nur bestimm­te Möglich­keiten eröff­nen, sondern sie gleichzei­tig auch einschrän­ken oder verschlie­ßen kann.


Gegenwart

Die Medialität eines Mediums wird nach Knut Hicke­thier (vgl. [Hicke­thier 2010a]: S. 25) vor allem durch drei mitein­ander zusam­menhän­gende Aspek­te bestimmt:

  1. Die spezifischen Eigen­schaften des betref­fenden Mediums, die oft in eine charak­teris­tische Ästhe­tik münden. Man könnte hier von einer Medi­ali­tät im enge­ren Sinn sprechen, die sowohl durch die
  2. zur Realisierung des Mediums verwen­deten Techni­ken als auch
  3. seine gesell­schaftli­che Insti­tutio­nali­sierung und Verwen­dungswei­se bestimmt wird.

‘Medialität’ kann somit sowohl zur Abgren­zung der Medien unter­einan­der dienen als auch Eigen­schaften bezeich­nen, die allen Medien gemein­sam sind. Man kann sich damit also einer­seits auf das Bildspe­zifi­sche des Bildes, ande­rerseits auf medien­über­greifen­de Phäno­mene bezie­hen. Die für ein bestimm­tes Medium als charak­teris­tisch erkann­te Medi­ali­tät ist dabei, wie bereits ange­deutet, oft auch von techni­schen Entwick­lungen sowie bestimm­ten histo­risch-​kultu­rellen Verhält­nissen abhän­gig. So defi­nierte Marshall McLuhan ([McLuhan 1998a]: S. 22) in den sechzi­ger Jahren das Fernse­hen als „kaltes Medium“, also als eines, das eine hohe ergän­zend-​inter­preta­tive Betei­ligung des Nutzers erfor­dert, um es über­haupt verste­hen zu können. Diese Einschät­zung beruht im Wesent­lichen auf dem dama­ligen Entwick­lungsstand des Fernse­hens, dessen auf der Katho­denstrahl­röhre präsen­tiertes Bild rela­tiv detail­arm und oft noch schwarz-​weiß war. Ange­sichts der anhal­tenden Tendenz zu immer besse­ren Aufnah­me- und Wieder­gabe­techni­ken wäre Fernse­hen, wenn man McLuhans Unter­scheidung folgt, mittler­weile vielmehr als sehr detail­reiches, „heißes Medium“ zu betrach­ten.

Demgegenüber sind tradi­tionel­le Formen der Medi­ali­tät nicht an bestimm­te Medien gekop­pelt, sondern verwei­sen auf die Kultur als Ganzes: So wird in der Regel die älte­re, vorran­gig über Gesprä­che vermit­telte Kultur der Ora­lität gegen­über der jünge­ren, durch Schrift gepräg­ten Kultur der Lite­rali­tät abge­grenzt. Beide Formen schließen sich jedoch keines­wegs aus, sondern koexis­tieren in der heuti­gen Welt. Dabei ist zu beach­ten, dass die etwa im Radio vorkom­mende Ora­lität eine nur schein­bare ist. Dies ist zum einen auf den Aspekt der techni­schen Transfor­mation, zum ande­ren aber auch auf die schriftli­chen Vorfor­mulie­rungen, auf denen Sprache im Radio häufig basiert, zurück­zufüh­ren (vgl. [Hicke­thier 2010a]: S. 27).

Als eine der gegenwärtig wichtig­sten Formen der Medi­ali­tät ist die Audio­visu­ali­tät zu betrach­ten. Nicht nur mit Film und Fernse­hen, sondern seit Mitte der 2000er Jahre zuneh­mend auch mit dem Inter­net in Form des Web 2.0 kann die damit bezeich­nete Verbin­dung von Sprache, Geräusch und Musik mit stehen­den sowie beweg­ten Bildern als bedeu­tendes Para­digma gegen­wärti­ger Medien­technik und Medien­erfah­rung gelten. Wichti­ge techni­sche Standards für die Audio­visu­ali­tät sind zum einen die Elek­trifi­zierung des in seinen Anfän­gen opto­mecha­nischen Films (und damit auch die Ermög­lichung von Radio und Fernse­hen) sowie zum ande­ren die mit dem Compu­ter einge­führte Digi­tali­sierung, die mehr und mehr auch in ande­ren Medien wie Film, Fernse­hen und Radio, aber auch in Buch (E-Book) und Zeitung (E-Paper) Anwen­dung findet (vgl. [Hicke­thier 2010a]: S. 28ff; ⊳ Cyber­space).

