Morphologie und Syntax: Unterschied zwischen den Versionen

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K (Isolierende, polysynthetische, fusionierende und agglutinierende Zeichensysteme)
K (Isolierende, polysynthetische, fusionierende und agglutinierende Zeichensysteme)
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Sprachen, bei denen grammatische Satzstrukturen den Aufbau dominieren, werden ''isolierend'' Sprachen genannt. Verzichtet eine Sprache fast gänzlich auf grammatische Satzbildungsregeln und stützt sich vor allem auf morphologische Wortbildungsregeln, so spricht man von ''fusionierende'' Sprachen. Die Extreme reichen also beispielsweise von einer Kasusbildung nur über Präpositionen einerseits bis zu einem am Wort selbst markierten Kasussystem mit deutlich mehr als vier Fällen andererseits. Die meisten Sprachen bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen (hier als ‘''agglutinierend''’ bezeichnet).<ref>Dies ist eine etwas vereinfachet Darstellung: Der isolierende Sprachtypus ist dadurch charakterisiert, dass grammatische Funktionen jeweils in Wörtern separiert, der agglutinierende, dass sie jeweils über Morpheme an Wortstämme “angeklebt” werden. Beim fusionierenden Sprachtypus verschmelzen schließlich sogar verschiedene grammatische Funktionen in einem Morphem, so dass sehr komplexe grammatische Beziehungen in einem einzelnen Wort ausgedrückt werden. In den meisen natürlichen Sprachen werden alle drei Typen nebeneinander in jeweils charakteristischem Masse verwendet. Als weitere Eigenschaft müsste eigentlich noch die Flexibilität der Wortstellung berücksichtigt werden. Die beide Dimensionen sind nicht völlig unabhängig voneinander und in der Tabelle unter ‘Grammatikalität’ zusammengefasst.</ref> Andererseits werden Sprachen, deren Wörter im Mittel aus vielen Morphemen bestehen, als ''polysynthetisch'' bezeichnet, während Sprachen, bei denen Wörter aus sehr wenigen Morphemen, oft nur einem einzigen Lexem gebildet sind, ''isolierend'' heißen. ''Synthetische'' Sprachen nehmen dabei eine Mittelstellung ein. Wie in der Tabelle angedeutet, sind die menschlichen Sprachen im Wesentlichen entlang der Diagonale zwischen analytisch-isolierenden Systemen und polysynthetisch-fusionierenden angeordnet. Vergleicht man etwa Deutsch mit Englisch, so befinden sich zwar beide eher im Mittelfeld, doch basiert Englisch auf kürzeren Wörtern (eher isolierend), die in einer eher festen Satzstellung gebraucht werden, während das Deutsche stärker zu Kompositabildungen neigt, in deutlich höherem Masse auf Wortflexionen angewiesen ist (eher fusionierend), zugleich aber eine weitaus freiere Wortstellung erlaubt.
 
Sprachen, bei denen grammatische Satzstrukturen den Aufbau dominieren, werden ''isolierend'' Sprachen genannt. Verzichtet eine Sprache fast gänzlich auf grammatische Satzbildungsregeln und stützt sich vor allem auf morphologische Wortbildungsregeln, so spricht man von ''fusionierende'' Sprachen. Die Extreme reichen also beispielsweise von einer Kasusbildung nur über Präpositionen einerseits bis zu einem am Wort selbst markierten Kasussystem mit deutlich mehr als vier Fällen andererseits. Die meisten Sprachen bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen (hier als ‘''agglutinierend''’ bezeichnet).<ref>Dies ist eine etwas vereinfachet Darstellung: Der isolierende Sprachtypus ist dadurch charakterisiert, dass grammatische Funktionen jeweils in Wörtern separiert, der agglutinierende, dass sie jeweils über Morpheme an Wortstämme “angeklebt” werden. Beim fusionierenden Sprachtypus verschmelzen schließlich sogar verschiedene grammatische Funktionen in einem Morphem, so dass sehr komplexe grammatische Beziehungen in einem einzelnen Wort ausgedrückt werden. In den meisen natürlichen Sprachen werden alle drei Typen nebeneinander in jeweils charakteristischem Masse verwendet. Als weitere Eigenschaft müsste eigentlich noch die Flexibilität der Wortstellung berücksichtigt werden. Die beide Dimensionen sind nicht völlig unabhängig voneinander und in der Tabelle unter ‘Grammatikalität’ zusammengefasst.</ref> Andererseits werden Sprachen, deren Wörter im Mittel aus vielen Morphemen bestehen, als ''polysynthetisch'' bezeichnet, während Sprachen, bei denen Wörter aus sehr wenigen Morphemen, oft nur einem einzigen Lexem gebildet sind, ''isolierend'' heißen. ''Synthetische'' Sprachen nehmen dabei eine Mittelstellung ein. Wie in der Tabelle angedeutet, sind die menschlichen Sprachen im Wesentlichen entlang der Diagonale zwischen analytisch-isolierenden Systemen und polysynthetisch-fusionierenden angeordnet. Vergleicht man etwa Deutsch mit Englisch, so befinden sich zwar beide eher im Mittelfeld, doch basiert Englisch auf kürzeren Wörtern (eher isolierend), die in einer eher festen Satzstellung gebraucht werden, während das Deutsche stärker zu Kompositabildungen neigt, in deutlich höherem Masse auf Wortflexionen angewiesen ist (eher fusionierend), zugleich aber eine weitaus freiere Wortstellung erlaubt.
 
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In extrem analytisch-isolierenden Sprachen, wie etwa Chinesisch, werden Wörter, die aus nur sehr wenigen Morphemen bestehen, niemals morphologisch verändert. Alle grammatischen Relationen werden durch spezielle Wörter ausgedrückt<ref>Dazu zählen z.B. das Anhängen des Wortes ‘men’ (们) zur Pluralbildung, Wortverdopplung als Steigerungsform (‘gut’: 好, ‘besser’: 好好) , Verwendung von Fragepartikeln (‘ma’ - 吗) oder Vergangenheitspartikeln (‘le’ - 了).</ref> oder durch die Position des Wortes im Satz bestimmt (etwa S-P-O). Sätze sind direkte Gruppierungen von Wörtern, wobei für gewöhnlich eine recht strikte Reihenfolge einzuhalten ist. Eine extrem polysynthetisch-agglutinierenden Sprache würde im Gegensatz dazu nur aus Einwort-Sätzen bestehen, wobei die Wörter allerdings meist auf ausgesprochen viele Morpheme zurückgehen, die miteinander verschmolzen sind, um die vollständige Bedeutung entsprechend zu modifizieren. Viele Sprachen der amerikanischen Ureinwohner, wie etwa Náhuatl, nähern sich diesem Extrem stark an.<ref>Unter anderem wegen dieser Eignart wurde im Zweiten Weltkrieg Navaho als unbrechbarer Geheimcode eingesetzt.</ref>
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In extrem analytisch-isolierenden Sprachen, wie etwa Chinesisch, werden Wörter, die aus nur sehr wenigen Morphemen bestehen, niemals morphologisch verändert. Alle grammatischen Relationen werden durch spezielle Wörter ausgedrückt<ref>Dazu zählen z.B. das Anhängen des Wortes ‘men’ (们) zur Pluralbildung, Wortverdopplung als Steigerungsform (‘gut’: 好, ‘besser’: 好好) , Verwendung von Fragepartikeln (‘ma’ - 吗) oder Vergangenheitspartikeln (‘le’ - 了).</ref> oder durch die Position des Wortes im Satz bestimmt (etwa S-P-O). Sätze sind direkte Gruppierungen von Wörtern, wobei für gewöhnlich eine recht strikte Reihenfolge einzuhalten ist. Eine extrem polysynthetisch-agglutinierende Sprache würde im Gegensatz dazu nur aus Einwort-Sätzen bestehen, wobei die Wörter allerdings meist auf ausgesprochen viele Morpheme zurückgehen, die miteinander verschmolzen sind, um die vollständige Bedeutung entsprechend zu modifizieren. Viele Sprachen der amerikanischen Ureinwohner, wie etwa Náhuatl, nähern sich diesem Extrem stark an.<ref>Unter anderem wegen dieser Eignart wurde im Zweiten Weltkrieg Navaho als unbrechbarer Geheimcode eingesetzt.</ref>
 