Ein vor allem für das „Web 2.0“, aber zuneh­mend auch für den Bereich der Unter­haltungs­medien (Video-​on-​Demand etc.) als charak­teris­tisch erkann­tes Merkmal ist das der Inter­akti­vität. Die Nutzer derar­tiger Medien­ange­bote eman­zipie­ren sich durch Prozes­se der Selek­tion und Kombi­nation der darge­bote­nen Inhal­te sowie auch der genutz­ten Technik von der Rolle bloßer Empfän­ger. Die insbe­sonde­re für das „Web 2.0“ konsti­tuti­ve, all­gegen­wärti­ge Gene­rierung, kreati­ve Neu­ordnung und Weiter­verbrei­tung von Inhal­ten lässt die Unter­scheidung von Sender und Empfän­ger in diesem Bereich mehr und mehr obso­let werden (vgl. [Schanze 2007a]: S. 103).


Perspektiven

Medialität wird neben ihrer techni­schen und gesell­schaftli­chen Bedingt­heit auch unter ande­ren Gesichts­punkten betrach­tet. Verschie­dene Beiträ­ge befas­sen sich etwa mit ihren Rela­tionen zu Reali­tät (vgl. [Fromme et al. 2011a]) und Perfor­mati­vität (vgl. [Kleiner & Wilke 2013a], [Krämer 2004c]), nehmen eine dezi­diert ästhe­tische Perspek­tive ein (vgl. [Matzker 2008a]) oder unter­suchen die Art, wie menschli­ches Sein im Allge­meinen durch sie ausge­staltet wird (vgl. [Pietraß & Funiok 2010a]). Über­schneidun­gen sind dabei unver­meidlich, dennoch kann jeder der genann­ten Ansät­ze dem unschar­fen Bild der Medi­ali­tät weite­re Details hinzu­fügen. Defi­niti­onen haben demge­mäß immer nur tempo­räre Gültig­keit und sind als Annä­herungs­versu­che anzu­sehen. Einer dieser Versuche fasst Medi­ali­tät als

die jedem Medium zugrunde liegen­den Dispo­siti­ve, Perfor­manzen, Mate­riali­täten, symbo­lischen Ordnun­gen, Ima­gina­tionen, Diskur­se, Archi­ve, Techni­ken, Diszi­plinen usw., die medi­ale Prozes­se beglei­ten, rahmen und in sie einge­hen, ohne sich direkt mitzu­teilen ([Zahn 2011a]: S. 60)

und lässt erahnen, was Hubig (vgl. [Hubig 2010a]: S. 1517) meint, wenn er jegli­ches Denken als medial voll­zogen beschreibt. Um zu einer klaren Vorstel­lung von Medi­ali­tät zu gelan­gen, müsste eben diese Vorstel­lung demnach bereits Teil ihrer selbst sein. Die Real­ität des Medi­alen lässt sich danach als die einer „abwe­senden Anwe­senheit“ ([Zahn 2011a]: S. 60) beschrei­ben: Anwe­send, inso­fern sie menschli­che Sinnes­eindrü­cke, Gedan­ken, Gefüh­le und Handlun­gen prägt; abwe­send, inso­fern sie sich dabei einer direk­ten Bestim­mung entzieht. Dieter Mersch ([Mersch 2009a]: S. 225ff.) schlägt daher vor, von einer medien­theore­tischen Erschlie­ßung zunächst abzu­sehen und stattdes­sen auf die Heran­gehens­weise der Kunst zu setzen. Deren ästhe­tische Mittel können Medi­ali­tät, sofern sie durch entspre­chende Erfah­rung auf ihre Bruch­stellen abzie­len, sicht- und begreif­bar machen.