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Beispielsweise kann die morphologische Struktur des Einwort-Satzes ‘matgībulhahumš’ im ägyptischen Arabisch wörtlich ungefähr übersetzt werden zu ‹nicht -Ihr-solltet-bringen-ihr-sie-Ding› (d.h.: ‘Ihr solltet sie nicht zu ihr bringen’). Das Wort besteht aus den beiden Circumflexen ‘''ma...š''’ (‹nicht … Ding›, Negation) und ‘''t(i)...u''’ (Marker für Imperfekt der zweiten Person Plural im jussiven Modus: etwa ‹Ihr solltet tun›), den beiden Morphemen ‘''l(ī)ha''’ (Dativ der dritten Person Singular feminin: ‹ihr›), ‘''hum''’ (Akkusativ der dritte Person Plural ‹sie›), sowie, als Stamm, ein intern modifiziertes Lexem ‘''gīb''’, das die imperfektive Form von ‘''gāb''’ darstellt und im Deutschen dem Stamm von ‘bringen’ entspricht:   
 
Beispielsweise kann die morphologische Struktur des Einwort-Satzes ‘matgībulhahumš’ im ägyptischen Arabisch wörtlich ungefähr übersetzt werden zu ‹nicht -Ihr-solltet-bringen-ihr-sie-Ding› (d.h.: ‘Ihr solltet sie nicht zu ihr bringen’). Das Wort besteht aus den beiden Circumflexen ‘''ma...š''’ (‹nicht … Ding›, Negation) und ‘''t(i)...u''’ (Marker für Imperfekt der zweiten Person Plural im jussiven Modus: etwa ‹Ihr solltet tun›), den beiden Morphemen ‘''l(ī)ha''’ (Dativ der dritten Person Singular feminin: ‹ihr›), ‘''hum''’ (Akkusativ der dritte Person Plural ‹sie›), sowie, als Stamm, ein intern modifiziertes Lexem ‘''gīb''’, das die imperfektive Form von ‘''gāb''’ darstellt und im Deutschen dem Stamm von ‘bringen’ entspricht:   

Version vom 16. September 2013, 13:39 Uhr

Unterpunkt zu: Zeichentheorien: Übersicht


Grammatik versus Morphologie

Da die Idee der Grammatik in Form der generativen Syntax[1] im Bereich der Sprache sehr fruchtbar gewirkt hat, ist verschiedentlich vorgeschlagen worden, analog die Bildsyntax mithilfe einer Bildgrammatik zu studieren. Allerdings blieb diesen Ansätzen wenig Erfolg beschieden, denn die kompositionale Syntax interessiert sich vor allem für syntaktisch korrekte Kompositionen von Wörtern – als den elementaren Sprachzeichen – zu Sätzen – als den komplexen Sprachzeichen. Ein überzeugendes piktoriales Analogon zu Wörtern derart, dass Bilder als daraus gebildete “Sätze” zu verstehen wären, ist bislang nicht vorgeschlagen worden. Mit der Morphologie ist allerdings ein weiterer Bereich der syntaktischen Studien von Sprache gegeben, der Wörter selbst als komplexe Gebilde untersucht:[2] Wie sollte die innere Struktur von Wörtern und das Verhältnis verschiedener grammatischer Formen eines Wortes bzw. die Relationen zwischen verwandten Wörtern sinnvoll beschrieben werden? Auch hierbei wird in der Regel von einem generativen Ansatz ausgegangen, der sich allerdings deutlich von den grammatischen Satzstrukturen unterscheidet. Das liegt unter anderm daran, dass die morphologische Analyse nicht auf die Unterscheidung zwischen Satz und Wort angewiesen ist. Anders gesagt: Während die grammatische Kompositionalität nur für wort/satzsprachlich organisierte Zeichensysteme Sinn macht, können morphologische Betrachtungen allgemeiner für beliebige Zeichensysteme mit komplexen Zeichen durchgeführt werden.

Bildphilosophisch schließt sich daher die Frage an, ob die morphologische Perspektive besser geeignet ist als die grammatische, um bildsyntaktische Zusammenhänge zu erfassen.

Sprache: Morpheme und morphologische Operatoren

In morphologischen Analysen wird ein Wort als aus Segmenten zusammengesetzt verstanden, die zur Bedeutung oder grammatischen Funktion des Wortes beitragen und ‘Morpheme’ genannt werden.[3] Die Nachsilbe ‘-ed’ im Englischen etwa, die Vorsilbe ‘pré-’ im Französischen oder der Stamm ‘-wend-’ im Deutschen sind typische Beispiele von Morphemen. Morphologische Elemente werden vor allem durch die Substitutionsregel identifiziert und zu Klassen zusammengestellt: Beispielsweise können einige französische Wörter, die mit ‘pré-’ beginnen, in andere französische Wörter transformiert werden, indem jeweils die Vorsilbe durch ‘re-’, ‘con-’, ‘de-’ etc. ersetzt wird.

Morpheme bestehen nicht notwendig aus einer ganz bestimmten Laut- bzw. Buchstabenfolge. So kann etwa im Englischen das den Plural eines Substantivs anzeigende Morphem in zwei Varianten, den so genannten Allomorphen, erscheinen: ‘-s’ oder ‘-es’.[4] Obwohl viele Morpheme bedeutungsmodifizierend wirken, müssen sie nicht unbedingt eine eigene Bedeutung haben: Die meisten Morpheme sind nicht selbst auch Wörter. Morpheme, die zugleich Wörter sind und daher eine eigene Bedeutung tragen, werden freie Morpheme oder Lexeme genannt; die anderen heißen gebunden. Die semantische oder grammatische Funktion eines Morphems kann zudem vieldeutig sein und sich in verschiedenen Kompositionen unterscheiden (etwa das Morphem ‘-(e)s’ als Flexionsnachsilbe oder als Pluralnachsilbe im Englischen). Es sind vor allem die Stamm-Morpheme, die eine Kernbedeutung vermitteln, welche durch morphologische Operationen modifiziert werden kann.

Morphologische Operationen spielen eine zentrale Rolle bei der Neubildung von Wörtern. Allgemein können sie differenziert werden in interne Modifikationen, bei denen im Wesentlichen Vokalwechsel erfolgen (etwa engl. ‘come’ zu ‘came’), und externe Modifikationen durch Anhängen so genannter Affixe – damit werden neben Vor- und Nachsilben (d.h. Prä- und Postfixe) auch Circumfixe (gleichzeitige Verwendung von Vor- und Nachsilben) und Infixe (Einfügen einer Zwischensilbe) zusammengefasst – oder durch Komposita-Bildung, die etwa im Deutschen für viele spontane Wortneubildungen verantwortlich ist (z.B. ‘Bankenschutzschirm’). Während interne Modifikationen gewissermaßen die “Farbe” eines Wortes austauschen, verändern externe Modifikationen seine Gestalt und Größe.

Am besten versteht man Morpheme als Träger ungesättigter Teilhandlungen einer Gesamtzeichenhandlung ohne unabhängige pragmatische Funktion, die auf mehr oder weniger spezifische Weise die Bedeutung oder grammatische Funktion des Wortganzen beeinflussen, selbst aber nicht als Zeichenhandlungen gelten können.[5]

Isolierende, polysynthetische, fusionierende und agglutinierende Zeichensysteme

Formale Satzbildungsgrammatik und wortbildende morphologische Zusammenhänge sind zwei polare Organisationsprinzipien, zwischen denen sich die verschiedenen Sprachen auf einer Skala einordnen lassen. Stellt man die mittlere Anzahl von Morphemen, die in einer Sprache (oder allgemeiner einem wortsprachlichen Zeichensystem) verwendet werden, der hauptsächlichen Art des grammatischen Satzbaus gegenüber, so ordnen sich die natürlichen Sprachen im Wesentlichen entlang einer Diagonalen:[6]

  Mittlere Anzahl von Morphemen pro Wort
analytisch synthetisch polysythetisch
"Gram-
mati-
kali-
tät"
isolierend Chinesisch
agglutinierend Englisch
Deutsch
fusionierend Athapaskisch

Sprachen, bei denen grammatische Satzstrukturen den Aufbau dominieren, werden isolierend Sprachen genannt. Verzichtet eine Sprache fast gänzlich auf grammatische Satzbildungsregeln und stützt sich vor allem auf morphologische Wortbildungsregeln, so spricht man von fusionierende Sprachen. Die Extreme reichen also beispielsweise von einer Kasusbildung nur über Präpositionen einerseits bis zu einem am Wort selbst markierten Kasussystem mit deutlich mehr als vier Fällen andererseits. Die meisten Sprachen bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen (hier als ‘agglutinierend’ bezeichnet).[7] Andererseits werden Sprachen, deren Wörter im Mittel aus vielen Morphemen bestehen, als polysynthetisch bezeichnet, während Sprachen, bei denen Wörter aus sehr wenigen Morphemen, oft nur einem einzigen Lexem gebildet sind, isolierend heißen. Synthetische Sprachen nehmen dabei eine Mittelstellung ein. Wie in der Tabelle angedeutet, sind die menschlichen Sprachen im Wesentlichen entlang der Diagonale zwischen analytisch-isolierenden Systemen und polysynthetisch-fusionierenden angeordnet. Vergleicht man etwa Deutsch mit Englisch, so befinden sich zwar beide eher im Mittelfeld, doch basiert Englisch auf kürzeren Wörtern (eher isolierend), die in einer eher festen Satzstellung gebraucht werden, während das Deutsche stärker zu Kompositabildungen neigt, in deutlich höherem Masse auf Wortflexionen angewiesen ist (eher fusionierend), zugleich aber eine weitaus freiere Wortstellung erlaubt.