Die „Vermittlung zwischen künstle­rischen Welten und ästhe­tischen Theorien“ ist für Reiner Matzker (vgl. [Matzker 2008a]: S. 228) eine notwen­dige Bedin­gung des Versuchs einer ästhe­tischen Betrach­tung der Medi­ali­tät. Diese erkennt er als von den verwen­deten Techni­ken, den symbo­lischen Modi und vom seman­tischen Inhalt geprägt. Eine als solche ernst zu nehmen­de Ästhe­tik der Medi­ali­tät darf sich demnach nicht nur mit einem dieser Berei­che ausein­ander­setzen, sondern muss neben der Frage nach dem „womit“ auch die nach dem „wodurch“ und dem „worüber“ stellen.

Eine Frage, die sich ebenfalls durch eine große Rele­vanz in Hinblick auf Medi­ali­tät auszei­chnet, ist die nach ihrer Perfor­mati­vität[2]: Zum einen sind weite Teile menschli­cher (Inter-)​Akti­onen medial geprägt und rücken sie damit in die Nähe des Perfor­mati­vitäts­konzepts, zum ande­ren ermög­licht dieses Konzept auch den Blick auf das eben­so vielschich­tige wie inter­depen­dente Spannungs­feld der „Perfor­mance in den Medien und der Perfor­mati­vität der Medien“ ([Kleiner 2013a]: S. 21) selbst. Ein nicht zuletzt unter diesem Gesichts­punkt in den letzten Jahren immer stärker in die Aufmerk­samkeit gerück­tes Phäno­men ist das der Compu­terspie­le, deren Handlungs­raum nicht nur eine perfor­mati­ve, sondern auch eine ästhe­tische Dimen­sion aufspannt (vgl. [Wiesing 2004a]: S. 127). Es kommt also weni­ger auf den Vollzug einer Handlung an, als darauf, diesen Vollzug auch wahrzu­nehmen. Lambert Wiesing hält diesbe­züglich fest:

Wenn die medialen Möglich­keiten eines inter­akti­ven Bildes um der Möglich­keiten willen verwirk­licht werden, wird das Gesche­hen und Tun im virtu­ellen Raum zur Perfor­mance ([Wiesing 2004a]: S. 127).


Zusammen­fassung

Der Begriff der Mediali­tät ist, wie dieser grobe Über­blick gezeigt hat, kaum in allge­mein verbind­licher Weise zu fassen. Zu weit und zu vielsei­tig ist das mit ihm bezeich­nete Feld, zu groß die quali­tati­ven Unter­schiede inner­halb dessel­ben. Nicht zuletzt ist diese begriff­liche Unschär­fe auch auf die vielen verschie­denen Verwen­dungswei­sen und Nuancen des Medien­begriffs[3] selbst zurück­zufüh­ren. Dennoch soll an dieser Stelle zumin­dest eine grundsätz­liche Unter­scheidung expli­ziert und hervor­geho­ben werden: Medi­ali­tät steht zum einen für die spezi­fischen Eigen­schaften der techni­schen Zeichen­vermitt­lung und kann damit zum Gegen­stand der (verglei­chenden) Unter­suchung einzel­ner Medien werden. Zum ande­ren steht sie aber für das per se mittel­bare (medi­ale) Weltver­hältnis des Menschen und entzieht sich damit, da jegli­cher Wahrneh­mung voraus­gehend, einem direk­ten Zugang (vgl. [Pietraß & Funiok 2010b]: S. 7).

Die anthropologische Rele­vanz der Medi­ali­tät lässt sich demnach in mehrfa­cher Hinsicht konsta­tieren. Ihre techni­sche Ausprä­gung lässt sie in der Gegen­wart nicht nur zu einer „Grund­dimen­sion menschli­chen Wesens­vollzugs“ ([Pietraß & Funiok 2010b]: S. 13) werden, sondern sie gestal­tet „die Möglich­keiten des Mensch­seins“ ([Pietraß & Funiok 2010b]: S. 14) auch in bestimm­ter Weise aus. Auch Hubig (vgl. [Hubig 2010a]: S. 1517) konsta­tiert den prägen­den Einfluss der nicht nur onto­logi­schen, sondern auch epis­temi­schen Mittel­barkeit des menschli­chen Weltzu­gangs für die Ana­lyse techni­scher Medi­ali­tät, wobei diese Mittel­barkeit selbst „einer abso­luten (nicht medial beding­ten) Erkennt­nis oder Refle­xion“ ([Hubig 2010a]: S. 1517) entzo­gen bleibt (⊳ Lin­guistic turn, pic­torial turn, medial turn). Der Begriff der Medi­ali­tät ist demnach nicht nur deshalb so schwer zu fassen, weil er sich einem direk­ten Zugang entzieht, sondern weil er nachge­rade einen blinden Fleck menschli­cher Erkennt­nisfä­higkeit bezeich­net. Wie Heinz von Foerster anmerkt, besteht die Schwierig­keit solcher blinder Flecke nicht darin, dass sie einen blind gegen­über etwas machen, sondern dass sie einen blind gegen­über dieser Blind­heit selbst werden lassen:

Es ist zu betonen, daß diese loka­lisier­te Blindheit nicht als dunkle Wolke in unse­rem visu­ellen Feld wahrge­nommen wird (eine dunkle Wolke sehen würde bedeu­ten, daß man “sieht”), sondern, daß diese Blindheit über­haupt nicht wahrge­nommen wird, d.h. weder als etwas, das gege­ben ist, noch als etwas, das fehlt: Wir sehen nicht, daß wir nicht sehen ([Von Foerster 1993a]: S. 27).
Anmerkungen
  1. Mit die­ser For­mu­lie­rung soll je­doch ex­pli­zit kei­ne Li­ne­a­ri­tät im Den­ken über Me­di­a­li­tät sug­ge­riert wer­den. Wie auch in zahl­rei­chen an­de­ren Dis­kur­sen kon­kur­rier­ten meh­re­re Po­si­ti­o­nen mit­ein­an­der.
  2. Das Kon­zept der Per­for­ma­ti­vi­tät ent­stammt ur­sprüng­lich der Sprech­akt­the­o­rie John Lang­shaw Austins und bringt dort zum Aus­druck, dass Spra­che nicht nur ein Werk­zeug zur Äu­ße­rung von Be­haup­tun­gen oder Be­schrei­bun­gen ist, sondern dass sie da­rü­ber hin­aus auch den Voll­zug von Hand­lun­gen er­mög­licht. So wird mit Sät­zen wie ‘Hier­mit er­klä­re ich Sie zu Mann und Frau.’ im Mo­ment der Ar­ti­ku­la­ti­on er­folg­reich ei­ne Hand­lung aus­ge­führt – hier die des Trau­ens – so­fern die not­wen­di­gen so­zi­a­len und in­sti­tu­ti­o­nel­len Rah­men­be­din­gun­gen er­füllt sind (der Spre­cher soll­te Stan­des­be­am­ter oder Pfar­rer sein usw.); vgl. [Austin 1972a]: S. 25ff..
    Seit­dem wur­de​ »Per­for­ma­ti­vi­tät«​ mehr und mehr zu ei­nem nicht nur trans­me­di­a­len, son­dern auch trans­dis­zi­pli­nä­ren Kon­zept er­wei­tert (z. B. bei [But­ler 1995a] und [But­ler 1997a], [Fi­scher-​Lich­te 2004a] und [Fi­scher-​Lich­te 2012a], [Klei­ner & Wil­ke 2013a] oder [Mersch 2002b]), das zur Be­trach­tung al­ler kul­tu­rel­len Hand­lungs­ar­ten ein­ge­setzt wer­den kann.
  3. Zur Ge­schich­te und den ver­schie­de­nen Aus­prä­gun­gen des Me­di­en­be­griffs sie­he u.a. [Faul­stich 2004a], [Hi­cke­thier 2010a], [Rusch 2007a] so­wie [Schan­ze 2007a].
Literatur                             [Sammlung]

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Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Ausgabe 1: 2014

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Lektorat:

Seitenbearbeitungen durch: Toni Eichler [105], Joerg R.J. Schirra [26] und Tobias Schöttler [1] — (Hinweis)

Zitierhinweis:

[Eichler 2014g-a] Eichler, Toni (2013). Medialität. (Ausg. 1). In: Schirra, J.R.J.; Halawa, M. & Liebsch, D. (Hg.): Glossar der Bildphilosophie. (2012-2024).
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