In extrem analytisch-isolierenden Sprachen, wie etwa Chinesisch, werden Wörter, die aus nur sehr wenigen Morphemen bestehen, niemals morphologisch verändert. Alle grammatischen Relationen werden durch spezielle Wörter ausgedrückt[8] oder durch die Position des Wortes im Satz bestimmt (etwa S-P-O). Sätze sind direkte Gruppierungen von Wörtern, wobei für gewöhnlich eine recht strikte Reihenfolge einzuhalten ist. Eine extrem polysynthetisch-agglutinierende Sprache würde im Gegensatz dazu nur aus Einwort-Sätzen bestehen, wobei die Wörter allerdings meist auf ausgesprochen viele Morpheme zurückgehen, die miteinander verschmolzen sind, um die vollständige Bedeutung entsprechend zu modifizieren. Viele Sprachen der amerikanischen Ureinwohner, wie etwa Náhuatl, nähern sich diesem Extrem stark an.[9]

Beispielsweise kann die morphologische Struktur des Einwort-Satzes ‘matgībulhahumš’ im ägyptischen Arabisch wörtlich ungefähr übersetzt werden zu ‹nicht -Ihr-solltet-bringen-ihr-sie-Ding› (d.h.: ‘Ihr solltet sie nicht zu ihr bringen’). Das Wort besteht aus den beiden Circumflexen ‘ma...š’ (‹nicht … Ding›, Negation) und ‘t(i)...u’ (Marker für Imperfekt der zweiten Person Plural im jussiven Modus: etwa ‹Ihr solltet tun›), den beiden Morphemen ‘l(ī)ha’ (Dativ der dritten Person Singular feminin: ‹ihr›), ‘hum’ (Akkusativ der dritte Person Plural ‹sie›), sowie, als Stamm, ein intern modifiziertes Lexem ‘gīb’, das die imperfektive Form von ‘gāb’ darstellt und im Deutschen dem Stamm von ‘bringen’ entspricht:

m a t g ī b u l h a h u m š
(gāb)
gīb
t(i) u
l(ī)ha
hum
ma . . . š

All diese morphologischen Elemente sind in ein einziges Wort amalgamiert, das als Satz verwendet wird. Das Schema einer solch komplexen Kombination durch Verschmelzung von Morphemen mit partiellen Phonem-Auslassungen zusammen mit der Verwendung umschließender und einfügender Affixe kann in der Tat die Vorstellung bildsyntaktischer Strukturen viel eher evozieren, als das Schema formaler Grammatiken.

Übertragung auf Bilder

Offensichtlich sind die geometrischen Elemente eines Bildträgers und ihre relative Anordnung entscheidend für Bedeutung und pragmatische Funktion eines Bildes, ohne dass ihnen doch jeweils eine klar umrissene eigene Bedeutung unabhängig vom Bildganzen zugeordnet werden könnte. Ein kleiner orangerot ausgefüllter Kreis kann – unter anderem – als Nase eines Schneemanns dienen oder als untergehende Sonne. Flächig zusammengeschmolzen bilden diese Elemente eine in sich abgeschlossene morphologische Einheit, die eine deutliche Analogie zu den Ein-Wort-Sätzen einer polysynthetischen Sprache aufweist. Da eine derartige Verschmelzung von funktionsmodifizierenden Komponenten in ein einziges Zeichen nicht von der Wort/Satz-Unterscheidung abhängig ist, wie sie für Sprache (im engeren Sinn) konstitutiv ist, legt sich eine morphologische Betrachtung der Bildsyntax nicht in gleicher Weise auf Grundelemente und Kompositionsregeln fest, die für bildgrammatische Analysen bislang den Erfolg verhinderten. Diese Idee wird im Artikel ⊳ Bildmorphologie näher betrachtet.[10]

Anmerkungen
  1. vgl.hierzu Wikipedia:Generative Grammatik.
  2. Obwohl die Bezeichnung ‘Morphologie’ bereits 1859 von August Schleicher (unter dem Einfluss von Goethes morphologischer Theorie des Pflanzenwachstums) in die Sprachforschung eingeführt worden ist, wurde eine spezifisch morphologische Untersuchung von Wörtern – im Gegensatz zu den syntakto-grammatischen Studien über den Satzbau und unabhängig von der Phonologie – erst ab den 1970er Jahren vorangetrieben; [Schleicher 1859a]Schleicher, August (1859).
    Zur Morphologie der Sprache. In Mémoires de l'académdie impériale des sciences de St. Pétersbourg, 1?, 7, 1-38.

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    ; vgl. auch Wikipedia:Morphologie (Sprache).
  3. Der Ausdruck “Morphem” ist um 1881 von B. de Courtenay vorgeschlagen und von L. Bloomfield weiter ausgearbeitet worden; [Bloomfield 1933a]Bloomfield, Leonard (1933).
    Language. New York: Henry Holt and Co.

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    ; Vgl. auch Wikipedia:Morphem.
  4. Phonetisch ergeben sich je nach betrachtetem Substantiv sogar noch mehr Allomorphe, da ‘-s’ bzw. ‘-es’ kontextabhängig stimmhaft oder stimmlos ausgesprochen werden können.
  5. Diese Einschränkung unterscheidet sie etwa von Prädikation und Nomination, die tatsächlich ungesättigte Teilzeichenhandlungen sind und jeweils sehr spezifische pragmatische Funktionen tragen.
  6. Diese Beobachtung geht letztlich auf W. v. Humbold und A. W. v. Schlegel zurück. Vgl. auch [Haase 2007a]Literaturangabe fehlt.
    Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
    - Buch,
    - Artikel in Zeitschrift,
    - Beitrag in Sammelband,
    - Sammelband,
    - andere Publikation,
    - Glossarlemma.
    und [Lehmann online]Literaturangabe fehlt.
    Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
    - Buch,
    - Artikel in Zeitschrift,
    - Beitrag in Sammelband,
    - Sammelband,
    - andere Publikation,
    - Glossarlemma.
    , sowie Wikipedia: Sprachtypologie.
  7. Dies ist eine etwas vereinfachet Darstellung: Der isolierende Sprachtypus ist dadurch charakterisiert, dass grammatische Funktionen jeweils in Wörtern separiert, der agglutinierende, dass sie jeweils über Morpheme an Wortstämme “angeklebt” werden. Beim fusionierenden Sprachtypus verschmelzen schließlich sogar verschiedene grammatische Funktionen in einem Morphem, so dass sehr komplexe grammatische Beziehungen in einem einzelnen Wort ausgedrückt werden. In den meisen natürlichen Sprachen werden alle drei Typen nebeneinander in jeweils charakteristischem Masse verwendet. Als weitere Eigenschaft müsste eigentlich noch die Flexibilität der Wortstellung berücksichtigt werden. Die beide Dimensionen sind nicht völlig unabhängig voneinander und in der Tabelle unter ‘Grammatikalität’ zusammengefasst.
  8. Dazu zählen z.B. das Anhängen des Wortes ‘men’ (们) zur Pluralbildung, Wortverdopplung als Steigerungsform (‘gut’: 好, ‘besser’: 好好) , Verwendung von Fragepartikeln (‘ma’ - 吗) oder Vergangenheitspartikeln (‘le’ - 了).
  9. Unter anderem wegen dieser Eignart wurde im Zweiten Weltkrieg Navaho als unbrechbarer Geheimcode eingesetzt.
  10. Vergleiche aber auch die Ausführungen in Bilderschrift und Piktogramm.
Literatur                             [Sammlung]

[Bloomfield 1933a]: Bloomfield, Leonard (1933). Language. New York: Henry Holt and Co.

[Haase 2007a]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Lehmann online]:
Literaturangabe fehlt.
Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als:
- Buch,
- Artikel in Zeitschrift,
- Beitrag in Sammelband,
- Sammelband,
- andere Publikation,
- Glossarlemma.
[Schleicher 1859a]: Schleicher, August (1859). Zur Morphologie der Sprache. Mémoires de l'académdie impériale des sciences de St. Pétersbourg, Band: 1?, Nummer: 7, S. 1-38.


Hilfe: Nicht angezeigte Literaturangaben

Verantwortlich:

Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [30], Klaus Sachs-Hombach [5] und Emilia Didier [1] — (Hinweis)